Thomas Oelmayer
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Geschenkt bekommen, Herr Kollege.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Tat haben wir im Rahmen der Ersten Beratung schon über die Defizite des vorliegenden Gesetzentwurfs der Landesregierung diskutiert. Wir haben über dieses Thema auch in den Ausschussberatungen diskutiert. Herr Kollege Fleischer, ich weiß nicht, in welchen Ausschüssen Sie diskutieren. Ich habe über dieses Thema im Innenausschuss diskutiert. Dort habe ich Sie nicht gesehen. Das war vielleicht auch ganz gut so.
Ich will drei Punkte erwähnen, weshalb wir der Meinung sind, dass die Landesregierung reformunfähig ist, was die regionalpolitische Entwicklung anbelangt.
Natürlich muss man, wenn man über Regionalpolitik diskutiert, über die Grenzen der Regionen sprechen. Kollege Schmiedel hat dies zu Recht erwähnt. Man muss, wenn man über Regionalpolitik und über demokratische Strukturen in den Regionen diskutiert, über die Verwaltungsstrukturen im Land Baden-Württemberg sprechen. Und man muss im Anschluss daran auch über die Kompetenzen der Regionen diskutieren. All dem haben Sie mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht Rechnung getragen.
Aber, meine Kolleginnen und Kollegen von den die Landesregierung tragenden Fraktionen: Wir hätten den Gesetzentwurf als einen kleinen Schritt in die richtige Richtung – wir sind es ja schon gewohnt, dass Sie nur kleine Schritte zu gehen bereit sind – mitgetragen, wenn zwei Punkte nicht gewesen wären.
Erstens – das hat der Kollege Fleischer schon präzise auf den Punkt gebracht; wir haben unseren Änderungsantrag auch zur heutigen Beratung noch einmal vorgelegt –: Der Zweckverband ist ein Rückschritt. Der Zweckverband bedeutet weniger Transparenz, weniger Demokratie und weniger Effizienz, meine Damen und Herren.
Gestatten Sie mir an dieser Stelle ein Zitat. Wie an vielen Tagen in diesem Haus ist auch heute wieder viel zitiert worden. Ich möchte den Wirtschaftsminister dieses Landes zitieren, der ja federführend für den Bereich der Regionalplanung ist.
Er ist nicht da. Das macht nichts. Sein Staatssekretär ist aber da; er kann es ihm berichten.
Der Wirtschaftsminister sagte noch vor nicht allzu langer Zeit gemäß einer Pressemitteilung des Wirtschaftsministeriums: „In Baden-Württemberg darf es am Ende nicht eine Region erster Klasse und elf Regionen zweiter Klasse geben.“
Das ist das Erste, Kollege Fleischer.
Das Zweite: Döring betonte deshalb – so die Pressemitteilung weiter; jetzt hören Sie gut zu –, dass es mit ihm eine Abschaffung der Regionalverbände nicht geben werde, auch nicht über die Hintertür der Zweckverbände. Eine gute Aussage des Wirtschaftsministers –
sie ist leider nicht in das Gesetzgebungsverfahren eingeflossen.
Da haben Sie, Kollege Fleischer, natürlich gut lachen, weil Sie sich mit Ihrer Lex Fleischer mit der Mehrheit der die Landesregierung tragenden Fraktionen hier im Landtag – auch gegen den Wirtschaftsminister – letztlich durchgesetzt haben.
Wir als bündnisgrüne Fraktion haben zum Thema „regionale Zweckverbände“ den Änderungsantrag Drucksache 12/6025-1 auf den Tisch des Hauses gelegt. Wir sind der Meinung, dass der Gesetzentwurf die regionale Entwicklung in Baden-Württemberg konterkariert.
Ein zweiter Punkt, den ich im Rahmen der doch etwas knappen Redezeit noch ansprechen möchte – Herr Kollege Fleischer, hören Sie gut zu –, ist die Frage der Kompetenzen für die Regionen. Wenn man den Gesetzentwurf hinsichtlich der Kompetenzen für die Regionen durchgeht, kommt man auf elf Punkte. Davon könnte unsere Fraktion neun Punkte, die ich vorhin im Rahmen der kleinen Schritte schon angesprochen habe, mittragen.
Ein weiterer Punkt aber, warum die Klagebefugnis für die Regionalverbände mit Ausnahme des Verbands Region Stuttgart eingeschränkt werden soll, leuchtet nicht ein. Dafür wird auch in dem von Ihnen vorgelegten Gesetz zur Weiterentwicklung der Regionen keine schlüssige Begründung gegeben. Deswegen hätten wir eigentlich in diesen Bereichen durchaus auch die Gleichstellung mit dem Verband Region Stuttgart erreichen können.
Ein letzter Gedanke – das hat der Kollege Schmiedel für die SPD noch einmal ausgeführt – ist die demokratische Legitimation von Regionalpolitik. Wenn ich den Änderungsantrag der SPD richtig verstehe, wird dort vorgeschlagen, die Regionalparlamente künftig demokratisch zu legitimieren, und zwar durch eine direkte demokratische Wahl.
Wenn Sie diesen meines Erachtens richtigen Schritt schon nicht mitgehen wollen, wäre es doch eigentlich logisch gewesen, diese Möglichkeit wenigstens fakultativ in den Gesetzentwurf hineinzuschreiben, damit die Regionen, die ein Regionalparlament direkt wählen wollen, diese Möglichkeit auch haben. Aber nicht einmal diesen Schritt haben Sie gewagt. Das heißt, in der CDU-Fraktion und in der Landesregierung – an der FDP/DVP kann es, wenn die Zitate des Wirtschaftsministers richtig sind, nicht gelegen haben – hat sich der Strukturkonservatismus bei diesem Gesetzesvorhaben durchgesetzt, und zwar zum Nachteil der Entwicklung der Regionen im Land Baden-Württemberg. Da kann ich mich zum Schluss nur dem anschließen, was der Kollege Schmiedel gesagt hat: Gott sei Dank stehen Wahlen vor der Tür.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meinen Beitrag im Rahmen der Zweiten Beratung möchte ich an und für sich dafür nutzen, für unsere Fraktion nochmals auf den Punkt zu bringen, warum wir dieses Gesetzesvorhaben der Landesregierung ablehnen.
Ich bin dem Herrn Kollegen Berichterstatter dankbar dafür, dass er dem hohen Haus einen Bericht erstattet hat und diesen mit dem Hinweis eingeleitet hat, dass alle Fraktionen dieses Hauses der Auffassung sind, dass gefährliche Straftäter nicht ohne Not in die Freiheit entlassen werden dürfen.
Aber, Herr Kollege Rech, es verwundert mich schon, dass Sie, wenn Sie mich zitieren und dabei die richtigen Schlüsse mit zitieren, diese Schlüsse mit Ihrem juristischen Sachverstand nicht nachvollziehen können.
Ich möchte in drei Punkten nochmals begründen, warum wir diesen Gesetzentwurf ablehnen.
Der erste Grund liegt in der Verfahrensgeschwindigkeit, die hier an den Tag gelegt wird.
Weder der Innenminister, der bei diesem Tagesordnungspunkt gar nicht mehr anwesend ist,
noch der Justizminister haben mir diese Eile bisher begründen können. Eine der ersten Botschaften, die ich bei meiner juristischen Ausbildung in öffentlichem Recht, in Staatsrecht mitgenommen habe, war die, dass es für Gesetzesvorhaben immer auch Erfordernisse geben muss. Weder der Justizminister noch der Innenminister haben dargelegt, dass es derzeit mehrere konkrete Fälle geben würde, die unter die beabsichtigte gesetzliche Regelung fallen würden, die jetzt entlassen werden müssten, wenn es dieses Gesetz nicht gibt.
Das heißt aber im Klartext, dass die von Ihnen an den Tag gelegte Eile nicht notwendig ist. Herr Kollege Bebber, da beziehe ich mich jetzt einfach auf die Anträge, die die SPD-Fraktion im Ausschuss eingebracht hat und die Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, nur oberflächlich beraten haben.
All die Bedenken, die in diesen Anträgen formuliert sind, machen unseres Erachtens deutlich, dass das Gesetzesvorhaben an vielen Stellen auf jeden Fall noch einer handwerklichen Überprüfung bedurft hätte.
