Max Nagel

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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Kurz, Sie haben hervorragend begonnen, nämlich mit der Feststellung, dass sich das jetzige Betriebsverfassungsgesetz 30 Jahre lang bewährt hat. Aber danach haben Sie das gleiche Horrorszenario aufgezeigt, das Sie und Ihre Vorväter bereits 1972 von dem alten Betriebsverfassungsgesetz an die Wand gemalt haben.
In 30 Jahren werden wir uns darüber unterhalten, wie hervorragend die jetzt beabsichtigte Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes gewesen ist.
Was wir heute erleben, ist die Fortsetzung der letzten Plenarsitzung vom 14. Dezember,
als auf Antrag der FDP/DVP eine Aktuelle Debatte zu einem Sammelsurium von Gesetzesvorhaben der Bundesregierung geführt worden ist. Was Frau Fauser heute gesagt hat, war nicht viel Neues. Mich als Gewerkschafter und Arbeitnehmervertreter hat das, was da an Unsachlichkeit und Unkenntnis herüberkam, schon etwas geschüttelt. Aber jeder so, wie er kann.
Sie unternehmen wieder den untauglichen Versuch, auf Länderebene die erfolgreiche Regierungspolitik von RotGrün in Berlin zu diskreditieren.
Was der Wirtschaft gut tut,
ist einfach eine Senkung der Steuersätze und eine Erhöhung der Freibeträge. Das gibt mehr Geld für alle, es kommt zur Entlastung der Wirtschaft, das Steuerrecht wird vereinfacht.
Insbesondere haben wir für den Mittelstand Entlastungen von rund 30 Milliarden DM durchgesetzt.
Das haben Sie in 16 Jahren nicht fertig gebracht.
Bei der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes
geht es vor allem um Folgendes: Das Wahlverfahren soll vereinfacht werden, die noch vorhandenen Unterschiede bei den Gruppenwahlen von Arbeitern und Angestellten sollen abgeschafft werden,
Frauen sollen entsprechend ihrem zahlenmäßigen Anteil im Betrieb am Betriebsrat beteiligt werden. Es geht darum, die Auszubildendenvertretung zu stärken, es geht um die verstärkte Freistellung von Betriebsräten,
damit sie für ihre Kolleginnen und Kollegen arbeiten können, und es geht um eine Erweiterung der Vorschlags- und Beratungsrechte, zum Beispiel im Bereich des Umweltschutzes.
Jetzt liegt ein Referentenentwurf vor. Sie haben vorhin Herrn Müller zitiert. Herr Müller, der Wirtschaftsminister, hat sich ja als Vermittler angeboten.
Es ist keine Frage, dass dann, wenn vernünftige Vorschläge aus der Wirtschaft kommen, darüber auch verhandelt werden kann.
Aber dazu müssen die Arbeitgeber erst einmal ihre Grundblockade aufgeben und sich auf Verhandlungen einlassen. Über Details wird nicht verhandelt, solange es eine Grundblockade gibt.
Lassen Sie mich in der ersten Runde enden.
Weil Sie sich so sehr als Mittelstandsbewahrer, als „Robin Hood des Mittelstands“ aufführen,
zitiere ich einmal aus den „Stuttgarter Nachrichten“. Da geht es um die gegenseitige Zuweisung von Kompetenz zwischen CDU und FDP/DVP, und es heißt unter der Überschrift „Parteifreund Würth verhilft Döring zum Mittelstandspreis“ unter anderem:
Für Klaus Bregger, Landeschef der CDU-Mittelstandsvereinigung, ist die Preisverleihung am Mittwoch denn auch eine „parteipolitische Veranstaltung“. Sachliche Gründe für die Ehrung sieht er nicht.
Darauf antwortet der Sprecher des Herrn – –
Für uns doch nicht. Ich habe den CDU-Sprecher zitiert. – Der FDP/DVP-Sprecher gibt zurück:
Die CDU hat doch, wenn es um mittelstandsfreundliche Politik ging, nur geblockt.
