Protokoll der Sitzung vom 01.02.2001

Es ist nicht das Menschenmögliche, was Sie getan haben, sondern Sie haben sich richtig – man muss es sagen – zur Agentin der Futtermittelindustrie gemacht. Dazu kann ich nur sagen, man müsste eigentlich einmal nachforschen, ob es menschliches Versagen oder Unwissenheit war – was eine lässliche Sünde wäre –, oder ob eine Amtspflichtverletzung vorliegt, was schon ein ganz anderer Vorwurf wäre.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD)

Zum Thema Staatsrat will ich nur eines sagen. Sie haben gesagt, man könne gar nichts dagegen haben – das wäre fast charakterlos –, wenn ein Staatsrat berufen wird, der sich um den Lebens- und Gesundheitsschutz kümmert. Natürlich kann man überhaupt nichts dagegen haben, wenn das getan wird. Aber man muss die Frage hinzufügen, was dieser arme Mensch, der hier vorne sitzt und den ich persönlich – ich habe ihm vorhin gratuliert – sehr nett finde und dessen Qualifikation als Wissenschaftler auch gar niemand infrage stellt, eigentlich tun kann. Er kann zwei Tage in der Woche ehrenamtlich beraten und einem Kabinett aus wissenschaftlicher Sicht Hinweise geben. Wie ich gehört habe, tagt das Kabinett in dieser Legislaturperiode nur noch ein einziges Mal.

(Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Ein- mal ist keinmal!)

Was kann dieser Mensch tun? Beratend tätig sein bei einem Ministerpräsidenten, von dem man gemeinhin hört, er sei beratungsresistent?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es ist einfach absurd.

Sie können Ihren Kollegen sagen, dass ich jetzt noch zu dem Punkt Honecker Stellung nehmen werde. Wenn sie es interessiert, können sie hereinkommen, aber ich warte nicht, bis alle da sind; ich fange gleich an.

Herr Ministerpräsident, ich habe Sie nicht mit der Person Erich Honecker verglichen.

(Ministerpräsident Teufel: Sie können mich nicht beleidigen! – Zurufe von der SPD: Oh! – Anhal- tende lebhafte Unruhe)

Ich habe auch Ihre Politik nicht mit der Erich Honeckers verglichen. Ich habe Sie nicht beleidigt, wollte Sie auch nicht beleidigen, und nichts liegt mir ferner. Ich habe mich aber auch weder zu entschuldigen noch irgendetwas zurückzunehmen. Aber ich kann gerne wiederholen, was ich gesagt habe.

(Abg. Dr. Glück FDP/DVP: Wir haben es einmal gehört! Das reicht! – Abg. Drautz FDP/DVP: Wir wollen es nicht noch einmal hören!)

Ich habe lediglich verglichen. Ich habe lediglich eine Haltung verglichen, eine Haltung von jemandem, der nicht versteht, dass sich die Welt um ihn herum ändert, und den alle fragen, warum er sich nicht ändere. Der Zusammenhang war klar: Wir machen eine andere Landwirtschaftspolitik, und Erwin Teufel sagt: „Das brauchen wir nicht. Wir haben es hier immer schon so gemacht, und so, wie wir es machen, ist es gut.“

(Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Die CDU denkt doch selber so über Teufel! – Abg. Dr. Schäfer Bündnis 90/Die Grünen: Deswegen gehen sie raus!)

Ja, die CDU denkt selber so.

Diesen Vergleich habe ich mit folgendem Dialog angestellt: Man hat Honecker gefragt: „Warum demokratisierst du dich nicht? Gorbatschow macht es doch auch.“ Dann hat er gesagt: „Wenn andere ihre Wohnung tapezieren, muss ich das nicht auch machen.“ Wenn ich heute höre, was der Herr Ministerpräsident von sich gegeben hat, dann passt der Vergleich.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich habe ihn weder mit einem Kommunisten verglichen – nichts läge mir ferner; das wäre auch absurd –, noch habe ich behauptet, dass er den Schießbefehl an der Mauer gegeben hat; das wäre ja völlig idiotisch. Ich habe nicht einmal behauptet, obwohl er jetzt einen Staatsrat ernannt hat, dass er Staatsratsvorsitzender ist. Das wäre auch falsch.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Heiterkeit beim Bündnis 90/Die Grünen und der SPD – Abg. Schonath REP: So ein Schwachsinn! – Abg. Dr. Carmina Brenner CDU: Anstand ist Glückssache! – Minister Dr. Palmer: Charakterlos!)

