Protokoll der Sitzung vom 02.02.2000

Somit wäre ich beim Thema dieser zweiten Runde, bei der Energiepolitik. Die Landesenergiepolitik bewegt sich am Gängelband der Bundesregierung. Das war allerdings schon immer so. Das weiß ich.

(Abg. Schmiedel SPD: „Gängelband“!)

Wir haben in Baden-Württemberg einen breit diversifizierten Energiemix, und diesen will die Landesregierung auch beibehalten. Beim von Berlin geforderten Ausstieg aus der Kernenergie muss man sich vor Augen halten, dass dieser nicht allein mit erneuerbaren Energien aufgefangen werden kann. Man braucht für einen Ersatz der Atomkraftwerke vor allem Kraftwerke, die für die Abdeckung der Grundlast geeignet sind, zum Beispiel Kohle- oder Gaskraftwerke. Diese führen nach dem heutigen technischen Stand zwangsläufig zu mehr Emissionen beim CO2.

Das Wirtschaftsministerium schreibt in seinem Bericht auch, technisch seien die regenerativen Energien mittelund langfristig in der Lage, ca. ein Drittel des Primärenergieverbrauchs abzudecken. Ich sage: Dies gilt nur, wenn alle Beteiligten, insbesondere auch möglichst viele Privathaushalte, mitmachen. Ein schlüssiges Konzept für den Ersatz der Kernkraft ist aus Berlin noch immer nicht da, sondern lediglich ein frommer Wunsch.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Jemand muss die Kosten des Ausstiegs bezahlen. Im Zweifel sind das immer die Verbraucher, auf die alles abgewälzt wird.

(Beifall des Abg. Hauk CDU – Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Genau!)

Auch Subventionen sind im Übrigen Steuergelder, die die Bürger bezahlen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Die Haushaltsansätze des Wirtschaftsministeriums orientieren sich an den Anfragen der vergangenen Jahre. Im Bereich der erneuerbaren Energien werden in den Jahren 2000 und 2001 Anlagen zur thermischen Solarnutzung gefördert. In den beiden Haushaltsjahren sind jeweils 3,6 Millionen DM eingestellt. Mit Verpflichtungsermächtigungen sind es noch etwas mehr. Diese Beträge sind für Zinszuschüsse vorgesehen.

Für Gutachten, Tagungen und Veröffentlichungen zusammen sind es weitere 0,8 Millionen DM. Ebenso werden wieder Demonstrationsvorhaben für rationelle Energieverwendung und die Nutzung erneuerbarer Energien gefördert. Hierfür sind 2,05 Millionen DM bzw. 2,1 Millionen DM vorgesehen.

Die Förderung im Bereich Hackschnitzel und Biomasse läuft nicht im Wirtschaftsministerium, sondern – aufgestockt – im Landwirtschaftsministerium.

Im Bereich der erneuerbaren Energien sind wir bei der diesbezüglichen Forschung auf einem vorderen Platz in

Deutschland. Zu diesem Vorsprung wird bald auch die bereits erwähnte Solarfabrik in Marbach beitragen, die Dünnschichtmodule herstellt und bei der die Pilotanlage noch in diesem Frühjahr in Betrieb gehen soll. Dies wird mit Sicherheit dazu führen, dass der Preis für photovoltaische Anlagen sinken und diese Technologie größere Verbreitung finden wird. Der Bund und das Land fördern diese Anlage mit zusammen 8 Millionen DM.

Diesen Monat wird in Berlin entschieden, ob das 100 000Dächer-Programm fortgeführt werden soll. Es soll zu modifizierten Bedingungen aufgelegt werden,

(Abg. Dr. Witzel Bündnis 90/Die Grünen: Es bleibt auf jeden Fall erhalten, Frau Kollegin Bren- ner!)

sodass künftig zum Beispiel eine parallele Landesförderung möglich sein wird. Ich halte dies für ein Thema für einen Nachtragshaushalt.

Das Energiewirtschaftsgesetz ist novelliert worden, um Wettbewerb in einem bisher monopolistisch strukturierten Bereich einzuführen. Dieser Wettbewerb betrifft natürlich grundsätzlich alle Beteiligten: Das sind die konventionellen Energien, die erneuerbaren Energien, die Kommunen als Anbieter und vor allem auch die Technologien im Energiebereich, die sich beweisen müssen. Nationale Schutzzäune dürften nur noch eine begrenzte Zeit halten. Auch darauf müssen wir uns rechtzeitig einstellen.

Seit dem Sturm Lothar haben wir leider mehr Holz, als wir wollen. Die Grünen fordern ja in ihrem Antrag mehr Förderung von Holzhackschnitzelanlagen. Das gab es bisher schon.

(Abg. Brinkmann SPD: Dank der großen Koaliti- on, ja!)