Das heißt aber auch, dass dann, wenn die Geschwindigkeit bei diesem Gesetzesvorhaben hätte begründet werden können – das könnte der Justizminister wohl als Einziger in diesem Haus, weil er die Übersicht über den Kreis der zu entlassenden Straftäter hat –, schon bei den Beratungen im Ausschuss und im Rahmen der Ersten Beratung, ein anderer Sachverhalt vorliegen würde. Da er dies aber nicht kann, ist diese Eile nicht angezeigt.
Ein zweiter Punkt sind die verfassungsrechtlichen Argumente. Herr Kollege Rech, es ist natürlich schön, wenn Sie sagen, Sie könnten die Bedenken verstehen.
Auch Sie, Herr Innenminister, können als ehemaliger Justizminister die Bedenken verstehen. Aber Sie ziehen daraus keine Schlüsse und liefern nicht einmal eine Begründung dafür, dass Sie dieses Gesetzesvorhaben in dieser Eile durch das hohe Haus ziehen wollen.
Insofern wird es für uns völlig unerklärlich, dass Sie jetzt eine verfassungsrechtliche Gratwanderung vornehmen wollen, ohne dafür die erforderliche Begründung zu liefern.
Unsere verfassungsrechtlichen Überlegungen beziehen sich zum einen auf die Gesetzgebungskompetenz. Das haben wir schon vorgetragen. Zum anderen beziehen sie sich auf die Frage der Verhältnismäßigkeit.
Gerade der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz findet an vielen Stellen der diesem Haus von der SPD wieder vorgelegten Anträge seinen Ausdruck. Ich bin mir nicht sicher, Kollege Bender, ob uns in einer öffentlichen Anhörung, bei der wir nicht nur einen Sachverständigen hätten hören können – die Landesregierung hat nur einen beauftragt –, nicht weitere Argumente vorgetragen worden wären, die gegen das vorliegende Gesetzesvorhaben gesprochen hätten.
Das heißt im Klartext, dass es uns, wie ich schon bei der Einbringung und bei der ersten Lesung für unsere Fraktion dargetan habe, nicht darum geht, Menschen, die tatsächlich rückfallgefährdet sind, ohne Not in die Freiheit zu entlassen, sondern darum, mit dieser Ultima-Ratio-Regelung der Sicherungsverwahrung wirklich so restriktiv wie möglich umzugehen. Herr Innenminister, diese Restriktion kann ich in dem Gesetzesvorhaben nicht erkennen.
Ein letzter Punkt zu diesem Gesetzesvorhaben, den ich ansprechen möchte – ich komme dann zum Schluss, Herr Präsident –,
ist das Thema der Therapieplätze. Herr Innenminister, es wäre gut, wenn Sie da zuhörten.
Vor wenigen Tagen habe ich auf eine Anfrage in einem Antrag, wie es denn mit Therapieplätzen in Baden-Württemberg aussehe, zwei Antworten erhalten: Erstens, man könne es von der Zahl und der Dauer her nicht genau sagen, und zweitens, was die Sozialtherapeutische Anstalt Baden-Württemberg anbelange, gebe es im Moment eine Wartezeit von einem Jahr. Wenn Sie diese Antworten der Landesregierung, die Sie ja sicherlich mittragen, weil Sie
Mitglied dieser Landesregierung sind, ernst nehmen, müssen Sie erst alle Möglichkeiten ausschöpfen, ein flächendeckendes und für alle Menschen zur Verfügung stehendes Therapieangebot in den Strafvollzugsanstalten des Landes Baden-Württemberg auszubauen. Erst dann kann die Ultima-Ratio-Regelung greifen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eine Große Anfrage der Fraktion der CDU, die mit der These „Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des ländlichen Raums in Baden-Württemberg“ überschrieben ist, steht hier zur Debatte. Ich habe mir die insgesamt 95 Seiten der Antwort der Landesregierung zu Gemüte geführt
und versucht, die Antwort auf die gewählte Fragestellung zu finden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist mir nicht gelungen, diese Antwort zu finden.
Ich darf in fünf Punkten zum Thema „Ländlicher Raum und dessen Wettbewerbsfähigkeit, dessen Zukunftschancen“ Stellung beziehen.
Erster Punkt: Ich glaube – das sieht unsere Fraktion insgesamt so –, dass die Entwicklungschancen und die Entwicklungsfortschritte, die es im ländlichen Raum durchaus gibt – wir haben das insbesondere mit einer gesonderten Großen Anfrage für die Raumschaft Oberschwaben von der Landesregierung untersuchen und beantworten lassen –,
die Entwicklungstendenzen sehr wohl zu erkennen sind, dass dies aber kein Verdienst dieser Landesregierung, sondern ein Verdienst der aktiven und engagierten Menschen in den Regionen dieses Landes ist.
Ein zweiter Punkt, den ich ansprechen möchte:
Trotz dieser Landesregierung. Diese Formulierung gefällt mir auch gut, Kollege Hauk. Der kann ich mich anschließen.
Ein zweiter Punkt: Das MLR veranstaltete im Herbst des vergangenen Jahres einen Kongress mit dem Thema „Das neue Dorf entsteht im Kopf“. Ich glaube, dass dieses Thema gut gewählt war.
Nur: Lieber Kollege Traub, ich hätte eigentlich erwartet, dass Sie das Ergebnis dieses Kongresses hier vortragen würden. Man hat im Rahmen dieses Kongresses und auch in der umfangreichen Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage festgestellt, dass es jetzt eine ziel- und problemorientierte Standortpolitik für den ländlichen Raum geben muss, dass wir dafür Konzepte brauchen und dass die Landesregierung solche Konzepte vorlegen will. Ich habe versucht, diese Konzepte auf den 95 Seiten der Antwort der Landesregierung zu finden.
Dort habe ich sie nicht gefunden. Fehlanzeige!
Ich habe dann gedacht, Herr Kollege Traub würde uns dies hier im Plenum in freier Rede vortragen.
Fehlanzeige! Liebe Kolleginnen und Kollegen, offensichtlich mangelt es der Landesregierung an solchen Konzepten für den ländlichen Raum. Ich will sogar noch etwas weiter gehen: Die Landesregierung hat keine Konzepte für den ländlichen Raum.
Ein weiterer Punkt: Ich befasse mich seit mehreren Wochen, ja seit Monaten mit dem Entwurf des fortgeschriebenen Landesentwicklungsplans. Ich habe gedacht – wie bei dieser Antwort –, ich fände, wenn ich ihn in die Hand nehme, dort die Konzepte für den ländlichen Raum.
Fehlanzeige! Wieder 100 Seiten umsonst gelesen, liebe Kolleginnen und Kollegen! In Ansätzen angedeutet, aber keinesfalls Konzepte dargelegt, keinesfalls Konzepte ausgeführt! Eine große Chance vertan!
Das Besondere an dem Landesentwicklungsplan ist ja die Tatsache, dass die Gemeinden in dem Maße, wie sie bisher über ein formales Anhörungsverfahren beteiligt worden sind – gerade auch die Gemeinden im ländlichen Raum –, mit ihren Anliegen, mit ihren Vorstellungen von Entwicklungen von Ihnen bisher überhaupt nicht gehört worden sind. Ein weiterer Schritt wird wohl der sein, dass die Lan
desregierung – ich hoffe inbrünstig, dass das eine andere Landesregierung sein wird –,
die abschließend über den Landesentwicklungsplan zu beraten hat, in diesen dann auch Konzepte hineinschreibt.
Ich darf Ihnen einmal sagen, woran man die Konzepte festmachen muss. Ich hätte eigentlich erwartet, dass die Landesregierung die Entwicklungen im Landesentwicklungsplan und auch in dieser Großen Anfrage aufgreift. Ich finde aber keine Ausführungen zur demographischen Entwicklung und keine sich daran anschließenden Infrastrukturkonzepte, die natürlich, wenn die Bevölkerung zurückgeht, anders aussehen müssen, als wenn die Bevölkerung in den nächsten 50 Jahren weiter wächst.
Weiter möchte ich die Auswirkungen der neuen Medien auf den ländlichen Raum nennen. Welche Veränderungen erfährt die Arbeitswelt dadurch und welche die Verkehrsstruktur? Das alles sind Themenbereiche, die meines Erachtens einer konzeptionellen Überlegung und Darlegung bedürfen und zutiefst eine Aufgabe der Landespolitik sind. Aber im Landesentwicklungsplan Fehlanzeige und in der Großen Anfrage Fehlanzeige. Ich kann also wirklich nur zu dem Ergebnis kommen, dass die Landesregierung solche Konzepte nicht hat.
