Protokoll der Sitzung vom 02.02.2000

(Abg. Brechtken SPD: Wir sind doch die wahren Liberalen, Herr Kollege! – Zuruf des Abg. Oel- mayer Bündnis 90/Die Grünen)

Aber es ist wichtig, dass man nicht nur diese Zielsetzung hat, sondern dass diese Zielsetzung auch umgesetzt wird, und zwar optimal.

Wir haben den Bericht des Rechnungshofs, in dem über die Datennutzung im Vollzugsbereich steht, dass es an einem straffen Projektmanagement fehlt, dass es an realisierbaren Konzepten fehlt und dass das gewissermaßen auf die Rechnung des Justizministeriums geht. Dort ist aufgeführt, dass in den letzten sieben Jahren mit 10 Millionen DM ein, wie es wörtlich heißt, „rudimentäres Auskunfts- und Informationssystem“ eingerichtet worden ist, das nicht funktioniert; dass die erwartete Einsparung an Personal nicht erbracht worden ist, im Gegenteil, dass zusätzlicher Personaleinsatz für zusätzliche Aufgaben notwendig ist; dass keine Fehlerkorrektur erfolgt, dass die Projektabläufe nicht dokumentiert werden, nicht überprüft, nicht überwacht werden und dass die Entwicklungen nicht an Vorgaben gemessen werden. Modernes Management! Was da beschrieben wird – und Sie haben bestätigt, dass diese Beanstandungen des Rechnungshofs zu Recht erfolgt sind –, ist das Gegenteil von modernem Management.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir wissen, dass Sie mittlerweile versuchen, das zu korrigieren. Aber es hat einfach zu lange gedauert. Jahrelang ist das fehlgelaufen, und es kann nicht sein, dass auf diese Art und Weise durch alles andere als modernes Management Ressourcen, so knapp, wie sie im Justizhaushalt sind, „vergeigt“ werden. Was in diesem Bereich gelaufen ist, ist Dilettantismus in reinster Form, also nicht geprägt von Fachwissen: eine Organisation aufgebaut, die nichts taugt, Belastungen personeller Art aufgebaut, die zu nichts nütze sind. Was der Rechnungshof hier festgestellt hat, ist meines Erachtens der schlimmste Vorwurf, den eine Verwaltung überhaupt bekommen kann.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Da hat er Recht!)

Nach den Ansätzen, die wir gesehen haben, fürchten wir, dass das nicht nur im Vollzug so ist. Läuft das etwa auch bei der Technikausstattung der Gerichte oder bei der Einführung des elektronischen Grundbuchs so? Wir haben Anzeichen dafür. Sie selbst haben eingeräumt, dass die moderne Verkabelung aller Gerichte Voraussetzung für das Funktionieren ist und dass das in den nächsten Jahren realisiert werden soll.

Wir wissen aber auch von den Betroffenen, dass es nahezu gefährlich ist, wenn immer stückweise modernisiert wird, nicht nur bei der Verkabelung, sondern auch bei der Ausstattung mit Computern, bei der Ausstattung mit Systemen. Sie veralten schnell. Sie haben im Sommer selbst eingeräumt, dass die Gefahr besteht, dass an der einen Ecke etwas Neues eingerichtet wird und an der anderen Ecke etwas schon veraltet ist und das Ganze nicht kompatibel ist.

(Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Das ist richtig!)

Ihr Zauberwort ist jetzt Outsourcing. Warum ist das nicht früher erfolgt? Sie sagen, liberale Rechtspolitik habe das geradezu zum Inhalt. Wieso haben Sie vier Jahre gebraucht, um jetzt in diesem Bereich auf die Idee des Outsourcings zu kommen? Wieso kommen Sie jetzt erst auf die Idee, Fachwissen von außen zu holen, um das neu zu organisieren?

Wir könnten mit den Beispielen weitermachen. Wir haben bei den Haushaltsberatungen, als wir sahen, dass auf der Einnahmeseite 26 Millionen DM zusätzlich stehen und 20 Millionen DM von Ihrer Seite im Justizhaushalt gar nicht verbraucht worden sind, gefragt: Warum können wir nicht 10 Millionen DM zusätzlich nehmen, um die Informations- und Kommunikationsausstattung schneller einzurichten?