Diese Förderung wird jetzt verstärkt, allerdings im Etat des Ministeriums Ländlicher Raum.

Die Erdwärme wird meiner Meinung nach bei uns noch viel zu wenig genutzt. Hier ist im letzten Jahr, allerdings im UVM, das Genehmigungsverfahren stark erleichtert worden.

Eine wichtige Rolle spielt das Energiesparen. Das größte Volumen liegt dabei zweifellos im Gebäudebestand. Die neue Wärmeschutzverordnung gilt für Neubauten, aber sehr wichtig sind natürlich auch die Dämmung und die energetische Sanierung von Altbauten. Das bedeutet folgerichtig, dass Energiesparmaßnahmen in Wohngebäuden gefördert werden sollen. Die SPD fordert in einem Antrag 1 Million DM für Energiediagnosen. Diese Mittel gibt es bereits, allerdings im Haushalt des Umwelt- und Verkehrsministeriums. Dort ist etwas mehr als 1 Million DM pro Jahr für Energiechecks eingestellt – das ist mehr oder weniger dasselbe.

Darauf aufbauend gibt es im Wirtschaftsministerium zwei Programme. Das Ziel des Einsparens von CO2 wird nachhaltig gefördert durch das Impulsprogramm Altbau mit jeweils 2 Millionen DM pro Jahr und das Energiesparprogramm Altbau mit jeweils 13 Millionen DM.

Was die Durchsetzung der Niedrigenergiebauweise betrifft, so geht diese meiner Meinung nach schleppend vor sich. Das Wirtschaftsministerium hat im letzten Jahr die Kommunen in einer sehr guten Broschüre informiert. Ich habe allerdings das Gefühl, dass zwar die Bauämter informiert sind, die meisten Gemeinderäte jedoch nicht. Die Bauleitplanung ist noch kaum an Energiegesichtspunkten ausgerichtet. Natürlich gilt hier die kommunale Selbstverwaltung, aber, meine Damen und Herren, Grünordnungspläne sind vorgeschrieben, die Ausgleichsflächen sind vorgeschrieben. Auch die Berücksichtigung von Energiegesichtspunkten könnte man sicherlich noch nachhaltiger durchsetzen. Ich bin auch gerne bereit, darüber mit den Energiepolitikern aus den anderen Fraktionen zu diskutieren. Vielleicht finden wir gemeinsam eine Lösung.

Insgesamt stehen in verschiedenen Programmen jährlich über 21 Millionen DM im Haushalt des Wirtschaftsministeriums, dazu noch Mittel im Ministerium Ländlicher Raum und im UVM. So schlecht, wie vieles dargestellt wurde, ist das gar nicht. Man muss halt richtig zusammenzählen; dann muss sich der Herr Wirtschaftsminister überhaupt nicht verstecken.

Lieber Herr Döring, auch ich wünsche Ihnen persönlich und im Namen der CDU-Fraktion für morgen alles erdenklich Gute. Wir hoffen, dass Ihre Gesundheit bald wieder hergestellt sein wird.

(Beifall bei der CDU, den Republikanern und der FDP/DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Brinkmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Kollegen! Der Herr Ministerpräsident hat heute Morgen, an Herrn Maurer gerichtet, die Frage gestellt, wie man die 60 % Kernenergie kurzfristig ersetzen könne. Zu seinen Gunsten unterstelle ich, dass dies eine rhetorische Frage war; denn wenn er das nicht wüsste, wäre es umso schlimmer.

(Zuruf des Abg. Deuschle REP)

Tatsache ist, dass wir in Baden-Württemberg über Jahre hinweg einen Stromüberschuss in großen Mengen hatten. Nachweislich des Energieberichts des Wirtschaftsministers hatten wir über Jahre hinweg selbst an den kältesten Wintertagen, an denen der meiste Strom in Baden-Württemberg gebraucht wurde, immer noch einen so gewaltigen Stromüberschuss, dass wir zwei unserer fünf Atomkraftwerke hätten abschalten können, und der Strom hätte immer noch ausgereicht.

(Abg. Dr. Carmina Brenner CDU: Eines!)

Nein, zwei. Sie müssen die Reserve mit einrechnen, die vorher notwendig war, aber nach der Liberalisierung des Energiemarktes nicht mehr notwendig ist.

(Abg. Deuschle REP: Aha!)

Die Energiewende ist also möglich, und sie ist notwendig.