Einen letzten Punkt möchte ich noch ansprechen. Wie sieht es denn in anderen Ländern aus? Wir hören von der Landesregierung bei jedem Themenbereich immer den Vergleich mit den anderen. Ich möchte nur zwei Länder als Beispiel nehmen. Zunächst Nordrhein-Westfalen,
um ein rot-grün geführtes Land zu nehmen. Dort gibt es einen Luftverkehrsplan, dort gibt es einen ÖPNV-Bedarfsplan, und dort gibt es einen Agendaprozess auf Landesebene.
Wo sind solche Pläne und solche Prozesse in diesem Land, liebe Kolleginnen und Kollegen?
Wir finden sie nirgends, weder im Landesentwicklungsplan noch in Ihren Redebeiträgen.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Ich verweise noch auf Bayern.
Die Bayern haben etwas Intelligentes gemacht. Kollege Traub, hören Sie gut zu! Da können Sie von Ihren bayerischen Kollegen noch etwas lernen. Sie schreiben ihr Landesentwicklungsprogramm auch fort. Sie schreiben es aber auch für den ländlichen Raum fort, aber nicht von oben
herab. Vielmehr veranstalten Sie Zukunftswerkstätten zu den Themen, die ich vorhin genannt habe: Infrastrukturmaßnahmen, neue Medien etc. pp.
Das sind die Aufgaben, die die Landesregierung im ländlichen Raum hat. All dies, Herr Kollege Hauk, sind Sie bisher schuldig geblieben. Sie können schreien, so laut Sie wollen, das ändert daran nichts. Ich bin der Meinung, die Landesregierung hat wirklich quasi eine Bankrotterklärung ihrer Landesentwicklungsinitiativen vorgelegt.
Es ist höchste Zeit, dass wir Konzepte für den ländlichen Raum bekommen.
Das tut weh, das verstehe ich; aber das muss es.
Frau Ministerin, ich habe ja schon vorhin zu dieser Großen Anfrage und der Antwort, die Sie gegeben haben und die ja sehr umfassend ist, Konzepte eingefordert. Jetzt sprechen Sie den Tourismus an. Ich frage Sie: Wo sind die Konzepte der Landesregierung beim Tourismus? Ich frage Sie: Warum wird das
PLENUM-Projekt von der Landesregierung nur so zögerlich vorangetrieben?
Ein weiterer Punkt, zu dem ich Sie an dieser Stelle fragen möchte, betrifft Widersprüchlichkeiten, die sich einfach in Ihrer Antwort auf die Große Anfrage befinden. Sie sagen auf der einen Seite, die Bedeutung kleinräumiger landwirtschaftlicher Strukturen sei für den Erhalt der Kulturlandschaft wichtig.
Auf der anderen Seite sagen Sie, in Zeiten der Globalisierung komme es auch auf die Fusion von landwirtschaftlichen Betrieben an. Wo ist da das Konzept, Frau Ministerin? Wie sollen sich ländlicher Raum in Baden-Württemberg und insbesondere die Landwirtschaft entwickeln?
Wer viel zu sagen hat, kommt oft dran.
Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Zwei Begründungen aus meiner Sicht, warum das Gesetz über die Weiterentwicklung der Regionen kurz vor Ablauf der Wahlperiode in das Parlament eingebracht wird.
Der erste Grund: Diese Überlegung und diesen Hintergrund begrüßen wir grundsätzlich, weil wir als bündnisgrüne Fraktion in diesem Haus schon immer der Auffassung waren und nach wie vor der Auffassung sind, dass es aufgrund der Herausforderungen in einem zusammenwachsenden Europa auch in Baden-Württemberg einer Stärkung der Regionen bedarf.
Den zweiten Grund, warum der Gesetzentwurf so spät und warum er jetzt aber doch noch eingebracht wird, kann ich Ihnen auch nennen.
Der erste Teilaspekt: einfach deshalb – der Kollege Schmiedel hat es angesprochen –, weil Sie sich weder in der Koalition noch in der CDU-Fraktion darüber einig sind, welche Entwicklungen denn das Land in Strukturfragen nehmen soll. Man kann sagen, die CDU bringt hier ihren Strukturkonservatismus eindeutig zum Ausdruck, und dies nicht unbedingt zum Nutzen des Landes.
Den anderen Grund – Kollege List, hören Sie gut zu –, warum dieses Gesetz jetzt eingebracht wird, hat noch die von Ihnen getragene Bundesregierung, Kollege List, geschaffen: Am 1. Januar 1998 ist das neue Raumordnungsgesetz des Bundes in Kraft getreten mit einer darin enthaltenen Klausel, dass die entsprechenden Landesgesetze bis zum 31. Dezember dieses Jahres angepasst werden müssen.
Jetzt hätte ich mir gedacht, dass die Landesregierung in Baden-Württemberg diese Zeit nutzt, um intensive Diskussionen sowohl in diesem Haus als auch außerhalb des Hauses mit den bestehenden Institutionen, mit den Gemeinden, mit den Regionalverbänden etc. zu führen. Aber die Landesregierung hat sich jetzt selbst in Zeitnot gebracht, und deswegen ist nur ein ganz kleiner Kompromissvorschlag zum Bereich der Regionalisierung herausgekommen. Ich habe heute Morgen schon angesprochen – das ist nicht einmal beim Kollegen Hauk auf Widerspruch gestoßen –,
dass die verstärkte regionale Tätigkeit und die Regionalisierung der Politik in Baden-Württemberg auch im Landesentwicklungsplan festgeschrieben werden sollen. Aber die Konkretisierung dieser verstärkten Regionalisierung, die Sie jetzt mit diesem Gesetzentwurf vorlegen, lässt unseres Erachtens doch sehr zu wünschen übrig. Ich kann Ihnen begründen, weshalb.
Erstens: Die Kompetenzerweiterungen, die Sie jetzt den Regionalverbänden zugestehen wollen, finden wir in Ordnung. Sie wollen damit den Abstand, den es in der Regionalentwicklung zwischen der Region Stuttgart und den anderen elf Regionen im Land gibt, verkürzen. Auch dieses
Anliegen tragen wir mit. Aber die Kompetenzen, die Sie jetzt letztendlich auf die Regionen mit den gegebenen und den vorgesehenen Verfahrensvorschriften übertragen wollen, konterkarieren das Vorhaben wieder zum Teil. Die Konterkarierung wird sozusagen auf den Punkt gebracht – das möchte ich deutlich formulieren –, wenn Sie jetzt die Öffnungsklausel, nämlich die Gründung von Zweckverbänden, in dieses Gesetz mit aufnehmen.
Man kann es auch als Lex Fleischer bezeichnen. Kollege Fleischer hat hier auch für die CDU-Fraktion gesprochen. Sie haben eindeutig nur eine Region erwähnt, obwohl das Land aus mehreren Regionen besteht, Herr Kollege Fleischer, und nicht nur aus der Region mit ihren speziellen Problemen, aus der Sie kommen. Die lösen Sie damit natürlich nicht, Kollege Fleischer.
Wir haben hier den Verband Region Stuttgart, der per Gesetz als Region verfasst ist. Damit wird eigentlich schon zum Ausdruck gebracht, dass die jetzige Verfasstheit bestimmte andere Gebietskörperschaften, wie zum Beispiel Landkreise, zumindest infrage stellt. Darüber müsste eigentlich anhand eines Regionalisierungsgesetzes diskutiert und dann letztendlich auch entschieden werden. Aber darum drücken Sie sich.
Sie gehen noch einen Schritt weiter: Das Gesetz zur kommunalen Zusammenarbeit, das die Möglichkeit der Gründung von Zweckverbänden schafft, soll jetzt quasi eine Art Stoßrichtung sein, um die bisher bestehenden Regionalverbände zu desavouieren.
Ich darf Ihnen, Herr Kollege Fleischer, einmal aus einer Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf zitieren.
Die zitiere ich Ihnen jetzt, weil Sie nämlich auch zitiert haben. Herr Kollege Fleischer, hören Sie gut zu. Die Arbeitsgemeinschaft der Regionalverbände hat zu dem Gesetzentwurf folgende Kommentierung abgegeben.
Das sind die zwölf bestehenden Regionalverbände, Kollege Ruder. „Wer ist denn das?“ Das ist nun eine Frage, die Sie nicht an mich, sondern an sich selber richten müssen.
