Protokoll der Sitzung vom 03.02.2000

(Abg. Haas CDU: Was funktioniert bei der Ar- beitslosenquote überhaupt?)

Herr Kollege Haas, Ihre politischen Aussagen haben die gleiche weltpolitische Bedeutung, wie wenn in Peking ein Fahrrad umfällt.

(Heiterkeit bei der SPD)

Herr Kollege Nagel, ich darf Sie auf das Ende Ihrer Redezeit hinweisen.

Genauso hat man den Eindruck, dass diese Landesregierung nicht mit der notwendigen Energie die Chancen der neuen ESF-Förderung durch die EU nach vorne bringt. 64 Millionen DM stehen im Jahr zur Verfügung, die mit den entsprechenden öffentlichen Komplementärmitteln verdoppelt werden können. In seiner Presseerklärung von vorgestern hat der Ministerpräsident unter anderem angekündigt, dass das Land im allgemeinen Haushalt Kofinanzierungsmittel zur Ausschöpfung des Europäischen Sozialfonds bereitstellt. Er hat dies gestern auch hier in seiner Rede bestätigt. Schaue ich aber in den vorliegenden Haushaltsplan, dann kann ich analog zu Wilhelm Busch nur sagen: Und Herr Repnik guckt nur stumm in seinem Haushaltsplan herum.

(Heiterkeit bei der SPD)

Ich darf Sie noch einmal auf das Ende Ihrer Redezeit hinweisen.

Herr Präsident, ich komme sofort zum Ende.

(Unruhe)

Man muss endlich Ross und Reiter nennen: Wie soll die Komplementärfinanzierung aussehen? Wie ist der Zeitrahmen? Wann können Mittel abgerufen werden, und wie hoch ist tatsächlich der Finanzierungsanteil des Landes? Hier gibt es zu viele Fragen und zu wenige Antworten.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Haas CDU: Das waren dumme Fra- gen!)

Das Wort hat Frau Abg. Thon.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn wir den Worten des Sozialministers in der letzten Sozialausschusssitzung glauben wollen – das wollen wir gerne versuchen, Herr Repnik –, dann müsste eigentlich auf die Arbeitsprogramme des Landes ein wahrer Geldregen herabgehen. Also sprachen Sie, Herr Repnik, in der letzten Sozialausschusssitzung und gingen davon aus, dass die entsprechenden Komplementärmittel zu den 64 Millionen DM ESF-Mittel zur Verfügung gestellt werden. Es ist schon mehrfach angesprochen worden, dass im Haushalt allerdings nur Nullen zu sehen sind,

(Abg. Haas CDU: Mein Gott! Weil Sie es nicht ka- pieren!)

bis auf den Haushalt des Wirtschaftsministeriums. Manches, Herr Haas, muss man immer wieder sagen, damit auch Sie es merken.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister, wir versprechen Ihnen: Wir werden in dieser Angelegenheit am Ball bleiben.

Für die Arbeitsmarktpolitik des Landes und die Beschäftigungsprogramme, die der Landesregierung immer sehr wichtig waren und sind – davon gehe ich jedenfalls aus –, wäre dieser Geldregen natürlich auch ein Segen. Wir könnten dann nicht nur die Finanzen der Landesprogramme „Jugend – Arbeit – Zukunft“ und „Arbeit und Zukunft für Langzeitarbeitslose“ entsprechend aufstocken, was auch schon sehr wichtig wäre. Trotz relativ guter Zahlen kann es keine Entwarnung geben, weil Sie auch immer das individuelle Schicksal gerade bei Langzeitarbeitslosen oder bei Jugendlichen sehen müssen. Und es könnten endlich auch wieder neue Träger in die Programme aufgenommen werden, was in der letzten Zeit kaum möglich war – neue Träger und auch kleine Träger, die sich öfter auch durch besondere Fantasie und Kreativität und auch durch sehr viel Engagement auszeichnen.

An dieser Stelle möchte ich aber insgesamt einmal all denjenigen danken, die bei den Trägern, in den Beschäftigungsinitiativen ihre Arbeit tun.

Ich möchte Ihnen noch einen neuen Schwerpunkt ans Herz legen, und zwar geht es mir um die Menschen, die hier ein

gewandert sind, die legal hier leben können und die leider wegen mangelnder Qualfikation oft einen großen Anteil unter den Arbeitslosen stellen. Wir könnten hier wesentlich mehr Mittel einstellen, sozusagen auf Landesebene ein „JUMP“-Programm – Jugend mit Perspektive – für die Migranten entwickeln, um diese Menschen nachzuqualifizieren und ihnen mehr Teilhabe an dieser Gesellschaft zu ermöglichen.