Also erledigen Sie einmal den Streit in Ihrer Koalition. Denn eines ist klar: Wenn jemand etwas für den Mittel
stand getan hat, waren es Rot und Grün auf der Bundesebene und nicht Sie hier im Land.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Herr Wirtschaftsminister hat von einem merkwürdigen Menschenbild gesprochen, das wir hätten.
Ich glaube, es ist eher ein merkwürdiges Menschenbild, wenn Sie Arbeitnehmern in den Betrieben nicht zutrauen, im Interesse ihres Betriebs und damit auch im Interesse ihrer Arbeitsplätze zu handeln.
Die Arbeitnehmer haben in der Vergangenheit gezeigt, dass sie verantwortungsbewusst für ihren Betrieb handeln, und das wird auch in Zukunft so sein.
Sie haben hier verschiedene Behauptungen aufgestellt. Ich werde versuchen, in der kurzen Zeit, die mir noch zur Verfügung steht, darauf einzugehen.
Herr Kurz, Sie haben jetzt wieder behauptet, Deutschland habe bereits den höchsten Mitbestimmungsstandard innerhalb der Europäischen Gemeinschaft. Fakt ist, dass sich die Standards der betrieblichen und der Unternehmensmitbestimmung in Europa langsam, aber stetig angleichen. Die Regelungen sind sehr unterschiedlich. Die Behauptung, dass die Bundesrepublik an der Spitze liege, ist einfach nicht richtig. Es gibt eine weiter gehende wirtschaftliche Mitbestimmung beispielsweise in Belgien und in Frankreich. In Holland und in Frankreich bestehen wesentlich höhere Freistellungsansprüche für Betriebsräte. Auch die gewerkschaftlichen Rechte gehen in vielen Ländern wesentlich weiter als in der Bundesrepublik.
Zum Beispiel sind in Frankreich und in Italien politische Streiks erlaubt. All dies finden Sie in unserer Betriebsverfassung nicht, und das wird auch nicht gefordert.
Sie haben ferner gesagt, eine weiter gehende Mitbestimmung würde den Standortwettbewerb und damit die deutsche Wirtschaft benachteiligen. Mehr Rechte für die Beschäftigten und ihre Betriebsräte und die Mitbestimmung bei der kontinuierlichen Verbesserung von Arbeitsabläufen und der Organisation haben Betriebe in der Vergangenheit fitter gemacht und werden sie auch in Zukunft fitter machen. Die Arbeitnehmer kennen sehr genau ihren Betrieb und wissen, was dort notwendig ist.
Es ist notwendig, verstärkt auf diesen Sachverstand zurückzugreifen.
Die betriebliche und die Unternehmensmitbestimmung sind ein Standortvorteil für die Bundesrepublik Deutschland.
So hat es vor wenigen Wochen Edzard Reuter, bestimmt kein Gewerkschaftsvertreter, öffentlich gesagt. Er fordert die Sozialdemokraten ausdrücklich auf, sich da nicht von Kreisen der Wirtschaft beeinflussen zu lassen, die bei der Mitbestimmungsdiskussion 1972 genau das ausgemalt haben, Herr Kurz, Frau Fauser, Herr Döring, was Sie jetzt hier gesagt haben.
Frau Fauser, Sie haben gesagt, in der globalisierten Wirtschaft bedürfe es schneller Entscheidungen und die Arbeitgeber, die Unternehmer, auch die Mittelständler könnten es sich nicht erlauben, immer über Einigungsstellen Entscheidungen herbeiführen zu müssen. Das ist überhaupt nicht richtig. Denn 95 % aller Einigungsstellenverfahren in der Bundesrepublik Deutschland sind anberaumt worden wegen Verfehlungen und Gesetzesverstößen von Arbeitgebern.
Übrigens sind es ohnehin nur 0,3 % aller Auseinandersetzungen. Auch hier zeigt sich, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertreter sehr pflichtbewusst mit der Mitbestimmung umgehen.