Die Regionalverbände weisen darauf hin, dass sich die bestehende Organisationsform unstreitig bewährt hat und effektive Arbeit leistet, etwa bei der Rohstoffsicherung, beim Hochwasserschutz usw. Sie weisen ferner darauf hin, dass mit jeder Zweckverbandslösung die Regionalplanung im Lande zwangsläufig unübersichtlicher, weniger transparent, weniger effizient, weniger demokratisch, weniger bürgernah, zersplitterter und letztendlich auch investitionshemmend wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Kritik habe ich nichts hinzuzufügen. Das ist eine ganz eindeutige und präzise Kritik an dem von Ihnen eingebrachten Gesetzentwurf. Wir sind vielmehr der Meinung, dass wir in diesem Hause – – Das können wir wahrscheinlich, Kollege Döpper, nicht
mehr in dieser Legislaturperiode entscheiden. Da bin ich mit Ihnen einig. Aber dann müssen Sie die Vorlage solcher Gesetzentwürfe vielleicht in die nächste Legislaturperiode verschieben. Wer sie dann einbringen möge, das lassen wir einmal dahingestellt.
Aber solche Halbheiten, wie sie jetzt in dieser Form von Ihnen vorgelegt werden, können wir als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen jedenfalls nicht mittragen.
Bitte.
Kollege Fleischer, darüber, wer Vorstellungen von gestern hier ins Parlament einbringt, brauchen wir zwei nicht zu diskutieren. Es ist eindeutig klar – das steht in der Landesverfassung –, dass die Vielfalt der Regionen erhalten bleiben soll, dass wir aber auch alle Regionen gemeinsam nach vorne bringen sollen. Da kann es nicht sein, dass wir mit solchen Öffnungsklauseln, wie Sie sie jetzt im Gesetzentwurf vorsehen, zu wirklich nicht mehr überschaubaren regionalpolitischen Regelungen im Land beitragen.
Den Gesetzentwurf in dieser Form, mit dieser Öffnungsklausel können wir jedenfalls – das werde ich Ihnen in den Ausschussberatungen nochmals im Detail begründen; ich werde auch entsprechende Anträge einbringen – nicht mittragen. Da können Sie sicher sein.
Wir können das nachher ja noch einmal bilateral klären.
Ein weiterer Punkt, der meines Erachtens noch angesprochen werden muss, betrifft die zugestandenen Kompetenzen. Hier hat man sich an dem orientiert, was der Verband Region Stuttgart per Landesgesetz zugestanden bekommen hat. Diese Kompetenzregelung ist ja in dieser Wahlperiode nochmals erweitert worden. Sie macht aber auch deutlich – – Und wenn Sie mit den Vertreterinnen und Vertretern des Verbands Region Stuttgart sprechen – –
Wenn Sie einmal schauen, welche Möglichkeiten diese Region hat, um EU-Fördermittel anzufordern, um sich an Pro
jekten zu beteiligen, dann werden Sie schnell feststellen, dass es nicht angehen kann, dass in anderen Regionen des Landes mit Zweckverbänden gearbeitet wird, die meines Erachtens – und Sie wissen ja so gut wie ich, dass diese nur in dritter Stufe demokratisch legitimiert sind – nicht in der Lage sind, die regionalen Aufgaben der Zukunft im Land zu erfüllen.
Ganz zum Schluss möchte ich Ihnen noch vorschlagen – und das wäre sicherlich für den Landtag ein diskussionswürdiger Punkt, aber wahrscheinlich nicht mehr für diesen, sondern für den nächsten –: Man wird in der Zukunft natürlich auch über Gebietsgrenzen nachdenken müssen. Es kann ja nicht sein, dass die Region Stuttgart jetzt zur Eurometropole ausgedehnt werden soll – wie es der Landesentwicklungsplan ja vorsieht –,
während alle anderen Regionen des Landes – so zum Beispiel die, aus der der Kollege Fleischer stammt – sich als Zweckverbände organisieren. Meine Damen und Herren, das kann nicht die Gleichwertigkeit und die Vielfalt der Entwicklung der Regionen im Lande sein, die die Landesverfassung meint. Deswegen werden wir unsere Vorstellungen im Rahmen eines Änderungsantrags in den Ausschussberatungen einbringen. Dann werden wir sehen, wie Ernst es Ihnen mit der regionalpolitischen Entwicklung in Baden-Württemberg ist.
Aber ich habe keine großen Hoffnungen, dass Sie diesen Anträgen folgen werden.
Aber vielleicht haben wir in der nächsten Wahlperiode die Möglichkeit, die Entwicklungen im Land den Entwicklungen im europäischen Kontext anzupassen.
Ich hoffe darauf, dass Sie diese Einsicht noch vorher zeigen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zwei Vorbemerkungen.
Die erste Vorbemerkung betrifft das Verfahren. Es will mir nicht so recht einleuchten, Herr Innenminister und Herr Justizminister, dass Sie in dieser Eile jetzt dieses Gesetz durch den Landtag ziehen wollen, obwohl – ich betone das –, jedenfalls nach meiner Kenntnis – aber vielleicht liegen Ihnen ja andere Kenntnisse vor; dann würde ich Sie bitten, diese dann auch zu offenbaren –, keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es jetzt darauf ankommt, dass das Gesetz noch im Monat Februar im Landtag beschlossen wird.
Als Abgeordneter, Herr Innenminister, schätze ich es sehr, wenn ich Anhörungsergebnisse von Verbänden, von Organisationen, vom Weißen Ring, von Richtern, von Staatsanwälten und von vielen anderen, deren Stellungnahmen Sie ja eingeholt haben, bekomme. Viele haben, vielleicht auch aufgrund der Zeit, noch nicht Stellung genommen. Ich schätze es sehr, dass man sich darauf beziehen kann und dass man sich ein Bild von dieser rechtspolitisch sicherlich nicht einfachen Frage, wie Sie ja selbst eingeräumt haben, machen kann.
Die Stellungnahmen dieser Verbände sind unserer Fraktion gestern Abend zugegangen. Das heißt, es muss einen Anlass geben, warum Sie das Gesetz in dieser Eile im Landtag verabschieden wollen. Denn wenn das noch in dieser Wahlperiode geschehen soll, dann muss es am 20. oder 21. Februar geschehen. Wann da eine sinnvolle und eine umfassende Anhörung zu den rechtspolitischen und verfassungsrechtlichen Fragen auf der einen Seite und zu der Frage, ob dieses Gesetz überhaupt in dem Sinne greift, wie Sie sich das vorstellen, auf der anderen Seite stattfinden soll, weiß ich nicht. Aber diese Fragen sollten tatsächlich – da will ich den Antrag der SPD-Fraktion gern unterstützen – in einer Anhörung geklärt werden. Die Antwort auf die Frage, warum Sie all dies nicht in einer Anhörung klären wollen, haben Sie bisher nicht gegeben.
Ein weiterer Punkt: Herr Innenminister, Sie haben Ihre Rede natürlich dramaturgisch geschickt aufgebaut – das will ich Ihnen gar nicht in Abrede stellen –, indem Sie dem Parlament hier Fälle vorgetragen haben, bei denen es sich wirklich um grausame Verbrechen handelt – das will ich
überhaupt nicht in Abrede stellen –, bei denen auch wir der Meinung sind, dass man alle Möglichkeiten des Rechtsstaats ausschöpfen muss, solche Verbrechen zu verhindern, die auch dazu geführt haben, dass es auf Bundesebene die Verschärfung der Regelungen zur Sicherungsverwahrung gegeben hat, einem Instrument, das ich als Ultima Ratio des Rechtsstaats bezeichnen möchte; denn es bedeutet für die Menschen, die der Sicherungsverwahrung unterliegen, gegebenenfalls das Wegschließen bis zum Lebensende. Das mag im Einzelfall – ich betone es noch einmal – gerechtfertigt sein. Aber, Herr Innenminister, was Sie uns natürlich nicht berichtet haben, ist, ob die Fälle, die Sie dem hohen Hause hier vorgetragen haben, zeitlich vor den gesetzlichen Verschärfungen der Sicherungsverwahrung auf Bundesebene lagen oder danach.
Der Weiße Ring trägt, denke ich, zu Recht vor: Wir müssen ja erst einmal evaluieren, welche Wirkungen diese Verschärfungen der Gesetze auf Bundesebene gebracht haben. Ob ein solcher massiver Eingriff, wie Sie ihn jetzt hier auf der Grundlage des Polizeirechts, also auf der Grundlage von Landesgesetzen, planen, sich rechtfertigen lässt, hängt doch auch davon ab, inwieweit die bisherigen gesetzlichen Maßnahmen nicht ausreichen, um solche Fälle zu verhindern. Der Presse entnehme ich, dass der Justizminister – ich glaube, auch in der hier im Landtag geführten Aktuellen Debatte – von einem einzigen Fall berichtet, auf den dieses Gesetz gegebenenfalls Anwendung finden würde. Eine Klarheit gibt es darüber bis heute nicht. Auch der Innenminister hat den Fall heute nicht konkretisiert.