Baden-Württemberg ist in diesem Bereich – ich spreche jetzt von Integrationspolitik – nicht Spitze, was es ja sonst immer sehr gerne ist. Wir können alles außer Integration! Also könnten Sie jetzt durch die wesentlich aufgestockten ESF-Mittel und die entsprechende Komplementierung wirklich die Chance haben, für den Bereich der Einwanderung entsprechende Qualifizierungsprogramme anzubieten, und Sie könnten auch den Vorschlägen, den Empfehlungen des Innovationsbeirats der Landesregierung und der Zukunftskommission nachkommen, die ja schon mehrfach darauf hingewiesen haben, dass Integrationspolitik notwendig ist. Sie sollten sich also auf den Weg begeben, dass BadenWürttemberg im Bereich der Integrationspolitik wenigstens ins Mittelfeld gelangt. Ich wünsche Ihnen dafür viel Mut.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD)

Das Wort hat der Herr Sozialminister.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der heutigen Debatte haben wir schon viele Details zum Sozialetat gehört. Ich kann mit dem, was ich gehört habe, eigentlich höchst zufrieden sein.

Frau Bender hat viel gelobt und nur ein paar Details dargestellt, die sie anders machen würde. Aber es war eigentlich ein rechtes Lob für diesen Haushalt.

(Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Na ja, nicht so selektiv wahrnehmen!)

Die Republikaner sind so zufrieden, dass sie auf den Haushalt gar nicht eingingen. Das von FDP/DVP und CDU war ja wohl zu erwarten, und bei der SPD gab es einen schönen Kabarettbeitrag von Herrn Nagel, der mich sehr erfreut hat, aber es war nur ESF – ich komme noch darauf zu sprechen –, und Herr Müller hat sich die Rede von jemandem schreiben lassen, der den Haushalt schlichtweg nicht kennt.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Ich kann es auch nachher noch anhand der Zahlen belegen.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Später, er soll abwarten, was ich sage und dann seine Frage stellen. Sie wird dann bestimmt beantwortet.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD – Unruhe)

Moment! Der jeweilige Redner entscheidet, ob er Zwischenfragen zulässt.

(Abg. Zeller SPD: Er kneift normalerweise nicht! Normalerweise ist er mutig! Normalerweise lässt er Zwischenfragen zu!)

Ja, ich lasse normalerweise Zwischenfragen zu. Das stimmt.

(Anhaltende Unruhe)

Entschuldigung, Herr Zeller. Die Diskussion wird von hier aus geleitet.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Herr Präsident, ich lasse die Zwischenfrage zu.

Ja. Bitte.

Herr Minister, haben Sie zur Kenntnis genommen, dass ich es in meinem Beitrag mit Ihnen sehr ehrlich gemeint habe?

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Ich will aber zunächst den Blick auf das Große und Ganze lenken.

Die Leistungen des deutschen Sozialstaats erreichen heute ein Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung dieser Republik. Das heißt, jede dritte Mark wird für soziale Zwecke oder das Umfeld ausgegeben. Ich meine auch, unser Sozialstaat muss ständig fort- und weiterentwickelt werden. Aus diesem Grund mischt auch die baden-württembergische Landesregierung auf Bundesebene intensiv bei Reformen der sozialen Sicherungssysteme mit. Das haben wir bei der so genannten Gesundheitsreform, wie ich meine, erfolgreich getan, und wir werden dies auch bei der Rentenreform tun.

(Zuruf der Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen)

Veränderungen im sozialen Sicherungssystem haben erhebliche Auswirkungen auf die Menschen in Baden-Württemberg. Ich meine, mit dem Haushalt des Sozialministeriums leistet das Land Baden-Württemberg einen wesentlichen Beitrag dazu, dass die Menschen in unserem Land die sozialen Einrichtungen und Hilfen vorfinden, die sie benötigen.

Der Haushalt des Sozialministeriums umfasst für die Jahre 2000 und 2001 jeweils rund 2,8 Milliarden DM. Das ist gegenüber dem Vorjahr immerhin eine Steigerung von 4 %. Herr Müller, von Kürzung kann da keine Rede sein. Trotz einer weiterhin schwierigen Situation im Landeshaushalt haben wir damit ein vorrangiges Ziel erreicht. Wir haben nämlich Kurs gehalten und können auch weiterhin sagen: Sozialpolitik ist verlässlich und verstetigt, und sie braucht eine Zukunftsperspektive. Der Sozialhaushalt der nächsten zwei Jahre ermöglicht genau dieses.

Frau Bender, Sie haben den Sozialpakt angesprochen, den wir mit den Liga-Verbänden auch schon einmal andisku

(Minister Dr. Repnik)

tiert haben. Wir haben zum Teil auch angeboten, weitere und vertiefende Gespräche zu führen. Bis heute kam noch keine Rückmeldung, weil die Verbände zum Teil auch die großen Bedenken haben: Können wir denn den Sozialpakt in den nächsten Jahren selber einhalten? Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass wir dann, wenn wir Sozialpakte machen – das muss man auch bedenken –, keine gestaltende Sozialpolitik mehr machen können, weil alles festgeschrieben werden muss.