Protokoll der Sitzung vom 02.02.2000

(Abg. Dr. Puchta SPD: Der Verfassung!)

In dem anderen Fall ist es ein geradezu schon grob fahrlässiger Umgang mit dem Eigentum anderer, das zwar dem Staat zugerechnet wird und auch irgendwo mit Regierungen verfilzt ist, was aber nach wie vor zu trennen gewesen wäre.

Das eigentliche Problem, meine Damen und Herren, liegt nicht nur in dem Vertrauensschwund, der dadurch erzeugt wird, sondern darin, dass das Verhältnis zwischen Staat und Parteien auf den Prüfstand gestellt werden müsste.

(Zuruf des Abg. Deuschle REP)

Das ist auch ein Thema für diesen Landtag. Denn da geht es nicht nur um die Frage, ob die Parteien im Rahmen der Parteienfinanzierung Anspruch auf Spendeneinwerbung haben. Vielmehr geht es zentral um die Frage, wie sich die Parteien innerhalb dieses Staates positionieren.

Wenn wir Artikel 21 zur Grundlage nehmen, dann ist eigentlich vom Verfassungsgeber seinerzeit ein System vorgesehen gewesen, in dem die Parteien zwar eine wichtige Rolle spielen, aber keineswegs den Anspruch erheben dürfen, sich quasi wie der Staat im Staate zu bewegen.

Das, was wir jetzt hier erleben, zum Beispiel im Verhalten des ehemaligen Bundesinnenministers Kanther, aber genauso im Verhalten des Herrn Schleußer, ist eine Haltung, Herr Kuhn, die darauf zurückgeht, dass sich jemand eigentlich schon wie der Staat selbst sieht und sich etwas herausnimmt, weil er sagt: Ich bin so wichtig und ich bin auch in meiner Funktion so unverzichtbar, dass man mir eigentlich ein solches Verhalten zubilligen muss.

Wenn Sie jetzt die ganze Debatte verfolgen – auch die Diskussionsbeiträge, die hier kommen, diese Selbstrechtfertigungsversuche –, dann durchzieht die doch immer wieder eine Denkfigur, dass es nämlich offensichtlich für die Altparteien zu einer lieb gewonnenen Grundüberzeugung geworden ist, dass sie der Staat sind.

Wissen Sie, wann wir dies hier in diesem hohen Hause auch schon vorexerziert bekommen haben? Als wir beispielsweise vorgehalten bekommen haben, wir würden mit der Kritik an anderen Parteien sozusagen den Staat und die Verfassungsordnung infrage stellen.

(Beifall bei den Republikanern)

Nein, meine Damen und Herren, hier müssen wir eines klarmachen: Hier muss schonungslose Kritik erfolgen, ohne dass zugleich wieder das Argument kommt: Wer an den Parteien und ihrer Finanzpraxis Kritik übt, der kritisiert unseren Staat.

(Beifall bei den Republikanern)

Im Übrigen noch eine Einflechtung: Ich kann mich noch gut daran erinnern, als Kollege Birzele mir einmal vorgehalten hat, dass schon die Aussage – ich habe damals einen Buchtitel zitiert –, der Staat sei sozusagen zur Beute der Parteien geworden, Ausdruck von Verfassungsfeindlichkeit sei. „Der Staat als Beute“ war der Titel eines Buches von Hans Herbert von Arnim, ein Titel, der wahrscheinlich nie aktueller war als in den Tagen, die wir heute erleben.

Zu dieser Parteispendenaffäre will ich aus der Sicht meiner Fraktion und meiner Partei nur Folgendes sagen: Die einen haben bei dieser Finanzierung über Spenden eigentümliche Wege beschritten, die rechtswidrig waren. Die SPD hat in Nordrhein-Westfalen eine Landesbank zum kostenlosen Reisebüro umfunktioniert. Der Vertrauensschaden ist da, und den wird man durch noch so kraftmeierische Selbstreinigungsankündigungen nicht aus der Welt schaffen.

