Protokoll der Sitzung vom 02.02.2000

und ich lasse mir vor allem auch die Ansatzpunkte und die Erfolge, die in diesem Haushalt enthalten sind, von Ihnen nicht zerreden.

(Abg. Dr. Puchta SPD: Zahlen! Zahlen sind Fak- ten!)

Ich kann mit gutem Gewissen sagen: Diese Landesregierung und die beiden Fraktionen von CDU und FDP/DVP tun zweierlei gleichzeitig: Wir konsolidieren den Haushalt,

(Zuruf des Abg. Dr. Puchta SPD)

wir führen die Schuldenneuaufnahme auf null zurück – das ist das eine –, und wir setzen gleichzeitig Schwerpunkte für die Landespolitik in der Bildungspolitik, in der Hochschulpolitik, bei der inneren Sicherheit und in anderen Bereichen, die angesprochen worden sind. Beides ist notwendig.

Theodor Heuss – ich will das noch einmal sagen – hat von Baden-Württemberg als einem „Land deutscher Möglichkeiten“ gesprochen. Er hat auch schon damals bei der Gründung des Südweststaats von einem „Land europäischer Möglichkeiten“ gesprochen. Das ist der Anspruch, den wir erfüllen wollen: Baden-Württemberg als europäisches Kernland. Ich glaube, dass dieser Haushalt so, wie er jetzt auf dem Tisch liegt,

(Abg. Kuhn Bündnis 90/Die Grünen: Jetzt wird es langsam liberal!)

in der Lage ist und den Weg weist für eine solide Finanzpolitik, aber auch für deutliche Schwerpunktsetzungen. Genau auf diesem Wege wird diese bürgerlich-liberale Koalition fortschreiten, weil es der einzig richtige Weg ist.

(Lebhafter Beifall bei der FDP/DVP und Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Kluck FDP/ DVP: Bravo!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Schlierer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion über diesen Doppelhaushalt steht ja unter der Gegenüberstellung „Haushalt der verpassten Chancen“ und „Haushalt der Konsolidierung“. Ich glaube, dass man die Frage, welchen Titel dieser Haushalt verdient, eigentlich erst dann beantworten kann, wenn man sich über die Maßstäbe klar wird.

Wir haben heute beim Kollegen Oettinger wieder die übliche Darstellung mit dem Vergleich mit anderen Bundesländern erlebt. Diese Vergleichsmethode wandelt sich ein wenig, je nachdem, wer im einen oder anderen Bundesland die Regierung stellt. Wir haben heute zum Beispiel von Herrn Oettinger nichts mehr über das Saarland gehört. Wir haben stattdessen einen neuen Begriff hier eingeführt bekommen, nämlich das Benchmarking im Finanzbereich. Ich habe das so verstanden, dass Benchmarking bedeutet,

dass man immer gerade ein bisschen besser zu sein versucht als die anderen.

Was ich vermisst habe, meine Damen und Herren, ist der Versuch, einmal selbst aus politischer Einsicht heraus Maßstäbe zu bilden, die wirklich die Kriterien zur Vertretung der Interessen unseres Landes sein müssen.

(Beifall bei den Republikanern)

Diese eigenen Maßstäbe sind erforderlich, denn die Situation, in der wir uns befinden, ist ja keineswegs so, dass man unbesorgt alles einfach weiter fortschreiben könnte, gerade so, als ob die Zukunft einen Weg in elysische Gefilde vorsähe.

Wir haben nach wie vor eine weiter wachsende Verschuldung des Landes. Die Nettoneuverschuldung soll, so habe ich von Herrn Pfister gehört, zurückgefahren werden. Ich frage mich allerdings, warum die FDP/DVP dann nicht unserem Antrag zugestimmt hat, dieses Ziel in der Verfassung festzuschreiben.

(Beifall bei den Republikanern)

Das ist ein Widerspruch. Denn was nützen uns die schönsten Reden hier, wenn Sie dann, wenn es darauf ankommt, kneifen und dieses Ziel nur zur Sprechblase verkommen lassen?

(Abg. Deuschle REP: Typisch FDP!)

Was wir brauchen, ist eine klare Vorgabe, eine Vorgabe mit Verpflichtung. Solange das nicht festgeschrieben ist, meine Damen und Herren, glaube ich jenen, die von der Nettonullverschuldung sprechen, nicht. Ich habe eher den Eindruck, dass sie gar nicht wirklich gewollt ist, sondern nur in Debatten und in Sonntagsreden beschrieben und beschworen wird, frei nach dem Motto: „Wir machen im Prinzip so weiter wie bisher.“

Dieses „Weiter so!“, meine Damen und Herren, ist das, was sich wie ein roter Faden durch diesen Haushalt zieht. Das ist folgende Grundmethode: In den guten Jahren beschwört man die Fortschreibung der positiven Entwicklung, hofft auf die Zukunft und glaubt, im Vorgriff auf diese Zukunft heute schon Mittel aufnehmen und verwenden zu können, ohne sich sicher sein zu können, dass man sie nachher auch wieder zurückführen kann. Diese Debatte haben wir übrigens auch schon im Finanzausschuss geführt. Der berechtigte Hinweis darauf, dass dieses Bundesland ja einmal schuldenfrei war, wird dann damit abgetan, dass man in früheren Jahren eben so habe wirtschaften dürfen, weil man darauf vertraute, dass alles so weitergehen, sich positiv entwickeln und sich irgendwann in Wohlgefallen auflösen werde. In schlechten Jahren – so haben wir heute gehört, meine Damen und Herren – wird dann zwangsweise gespart. Das Ganze wird dann als fundamentale Änderung und als großer Erfolg dargestellt.