Ich will Ihnen einräumen: Jeder Fall ist ein Fall zu viel. Aber, Herr Innenminister und Herr Justizminister, wir bewegen uns im rechtsstaatlichen Grenzbereich. Das haben Sie selbst ausgeführt. Es ist eben nicht klar, ob das Land in diesem Bereich Gesetzgebungskompetenz hat. Es ist eben nicht klar, ob der Eingriff in die persönliche Freiheit von Menschen, den Sie hier planen, noch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht, und es ist eben nicht in Ordnung, wenn Sie einen Rechtsgelehrten, dessen Reputation ich nicht bezweifeln möchte, ein Gutachten machen lassen, in dem er dann zu dem Ergebnis kommt, dass das so geht. Es gibt auch Rechtsgelehrte in dieser Republik, an deren Reputation auch nicht gezweifelt werden kann, die meine Auffassung und die Auffassung meiner Fraktion vertreten, dass wir uns hier im rechtsstaatlichen Grenzbereich bewegen, ja vielleicht die Grenze überschreiten.
Deswegen: Erklären Sie dem Parlament, warum Sie jetzt in dieser Eile dieses Gesetz beschließen wollen. Wenn Sie dies nicht erklären können, Herr Justizminister und Herr Innenminister, dann ist es nicht in Ordnung. Dann scheint es tatsächlich eine Botschaft zu sein, die Ihnen vielleicht in Wahlkampfzeiten wichtig erscheint, die aber zulasten von Menschen geht, die Sie dann bis zum Lebensende wegschließen.
Kollege Birk, dann erklären Sie mir, warum Sie jetzt in dieser Eile dieses Gesetz beschließen wollen.
Dann, meine ich, ist das keine adäquate Vorgehensweise für ein Parlament, auch nicht für das Parlament des Landes Baden-Württemberg. Wir werden in den Ausschusssitzungen erfahren – und wir werden ja hören, ob Sie wenigstens der von der SPD-Fraktion beantragten Anhörung zustimmen –, ob Sie bereit sind, die Argumente, die Sie ja hier durchaus schon einmal akzeptiert haben, auch zu würdigen. Zu welchem Ergebnis wir dann kommen, werden wir sehen.
Ich rate Ihnen, Herr Innenminister, als rechtspolitischer Sprecher der Bündnisgrünen-Fraktion und nicht nur als Rechtsanwalt: Wagen Sie nicht den Schritt über die Rechtsstaatlichkeit hinaus! Die Gerichte werden diese Regelung überprüfen müssen, und wenn Sie dann vor Gericht unterliegen, haben Sie nicht nur die Chance, solche Straftaten zu verhindern – ich komme zum Schluss, Herr Innenminister –,
nicht wahrgenommen, sondern darüber hinaus eine Botschaft in unser Land hinausgesandt, dessen Menschen davon ausgehen, dass hier Gesetze beschlossen werden, die auch rechtsstaatlich abgesichert sind. Wenn das in diesem Fall nicht so sein sollte, dann leidet das gesamte Parlament unter der Schmälerung der Reputation, die es im Land bei rechtsstaatlichen Fragen durchaus genießt.
In diesem Sinne bitte ich um eine offene und faire Behandlung in den Ausschussberatungen, vielleicht auch um ein Besinnen, vor allen Dingen aber um eine Erklärung, warum dieses Gesetz jetzt so schnell verabschiedet werden soll.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte einmal von dem Thema ausgehen, das die Tagesordnung benennt; denn wenn man es nicht von vornherein auf den Fall Schaufler beschränkt, macht das Thema noch viel mehr Sinn. Der Kollege Kurz hat ja mit dem Rechtsstaatsverständnis argumentiert und so getan, als könne man hier im Parlament gar nicht darüber diskutieren.
Das Thema dieser Aktuellen Debatte lautet: „Die Selbstbedienungsmentalität der baden-württembergischen Landesregierung“. Ich möchte das präzisieren und sagen: insbesondere der CDU in diesem Land.
Ich möchte Ihnen einmal vier Punkte nennen, warum unsere Fraktion der Auffassung ist, dass tatsächlich Selbstbedienungsmentalität vorherrscht.
Erstens der Fall Schaufler. Der Kollege Drexler hat das ja hier schon im Detail vorgetragen. Man muss das politisch bewerten. Es kann doch nicht sein, dass aus Steuergeldern Fußballvereine gefördert werden,
dass man aus Steuergeldern zum Essen geht und das Ganze dann noch damit tituliert und dahinter versteckt, dass man das über landeseigene Betriebe macht. Meine Damen und Herren, das sind Konstruktionen, die sich die Landesregierung zu Eigen gemacht hat, gerade durch Landesbeteili
gungs-GmbHs, durch Stiftungsmodelle etc., die letztendlich sowieso Transparenz und parlamentarische Kontrolle vermissen lassen.
Ich möchte aber weitere Punkte benennen, die sich die CDU in diesen wenigen Jahren, die ich dem Parlament angehöre, auch in der Landesregierung geleistet hat. Ein weiterer Punkt ist das Thema Abfallverbrennung in Zementwerken. Da gibt es Beamte in Regierungspräsidien, die sagen: So kann es nicht gehen; wir wollen keine Abfallmitverbrennung in Zementwerken. Aber ein Anruf des Ministerpräsidenten, also eine Intervention von außen, reicht aus, um die Genehmigung für diese Mitverbrennung zu ermöglichen.
Der zweite Punkt betrifft den Fall Märkle. Mir ist sehr wohl noch in Erinnerung, dass Herr Märkle als zweithöchster Steuerbeamter des Landes Vorträge gehalten und dabei Insiderwissen nach außen getragen hat. Das wurde dann als „wissenschaftlicher Vortrag mit Honorar“ tituliert. Auch der damalige Finanzminister Mayer-Vorfelder selbst hat solche Vorträge bei einer Bank gehalten und das so genannte Honorar dann als Geldbote direkt an die CDU weitergereicht.
Ein weiterer Punkt, den ich erwähnen möchte, ist das Thema Bauernverbände.
Auch hier hat sich die Landesregierung, glaube ich, nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert.
Es gibt eine Doppelfinanzierung: Auf der einen Seite durch Subventionierung der Landesregierung, und auf der anderen Seite sind Gelder aus der landwirtschaftlichen Sozialversicherung zugeflossen.
Auch das ist ein Tatbestand – Kollege Rech, hören Sie gut zu –, der meines Erachtens dieses Gehabe der Landesregierung und insbesondere der CDU wirklich belegt.
Nein. Ich mache jetzt hier weiter,
und zwar aufgrund der Kürze der Redezeit, Kollege Rech. Wenn nachher noch Redezeit bleibt, können Sie gern eine Zwischenfrage stellen.
Lassen Sie mich aber zwei Punkte zu den Ursachen benennen. In Baden-Württemberg ist es offensichtlich so, dass die CDU ihre Partei mit der Gesellschaft und dem Staat in diesem Land gleichsetzt.
Meine Damen und Herren, diesen Missstand kann man im Prinzip nur durch den grundsätzlichen Prozess ausräumen, den wir in der Demokratie – auch in Baden-Württemberg – brauchen, nämlich durch den Wechsel in der Landesregierung.
Ein weiterer Punkt, den ich benennen möchte, sind die Konsequenzen aus diesen Vorgängen. Wir haben Anträge zur parlamentarischen Kontrolle von landeseigenen Betrieben eingebracht: dass Berichte über andere Landesbeteiligungen auf den Tisch des Hauses kommen, dass die Zahl der Aufsichtsratsmandate von Regierungsmitgliedern beschränkt wird, dass auch die Vergütungen gegenüber dem Parlament aufgedeckt werden, und zwar ständig und immer, dass über die Spenden, die dort fließen, diesem Haus offen berichtet wird und insbesondere, dass landeseigene Betriebe nicht an Parteien spenden.
Da ist es schon ein Skandal erster Größenordnung, dass sich die CDU des Landes bis heute weigert, die 35 000 DM zurückzuzahlen.