Schlimm ist, dass auch in Baden-Württemberg mit der SWEG und vielleicht noch mit anderen Vorgängen etwas im Raum steht. Hinweise gibt es ja, obwohl sie noch nicht konkretisiert worden sind. Wir haben in den Fällen Aurenz und Kauder hier unsere Probleme; Sie brauchen bloß in die heutige Zeitung zu sehen. Es ist ja offensichtlich auch gar nicht so einfach, in diesem Land als Staatsanwalt manche Dinge zu verfolgen, ohne unter Druck zu geraten.

(Widerspruch bei der CDU – Zuruf des Abg. Oet- tinger CDU)

Wollen Sie das in Abrede stellen, Herr Kollege?

(Abg. Oettinger CDU: Ja!)

Wollen Sie in Abrede stellen, dass einem Staatsanwalt in einem solchen Verfahren massiv gedroht worden ist?

(Abg. Oettinger CDU: Ja! Genau das will ich!)

Das wollen Sie. Da steht aber eine andere Aussage dagegen, und zwar die dieses Staatsanwalts, und ich sage Ihnen ganz offen: Inzwischen glaube ich eher ihm als Ihnen, und Sie wissen auch, warum.

(Beifall bei den Republikanern – Heiterkeit des Abg. Deuschle REP)

Meine Damen und Herren, das Verhalten verschiedener Spitzenpolitiker in unserem Land, aber auch in der ganzen Republik gibt wirklich Anlass zur Sorge. Wenn ich mir überlege, dass ein Innenminister Kanther jahrelang für law and order stand und jetzt eiskalt davon spricht, die Kritik an seinem Fehlverhalten sei als Treibjagd zu bezeichnen, dann stelle ich mir einmal die Gegenfrage: Warum hat man eigentlich damals diese Wege beschritten? Das Parteiengesetz, meine Damen und Herren, ist weder in der Novellierung Anfang der Achtzigerjahre noch 1994 als Grund heranzuziehen, dass man Geld ins Ausland schafft.

(Abg. Deuschle REP: Eben!)

Hier stellt sich eher die Frage, woher das Geld gekommen ist.

(Abg. Käs REP: So ist es!)

Hier wird die Herkunft verschleiert, und deshalb werden gezielt irgendwelche Auflagen des Parteiengesetzes umgangen.

Ich glaube hier nicht mehr an Selbstreinigungskraft. Wir als Republikaner haben einen Vorschlag unterbreitet, wie man das Parteiengesetz novellieren könnte, um in Zukunft wenigstens gewisse Missstände auszuschließen. Dazu gehört, dass künftig keine Spenden mehr von juristischen Personen angenommen werden dürfen.

(Beifall bei den Republikanern – Abg. Rapp REP: Richtig!)

Dazu gehört, dass eine Verletzung der zentralen Bestimmungen des Parteiengesetzes zukünftig unter Strafe gestellt wird, und zwar beispielsweise mit einem Strafrahmen wie bei der Geldwäsche. Und dazu gehört, meine Damen und Herren – und das wäre ein ganz entscheidender Faktor –, der Verlust der staatlichen Teilfinanzierung für eine Partei in dem Jahr, in dem sie eben gegen diese Bestimmungen verstößt.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Es ist heute die Sorge ausgesprochen worden, von dieser Situation könnten sozusagen wieder mal die Falschen irgendwie profitieren. Die Angst vor Jörg Haider geht offensichtlich auch hier um, wenn ich Herrn Maurer richtig verstanden habe. Ich lasse ihm gern diese Angst.

Ich will Ihnen nur bei dieser Gelegenheit einmal etwas anderes vorhalten. Ich glaube, dass die rot-grüne Bundesregierung in Berlin gut beraten wäre, sich daran zu erinnern, dass es in der jüngsten deutschen Geschichte schon einmal

einen Vorgang gegeben hat, bei dem eine Berliner Regierung glaubte, in Österreich intervenieren zu müssen. Eine Wiederholung möchte ich eigentlich nicht erleben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Republikanern)

Das Verhalten mancher europäischer Politiker erinnert mich eher an den Habitus von Kolonialherren als an den politischer Partner.