Herr Oettinger hat vorhin davon gesprochen, man habe 1999 sogar weniger Schulden gemacht. Dabei hat er verschwiegen, dass im Haushaltsansatz zum Nachtragshaushalt 1999 die Einnahmeseite durch steigende Steuereinnahmen um mehr als 1,6 Milliarden DM übertroffen wurde.

Wenn ich diesen 1,6 Milliarden DM die 800 Millionen DM gegenüberstelle, die er eingespart hat, dann ist das für mich kein Sparen, sondern insgesamt ein Etikettenschwindel.

(Beifall bei den Republikanern)

Für uns, meine Damen und Herren, sehen die Zahlen dieses Haushalts eigentlich ziemlich deutlich aus. Wir haben auf der Einnahmeseite eine Zunahme von 2,3 Milliarden DM einkalkuliert, denen auf der Ausgabeseite nur 600 Millionen DM Minderausgaben gegenüberstehen. Die Nettoneuverschuldung steigt um 4,32 Milliarden DM. Da kann ich heute ganz objektiv feststellen: Das ist keine Konsolidierung, sondern eine Zunahme der Verschuldung und eine zunehmende Belastung für die künftigen Generationen.

(Beifall bei den Republikanern)

Meine Damen und Herren, dies muss man auch noch vor dem Hintergrund einer Entwicklungslinie sehen, die von folgenden Eckmarken gekennzeichnet ist: Die Pensionslasten steigen weiter. Wir haben im Zusammenhang mit Haushaltsberatungen hier schon Debatten geführt, in denen auf dieses Problem hingewiesen wurde, wo angemahnt wurde, dass man sich dieses Problems möglichst zeitnahe annehmen müsse, um zu verhindern, dass hier eine ähnliche Bugwelle entsteht, wie wir sie beispielsweise mit der Nettoneuverschuldung erzeugen.

Wir wissen von den Folgekosten, die beispielsweise auch bei den hoch gelobten Zukunftsoffensiven irgendwann anfallen und mit absoluter Sicherheit dann auch in den Haushalt eingestellt werden müssen.

Wir haben bis heute keine überzeugende Stellenreduzierung, obwohl wir wissen, dass der Personalkostenanteil im Haushalt nach wie vor die kennzeichnende Belastungsgröße darstellt. Stattdessen haben wir, etwa im Zusammenhang mit der Diskussion um Unterrichtsausfall, die typische Situation gesehen: Man schafft neue Stellen, diskutiert noch an, ob diese vielleicht mit einer Wegfall-Kennzeichnung versehen werden können, anstatt darüber zu reden, ob nicht mit einem höheren Deputat eine bessere Unterrichtsversorgung zu erreichen wäre. Meine Damen und Herren, das zeigt mir eines: Das sind gewisse Reflexmechanismen, es ist aber kein ernsthaftes Bemühen erkennbar, diese Haushaltssituation wirklich solide zu verbessern.

(Beifall bei den Republikanern)

Deswegen ist das kein Haushalt der Konsolidierung.

(Beifall bei den Republikanern)

Schließlich darf man nicht außer Acht lassen, dass die Perspektiven für das Land unter Einbezug der Steuerreform ja nicht besser werden. Wir werden keine Verbesserung, sondern eher eine Verschlechterung der finanziellen Situation erleben.

Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, ist auch einmal zu diskutieren, wie es denn weitergehen soll. Ich habe immer mehr den Eindruck, Herr Ministerpräsident, dass bei all den Überlegungen und Entscheidungen der Zeithorizont nie über eine Legislaturperiode hinausreicht, sondern immer durch Wahlkämpfe begrenzt wird.

Der Verkauf der EnBW beispielsweise ist doch zu reflektieren vor dem, was der Fraktionsvorsitzende der CDU vor zwei Jahren in der Haushaltsdebatte gesagt hat, dass nämlich Beteiligungen des Landes im Prinzip nur dann abgestoßen werden sollten, wenn sie ohne strategische Funktion für das Land seien. Jetzt frage ich einmal: Ist es denn wirklich so, dass der Energie- und der Kommunikationssektor, denen heute Schlüsselfunktionen in der technologischen Entwicklung zugesprochen werden, ohne strategische Bedeutung für unser Land sind? Ist es nicht vielmehr so, dass gerade in diesen Bereichen das Land ein gesteigertes Interesse daran haben müsste, im Sinne der Standortsicherung Einflussmöglichkeiten zu behalten? Ich kann Ihnen nur eines sagen: Hier wird wirklich das echte Tafelsilber verkauft. Ich sage nicht „verscherbelt“, denn der Preis mag nach dem Marktwert des Aktienpakets durchaus angemessen sein.

