Protokoll der Sitzung vom 20.02.2001

(Beifall bei den Republikanern – Lachen bei Abge- ordneten der CDU – Abg. Hans-Michael Bender CDU: Das glauben Sie doch selber nicht!)

Die Bewertung, meine Damen und Herren, des Energiestandorts Baden-Württemberg war bereits Gegenstand einer Regierungserklärung im Jahr 1999. Eine Wiederholung heute war in gar keiner Weise erforderlich. Die Diskussion über die Einbringung von Landesvermögen in eine Landesstiftung und die Verwendung dieser Mittel haben wir bereits wiederholt geführt.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Ist es deshalb falsch?)

Deswegen müssen wir es nicht ständig wiederholen. – Auch die so genannte Zukunftsoffensive III der Landesregierung ist nichts Neues, Herr Kollege Pfister,

(Abg. Pfister FDP/DVP: Aber trotzdem gut!)

und war mehrfach Gegenstand von Plenardebatten. Wozu also eine solche Erklärung zu diesem Zeitpunkt? Das ist die entscheidende Frage.

(Beifall bei den Republikanern – Zuruf des Abg. Pfister FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, man wird den Eindruck nicht los, dass kurz vor einer Wahl im Angesicht fallender Umfragewerte für die CDU die letzten Register gezogen werden.

(Lachen des Abg. Weiser CDU)

Wie heißt es so schön? Die Union will jetzt „die Schlagzahl erhöhen“. Einer skeptischer werdenden Wählerschaft soll suggeriert werden, dass sie in eine sonnige Zukunft schreitet, wenn sie nur den Schalmeienklängen der Regierung Glauben schenkt, und das alles unter dem Motto: Wir nehmen alle mit; wir lassen keinen hängen. Herr Teufel, hoffentlich gilt das dann auch in Zukunft für die gesamte CDU-Fraktion. Da bin ich gespannt.

(Beifall bei den Republikanern – Abg. Weiser CDU: Na, na! Nur nicht so überheblich!)

Damit auch der letzte Zweifel beseitigt wird, wird wahlkampfgerecht das große Füllhorn der Wahlgeschenke ausgepackt und über einer Öffentlichkeit ausgeleert, die darob in Ehrfurcht und Erstaunen erstarren soll. Nur tut sie es einfach nicht!

(Lachen des Abg. Weiser CDU)

Und offensichtlich glaubt der Ministerpräsident nicht einmal mehr an den Beifall aus den eigenen Reihen. Oder wie sollen wir eigentlich den Appell an die Opposition verstehen, ihm endlich einmal Beifall zu klatschen?

(Abg. Weiser CDU: Oh Mann! Tiefer gehts nicht!)

Meine Damen und Herren, das zeigt ganz offensichtlich die tiefe Verunsicherung, die Sie bei der CDU ergriffen hat.

(Beifall bei den Republikanern)

Wohl in der stillen Hoffnung, dass ob solcher Großzügigkeit des Landeschefs jeder den Wohltäter preist und dann schwarz wählt, hören wir eine Verheißung nach der anderen. Und was haben wir da in letzter Zeit nicht alles zu hören bekommen! Die Zahl der angekündigten neuen Lehrerstellen wächst wie auf einer Auktion. Legt die eine 5 000 vor, kontert der andere einfach mit 5 500. Ob realistisch, ob finanzierbar – wen interessiert es? Hauptsache, der Wähler glaubt es.

Da gibt es Laptops für alle im Angebot. Welcher Schüler wird sich schon dagegen wehren, einen Laptop zur Verfügung gestellt zu bekommen?

Und überhaupt: Wer wird denn schon etwas gegen Investitionen im Schulbereich oder in der Forschung oder gar gegen die Förderung neuer Technologien haben? Kurz vor der Wahl verspricht man sich auf der Regierungsbank offensichtlich, dass die Wohltaten im Gewand einer Regierungserklärung besonders gut ankommen.

Aber dafür, meine Damen und Herren, war der Inhalt dieser Erklärung viel zu dürftig. Ich will das an einigen Punkten deutlich machen.

Thema Energiepolitik: Da kann ich nur sagen: aus der Villa Reitzenstein nichts Neues. Das grenzenlose Vertrauen in den Markt kennen wir bei Ihnen, und der Vorgang in Kalifornien scheint Sie nicht zum Nachdenken angeregt zu haben.

(Beifall bei den Republikanern)

Überhaupt stelle ich einmal die Frage, Herr Ministerpräsident: Wer hat denn überhaupt etwas von dem Aktienver

kauf? Eine EnBW, die bereits ankündigt, ihre Energieerzeugung in einem angeblich neuen Markt zurückzufahren, oder nicht viel mehr eine EdF, die endlich den Fuß im Markt des östlichen Nachbarn hat und dort ihren Atomstrom zu Dumpingpreisen absetzen kann? Das ist doch die eigentliche Strategie der Partner.

Dann die irrwitzige Vorstellung, dass die EnBW angesichts der Energiepolitik von Rot-Grün langfristig von einer Erschließung des französischen Markts profitieren könnte. Ich halte das alles für eine völlige Illusion.