Der letzte Punkt: Sie haben gesagt, es gehe letztendlich nicht darum, Rechte von Mitarbeitern, von Arbeitnehmern zu beachten, sondern es gehe um mehr Macht für die Ge
werkschaften. Da liegen Sie völlig falsch. Denn die Vorschlagsrechte des Einzelnen im Betrieb sollen ausgebaut werden. Der Betriebsrat soll Arbeitsgruppen bilden dürfen, an die er bestimmte Aufgaben delegiert. Er kann in Zukunft sachkundige Arbeitnehmer zu Betriebsratssitzungen hinzuziehen und in die Arbeit des Einzelnen mit einbeziehen. Was Sie hier von Machtzuwachs der Gewerkschaften behaupten, ist völlig an den Haaren herbeigezogen und schlichtweg falsch.
Lassen Sie mich zum Schluss kommen, damit ich meine Redezeit nicht überziehe. Sie rennen – ich verstehe ja Ihre Notlage, bei Ihnen klappt ja auf Bundesebene überhaupt nichts mehr –
umsonst mit rot-grünen Benzinkanistern herum. Kein Mensch spricht mehr darüber. Die Steuerreform ist über die Bühne gegangen. Die Menschen merken, dass sie davon profitieren.
Auch vernünftige Unternehmer profitieren davon.
Sie versuchen, Ihren mangelnden Sachverstand, beispielsweise in der Rentendiskussion, und Ihr fehlendes Sachprogramm – – Das ist schon Autismus, was Sie betreiben. Sie haben versucht, fehlenden Sachverstand durch unmögliche und widerliche Plakatierung zu ersetzen. Ihr Schatzmeister, Herr Cartellieri, der ehemalige Vorstand der Deutschen Bank – entnommen dem „Handelsblatt“, keiner Gewerkschaftszeitung –, hat dem gestrigen „Handelsblatt“ zufolge Ihr innerhalb eines Tages wieder zurückgezogenes Plakat als „Katastrophe“ bezeichnet und gesagt, in der Wirtschaft werde die Opposition in Berlin als nicht regierungsfähig angesehen.
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Meine Damen und Herren, Sie werden, wie bei den anderen Gesetzesvorhaben der letzten Zeit üblich, bei der Verhinderung des Betriebsverfassungsgesetzes wieder einmal mit abgesägten Hosen dastehen.
Weil vorhin auch Sie, Herr Döring, gesagt haben, die Gewerkschaft und die Gewerkschafter seien der Untergang der mittelständischen Wirtschaft, der Industrie, des Handwerks: Ich habe mir zur Feier des Tages eine Medaille angelegt. Es ist die Verdienstmedaille der Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar für meine Bemühungen und für meine Erfolge im Bereich der Wirtschaft.
Herzlichen Dank.
Herr Döpper, habe ich etwa die Null gewählt, weil Sie sich melden?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die bisherigen Diskussionsbeiträge erinnern mich sehr an die Beiträge anfangs der Siebzigerjahre, als es um das neue Betriebsverfassungsgesetz ging. Die damaligen Argumente hat man wieder ausgegraben, die alten, ausgekratzten Plastikbecher des BDA, die Käsefolie des BDI.
Alles hat man gesammelt, um es jetzt einer Wiederverwertung zuzuführen. Für den Transport dieses Mülls braucht man gelbe Säcke, und deswegen diskutieren wir heute Morgen über einen Antrag der FDP/DVP.
Von der FDP/DVP habe ich auch gar nichts anderes erwartet. Ich hatte eigentlich etwas Hoffnung auf die Kolleginnen und Kollegen der CDU gesetzt.