Das alles zusammengenommen kann eigentlich nur zu der Einschätzung führen, dass wir in Baden-Württemberg tatsächlich den Wechsel als ein Kernelement der Demokratie brauchen, um die Kontrolle in diesem Parlament auch zu ermöglichen.
Ein letzter Punkt, den ich benennen möchte: Dieses beschämende Vorgehen von gestern Abend, wo Sie, meine Damen und Herren, nicht in der Lage waren, zum Thema Rechnungshof – ich komme zum Ende, Herr Präsident –,
zu beschließen, dass sich der Präsident des Rechnungshofs hier verantworten muss, und dass Sie sich mit Vertagung quasi um die Themen drücken. Meine Damen und Herren, auch die Menschen draußen im Land werden verstehen, dass ein solches Verhalten nicht richtig ist.
Ich fordere Sie nochmals auf: Klären Sie auch in BadenWürttemberg brutalstmöglich die Vorgänge im Rechnungshof und andere Vorgänge auf.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich verstehe ja Ihre Aufregung, Kollege Kurz und auch Herr Minister Stratthaus. Ich habe ja nichts anderes getan, als einmal ein paar Vorfälle aufzuzeigen, die ich selbst als Abgeordneter, seit ich diesem Haus angehöre – das sind jetzt gerade viereinhalb Jahre –, von Ihnen erlebt habe. Nichts anderes habe ich getan. Ich habe das deshalb getan, meine Kolleginnen und Kollegen, um aufzuzeigen, dass es sich hier um keinen Einzelfall handelt.
Wir diskutieren heute natürlich über den Fall des Herrn Exministers Schaufler, weil es da gerade ein Strafverfahren gibt. Aber ich bin mit Ihnen ja einig, dass Gerichte, Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden Gott sei Dank auch bei uns, wenn es darauf ankommt, gegen CDU-Umweltminister oder gegen CDU-Exminister ermitteln. Das wäre ja noch schöner, wenn das nicht der Fall wäre.
Aber es bleibt natürlich die politische Bewertung dieses Vorgangs, all dessen, was dahinter steckt. Einen Fall habe ich Ihnen ja vorgetragen. Das ist die Spende von 35 000 DM, zu der Sie bis heute wieder keine Stellungnahme, Kollege Kurz, abgegeben haben. Auch der Finanzminister als Mitglied der CDU hat sich dazu nicht geäußert.
Es gehört doch einfach zum politischen Anstand und zur politischen Kultur, dass Sie diese Spende zurückerstatten, weil es sich dabei um Steuergelder gehandelt hat. Das hätte ich eigentlich von Ihnen heute als Konsequenz erwartet, nicht in Demut, aber in der Einsicht, dass politische Kultur keine Spenden aus Steuergeldern über landeseigene Betriebe möglich machen kann.
Ein weiterer Punkt, Herr Minister Stratthaus, den Sie angesprochen haben: Das von Ihnen vorgetragene Verständnis kann man natürlich haben, und mit diesem Verständnis kann man auch Politik in Baden-Württemberg machen. Ich komme auf dieses Verständnis, Herr Minister. Wenn Sie sagen, die politische Kultur bestehe darin, dass Abgeordnete und Minister die Strafvorschriften, die im Strafgesetz
buch normiert sind, nicht verletzen, dann sage ich Ihnen: Das ist der untere Level dessen, was wir von allen Menschen in unserem Land erwarten müssen.
Aber von Ihnen als Ministerinnen und Minister, als Regierungsmitglieder, als Aufsichtsratsvorsitzende, zumal wenn Sie in doppelter Funktion mit Steuergeldern umgehen, müssen wir natürlich mehr erwarten. Wir müssen von Ihnen den sorgsamen, transparenten und zweckgemäßen Umgang mit Steuergeldern erwarten. Gegen diesen Grundsatz der politischen Kultur hat der Exminister Schaufler in eklatanter Weise verstoßen, und Sie sind nicht bereit, diesen Verstoß gegen die politische Kultur in diesem Land auszugleichen, indem Sie diese Spende zurückerstatten.
Und ein weiterer Punkt, den ich benennen möchte. Natürlich wird es jetzt interessant sein – der Kollege Drexler hat es ja vorgetragen –, wie Sie auf diesen Antrag antworten werden. Einen Vorgeschmack haben wir ja schon erhalten. Sie haben ja offensichtlich schon fast alle Belege der SWEG geprüft. Da wäre die erste Frage: Seit Jahren diskutieren wir hier die SWEG-Problematik. Wir wissen, dass der Exminister Gelder zweckentfremdet verwendet hat, für päpstliche Besuche, für Fußballvereine, für Beerdigungsfestivitäten. Das kann man bei den Beträgen, die dort ausgezahlt worden sind, schon so nennen. Da muss man doch fragen, Herr Minister Stratthaus: Wieso prüfen Sie denn die Belege erst jetzt? Wieso haben Sie denn die Belege nicht schon in den vergangenen Jahren geprüft?
Jetzt der Vorgeschmack. Wir hören von Ihnen, dass zu diesen Vorgängen, um die es geht, natürlich keine Belege da sind. Das ist ja ein ganz klarer Zusammenhang mit dem, was dort in dem Strafverfahren von den Betroffenen und den Zeugen geäußert worden ist, dass man natürlich solche Machenschaften nicht auch noch durch Belege abdeckt. Das leuchtet mir ein.
Das ist aber nicht die Aufklärung, Herr Minister, die wir meinen. Deshalb dürfen wir gespannt sein, wie die Antwort auf den Antrag aussehen wird.
Ein Letztes. Da haben wir ja gestern in diesem Haus das Paradebeispiel erlebt. Kollege Kurz, da können Sie den Kopf schütteln, so lange Sie wollen. Wenn Sie durch Mitglieder Ihrer Partei in der Landesregierung oder auch in anderen Funktionen Vorgänge produzieren, etwa als Aufsichtsratsvorsitzende, dann haben Sie – verdammt noch mal – die Pflicht, alles Mögliche zu tun, um dies aufzuklären, transparent zu machen und dem Parlament Rechenschaft abzulegen. Dann dürfen Sie nicht hier hinstehen und so tun, als ginge es nur darum, Strafvorschriften einzuhalten. Die politische Kultur in diesem demokratischen Baden-Württemberg lebt auch davon, dass sich die Vorzeigemenschen, die die Regierung in diesem Land stellen, mehr als gesetzestreu verhalten, indem sie ganz transparent, of
fen und natürlich gesetzestreu – keine Frage – und demokratisch legitimiert mit Steuergeldern umgehen. Gegen diese Grundsätze verstoßen Sie latent. Da fordere ich Sie einfach auf: Finden Sie zurück zu einer politischen Kultur in diesem Land, die durch Transparenz, Bürgernähe und Offenheit gestaltet ist. Das wäre die Forderung, die sich aus dieser Debatte für Sie ergibt, meine Damen und Herren.
Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Kollege Rech, das Beste an Ihrer Rede – das muss ich gleich zu Beginn sagen – war ihre Kürze.
Insofern versuche ich, Sie am heutigen Tage nicht nachzuahmen.
Es ist auch nicht richtig, wie Sie Bündnisgrüne hier zitiert haben. Wir haben in der Tat grundsätzlich keine Einwendungen, für bestimmte Situationen die Videoüberwachung einzusetzen. Sie haben es ja selber oft genug gesagt: Das soll ja nur ein Mosaikstein in der Ermittlungsarbeit der Polizei sein.
Deswegen haben wir auch den Änderungsantrag eingebracht, der von Ihnen im Innenausschuss leider abgelehnt worden ist. Jetzt habe ich aufgrund Ihrer Aussage schon gehofft, Sie würden diesem heute hier zustimmen. Sie haben sich dann aber selber quasi wieder offenbart, indem Sie dann gleich noch hinzugefügt haben, Sie würden den Antrag ablehnen.
Wir haben den Änderungsantrag in die Beratungen im Innenausschuss eingebracht und am heutigen Plenumsabend noch einmal gestellt, weil wir der Meinung sind, dass der Eingriff, den Sie mit dieser Änderung des Polizeigesetzes vornehmen, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht entspricht. Der Eingriff ist deswegen nicht gerechtfertigt, weil man auch mit geringerer Eingriffsintensität die Erfolge erzielen kann, die das Gesetz insgesamt verfolgt, nämlich zum einen wesentlich präventiv tätig zu sein, also Verbrechensvorbeugung allein durch die Installation von Videokameras.
