Protokoll der Sitzung vom 01.02.2001

(Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Hans-Michael Bender: Das hat auch niemand behauptet!)

Die Frage, welche Futtermittel eingesetzt werden, ist auch nicht von großen und von kleinen Betrieben unterschiedlich gehandhabt worden.

(Abg. Haas CDU: Das müssen Sie dem Schröder sagen!)

Wenn ich es richtig gelesen habe, so war einer der am meisten beanstandeten Futtermittelhersteller in Bayern mit entsprechenden Ermittlungen und Fehlleistungen ein Betrieb im Bereich der Raiffeisengruppe. So habe ich es jedenfalls gelesen. Darüber müssten Sie auch einmal nachdenken. Wir können auch einmal fragen, wer da im Aufsichtsrat saß

(Abg. Haas CDU: Da waren auch Genossen da- bei!)

und wie es mit den berufsständischen Vertretungen in diesem Bereich eigentlich aussieht.

(Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

Ich sage Ihnen: Ich bitte die Bauern – die wirklichen, die kleinen, die normalen Bauern –, in Zukunft auch auf die Tätigkeit mancher der mit ihnen in der großen Politik so verflochtenen und zu Pfründen gelangten Standesfunktionäre ein größeres Augenmerk zu richten. Das sage ich ihnen ausdrücklich. Das ist ein wichtiges Thema – aber für die spätere Zeit.

(Zuruf des Abg. Fleischer CDU)

In Bayern haben die Ermittlungsbehörden festgestellt, dass allein die dort inkriminierten zwei Autobahntierärzte 1 200 Kunden gehabt haben – 1 200 Kunden! Das ist eine stattliche Anzahl. Ich sage das, weil Sie behaupten, das sei kein

Problem in der Breite und es ginge um einige wenige schwarze Schafe.

(Abg. Teßmer SPD: 1 200 Einzelfälle!)

Machen Sie da der Bevölkerung bloß nichts vor, und schildern Sie die Wirklichkeit nicht romantisch und verklärt,

(Abg. Weiser CDU: Halten Sie sich einmal an die Wirklichkeit!)

weil Ihnen das parteitaktisch günstig erscheint.

Wir sagen: Uns geht es nicht um klein oder groß, sondern uns geht es darum, dass die Verbraucher in Deutschland endlich wissen müssen, was sie essen, und dass es ein Qualitätszeichen gibt, bei dem wirklich die Hand dafür ins Feuer gelegt wird, dass man weiß, was man isst und dass es nicht schadet, und dass dieses Qualitätszeichen endlich nicht mehr nur von Ihrer Truppe überwacht wird, sondern von den Umweltverbänden und den Verbraucherverbänden. Darum geht es.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen)

Für eine solche Politik, die vom Verbraucherschutz her formuliert wird, kommt es ausschließlich auf die Qualität der Produkte an, nicht auf groß und nicht auf klein, nicht auf oben und nicht auf unten, sondern ausschließlich auf die Qualität der Produkte. Das wollen wir, und das werden wir auch in diesem Land durchsetzen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Nach § 82 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich das Wort Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Salomon.

(Abg. Hauk CDU: Zurücknahme!)

Dazu sage ich auch noch etwas.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

(Abg. Hauk CDU: Aber gleich!)

Dazu sage ich etwas, wenn ich etwas dazu sagen will, nicht wenn Sie es wollen, Herr Hauk.

(Abg. Haasis CDU: Und wir hören zu, wenn wir zuhören wollen! – Die meisten CDU-Abgeordne- ten verlassen den Sitzungssaal.)

Richtig. Aber Sie müssen mir zuhören, weil anschließend die Abstimmung ist. Von daher würde ich Ihnen einfach empfehlen, sitzen zu bleiben.

(Abg. Hauk CDU: Wir müssen Ihnen nicht zuhö- ren! – Abg. Wacker CDU: Bei Entschuldigungen hören wir gern zu! – Weitere lebhafte Zurufe von der CDU)

Sie können auch alle hinausgehen. Ich rede so lange, wie ich will. Machen Sie es, wie Sie es wollen. Es dauert alles

länger. Der Herr Kollege Pfister hat schon einen solchen Hunger, dass er gesagt hat, er sei bereit, alles zu essen, ob es getestet sei oder nicht.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Stimmt! – Abg. Göbel CDU: Aber auf einen vernünftigen Umgang mit- einander legen wir auch noch Wert!)

Es dauert halt noch einen Moment. Ich freue mich, dass der Herr Ministerpräsident hier bleibt, weil ich auch auf seine Ausführungen antworten will. Ich werde auch ausführlich auf alles antworten, was wir angesprochen haben.

Meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, ich denke, Sie haben am Anfang zwei Dinge getan, wo Sie einen Popanz aufgebaut haben. Es ist völlig klar, dass man jetzt nicht, auch nicht in Berlin, die biologische Landwirtschaft gegen die konventionelle Landwirtschaft ausspielen darf. Nein, das ist völlig klar,

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Es sieht aber ganz so aus!)

weil auch das hohe Ziel, von 2,5 % Biolandbau auf 10 % zu kommen, natürlich nicht heißt, dass am Ende nicht 90 % konventioneller Landbau übrig bleiben. Das ist ja völlig klar. Die Frage ist doch eine ganz andere, nämlich ob wir nicht insgesamt das Leitbild in der Landwirtschaft ändern müssen. Deshalb ist die Umstrukturierung des Ministeriums in Berlin ein so wichtiger Schritt. Wir haben nie gesagt, dass der Verbraucherschutz, so wie er in Baden-Württemberg organisatorisch im Ministerium verankert ist, der Hauptpunkt ist, der kritisiert werden soll. Insofern haben Sie natürlich Recht, wenn Sie sagen, dass Sie das, was jetzt in Berlin gemacht wird, in Baden-Württemberg organisatorisch schon längst vollzogen haben, übrigens damals auf ein Monitum des Rechnungshofs hin, weil der gesagt hat, es könne nicht sein, dass der Verbraucherschutz über x Ministerien im Land verteilt sei.

