Zur SPD will ich mir nur folgenden Hinweis erlauben. Herr Bebber, was Sie hier abgeliefert haben, war ein klassisches Beispiel für Verleumdung. Wissen Sie, warum? Weil Sie versucht haben, mit einer absolut falschen Darstellung einen Zusammenhang zwischen den Republikanern und der NPD herzustellen.
Sie haben nämlich gesagt, es gebe einen Herrn Fischer in Hessen, der von den Republikanern gefordert habe, mit der NPD zusammenzuarbeiten. Sie haben aber nicht gesagt, dass der Mann deswegen rechtskräftig aus der Partei ausgeschlossen worden ist – das haben Sie nicht erwähnt –,
und zwar genau wegen dieser Konsequenz, weil wir klar und deutlich gesagt haben: Wer eine solche Position vertritt,
hat bei uns in der Partei nichts zu suchen. Deswegen ist er ausgeschlossen worden. Sie erwähnen das nur deshalb nicht, um einen völlig falschen Eindruck zu erwecken.
Das lassen Sie sich bitte gesagt sein. Das ist Desinformation, aber ganz bestimmt kein reeller Debattenbeitrag.
Nun zu Ihnen, Herr Kretschmann. Sie haben mit wohl gewählten Worten schön vom Thema abgelenkt. Erst zum Schluss sind Sie wieder zum eigentlichen Gegenstand der Debatte gekommen. Es geht nämlich darum, zu fragen, ob das Verhalten, das Ihre jetzt so geläuterten Parteifreunde damals gezeigt haben, nachdem keine ganz eindeutige Distanzierung von den Vorgängen erfolgt ist, als Vorbild in dieser Demokratie dienen kann oder nicht.
Wenn Sie jetzt argumentieren, sie hätten inzwischen die große Resozialisierung erfahren, seien jetzt in Amt und Würden und seien staatstragend geworden, frage ich mich: Reicht das allein aus, um eine Vorbildfunktion in unserer Gesellschaft zu übernehmen? Das ist doch die entscheidende Frage. Es reicht eben nicht aus. Selbstverständlich kann sich jemand läutern. Selbstverständlich kann jemand auch einmal etwas von früher zurücknehmen, und jedem muss man ein gewisses Recht auf Veränderung oder auf Korrektur seiner Positionen einräumen. Aber nirgendwo steht geschrieben, dass der reuige Sünder nachher unbedingt an der Spitze eines Staates stehen muss.
Da sind wir wieder bei dem Thema der Glaubwürdigkeit. Es ist eben nicht glaubwürdig. Wissen Sie, Herr Kretschmann, was auch nicht glaubwürdig ist?
Wenn Herr Trittin im Januar 2001 in der Diskussion über den berüchtigten „Mescalero“-Artikel beispielsweise sagt: „Rückblickend betrachtet haben wir damals versucht, auf eine vielleicht zu trotzköpfige Art die Meinungsfreiheit zu verteidigen.“
Stellen Sie sich das mal vor! Und das sagt er jetzt im Zusammenhang mit diesem unerträglichen Artikel, der damals zu der Ermordung des Generalbundesanwalts Buback veröffentlicht worden ist! Da sagt er nicht: „Das verurteile ich“, nein, da sagt er: „Wir waren vielleicht ein bisschen zu trotzköpfig.“
Sehen Sie, das ist die Frage der Glaubwürdigkeit im Umgang mit dem Thema Gewalt. Da haben Sie ganz große Probleme.
Zum Schluss will ich noch auf einen Punkt eingehen, der bei dieser Gelegenheit vielleicht auch einmal gesagt werden sollte. Wenn Herr Fischer jetzt noch in Interviews klar und deutlich sagt, dass er 1985 – da war er ja schon zum Turnschuhminister avanciert –, gerade in dieser Zeit nichts von der Vergötterung des Gewaltmonopols des Staates gehalten hat, wenn er dann einige Jahre später, als er angeblich schon resozialisiert war,
auf entsprechende Fragen von Journalisten – damals ist ihm vom „Tagesspiegel“ die Frage gestellt worden: „Wie fühlen Sie sich denn heute? Immer noch so kämpferisch wie früher?“ – antwortet: „Wissen Sie, da ist mir eine schöne Formulierung eingefallen:“ – die zitiere ich – „Schauen Sie, eine Katze. Mal beißt sie, mal kratzt sie, mal schnurrt sie, sie wird auch älter, aber es bleibt immer dieselbe Katze“,
dann sehen Sie: Das ist der Stoff, aus dem diese Debatten gemacht werden, und daran werden wir Sie festhalten. Sie sind immer noch dieselben Katzen geblieben.