Diese Hoffnung habe ich gehabt, weil es bei Ihnen noch so etwas wie Sozialausschüsse, wie die CDA gibt. Ich will
einmal zitieren, worauf sich meine Hoffnung gründet. In dem Papier „Wirtschaft im Wandel“ des CDA-Bundesvorstands heißt es:
Die Globalisierung beschleunigt den wirtschaftlichen Wandel in Deutschland. Produkte, Produktionsverfahren, Arbeitsorganisation, Managementmethoden oder Arbeitsanforderungen verändern sich kontinuierlich. Gerade im Betrieb ist dieser Wandel spürbar. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wollen diesen Prozess mitgestalten. Die Globalisierung stellt auch die betriebliche Interessenvertretung, die Betriebsräte vor neue Herausforderungen. Sie macht nicht weniger, sondern mehr Mitbestimmung und ein neues Verständnis von Mitbestimmungsprozessen erforderlich. Seit einigen Jahren steigt die Zahl der Betriebe stärker als die Zahl der Betriebsräte. Große Betriebe werden kleiner. Sie gliedern Betriebsteile aus.
Neu gegründete Betriebe gehören häufig zu den Kleinstbetrieben. Hinzu kommen Arbeitsformen wie Leiharbeit, Telearbeit oder befristete Arbeitsverträge. Auch diese Entwicklung sorgt für kleinere Belegschaften und damit für kleinere Betriebsräte. Die Arbeit von Gesamt- und Konzernbetriebsräten ist schwerer geworden durch Fusionen, durch Aufspaltungen, durch Ausgliederungen. In der Öffentlichkeit wechselt das Image der Betriebsräte hin und her.
Ich zitiere. Sie müssen schon noch etwas Geduld aufbringen. Ich weiß, Sie sind noch aufgebracht durch Ihre Chaostage gestern Abend. Jetzt kommen Sie wieder etwas herunter!
Der tägliche Einsatz für Betrieb und Beschäftigte, das Ringen um eine menschliche Gestaltung der Arbeitswelt, wobei Betriebsräte als Co-Manager arbeiten, der regelmäßige Rollenwechsel zwischen dem Anwalt für Beschäftigte, dem Konfliktmanager im Betrieb, dem Moderator in Qualitätszirkeln, dem Motivator für Arbeitnehmer in Umbruchprozessen, dem Ideenspender für Weiterbildungskonzepte, dem Zuhörer bei persönlichen Nöten, um nur einige zu erwähnen.
Schöner kann es ein Sozialdemokrat oder Gewerkschafter nicht sagen, als es hier von der CDA niedergeschrieben ist.
Gestatten Sie mir noch ein kurzes CDA-Zitat aus dem „Mediendienst“, noch relativ frisch aus dem Internet. Dort heißt es unter der Überschrift „CDA droht mit Zerreißprobe – Mitbestimmung gehört zur Leitkultur“:
Letzter Satz aus diesem Zitat:
„Die Reform der Betriebsverfassung wird zur Zerreißprobe in der CDU, wenn die Forderung der Arbeitnehmer nach einer Ausweitung ihrer Rechte ignoriert wird. Die CDU ist nicht das Sprachrohr der Arbeitgeber, sondern soziale Volkspartei der Mitte. Wenn sie das Wahldebakel bei der letzten Bundestagswahl ehrlich aufarbeitet, dann darf es kein ‚weiter so‘ mit der Wirtschaftslobby geben, sondern klare Signale in die Arbeitnehmerschaft und ihre Familien. Sie sind die Mehrheitsbeschaffer.“
Bitte.
Wenn ich Ihnen hier eine Antwort geben müsste, Herr Salomon, müsste ich beginnen mit „Es war einmal“. Aber es sitzen hier noch ein paar Leute, die den CDA-Kittel anhaben. Aber den müssen sie prinzipiell ausziehen, wenn es um wirtschaftspolitische Themen geht.
Wir haben zu verzeichnen, dass die Landesregierung hier noch einen drauflegt. Sie fordert jetzt eine Bundesratsinitiative, um gegen das neue Betriebsverfassungsgesetz zu starten. Ich sage Ihnen: Sie trauen den Menschen in den Betrieben nichts zu. Sie wollen sie von Mitbestimmung und Beteiligung fern halten. Sie von der CDU und der FDP/DVP haben ein gestörtes Verhältnis zu den Arbeitnehmern in den Betrieben, und Sie haben überkommene und veraltete Vorstellungen von Hierarchien in den Betrieben, von Unterordnung und Überordnung.