Die Bundesregierung hat das Ihre dazu getan. Ich will nicht alles aufzählen, sondern nur stichwortartig erwähnen: 100 000-Dächer-Programm, verbesserte Verbändevereinbarung, Gesetz zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Ich gestehe zu, die erneuerbaren Energien sind nicht alles. Es müssen neue Maßnahmen hinzukommen, zum Beispiel die Kraft-Wärme-Kopplung. Darum bin ich sehr froh darüber, dass sich die Regierungsfraktionen in Berlin am Freitag letzter Woche auf Grundsätze für ein Gesetz zum Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung geeinigt haben. Künftig werden in das Bonussystem für Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen auch gasbetriebene Anlagen einbezogen. Die Regierungsfraktionen in Berlin haben sich vorgenommen, bis zum Sommer dieses Jahres die Quote für Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen sichergestellt zu haben.

Ich sage: Dies ist ein Durchbruch zur Sicherung der KraftWärme-Kopplung und ein Durchbruch für den Fortbestand der Stadtwerke bei uns, die in der Eigenerzeugung mit drin sind.

Was tut die Landesregierung stattdessen? Sie löst das Breitenprogramm auf, mit dem früher, zur Zeit der großen Koalition, einmal regenerative Energien gefördert wurden, sie verkauft die EnBW an den französischen Atomgiganten, und der Wirtschaftsminister gebraucht in diesem Zusammenhang immer das Wort Privatisierung. Ich sage, Herr Minister: Der Verkauf der Landesanteile an der EnBW war keine Privatisierung; das war eine Verstaatlichung, allerdings keine Verstaatlichung bei uns, sondern in Paris an den Champs-Élysées.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Repub- likaner)

Notwendig ist eine Neuauflage des Breitenprogramms, mit dem Forschung, Markteinführung, Anwendung und Produktion aller regenerativen Energien – Windkraft, Wasserkraft, Solarthermie, Photovoltaik, Geothermie, Biomasse und Kraft-Wärme-Kopplung – gefördert werden.

Notwendig ist mit Sicherheit eine bessere Ausstattung des Demonstrationsprogramms. In den Erläuterungen zum Haushaltsplan steht, die Landesregierung habe dieses Demoprogramm – Demonstrationsanlagen zum Energiesparen und für regenerative Energien – als einen neuen Schwerpunkt entdeckt. Herr Minister, dies war schon einmal ein Schwerpunkt, nämlich zur Zeit der großen Koalition, und war ungefähr mit doppelt so viel Geld ausgestattet, wie Sie es jetzt vorhaben. Es freut einen natürlich, wenn Sie zu der späten Erkenntnis kommen, dass hier wieder eine Förderung notwendig ist.

Notwendig ist darüber hinaus aus energiepolitischen und handwerkspolitischen Gründen eine bessere Ausstattung des Altbaumodernisierungsprogramms. Wir legen Ihnen hier einen Haushaltsantrag vor, mit dem wir für die Jahre 2000 und 2001 20 Millionen DM mehr an Zinszuschüssen für die Altbaumodernisierung in den Haushalt eingestellt wissen wollen.

Die energiepolitische Ursache ist, dass die Energieverschwendung, gerade beim Heizen von Altbauten, immer noch zu groß ist. Aber bedenken Sie einmal: 20 Millio

nen DM an Zinszuschüssen bedeuten umgesetzt ein Volumen von etwa 800 Millionen DM an Handwerkeraufträgen. Das sind Aufträge in einer Größenordnung, die dafür sorgt, dass diese Beträge, weil es ja Zuschüsse gibt, schon nicht in die Schwarzarbeit gehen können. Herr Minister, dies würde einen enormen Schub auch für unsere Handwerker bedeuten.

Forschung und Anwendung der sich natürlich erneuernden Energien und das Altbaumodernisierungsprogramm sind also energiepolitisch geboten und nutzen der Wirtschaft unseres Landes, allerdings nicht bei diesen minimalen Ansätzen. Wer es, wie diese Landesregierung bisher, beim Alten lässt, der, sage ich, handelt verantwortungslos.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Haasis CDU: Schwacher Beifall bei drei SPD-Abgeordne- ten!)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Witzel.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Für die grüne Landtagsfraktion ist die Förderung der erneuerbaren Energien – also Solarenergie, Windkraft, Wasserkraft, Biomasse, Biogas – ein Schwerpunkt ihrer Haushaltsanträge. Während die Landesregierung hierfür im Einzelplan des Wirtschaftsministeriums für die Jahre 2000 und 2001 nur etwa 10 Millionen DM bereitstellen will, fordern wir eine massive Aufstockung auf ca. 80 Millionen DM. Dafür gibt es gute Gründe.

Zum einen sind die erneuerbaren Energien die Basis einer umweltverträglichen Energieversorgung. Sie sind zudem ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz. Wer sich die Schäden durch den Orkan Lothar einmal konkret angesehen hat, weiß, dass allein schon das Argument Klimaschutz ausreichen müsste, um für erneuerbare Energien wesentlich mehr zu tun.