(Beifall bei den Republikanern)

Wenn sich jetzt herausstellen sollte, dass der Versuch der Einflussnahme auf ein demokratisches Land mit solchen Mitteln Schule macht, fühle ich mich in all meinen skeptischen Überlegungen zu Europa bestätigt. Ein solches Europa haben wir abgelehnt. Deswegen bleiben wir auch heute gerade aus diesem aktuellen Anlass dabei. Wenn wir auch hier von diesem Land aus Europapolitik gegenüber unserem Nachbarland Österreich machen wollen, gilt nach wie vor eines: Es muss ein Europa der souveränen Nationalstaaten bleiben, wo solche Einflussnahmen in Zukunft unterbleiben.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Republikanern)

Das Wort erteile ich dem Herrn Ministerpräsidenten.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Baden-Württemberg geht einen guten Weg. Unser Land hat einen Spitzenplatz oder den Spitzenplatz in Deutschland und in Europa. Dies ist eine Gemeinschaftsleistung der Bürgerinnen und Bürger, der Lehrerinnen und Lehrer, der Handwerksmeister, der Bauern, der Forscher, der Hochschullehrer und aller, die in diesem Land in der Wirtschaft und in der Gesellschaft Verantwortung tragen, und ich denke, es ist auch das Ergebnis einer guten und weitsichtigen Politik.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben eine der erfolgreichsten Legislaturperioden in der Geschichte dieses Landes hinter uns. Ich danke den Abgeordneten der beiden Regierungsfraktionen dafür. Ich danke den Kolleginnen und Kollegen der Landesregierung.

Eine beispielhafte Liste von Maßnahmen, um die man sich vorher mehrere Legislaturperioden lang ohne Ergebnis bemüht hat: die Schaffung einer starken Landesbank BadenWürttemberg, die im ersten Jahr ihres Bestehens zweistellige Zuwachsraten hat; die Schaffung der zweitgrößten ARD-Anstalt, eines starken Landessenders Baden-Württemberg, des Südwestrundfunks; die Schaffung einer Energieversorgung Baden-Württemberg durch die Fusion von zwei großen Energieversorgungsunternehmen unseres Landes mit der sich in diesen Tagen bietenden Chance einer Abrundung im ganzen Land und mit der Chance, auch über Strom hinaus zu einer Abrundung bei anderen Energiearten zu kommen; es ist das viertgrößte deutsche Energieunternehmen entstanden, ein Unternehmen, das in dem immer schärfer werdenden nationalen und europäischen Wettbewerb wettbewerbsfähig ist, ein Unternehmen, dem wir ei

(Ministerpräsident Teufel)

nen starken strategischen Partner verschafft und dem wir so Selbstständigkeit und Wertschöpfung in Baden-Württemberg unter Sicherung aller Standorte in unserem Land ermöglicht haben; eine Landesversicherungsanstalt für Baden-Württemberg in Karlsruhe; ein Sparkassen- und Giroverband Baden-Württemberg in Stuttgart. Das Land wird immer mehr zur Einheit, und das Land wird stärker. Wir sichern heute unsere Wettbewerbsfähigkeit für morgen.

Den Spitzenplatz hat Baden-Württemberg in den Forschungsausgaben, und bei den Forschungsausgaben werden international immer die Forschungsausgaben der Wirtschaft und die Forschungsausgaben des Landes addiert: Spitzenplatz in Deutschland, Spitzenplatz in Europa. Wir sind bei der jährlichen Statistik des Deutschen Patentamts in München auf Platz Nummer 1: 55 Patente auf 100 000 Einwohner im Bundesdurchschnitt, über 90 in BadenWürttemberg – eine Leistung von Facharbeitern, Meistern, Technikern, Ingenieuren und Unternehmern.

(Zuruf von der SPD)

Ja, nicht eine Leistung der Opposition, muss ich in diesem Zusammenhang sagen. Auch eine Leistung der Bürger; deswegen habe ich das Lob gerade an der richtigen Stelle angebracht.

Baden-Württemberg hat unter 250 untersuchten Regionen in Europa den Spitzenplatz bei den Hochtechnologie-Arbeitsplätzen, also den Arbeitsplätzen der Zukunft.

Die Hochschulreform in drei Etappen ist beispielhaft für alle anderen Bundesländer. Die Einführung von Studiengebühren für Langzeitstudenten führte in einem einzigen Semester – bei Zunahme der Erstsemester – zu 18 000 Studenten weniger: ausschließlich Langzeitstudenten an den neun Universitäten unseres Landes.