Ich glaube, wenn man einigermaßen guten Willens ist und sich bemüht, anderen zuzuhören, dann konnte man das nie und nimmer als Beleidigung auffassen. Wenn er sich beleidigt fühlt, tut mir das Leid, aber ich glaube nicht, dass es mit meinen Äußerungen zu tun hat.

(Lebhafter Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und der SPD – Abg. Dr. Carmina Brenner CDU: Ungezogen! – Minister Dr. Palmer: Charakterlos ist das, wirklich charakterlos! Das ist auch nicht zu verteidigen! Dann sich über Plakate aufregen!)

Nach § 82 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Schlierer das Wort.

(Unruhe)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hoffe, dass sich die Aufregung über missglückte Vergleiche wieder legt.

(Abg. Haasis CDU: Nicht so schnell!)

Manche Vergleiche fallen auf denjenigen zurück, der sie gebraucht. Insofern empfehle ich da Gelassenheit.

(Abg. Teßmer SPD: Damit kann er leben, glaube ich!)

Meine Damen und Herren, ich möchte zu den Ausführungen des Herrn Ministerpräsidenten noch vier Anmerkungen machen:

Der Herr Ministerpräsident hat von einer Holschuld gegenüber der Wissenschaft gesprochen. In der Tat: Eine solche Holschuld gibt es. Es ist aber falsch, dies nun so darzustellen, als sei diese Holschuld erst durch die Erkenntnisse Ende letzten Jahres entstanden.

Die Erkenntnisse über die transmissiblen spongiformen Enzephalopathien sind viel länger vorhanden. Es wäre schon längst angesagt gewesen, sich über den Kenntnisstand der Wissenschaft zu informieren. Deswegen ist für mich auch die Berufung eines Staatsrates für fünf Monate kurz vor einer Landtagswahl keine geeignete Maßnahme, um diese Holschuld, die schon länger besteht, auszugleichen.

(Beifall bei den Republikanern – Glocke des Präsi- denten – Minister Dr. Palmer hält sich vor der Bank des Abg. Oettinger CDU auf. – Abg. Birzele SPD: Der Staatsminister hat nichts im Plenum ver- loren! Er hat nichts im Abgeordnetenraum zu su- chen! – Unruhe)

Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang will ich auf die Forderung in der Regierungserklärung des Herrn Ministerpräsidenten am 13. Dezember letzten Jahres zurückkommen, in der er davon sprach, dass jetzt schnell Testverfahren entwickelt werden müssten. Dazu nur zwei Anmerkungen.

Erstens: Die Entwicklung solcher Testverfahren hätte man schon viel früher betreiben müssen, nicht erst jetzt. Der Dezember 2000 ist nicht der maßgebliche Zeitpunkt. Ich frage mich in diesem Zusammenhang auch, warum man sich dann nicht seitens der Landesregierung dafür einsetzt, Quarantänebestände bei uns einzurichten, um die Forschung in diesem Bereich weiterzutreiben.

(Beifall bei den Republikanern)

Das ist doch halbherzig, was hier vorgetragen wird.

Zweitens: Ich erlaube mir hier auch den Hinweis, dass es sehr wohl aus den Reihen des Parlaments schon seit Jahren Anträge und Anfragen zu diesem Themenkomplex gegeben hat. Aus den Reihen meiner Fraktion gibt es 13 Anträge zu diesem Themenbereich. Der erste stammt vom Juni 1996, nicht erst aus dem Jahr 2000.