Sie sollten Mitbestimmung als Plus begreifen, als einen Standortvorteil. Sie haben 1998 die Wahlen verloren, weil Sie sich von den Menschen entfernt haben. Das war vor
zwei Jahren. Offensichtlich haben Sie das schon wieder vergessen. Anscheinend leiden Sie unter einer kollektiven Amnesie.
Auch das Teilzeitarbeitsgesetz wird von der Mehrheit aller Sachverständigen befürwortet, auch von Arbeitgebern, die sich die Mühe gemacht haben, dieses Teilzeitarbeitsgesetz einmal genau durchzulesen. Sie malen hier ein Horrorgemälde an die Wand. Dabei ist genau festgehalten, dass Teilzeit nur dann gewährt werden kann, wenn es den betrieblichen Interessen nicht entgegensteht.
Das ist kein schwammiger Begriff. Das heißt, man muss sich einigen.
Herr Hofer, Sie müssen einmal die tatsächliche betriebliche Wirklichkeit zur Kenntnis nehmen. Dort arbeiten nämlich Unternehmer, Gewerkschafter und Betriebsräte viel besser zusammen, als Sie es hier darstellen wollen.
Ich komme zum Schluss.
Letzter Satz: Man hat den Eindruck, dass Sie sich im Vorfeld der Landtagswahlen wieder bei den Arbeitgeberverbänden einschmusen. Ihr Generalsekretär hat gesagt: Die Koffer sind leer. Man will offensichtlich die Koffer wieder füllen. Und Ihnen von der FDP/DVP sage ich nur: Schlagen Sie Ihr Buch zu, und beenden Sie Ihren Zwergenaufstand.
Herr Minister, ich habe eine ganz konkrete Frage an Sie; sie betrifft den Bereich der ESF-Mittel, der Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds. Herr Maurer hat von Herrn Oettinger keine Antwort auf diese Frage erhalten, jetzt probiere ich es noch einmal mit Ihnen.
Können Sie mir sagen, wie der Wirtschaftsminister jetzt 15 Millionen DM zusätzlich aus seinem Haushalt finanzieren soll? Sein Gesamtanteil an den ESF-Mitteln beträgt zurzeit 19 Millionen DM. In den Regionen, in den IHKs werden derzeit die Mittel verteilt und sollen in diesem Jahr noch abgerufen werden. Ich halte Ihnen die Stellungnahme der Landesregierung aus der Landtagsdrucksache 12/5295 vor, wo es heißt:
Das Wirtschaftsministerium schätzt – wie oben ausgeführt – den nicht durch sonstige öffentliche Kofinanzierung gedeckten Betrag auf etwa 15 Millionen DM pro Jahr. Dieser Betrag soll zum überwiegenden Teil aus Privatisierungserlösen finanziert werden.
Können Sie mir eine Antwort auf diese Frage geben, oder wird in den Kreisen zurzeit Wolkenkuckucksheim gespielt?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Bündnis für Arbeit in unserem Land steht vor dem Scheitern. Die Landesregierung und insbesondere der Ministerpräsident haben kläglich versagt.
Ich sage dies in aller Deutlichkeit. Es war vorauszusehen, dass dieser Ministerpräsident das Bündnis nie als eine Herzenssache, sondern als eine lästige Pflicht betrachten würde.
Er hat es nicht als Chance begriffen, gemeinsam mit Gewerkschaften und Arbeitgebern dafür zu sorgen, dass arbeitslose Menschen wieder in Arbeit kommen und dass junge Menschen einen Ausbildungsplatz erhalten.
Von Anfang an hatte er eigentlich nur ein taktisches Verhältnis zu dem Bündnis nach dem Motto „Ich habe es ei
gentlich gar nicht gewollt; wenn es jetzt scheitert, muss ich noch einen Buhmann finden“. Den glaubt er jetzt in den Gewerkschaften gefunden zu haben.