Aber sicher ist: Sie haben etwas verkauft, und das bedeutet gleichzeitig, dass das Land strategischen Einfluss verliert. Dem steht auf der anderen Seite nur die Thesaurierung eines Teilbetrags in einer Landesstiftung gegenüber, über deren Zweck oder deren Auswirkungen wir heute nur spekulieren können – wie sich das konkret niederschlagen wird, wird man ja erst sehen können –, während ein weiterer Teilbetrag für eine Zukunftsoffensive eingestellt wird, die für mich nach wie vor nichts anderes ist als ein vorgezogenes Wahlkampfgeschenkprogramm.

(Beifall bei den Republikanern)

Meine Damen und Herren, strategisch gesehen hat dieser Verkauf des EnBW-Anteils nur für einen einen wirklichen Vorteil: Er ist die Marktöffnung für den hoch verschuldeten Staatskonzern EdF, der im Übrigen noch nicht einmal in der Lage ist, die Situation in Frankreich nach den letzten Unwettern selbst in den Griff zu bekommen.

(Abg. Kuhn Bündnis 90/Die Grünen: Das ist auch schwer! Entschuldigen Sie mal!)

Der Verkauf ist außerdem die Marktöffnung nach Osten. – Natürlich ist das schwer, aber die EdF ist ein riesiger Staatskonzern, Herr Kuhn. Er sieht sich vor allem dem Problem gegenüber, dass er riesige Schulden hat. Aufgrund der enormen Kostenentwicklung und seiner inneren Struktur war er nicht in der Lage, die Versorgungsfähigkeit in ganz bestimmten Bereichen sicherzustellen. Schauen Sie sich bitte beispielsweise einmal an, wie die EdF zusammen mit der französischen Gasversorgung die Basisversorgung organisiert hat. Es war voraussehbar, dass sie keinerlei Reserven hat, um in einem solchen Fall, wie wir ihn jetzt in Frankreich erlebt haben, entsprechend reagieren zu können. Das ist bei uns Gott sei Dank etwas anders.

Ich kann nur festhalten: Der strategische Vorteil liegt bei der EdF, nicht beim Land Baden-Württemberg. Deswegen halten wir den Verkauf nach wie vor für falsch. Jetzt ist er erfolgt. Wir werden uns darauf einrichten müssen.

Eines will ich an dieser Stelle auch festhalten: Wenn schon, Herr Ministerpräsident, dann hätte man den gesamten Erlös thesaurieren müssen, um diese Mittel in der Zukunft wenigstens auch für das Land einsetzen zu können.

(Beifall bei Abgeordneten der Republikaner)

Nun ein Wort zum Einzelplan 02. Es ist von Vorrednern schon angesprochen worden, dass der Aufwand für die Selbstdarstellung der Landesregierung enorm gesteigert wurde. Als eine Imagekampagne und ähnliche große Maßnahmen angekündigt wurden, habe ich mir zunächst einmal gesagt: Warten wir einmal ab, was da kommt. Was wir bisher gesehen haben, Herr Ministerpräsident, verdient allenfalls die Bezeichnung „läppisch“. Denn diese Serie von Fernsehspots, die übrigens noch nicht einmal originär für das Land Baden-Württemberg kreiert, sondern von einer bereits laufenden Werbekampagne für eine sächsische Zeitung abgekupfert wurde, wird sicherlich nicht zur Standortsicherung in Baden-Württemberg beitragen. Ich halte so etwas für hinausgeworfenes Geld. Ich bin mir sicher, dass kaum ein Bürger in Baden-Württemberg sagen wird, aufgrund dieser Fernsehspots sei für das Land irgendetwas besser geworden. Deswegen kann ich Sie an dieser Stelle nur auffordern: Beenden Sie diese missglückte Selbstdarstellung, und sorgen Sie dafür, dass das Geld wirklich dem Land und nicht irgendeiner Werbeagentur zugute kommt.

(Beifall bei Abgeordneten der Republikaner)

Andernfalls laufen Sie Gefahr, dass der Propagandavorwurf, der gegen Sie erhoben wurde, zunehmend auch fundamentiert wird.

Nun haben wir heute auch einiges gehört, was zwar nicht unmittelbar mit dem Haushalt, aber sicher auch mit der Landespolitik zu tun hat und was bundespolitisch zurzeit alles überstrahlt, nämlich diese Kohl-Kiep-KantherSchäuble-Affäre; man kann sie aber gern noch um die Namen Rau, Schleußer und andere erweitern.

(Zuruf des Abg. Kuhn Bündnis 90/Die Grünen)

Nein, Herr Kuhn, das ist in der Auswirkung leider dasselbe, auch wenn es zunächst einmal in der Tat zwei getrennte Vorgänge sind. In dem einen Fall ist es die vorsätzliche, langjährige Verletzung des Parteiengesetzes.

(Abg. Dr. Puchta SPD: Der Verfassung!)