Die entscheidende Frage, die in Berlin jetzt anders beantwortet wird, ist doch, was eigentlich das Neue an Frau Künast ist und warum Frau Künast so wichtig für ein neues Verständnis von Landwirtschaftspolitik ist. Das hat Herr Maurer beantwortet. Die Antwort ist nämlich, dass es, wenn man schon beides in einem Ministerium gleichzeitig verankert, nur Sinn macht, wenn im Kopf des Ministeriums die politische Verantwortung für den Verbraucherschutz steht und nicht für eine Agrarlobby, wie es hier in BadenWürttemberg der Fall ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Solange ich politisch denken kann – das sind ungefähr 30 Jahre, dass ich mich zurückerinnern kann –, hatten wir immer Landwirtschaftsminister, angefangen bei Herrn Ertl über Herrn Kiechle und Herrn Borchert bis hin zu Herrn Funke, die früher selber Landwirte waren und die stolz darauf waren, dass sie den Aufstieg gemacht haben und im Ministerium dann die Interessen ihrer Landwirte vertreten konnten, aber nicht die Interessen der Verbraucher. Das ist das Neue an Frau Künast. Das ist das, was Frau Staiblin nicht repräsentiert. Das ist der eigentliche Punkt, Organisation hin oder her.

Deshalb sage ich Ihnen – das ist der nächste Punkt –, dass das HQZ keine Zukunft haben wird, ganz einfach deshalb, weil niemand daran glaubt, dass hiermit bessere Qualität verbunden wird. Das HQZ war über die Jahre hinweg immer nur ein regionales Herkunftszeichen, aber es war kein Qualitätszeichen. In der Hähnchenmast war es so, dass die Antibiotika nicht einmal restriktiv verwendet werden mussten, sondern man sie einfach ungeschützt verwenden konnte. Wo also ist beim HQZ die Qualität?

Ich denke, das ist ein wichtiger Punkt, der in Berlin verfolgt werden wird: Wir brauchen künftig zwei bundesweite Qualitätszeichen, ein Biogütesiegel und ein konventionelles Gütesiegel, das aber an klare Kriterien geknüpft sein wird. Damit wird die konventionelle Landwirtschaft nicht gegen die biologische ausgespielt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD)

Das macht aber natürlich nur unter einer anderen Überschrift Sinn, nämlich der, dass Verbraucherschutz das höchste der Güter ist.

Ich will Ihnen noch etwas zum Thema Kontrolle sagen. Sie haben hier aufgelistet, was Sie auf einmal alles kontrollieren wollen, was Sie früher nicht kontrolliert haben. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Kontrolle ist das eine, aber aus der Kontrolle müssen auch Konsequenzen folgen.

Dann haben Sie noch etwas gemacht, was ich nicht für Verbrauchertäuschung, sondern für Abgeordnetentäuschung halte. Sie haben aus einem Bundesratsprotokoll zitiert und gesagt, inhaltlich sei dies in der Substanz genau das, was in dem Brief von Frau Staiblin stehe. Herr Ministerpräsident, das ist es eben nicht. In der Substanz besagte dieser Antrag, dem 13 Bundesländer zugestimmt haben, unter anderem auch Nordrhein-Westfalen, lediglich, dass man sich nach dem damaligen Wissen und Glauben versichert hat, dass man – was BSE angeht – kein Risikoland sei. Das ist alles. Gegenstand des Antrags war nicht, dass man Risikomaterial weiterhin ungefährdet in die Wurst mischen kann. Da täuschen Sie sich einfach.

(Zuruf der Abg. Dr. Carmina Brenner CDU)

Zum Tiermehl und zur persönlichen Verantwortung muss ich noch eines sagen: Sie haben in Ihrer Regierungserklärung soeben zwei Maßstäbe genannt. Einer davon – das ist eigentlich auch richtig – lautet: Man kann nur das Menschenmögliche tun, also das, was man auch weiß. Jetzt habe ich versucht, aufzuzeigen, dass Frau Staiblin, obwohl sie seit fünf Jahren gewusst hat, dass systematisch – nicht zufällig, sondern systematisch, bei 70 % aller Proben bis zu 1 % – Tiermehl enthalten war, die EU-Vorschrift, die von null Toleranz ausgeht, nicht eingehalten hat. Sie hat versucht, von der Bundesregierung quasi einen Freibrief dafür zu bekommen, dass man 1 % tolerieren darf.

(Abg. Dr. Carmina Brenner CDU: Alle haben das versucht!)

Das war die Absicht. Damit hat sie – ich wiederhole es noch einmal – nicht nur die Verbraucher getäuscht, die davon ausgegangen sind, dass HQZ-Produkte gesund sind.

Sie hat auch die Bauern getäuscht, die geglaubt haben, wenn sie Kraftfutter zukaufen, sei es tiermehlfrei. Das ist eine doppelte Täuschung.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es ist nicht das Menschenmögliche, was Sie getan haben, sondern Sie haben sich richtig – man muss es sagen – zur Agentin der Futtermittelindustrie gemacht. Dazu kann ich nur sagen, man müsste eigentlich einmal nachforschen, ob es menschliches Versagen oder Unwissenheit war – was eine lässliche Sünde wäre –, oder ob eine Amtspflichtverletzung vorliegt, was schon ein ganz anderer Vorwurf wäre.