Er soll sich doch einmal ein Beispiel an anderen Bundesländern nehmen, er soll sich ein Beispiel auf der Bundesebene nehmen. Aber wenn man keine Kompromissbereitschaft zeigt und dieses Geschäft seinem „Vorzimmer-Palmer“ überlässt, kann natürlich nichts Vernünftiges herauskommen.
Ich darf aus der „Heilbronner Stimme“ vom 25. Januar 2000 zitieren:
Mit dem Bündnis für Arbeit im Land hat sich Erwin Teufel nie angefreundet. Erst nach langem Zögern rief er überhaupt eine solche Runde ins Leben. Die demonstrative Zurückhaltung des Regierungschefs überschattete dann die Gespräche auf Expertenebene. Die Vertreter der Regierung mauerten bei allen Ideen, deren Realisierung nennenswert Geld gekostet hätte. Um nicht ganz mit leeren Händen dazustehen, wurden längst beschlossene Konzepte nochmals präsentiert. Das brachte nicht nur die Gewerkschaften auf die Palme, auch die Unterhändler der Wirtschaft waren oft frustriert.
So weit die „Heilbronner Stimme“. Unter dem gleichen Datum schrieb der „Südkurier“ – ich zitiere –:
Ob alle Parteien ihre Lektionen wirklich kapiert haben,
ist allerdings zu bezweifeln – das gilt auch für Ministerpräsident Teufel... Die Frage ist, ob hier ein wenig mehr Fingerspitzengefühl gegenüber einer Gesellschaftsgruppe mit so großen Verdiensten wie der Gewerkschaft nicht angebracht gewesen wäre?
Ich nenne das Beispiel der Altersteilzeit. Das ist ein typisches Beispiel, bei dem diese Landesregierung gezeigt hat, dass sie überhaupt nicht gewillt ist, auf Forderungen der Gewerkschaftsbewegung einzugehen.
Kurz vor der Übereinkunft auf Sachbearbeiterebene wurde dies durch das Votum eines Ministers zum Scheitern gebracht, nämlich des Herrn Finanzministers. Anstatt dass der Herr Ministerpräsident nunmehr die Sache an sich gezogen und sie zur Chefsache gemacht hätte, guckt er zu und lässt das scheitern. Das ist mit ein wesentlicher Punkt gewesen, warum dieses Bündnis auch von den Gewerkschaften aufgekündigt wurde.
Herr Palmer hat in einer dpa-Meldung vom 24. Januar gefordert:
Jeder Beteiligte muss in erster Linie eigene Beiträge einbringen und nicht Forderungen an andere stellen.
Genau diese eigenen Beiträge, meine Damen und Herren und lieber Herr Ministerpräsident, haben wir bei Ihnen vermisst. Sie haben nur Forderungen an andere gestellt und haben selbst in dieses Bündnis nichts eingebracht.
Dem Deutschen Gewerkschaftsbund geht es natürlich auch um den Beschäftigungsfonds. Da darf ich auch aus der Grundlage des DGB zitieren, Herr Kollege Mühlbeyer:
Ein Beschäftigungsfonds, der seine Förderung nicht nach sachlicher Notwendigkeit ausrichten kann, sondern dessen Möglichkeiten durch die Auflagen der Steuerbefreiung und des Gemeinnützigkeitsrechts bestimmt werden, ist völlig ungeeignet, die für unser Bundesland dringend notwendige zusätzliche Unterstützung beim Strukturwandel und der Bewältigung der Folgen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu leisten.
Das gilt.
Ich sage weiter: Hier werden leichtfertig Chancen nicht genutzt, zum Beispiel die Chancen durch die neuen ESF-Mittel, durch die neuen Ziele der ESF-Richtlinien, die es möglich machen, Arbeitslosigkeit dadurch zu verhindern, dass bereits Mittel im Betrieb eingesetzt werden, damit Menschen nicht arbeitslos werden, die man später wieder mühevoll schulen und umschulen muss, damit sie wieder in den Betrieb oder in den ersten Arbeitsmarkt kommen. Diese Chancen hat man nicht ergriffen, genauso wenig wie die Chancen, diese Mittel für Vernetzungen auf regionaler Ebene einzusetzen. Man muss doch auch einmal zur Kenntnis nehmen, dass wir höchst unterschiedliche Regionen mit Arbeitslosigkeit haben. Auch dort hat man diese Chance nicht genutzt.
