Protokoll der Sitzung vom 02.02.2000

Meine Auffassung ist: Das System Kohl, mit allem, was wir bisher wissen, ist nur möglich gewesen, weil Leute wie Sie, Herr Ministerpräsident, um ihn herum in den Führungsgremien dieser Partei agiert haben. Dazu haben Sie kein Wort gesagt, und ich kann Ihnen diese Anmerkung an dieser Stelle nicht ersparen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das gipfelte in einem indirekten Vergleich – Sie haben es indirekt verglichen und offensichtlich nicht die Implikationen überblickt – dessen, was Kohl an Verfassungsbruch begangen und an Rechtsverständnis geäußert hat, mit den Blockaden der Friedensbewegung in Mutlangen, an denen auch viele von uns teilgenommen haben.

Wollen Sie denn damit sagen, dass Helmut Kohl und Kanther und wie sie alle heißen Ihre Parteiaffäre als eine Art zivilen Ungehorsam gegen das Parteiengesetz und die Verfassung praktiziert haben?

(Lebhafter Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Teufel, ich muss wirklich sagen, dass Sie da in die falsche Kiste gegriffen haben. Diejenigen, die in Mutlangen blockiert haben, haben ganz bewusst den Rechtsverstoß begangen, die Sanktionen offen in Kauf genommen,

(Abg. Drexler SPD: So ist es!)

in dem Kalkül, damit auf die besonderen Legitimationsprobleme der Nachrüstung hinzuweisen. Sie haben also als Demokraten gesagt: Wir nehmen die Sanktionen des Rechtsstaats völlig auf uns. Wir bekennen uns öffentlich dazu und wollen diese äußerste Demonstrationsform wahrnehmen.

(Abg. Dr. Birk CDU: Ist das bei den Maisfeldern auch so?)

Das ist doch ein gewaltiger Unterschied zu der Frage, ob jemand heimlich, an der Verfassung vorbei, an den Gesetzen vorbei die Rechte verletzt und hinterher noch ein Ehrenwort höher stellt als die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland. So viel zum Rechtsverständnis, das hier vorliegt.

(Lebhafter Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Was Sie zu Herrn Schaufler gesagt haben, fand ich schlicht und einfach komisch. Sie haben mir vorgehalten, es sei nicht in Ordnung, Ihnen vorzuwerfen, dass Herr Schaufler bei alldem, was er im Zusammenhang mit der SWEG zu verantworten habe, noch immer Bezirksvorsitzender der an Aufklärung interessierten Union in Südwürttemberg sei.

(Lachen beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Dann sagen Sie, das gehe nicht. Da muss ich Sie schon fragen, Herr Teufel: Warum haben Sie ihn denn als Umweltund Verkehrsminister des Landes Baden-Württemberg nicht mehr für tolerabel gehalten, wenn Sie argumentieren, Schritte seien erst möglich, wenn die Staatsanwaltschaft entschieden habe? Bereits vor Monaten haben Sie die Notleine gezogen, weil Sie gemerkt haben, dass das Ansehen dieser Regierung, wenn Herr Schaufler noch weiter im Amt geblieben wäre, massiv verletzt worden wäre. Aber bei der CDU Südwürttemberg schadet es offensichtlich nicht. Diese Argumentation fällt auf Sie zurück.

(Abg. Fleischer CDU: Aber er redet immer erst, wenn er Beweise hat, hat er gesagt! – Abg. Hauk CDU: Das ist das Demokratieverständnis der Grü- nen! Dirigismus von oben!)

Jetzt will ich etwas zu der Art und Weise sagen, wie Sie hier den Fall Aurenz oder den der Zementwerke Schwenk in Ulm dargestellt haben. Herr Teufel – lassen Sie mich das ganz ruhig und nüchtern sagen –, selbstverständlich bekommen Sie viele Briefe, und Sie müssen diese Briefe auch beantworten. Das ist nicht der Gegenstand des Streits. Aber es ist eine ganz spannende Frage, in welchen Fällen – ich will das am Fall Aurenz deutlich machen – Sie wie antworten.

Noch einmal zum nicht bestreitbaren Sachverhalt: Die Firma Aurenz ASB hat in Argenbühl bei Ravensburg – dort baut sie Torf ab – 1997 begonnen, einen Lkw-Parkplatz in ein Landschaftsschutzgebiet respektive Naturschutzgebiet zu bauen bzw. darin Lagerstätten zu erweitern. Dies sind nach unseren Gesetzen gravierende Eingriffe und schwere Umweltstraftaten.

(Abg. Drexler SPD: So ist es!)

Deswegen hat beim RP in Tübingen der für Naturschutz Zuständige auch eine Strafanzeige empfohlen. So war der Sachverhalt.

Dann kam „Kollege“ Aurenz zum Ministerpräsidenten, und der Ministerpräsident hat dann einen Brief an den Regierungspräsidenten in Tübingen geschrieben. In diesem Brief, den Sie noch voller Stolz vorgelesen haben – das fand ich entzückend –, schreiben Sie sinngemäß,

(Abg. Haasis CDU: Er möge abwägen!)

man möge ein wichtiges Abwägen zwischen Naturschutz und den Interessen der baden-württembergischen Wirtschaft zustande bekommen.