(Beifall bei den Republikanern – Abg. Pfister FDP/ DVP: Fischer bleibt Fischer! – Gegenruf des Abg. Brechtken SPD: Und rechtsradikal bleibt rechtsra- dikal!)
Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Zu den Vorrednern: Ich gestehe jedem das Recht auf Veränderung und auf Erkenntnis zu, und sicherlich, Herr Kollege Kretschmann, ist es ein Unterschied, ob ich eine Ex-ante-Betrachtung oder eine Ex-post-Betrach
tung anstelle. Im Alten Testament steht – Koheleth –: „Alles hat seine Zeit.“ Ich gestehe auch das zu. Nur: Wir müssen sehen, dass es mit Sicherheit nicht damit getan ist, dann zu sagen: „Es war eine Jugendsünde, eine Bagatelle“, sondern – nachdem Kollege Bebber das Neue Testament zitiert hat, Lukas 15, Vers 7 mit dem berühmten Sünder und den 99 Gerechten – ich muss Ihnen sagen: Da steht aber nicht geschrieben, dass man dann sagt: „Man wird Minister und distanziert sich nur als Opfer von einer Jugendsünde.“ Vielmehr müssen dann Reue, Demut und vor allem Selbstkritik dazugehören.
(Beifall bei der CDU und des Abg. Bebber SPD – Widerspruch bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)
was wir denn vorzuwerfen hätten. Ich stelle Ihnen eine Gegenfrage. Der Bundestagspräsident Thierse hat geäußert, die Skinheads könnten in 20 Jahren Minister werden.
Das ist eine Reinwaschung der Linksextremen und soll nur vertuschen, und im Grunde genommen haben Sie dazu kein Wort gesagt, weil Sie Links und Rechts nicht mit der gleichen Intensität bekämpfen und sich nicht von Gewalt distanzieren. Das ist der Hintergrund.
Herr Kollege Kretschmann, ich habe großen Respekt vor Ihren Ausführungen und auch Ihrer Selbstkritik. Das will ich bewusst sagen.
Aber ich will Ihnen ein Zitat aus dem berühmten „Stern“Interview Ihres Kollegen Fischer vorhalten – Zitat „Stern“ –:
Fischer: Ich habe nie bestritten, dass ich fast zehn Jahre lang auch unter Einsatz von Gewalt die verfassungsmäßige Ordnung in der Bundesrepublik umstürzen wollte. Wir haben uns nicht an die Regeln des Strafgesetzbuchs gehalten.
Zuerst wurde man geschlagen, dann hat man sich gewehrt und zurückgeschlagen, dann begann auch die Faszination revolutionärer Gewalt.
Dieses Interview ist für mich keine Selbstkritik; das muss ich Ihnen sagen. Das ist geradezu eine Selbstbeweihräucherung.
Ich hätte aber erwartet, dass man hier Selbstkritik übt und Distanz herstellt, wie wir es gefordert haben.
Die Zeit heilt bekanntlich viele Wunden, sie befreit jedoch nicht von jedem Makel. Wer heute gemeinsam mit Gesinnungsgenossen zum Beispiel einen Ausländer verprügelt oder einen jüdischen Friedhof schändet, ist auch in 20 Jahren nicht geeignet, unser Land in höchsten Staatsämtern zu repräsentieren.
Wer glaubhaft gegen Gewalt eintreten möchte, darf bei linksextremen Ausschreitungen keinen anderen Maßstab anlegen als bei rechtsextremen Ausschreitungen. Das muss der Kern sein.