(Beifall bei den Republikanern)

Meine Damen und Herren, wir haben vorhin gehört, dass es so enge Spielräume in der EU-Agrarpolitik gebe, dass man nicht mehr in der Lage sei, nationale Interessen durchzusetzen. Interessant! Als wir auf genau diese Gefahr im

Bereich der Europapolitik hingewiesen haben, ist uns das immer als Europafeindlichkeit angekreidet worden. Jetzt kommen dieselben Leute, die das seit Jahr und Tag als die historische Perspektive für uns hier beschworen haben, und beklagen sich darüber.

(Abg. Kiefl CDU: Immer noch besser als nationa- listisch!)

Ich halte das für ein Stück Heuchelei, Herr Kollege Kiefl, für nichts anderes.

(Beifall bei den Republikanern)

Im Übrigen stimmt es bei genauem Hinsehen natürlich auch nicht. Denn gerade die Behandlung des BSE-Problems auf europäischer Ebene lehrt eines – da muss man sich dann allerdings etwas tiefer damit befassen –: dass es nämlich den Briten sehr wohl gelungen ist, nationale Interessen auf EU-Ebene gegen die anderen Mitgliedsstaaten durchzusetzen. Das ist nur eine Frage, wie weit man sich einsetzt und wie weit man sich durchsetzen will. Dazu sage ich Ihnen: Da hat es bei den Bundesregierungen unter Kohl gefehlt, und da fehlt es heute unter Schröder genauso. Das ist die Schwäche der deutschen Politik in Europa.

(Beifall bei den Republikanern – Abg. Schonath REP: So ist es!)

Dazu gehört auch, dass man sich einmal überlegt: Um welche Interessen geht es hier eigentlich? Da muss man doch eine Abwägung treffen. Das sind doch nicht nur irgendwelche Marktinteressen, sondern hier geht es um Gesundheitsschutz, um Lebensschutz. Solche Interessen haben nun einmal in der Abwägung Vorrang. Hier vermisse ich auf Bundes- und Länderebene ein konzertiertes Vorgehen mit der Zielsetzung, unsere Interessen, unsere Standards in Europa durchzusetzen. Solange es hier Defizite gibt, kann sich keiner hinstellen und sagen: „Jetzt ist die EU gefordert, jetzt ist der Bund gefordert.“ Immer die anderen sind diejenigen, die nun plötzlich die Probleme lösen sollen. Hier fehlt es auch bei unserer Landesregierung an allem, was man im Sinne eigener Interessenartikulation hätte tun können.

(Beifall bei den Republikanern)

Das sehen wir auch konkret an einem weiteren Punkt. Wir leben nicht auf einer Insel der Seligen; das wird niemand behaupten. Wir leben in einer EU der offenen Grenzen; das wissen wir alle. Aber welche Folgerungen ziehen wir denn daraus? Die Folgerung muss die der intensiveren Kontrollen sein, wenn man damit rechnen muss, dass im Rahmen dieser offenen Grenzen Futtermittel nach Deutschland importiert werden, die nicht unseren Ansprüchen genügen. Auch da, kann ich nur sagen, gibt es schwere Versäumnisse dieser Landesregierung und der früheren Bundesregierung.

Nun noch eine abschließende Bemerkung zu der Frage Wahlkampfmanöver. Ich bin schon etwas überrascht gewesen, denn es wird ja wohl kaum einen Zweifel daran geben, dass man immer dann, wenn Probleme inhaltlich nicht richtig angegangen werden können, nach Strukturveränderungen schreit. Wie schön, wenn man irgendwo etwas

Neues strukturell inszeniert! Das erweckt ja den Anschein, als ob man dem Problem nunmehr Herr werden könnte.

Ich zweifle nicht an den fachlichen Qualitäten von Herrn Professor Beyreuther. Ich zweifle nicht daran, dass er die Landesregierung sachkundig beraten wird. Aber was erwarten wir denn jetzt eigentlich von dieser Beratung in den nächsten Wochen, bei einer Berufung auf Zeit, in einer Kabinettssitzung? Was soll denn da noch viel passieren? Ich brauche auch nicht die Beratung eines Fachmanns, um zu wissen, dass ich mehr Kontrollen durchführen muss, wenn ich die Erfahrungen habe, die wir in den letzten Jahren hier im Land haben sammeln müssen.

(Beifall bei den Republikanern)