Sie haben gesagt, Sie könnten das Geld gar nicht ausgeben. Gehen Sie einmal hinaus in die Gerichte, und erklären Sie den Richtern und Rechtspflegern, dass Sie nicht in der Lage seien, im Technikbereich innerhalb von zwei Jahren zusätzlich 10 Millionen DM auszugeben. Die greifen sich an den Kopf, wenn Sie das darlegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben gesagt: „Die Abschöpfung von Vermögensvorteilen aus Straftaten ist eine der wichtigsten Aufgaben der Staatsanwaltschaft.“ Das ist richtig, und es wird in diesem Bereich auch eine Menge Erfolgreiches getan. Da geht es um Millionenbeträge, die hereingeholt werden, übrigens mehr als bei Ladendieben. Das erfordert einen erheblichen Mehraufwand bei der Staatsanwaltschaft. Stellen müssen geschaffen werden, Personen müssen eingesetzt werden. Wir suchen im Haushalt die Stellen für die Staatsanwaltschaft, die diesen vermehrten Bedarf decken sollen. Wir wollen von Ihnen wissen, wie Sie es in den nächsten Jahren bewerkstelligen wollen, diese von Ihnen als wichtig erkannte Aufgabe auch zu realisieren.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.

Das tue ich gern. – Das Gleiche gilt im Übrigen für die Haftvermeidung durch gemeinnützige Arbeit. Sie nennen das Beispiel Stuttgart. Da funktioniert das. Sie müssen Förderkriterien aufstellen. In Heilbronn – das weiß ich – läuft gar nichts mehr, weil das Geld fehlt und der Verein selbst nicht in der Lage ist, die notwendigen Mittel allein aufzubringen. Wie werden Sie das in den nächsten Jahren bewerkstelligen? Sie sind uns Antworten schuldig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort erhält Herr Abg. Oelmayer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zu später Stunde versuche ich, mich an die Redezeitbeschränkung zu halten, wofür Juristen, denke ich, auch ein Beispiel geben sollten.

(Abg. Hackl Bündnis 90/Die Grünen: Absolute Drohung!)

Zwei Vorbemerkungen: Der Justizminister hat auch bei der Diskussion über den letzten Haushaltsplan hier so begonnen. Ich denke, das ist eine ganz zentrale Aussage. Darin bin ich mit ihm einig. Der Etat des Justizministeriums umfasst ca. 3 % der Gesamtausgaben. Von diesen 3 % werden 75 % oder sogar mehr wieder erwirtschaftet. Liebe Kolle

ginnen und Kollegen, um diese Uhrzeit muss man sagen: Das ist ein grandioses Ergebnis. Es gibt da nicht mehr viel zu sparen – ob bei den Beratungen im Finanzausschuss oder sonst irgendwo –, sodass ich mich jetzt eher rechtspolitischen Themen zuwenden möchte.

(Beifall bei Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen – Abg. Dr. Caroli SPD: Sehr vernünftig!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Justizminister,

(Zuruf des Abg. Hackl Bündnis 90/Die Grünen)

ich denke, zwischen dem, was Sie ankündigen, und dem, was Sie schließlich umsetzen, gibt es ein Timelag.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: So ist es, genau!)

Ich nenne Ihnen einmal einige Punkte. Notariatswesen:

(Abg. Rech CDU: Ich habe gewonnen! Ich habe gesagt, dass das wieder kommt!)

In Ihrer letzten Rede, die ich extra noch einmal nachgelesen habe, haben Sie angekündigt: Darüber diskutieren wir, das setzen wir um. Jetzt muss ich sagen: Wir haben das Jahr 2000, und nach allem, was ich weiß, ist es mit der Umsetzung nicht weit her.

Zu einem weiteren Punkt, den ich für sehr wesentlich halte und bei dem Einsparpotenzial, wenn es das dort überhaupt gibt, nur durch Einführung der Mechanismen einer Kostenund Leistungsrechnung im wahrsten Sinne des Wortes noch herausgewirtschaftet werden kann. Da musste ich mir im Finanzausschuss auch wieder sagen lassen, es dauere mit der Einführung eben noch etwas, es sei im Justizbereich noch nicht möglich, die Einnahmen den Ausgaben zuzuordnen und umgekehrt. So kann im Prinzip nur ein Staatswesen arbeiten. Kein Privater, keine private Kanzlei oder ähnliche Institutionen wären in der Lage, ihren Betrieb auch nur einige Monate so aufrechtzuerhalten. Deswegen meine Bitte, meine Aufforderung, Herr Justizminister, in diesem Bereich etwas zügiger voranzugehen. Ich gehe davon aus, dass es in dieser Legislaturperiode, wenn wir einmal ganz ehrlich sind,

(Abg. Hackl Bündnis 90/Die Grünen: Nichts mehr wird!)

nicht mehr passieren wird.