Die andere Intention war aber die, dann auch tatsächlich polizeilicherseits immer dann eingreifen zu können, wenn Gefahr im Verzug ist.
Sie wollen generell aufzeichnen. 99,9 % der erfassten Menschen, meine Kolleginnen und Kollegen, werden dann zu Unrecht erfasst. Das stellt einen Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz dar, und dieser Eingriff ist so nicht gerechtfertigt.
Meine Kollegen insbesondere aus der CDU, wir haben uns ja kundig gemacht. Wir stellen uns ja nicht hierhin und erzählen Ihnen irgendwas, sondern wir haben uns auch über die Erfahrungen, die die Polizei in Leipzig gemacht hat,
mit dem dortigen Leitenden Polizeidirektor unterhalten. Er hat uns berichtet, dass die Regelung, dass immer nur dann aufgezeichnet wird, wenn Gefahr im Verzug ist, dort sehr wohl gegriffen hat. Deswegen hat es mich sehr verwundert, Kollege Rech, dass Sie uns bei Ihrem letzten Beitrag hier in diesem Hause noch kundgetan haben, dass generell aufgezeichnet werden soll und dass es gar nicht notwendig sei, dass immer ein Beamter hinter dem Bildschirm sitzt. Diese Äußerung haben Sie hier getan.
Das ist kein alter Hut, sondern das zeigt die Intention, die Sie ursprünglich verfolgt haben.
Wenn aber die Videoüberwachung Wirkung zeigen und nicht nur einen Placeboeffekt haben und der Bevölkerung Sicherheit vorgaukeln soll, dann muss tatsächlich hinter jedem Bildschirm ein Beamter sitzen. Wenn aber hinter jedem Bildschirm ein Beamter sitzen muss, dann ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur dann gewahrt, wenn Sie nur dann aufzeichnen, wenn der Beamte an dem Bildschirm auch etwas erkennt. Eine Regelung in dieser Form hätten wir mitgetragen. Wir haben sie in dem Änderungsantrag auch so formuliert, und Sie haben ja nach wie vor die Möglichkeit, diesem Änderungsantrag zuzustimmen. Dann können wir auch dem entgegenkommen, was der Kollege Rech hier verkündet hat, dass wir dann vielleicht sogar grundsätzlich den Gesetzentwurf mittragen.
Ein letzter Punkt, den ich nennen möchte, betrifft das Thema Datenschutz bei der Installation von Videoüberwachungsanlagen, auf das Sie ja gar nie eingegangen sind,
dass nämlich vonseiten des Datenschutzes eine Vorabkontrolle für die Standorte stattfinden muss, die Sie für die Videoüberwachung auswählen. Auch dies haben Sie gar nie problematisiert.
Ein letzter Gesichtspunkt: Es soll ja im Land nicht nur stationär videoüberwacht werden, sondern in dem Gesetzentwurf und in der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es, dass durchaus auch mobile Anlagen eingesetzt werden sollen. Dies bedeutet aber wieder einen Interessenkonflikt mit der offenen Videoüberwachung. Je mehr Sie mit der Videoüberwachung rochieren, umso weniger wird sie offen sein. Auch hierfür hätten wir klare Regelungen im Gesetz erwartet und nicht zuletzt auch eine klare und präzise Definition, was für Sie gefährliche Orte sind. Diese gefährlichen Orte haben wir hier definiert. Der Änderungsantrag enthält einen Vorschlag, der das Gesetz so formuliert bzw. so ausgestaltet, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist und die Polizei tatsächlich ein weiteres Mosaiksteinchen in die Hand bekommt, um Ermittlungsarbeit durchzuführen. Da Sie aber, wie Sie angekündigt haben, diesen Änderungsantrag nicht mittragen wollen, können wir aus den Gründen, die ich Ihnen hier noch einmal vorgetragen habe, dieses Gesetz von der CDU und insbesondere von der FDP/DVP nicht mittragen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit meinen Vorrednern bin ich gemeinsam der Auffassung, dass wir die Gesellschaft vor schweren Sexualstraftätern und Gewalttätern schützen müssen. Da besteht ja überhaupt keine Differenz – um das gleich vorwegzunehmen.
Ich hätte mir aber aus meiner Sicht und aus der Sicht der antragstellenden Fraktion eher gewünscht, dass wir anhand eines konkreten Vorschlags, der sich dann auch im Gesetzestext wieder findet, diese Frage diskutiert hätten, weil wir natürlich hier ein Rechtsproblem sehen müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen, einfach deswegen, weil es grundsätzlich – ich glaube, auch darüber besteht Einigkeit in diesem Haus – bei der Einheit der Rechtsordnung nicht sein kann, dass ein Sexualstraftäter in einem Bundesland X – ich will mal gar kein anderes nennen – einer anderen Behandlung unterzogen wird als ein Sexualstraftäter in Baden-Württemberg. Diese Rechtsproblematik müssen wir diskutieren. Das können wir umso einfacher tun, wenn ein konkreter Gesetzentwurf vorliegt.
Ein weiterer Punkt, der meines Erachtens bisher in der Debatte auch vonseiten des Ministers nicht angesprochen worden ist, jedenfalls nicht in seiner dazu veröffentlichten Presseerklärung: Es gibt ja, noch von der alten Bundesregierung und dem alten Bundestag verabschiedet, ein Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und von Straftätern, die gefährliche Straftaten begangen haben. Damit hat man die Möglichkeit geschaffen – das war die Intention dieser Gesetzesinitiative und auch des schon im Jahr 1998 in Kraft getretenen Gesetzes –, die Sicherheitsverwahrung als Möglichkeit der Maßregel auszudehnen. Dieses Argument wurde bisher von Ihnen in die Debatte nicht eingeführt.
Kollege Bender, Ihr Beispiel hinkt, das Sie dem Vortrag des Ministers bei seiner Pressekonferenz entlehnt haben, Ihr Beispiel mit dem Sexualstraftäter, der vor zehn Jahren verurteilt worden ist. Da muss man ja zunächst einmal die Frage stellen: Warum wurde denn damals keine Sicherungsverwahrung angeordnet?
Diese Frage, Kollege Bender, wäre heute einfacher zu beantworten, und es wäre, meine ich, sogar fast davon auszugehen, dass Sicherungsverwahrung angeordnet worden wäre, wenn dieser Täter auf der heutigen gesetzlichen Grundlage verurteilt worden wäre. Das sind alles Argumente, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sie bei Ihrer Debatte bislang nicht berücksichtigt haben.
Ein weiteres Argument, das meines Erachtens hier auch eine Rolle spielen muss, ist die Frage, warum der Justizminister des Landes Baden-Württemberg denn keine Bundesratsinitiative einleitet.
Jetzt hat er in einer Pressemitteilung kundgetan, dass er das wohl schon versucht hat. Aber als Ultima Ratio
jetzt hier landesgesetzgeberisch tätig werden zu wollen in Bereichen, wo es zumindest strittig ist – auch der Kollege Bender hat das ja betont –, scheint mir nicht der richtige Weg zu sein.
Ein letztes Argument – auch das wurde ja von einem der Vorredner schon genannt –: Es gibt in Baden-Württemberg ein so genanntes Unterbringungsgesetz. Auch in diesem scheinen mir Möglichkeiten enthalten zu sein, um solchen Fällen entgegenzutreten. Ich will aber für unsere Fraktion an dieser Stelle erklären, dass wir natürlich gespannt sind, wie Sie mit einem Rechtsgutachten eines Professor Würtenberger aus Baden in Einklang bringen können,
einen Gesetzentwurf vorzulegen, der das dann auch verfassungskonform mit den Vorgaben des Grundgesetzes, den dortigen Gesetzgebungszuständigkeiten usw. harmonisiert.
Von der Zielsetzung her – das zum Schluss der ersten Runde – haben wir keine Differenz mit Ihnen,
sondern wir sind mit Ihnen der Meinung, dass wir solche schweren Sexualstraftaten und Taten von Straftätern sowie Gewalttätern verhindern müssen. Wir sind bereit, entsprechende Wege mitzugehen, aber das setzt voraus, dass wir einen konkreten Vorschlag auf dem Tisch des Hauses haben.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, die Debatte hat eindeutig gezeigt, dass mein Argument aus der ersten Runde richtig ist, dass wir über eine so diffizile und komplizierte Rechtsfrage nicht diskutieren können, wenn uns der Justizminister nicht die Karten auf den Tisch legt. Gerade erfahre ich, dass es ein 40-seitiges Gutachten zu unserer Fragestellung gibt, wobei dann schon die Frage gerechtfertigt ist, warum das nicht aus dem Hause des Justizministers kommt, sondern er den Auftrag nach außen vergibt. Vielleicht ist das deswegen der Fall, weil er bisher, wie er selber sagt, mit seinen Bundesratsinitiativen gescheitert ist.