Auch zu dem Thema „Zukunftsoffensiven und Wirtschaft“ erlaube ich mir eine Anmerkung. Herr Ministerpräsident, es ist immer dasselbe Spiel, das wir hier erleben: Für die Rezession ist die Weltwirtschaft zuständig, für die Strukturkrise tragen natürlich die Unternehmen die Verantwortung, und wenn es einmal Erfolge gibt, ist die Landesregierung zuständig.

(Abg. Weiser CDU: Wo haben Sie denn das ge- hört?)

Das ist nichts anderes als Selbstlob. Im Übrigen ist ja wohl die Frage erlaubt, was die aktuelle Lage auf dem Arbeitsmarkt mit „Erwin 1“ und „Erwin 2“ zu tun hat.

(Beifall des Abg. Deuschle REP – Abg. Kiefl CDU: Sehr viel!)

Sie glauben doch nicht im Ernst, dass die derzeitige Lage auf dem Arbeitsmarkt die Folge der so genannten Zukunftsoffensiven ist.

(Abg. Ingrid Blank CDU: Natürlich!)

Stellen Sie sich lieber die Frage – Sie haben das ja selber schon so dargestellt –, ob nicht beispielsweise der schwache Euro den Export beflügelt hat und nicht „Erwin 1“ und „Erwin 2“.

(Abg. Brechtken SPD: Das ist der Gerhard-Ef- fekt!)

Meine Damen und Herren, das führt doch deutlich am Thema vorbei. Man will mit Wortgeklingel Eindruck schinden. Das sieht man auch schon am Begriff. Eine Offensive jagt die andere, und vor lauter Offensiven wird es einem ganz schwindelig.

(Zuruf des Abg. Weiser CDU)

„Erwin 1“ und „Erwin 2“ sind noch nicht einmal abgewickelt, und schon steht „Erwin 3“ im Rampenlicht.

(Abg. Kiefl CDU: Jawohl!)

Dabei wird vergessen, dass hier das Tafelsilber des Landes versetzt wird, meine Damen und Herren,

(Beifall bei den Republikanern – Zuruf des Abg. Weiser CDU)

Vermögen, das in langen Jahren angespart wurde, Landesvermögen, dem im Übrigen inzwischen erhebliche Verbindlichkeiten gegenüberstehen.

Ich möchte auch daran erinnern, dass vor 15 Jahren mit der Landesholding Schulden einfach ausgelagert wurden. Damals begann die unselige Tradition der Schattenhaushalte hier im Land. Vielleicht sollte man sich auch einmal in Erinnerung rufen, dass den 1,5 Milliarden DM, die die Holding damals für den Haushalt erbracht hat, heute ein Schuldenberg von 1,9 Milliarden DM gegenübersteht. Ich meine, dass dieses Thema ernst genommen werden muss. Sind solche Schattenhaushalte eigentlich überhaupt zulässig?

Im Übrigen sehen wir auch die Folgen der damaligen Konstruktion. Wenn heute Holdinganteile versilbert werden sollen, gestaltet sich das, insbesondere wenn man Steuern sparen will, besonders problematisch. Da werden allerlei Schliche und Tricks ersonnen, und es wird der Umweg über die Gemeinnützigkeit gewählt. Meine Damen und Herren, das machen Sie ja nicht freiwillig, sondern das machen Sie nur, damit Sie Steuern sparen können.

(Abg. Weiser CDU: Ja und? – Abg. Kiefl CDU: Das ist aber doch erlaubt, oder?)

Deswegen die Stiftung. Damit aber auch eine Bindung der Mittel. Sie haben damit keine freie Verfügbarkeit, sondern Sie werden sich an sehr strengen Maßstäben messen lassen müssen, wie sie in der Abgabenordnung enthalten sind.

In diesem Zusammenhang erlaube ich mir die Frage: Glauben Sie denn wirklich, dass alles, was Sie machen, automatisch gemeinnützig ist? Ich kann mir das vielleicht noch vorstellen, wenn der „Internet-Führerschein“ gefördert wird. Aber glauben Sie, dass jede Investition, beispielsweise die, die nachher bei Rechnerzentren erforderlich wird, bereits per se gemeinnützig ist? Das glaubt niemand ernsthaft, meine Damen und Herren.

Deswegen ist eben die Zweckbindung der Mittel hochproblematisch, wenn man den Blick in die Zukunft richtet und sich überlegt, welche Investitionen vielleicht im Jahr 2010 erforderlich sind.

Meine Damen und Herren, man hat manchmal den Eindruck, dass alle fünf Jahre, jeweils vor einer Wahl, eine große Zukunftsoffensive nach dem Motto kommt: Mit Geld und guten Gaben gewinnt man Wahlen.

(Abg. Haas CDU: Ach was!)

Die Frage ist aber: Wie steht es denn um die Nachhaltigkeit solcher Aktionen?

(Abg. Haas CDU: Eben! Deswegen Landesstif- tung!)