Ein weiterer Punkt, bei dem Sie mit einem Timelag arbeiten, ist meines Erachtens das Thema Ausländerbeauftragter. Zum Justizetat gibt es ja auch einen vielseitigen Bericht. In einem Kapitel lautet das Thema Ausländerbeauftragter.

Herr Justizminister, es ist ja nun wohl so – – Das gilt für die gesamte Landesregierung. Sie ist zwar nicht mehr zahlreich vertreten, aber immerhin durch Sie, Herr Minister, und durch Herrn Staatssekretär Rückert; ein anderer sitzt vielleicht noch in den Abgeordnetenbänken. Wenn man das Thema Ausländerbeauftragter ernst nimmt, meine Kolleginnen und Kollegen, kann es nicht sein, dass man selbst als Abgeordneter nach einem Schreiben mehr als sechs Monate auf eine Antwort warten muss. Ein einfacher

Mensch würde auf ein Schreiben wahrscheinlich überhaupt keine Antwort erhalten. Das heißt, die Werthaltigkeit, die die Landesregierung und auch sozusagen das liberale Herzstück – – Der Kollege Kluck, der heute eine grandiose liberale innenpolitische Rede abgeliefert hat, ist leider nicht mehr da.

(Abg. Kiesswetter FDP/DVP: Herzstück!)

Wenn Sie dieses Herzstück wirklich ernst nehmen würden, würde die Landesregierung die Position des Ausländerbeauftragten anders bewerten als derzeit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da, meine ich, muss die Landesregierung etwas tun, wenn sie ernsthaft eine Stelle einrichten will. Ansonsten ist das eine Alibiveranstaltung, und dann soll die Landesregierung das sagen. Dann brauchen wir aber auch keine Stelle einzurichten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD)

Ein weiterer und damit auch schon letzter Punkt, den ich ansprechen möchte: Wir haben das Thema der Juristenausbildung in diesem Haus lange diskutiert. Wir sind auch mit der Zustimmung unserer Fraktion einen Schritt vorangegangen. Wir haben nämlich die bis dahin quasi als Beamte auf Widerruf in dieses Ausbildungsverhältnis übernommenen Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare aus dem Beamtenrecht herausgenommen, natürlich auch unter Kürzung der Bezüge, Unterhaltsbeihilfe usw. Da haben wir zunächst die Frage diskutiert und geklärt, ob es dann vielleicht mehr Stellen gibt. Es hat nicht mehr Stellen gegeben. Das war vielleicht auch in dem Umfang, wie man es zunächst befürchtet hat, nicht erforderlich.

Aber diejenigen, die dort ein Opfer gebracht haben, haben vonseiten der Landesregierung bis heute keine Antwort darauf bekommen, warum sie dieses Opfer gebracht haben und ob dafür auch etwas vonseiten der Landesregierung im Bereich der Juristenausbildung zurückkommt.

Das sind nur drei Punkte, Herr Minister, bei denen ich der Auffassung bin, dass man bei allen Übereinstimmungen – ob das jetzt die Einführung von EDV oder andere Maßnahmen betrifft; es freut uns, dass Sie bereit sind, die außergerichtliche Streitschlichtung, ein Projekt der jetzigen Bundesregierung, das man auch lobend erwähnen muss, schnell umzusetzen – feststellen muss, dass Sie mit der Umsetzung Ihrer Politik doch hinter Ihren Ankündigungen hinterherhinken.

Da ich jetzt bei einer Restredezeit von null Minuten angelangt bin,

(Abg. Hehn CDU: Zehn Sekunden noch!)

beende ich meinen Vortrag an dieser Stelle mit dem Aufruf an Sie, Herr Minister, doch bei der Umsetzung einen Zahn zuzulegen und insbesondere bei den Themen, die ich genannt habe – Ausländerbeauftragter, Kosten- und Leistungsrechnung usw. –, wirklich etwas forscher voranzuschreiten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das Wort erhält Herr Abg. Kiesswetter.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, eines kann man bis jetzt feststellen: Der reformfreudigste Minister, den wir in unserem Kabinett haben, ist der Justizminister.

(Beifall bei der FDP/DVP)