Ich will das aber mal außen vor lassen und einfach für unsere Fraktion noch einmal erklären, dass wir selbstverständlich bereit sind – ich glaube, keiner der Redner hat hier etwas anderes gesagt –, auf der Grundlage eines Ge
setzentwurfs die Frage zu diskutieren. Aber dass sich dort diffizile Fragen stellen,
80! –, inwieweit das Polizeirecht hier als Grundlage herangezogen werden kann, inwieweit wir in strafrechtliche Regelungen, für die der Bundesgesetzgeber zuständig ist, eingreifen, dazu haben Sie, Herr Minister, in der ersten Runde überhaupt kein Wort verloren. Sie haben von hohen Hürden gesprochen. Es ist doch ein ganz zentraler Punkt, wie die Hürden aussehen, wie hoch die Hürden sind, ob nicht die Bundesregierung, die ja damals von Ihnen geführt worden ist, tatsächlich schon alle verfassungsrechtlichen Möglichkeiten der Sicherungsverwahrung ausgeschöpft hat. Das alles – bis hin zur Frage der Einheit der Rechtsordnung, dass es nicht sein kann, dass in der Frage der Sicherungsverwahrung in Bayern oder, was weiß ich, im Saarland etwas anderes gilt als in Baden-Württemberg – sind Fragestellungen, die man diskutieren kann – das ist doch keine Frage –, aber das müssen wir auf der Grundlage eines Gesetzentwurfs tun, den Sie hier einbringen müssen.
Deswegen war die Aktuelle Debatte der falsche Weg, um ein so sensibles Thema anzugehen. Den Menschen draußen zu suggerieren, man sei an dem Thema dran, das halte ich für nicht in Ordnung, und deswegen bin ich der Meinung: Herr Minister, legen Sie den Entwurf vor. Dann sind wir zur Diskussion bereit.
Kollege Bender, hören Sie zu! Sonst sagen Sie nachher wieder, Sie hätten nicht gewusst, was unsere Fraktion will.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Gefahr der falschen Rede hat sicherlich nicht bestanden, weil ich normalerweise meine Reden nicht vorher schreibe.
Zum Thema Rechnungshof und seiner Denkschrift: Diese dicke Ausarbeitung, die wir jährlich im Parlament beraten,
ist eine Art Dokumentation der Finanzkontrolle des Rechnungshofs hinsichtlich des Ausgabeverhaltens der Regierung und letztendlich auch die Grundlage für die Entlastung der Regierung. Das muss man sich auch immer wieder klarmachen. Wir haben, für mich zum ersten Mal, die Beratungen darüber im Finanzausschuss mit aller Intensität geführt. Das ehrt zunächst das Parlament. Es ist aber natürlich auch eine große Aufgabe des Rechnungshofs, die dort jährlich zu bewältigen ist.
Für unsere Fraktion möchte ich auf drei oder vier Punkte eingehen. Das erste Thema, die Schulden, wurde schon erwähnt. Wir sind der Auffassung, dass diese 59,3 Milliarden DM zum Ausdruck bringen, dass mit jeder Milliarde, um die der Schuldenberg zunimmt, sukzessive politischer Gestaltungsspielraum verloren geht. Deshalb muss es für dieses Parlament, ich denke, auch fraktionsübergreifend, eine wichtige Aufgabe sein, diesen politischen Gestaltungsspielraum durch eine Rückführung der Schulden zurückzugewinnen.
Das ist natürlich insbesondere die Aufgabe der Regierung. Das ist keine Frage.
Ein weiterer Punkt: Der Punkt „Allgemeines und Organisation“ wurde schon angesprochen. Dazu gehört das Thema Reiterhof. Wenn man als Abgeordneter des Landtags von Baden-Württemberg, im Finanzausschuss sitzend, solche Vorgänge vorgetragen bekommt, bei denen die Regierung mit öffentlichen Geldern, die sie sich über das Königsrecht des Parlaments hat bewilligen lassen, zu einem offensichtlich, wie der Rechnungshof durch Nachprüfung festgestellt hat, überzogenen Kaufpreis bei viel zu geringen Pachteinnahmen und viel zu hohen Unterhaltskosten Reiterhöfe kauft
und den Reiterhof an den Steuerschuldner wieder verpachtet hat, das setzt dem Ganzen noch die Krone auf; das ist das Tüpfelchen das I –, dann muss man sich schon die Frage stellen: Welche Sanktionsmechanismen haben wir als Parlament, um ein solches Verhalten zu rügen?
Ich will das jetzt nicht im Detail ausbreiten, meine Damen und Herren. Aber es leuchtet ein, dass das nicht ganz undiskutiert bleiben kann, wenn wir für die Zukunft überlegen, ob Regierungshandeln in dieser Weise noch als verantwortlich angesehen und dafür Entlastung erteilt werden kann.
Ein weiterer Punkt, den ich benennen möchte, der auch besonders geprüft worden ist, bei dem ich mich selber besonders engagiert habe, ist ein Thema aus dem Bereich des Umwelt- und Verkehrsministeriums. Dabei hat die Regierung ein Rechtskonstrukt, ein Rechtsformgebilde geschaffen, bei dem selbst ich als einschlägig tätiger Mensch, nämlich als Jurist und Rechtsanwalt, Stunden gebraucht habe, um es nachzuvollziehen. Das Land hat Schienenfahrzeuge gekauft, sozusagen auf Vorrat, für 53 Millionen DM bei entsprechenden Vorfinanzierungskosten über verschiedene Gesellschaften, die meines Erachtens so nie hätten gefördert werden dürfen.
Ich will das nicht weiter vertiefen. Es ist jedenfalls ein Vorgang, der meines Erachtens der Landesregierung zu Recht in einem gewissen Umfang eine Rüge des Finanzausschusses und damit auch des Landtags eingebracht hat. Hier stellt sich ebenfalls die Frage nach Konsequenzen – ich habe das vorhin schon angesprochen –, und wir werden das im Parlament einmal intensiv angehen und diskutieren müssen. Das Königsrecht des Parlaments wäre es natürlich, auch dort einmal die Entlastung zu versagen, wenn solche Vorgänge aufgedeckt werden. Ich glaube, der Rechnungshof hat dies zu Recht aufgedeckt.
Gewundert hat mich allerdings – das muss ich an dieser Stelle sagen –, dass der zunächst sehr gute Vorschlag des Rechnungshofs für eine Beschlussempfehlung, durch den Filter der Regierung gegangen, nachher wieder zahnlos dahergekommen ist. Das zeigt: Bei einem Rechnungshof, der nicht Zähne zeigen kann, auch bis zur parlamentarischen Behandlung, muss man sich überlegen, wie die Organisation der Prüfung, der Bericht und das Ergebnis in Zukunft angegangen werden können.
Ein letzter Punkt, den ich nennen möchte, betrifft die Vorgänge um den Rechnungshof selbst. Ich denke, dieses Thema haben wir zu Recht für heute von der Tagesordnung abgesetzt, weil man das erst einmal gründlich aufklären muss. Aber es gibt den alten Grundsatz: Wer selbst im Glashaus sitzt, kann schlecht andere prüfen. Das heißt, wir müssen diese Vorgänge vorbehaltlos aufklären. Das halte ich für eine ganz wichtige Aufgabe des Parlaments. Denn es kann nicht sein, dass dort quasi Ausgaben über Gebühr getätigt werden, Ausgaben, die nicht zu rechtfertigen sind. Wir müssen dieses Thema im Finanzausschuss intensiv angehen und danach auch dem Parlament darüber berichten. Es
wird ja auch um die Entlastung des Rechnungshofs gehen. Ich habe das Thema Konsequenzen jetzt mehrfach genannt.
Zum Schluss gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Rechnungshofs dennoch auch unsere Anerkennung für die ausführliche Darstellung in der Denkschrift 2000. Das ist sicherlich auch ein wichtiger Beitrag zum Finanzcontrolling des Parlaments – bei aller Kritik, die jetzt – sicherlich auch zu Recht – gegenüber dem Rechnungshof aufgrund der eigenen Verhaltensweise bei Ausgabenpositionen meines Erachtens angebracht ist.
Ja, bitte.