(Zurufe von der CDU: Richtig!)

Herr Haasis, wenn Sie kein Problem darin sehen, dass ein Ministerpräsidenten in diesem Sinne um wohlwollende

Prüfung bittet, obwohl schwere Umweltstraftatbestände erfüllt sind – –

(Abg. Drexler SPD: So ist es! Das ist eine strafbare Handlung! – Abg. Hauk CDU: Das ist doch die Unwahrheit!)

Es ist doch eine völlige Absurdität, zu sagen, das sei schon alles in Ordnung, und er schreibe immer wieder solche Briefe.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. Haasis CDU meldet sich zu einer Zwi- schenfrage.)

Nein, Herr Haasis.

Herr Ministerpräsident, Sie müssen doch Verständnis dafür haben, wie ein solcher Brief in der entsprechenden Behörde praktisch wirkt.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Übrigens: Der zuständige Sachbearbeiter, der die Genehmigung zur Müllverbrennung bei Schwenk-Zement versagen wollte, ist später versetzt worden. Wir haben dazu eine Korrespondenz mit dem Staatsministerium geführt und erfuhren dann von Herrn Menz – der Brief liegt mir vor –, dass Versetzungen im Verwaltungsdienst eine ganz normale Sache sind.

(Lachen beim Bündnis 90/Die Grünen)

Was meinen Sie denn, welche Auswirkungen auf Mitarbeiter, auf Sachbearbeiter, auf Abteilungsleiter und wen auch immer es haben wird, wenn Sie feststellen: „Wenn du dich hinstellst und sagst, so muss man es machen, und der danach zum Ministerpräsidenten geht, dann wirst du versetzt“? Was glauben Sie, was das für Auswirkungen auf die Courage der baden-württembergischen Verwaltung insgesamt haben kann?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. Fleischer CDU: Das darf doch nicht wahr sein! Was haben Sie für ein Verständnis von Verwaltungsarbeit? – Abg. Haasis CDU meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke des Präsi- denten)

Herr Abg. Kuhn, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Haasis?

Bitte, Herr Haasis.

Herr Kuhn, Sie haben vorhin gesagt, Sie würden sich immer erkundigen, bevor Sie Vorwürfe erheben, und haben dann gesagt, dass Umweltstraftatbestände im Falle von Herrn Aurenz vorlägen. Haben Sie denn auch gelesen, dass ein Verfahren dazu eingestellt worden ist, weil ausdrücklich festgestellt wurde, dass keine Straftatbestände vorgelegen haben?

Und die zweite Frage, die ich gleich anschließen will: Da Sie das Zementwerk Schwenk angeführt haben, ist Ihnen doch sicher auch bekannt, dass für dieselben Verfahren, wie sie beim Zementwerk Schwenk angewandt werden, bei

denen es hier um die Genehmigung ging und wo der Beamte des Regierungspräsidiums zuerst Schwierigkeiten gemacht hat, zwei Jahre zuvor in einem anderen Bundesland, nämlich in Nordrhein-Westfalen, Zementwerke bereits Genehmigungen erhalten hatten und es darum ging, dass in Baden-Württemberg beim gleichen Sachverhalt zwei Jahre später auch eine Genehmigung erteilt wird. Und dann sprechen Sie von Strafversetzung?

(Beifall bei der CDU – Abg. Drexler SPD: Ja und? Was soll das?)

Herr Haasis,

(Abg. Haas CDU: Das weiß der Herr Kuhn nicht!)

mir ist sehr wohl bekannt, was normalerweise in BadenWürttemberg geschieht, wenn Sie zum Beispiel als Privatmann in einem Naturschutzgebiet irgendein Gebäude errichten.

(Abg. Drexler SPD: So ist es!)

Das können Sie übrigens, wenn Sie Ihre Kollegen im Petitionsausschuss einmal danach fragen, was bei solchen Fällen geschieht, ganz genau erfahren. Ich stelle fest, dass hier ein Betriebsgelände in ein Landschaftsschutzgebiet und zum Teil auch in ein Naturschutzgebiet verlagert worden ist,

(Abg. Drexler SPD: Ohne Genehmigung!)

und zwar ohne Genehmigung. Nach meiner Überzeugung ist es völlig klar, dass damit die Umweltgesetzgebung dieses Landes und der Bundesrepublik Deutschland verletzt worden ist.

(Abg. Haasis CDU: Das Verfahren dazu ist doch schon abgeschlossen!)

Bei Schwenk-Zement war eine ganz interessante und wichtige Frage aufzuklären; denn wir haben ja eine langjährige Sondermülldiskussion im Land hinter uns. Diese haben Sie, Herr Haasis, vielleicht verschlafen; aber einige haben sie mitbekommen.

(Abg. Haasis CDU: Nein, ich habe sie nicht ver- schlafen! Aber Sie offenbar!)