Ich fordere Sie auf, Herr Ministerpräsident: Kommen Sie herunter von Ihrem hohen Ross, und greifen Sie das Ge
sprächsangebot des Deutschen Gewerkschaftsbundes auf; nutzen Sie eine letzte Chance, um das wieder ins Lot zu bringen. Das wäre ein Stück Glaubwürdigkeit; denn jetzt kann man sagen: Wer glaubt, dass Sie für eine eigene, für eine verantwortliche Arbeitsmarktpolitik, für eine aktive Arbeitsmarktpolitik einstehen,
der glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich muss zunächst Ihnen, Herr Palmer, zu dem zuletzt Gesagten zur Sozialdemokratie und den Gewerkschaften sagen: Sie haben ein äußerst merkwürdiges Verständnis von demokratischen Strukturen,
wenn Sie hier behaupten, wir als Sozialdemokraten sollten dem DGB ermöglichen, wieder zu den Gesprächen zurückzukehren. Sie haben da wohl in Ihren eigenen Reihen Erfahrungen gemacht, die Sie so denken lassen.
Hören Sie jetzt einmal mit den Millionen auf. Kollege Haas, denken Sie an das alte Schwarzwälder Sprichwort: Viele dumme Zwischenrufe sind des Hasen Tod.
Sie sollten in dieser Situation nicht über Millionen reden, in einer Situation, in der Sie als CDU in eine der schlimmsten Staatskatastrophen verwickelt sind. Da sollten Sie ruhig sein.
Sie sind keine moralische Instanz, die dem Deutschen Gewerkschaftsbund oder der Sozialdemokratischen Partei hier Vorwürfe machen kann. Sie nicht!
Gewerkschafter haben dieses Land bereits wieder aufgebaut, als Ihre Herren Filbinger und Kiesinger noch gar nicht entnazifiziert waren.
Wenn Sie immer von Ihren 59 Einzelmaßnahmen sprechen, kann ich auf Frau Schlager verweisen, die das Notwendige dazu schon gesagt hat. Es geht nicht nur um die Anzahl, sondern es geht auch um die Qualität. Wir wollten Neues, anderes erreichen
und nicht das festschreiben, worüber bereits seit Jahren verhandelt wird. Was Sie jetzt als Neuerung anbringen, das
ist eine Überzahl von alten Hüten, die zum Beispiel schon in der Jugendenquete beschlossen wurden.
Sie haben gesagt, das Bündnis für Arbeit auf der Bundesebene habe nichts gebracht. Aber mit genau diesen Federn schmücken Sie sich hier im Land. Ich nenne den Bereich der Jugendarbeitslosigkeit, die Gott sei Dank erheblich zurückgegangen ist.
Daran war im Wesentlichen das Jugendsofortprogramm der Bundesregierung beteiligt, das Sie schon im Vorfeld schlecht geredet haben, bevor noch die ersten Ergebnisse vorlagen.
Es hat auf Bundesebene Einigungen zum Thema Niedriglohnsektor gegeben. Mit Modellen will man für schwächer Qualifizierte den Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt erreichen.
Es gibt einen Konsens über die Schaffung von mehr Ausbildungsplätzen. Die Partner stehen in Verhandlungen – Herr Hofer, Sie haben es einmal angesprochen – über neue Berufsbilder, die wir dringend brauchen, um neue Ausbildungsplätze und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Wir haben, wie gesagt, das Jugendsofortprogramm, das mit erheblichen Mitteln fortgesetzt wird.
Bezüglich Ihrer Bewertung, die Arbeitgeber würden das alles nicht so sehen, sondern schon von einem Scheitern sprechen, empfehle ich Ihnen folgende dpa-Nachricht zur Lektüre:
Der Vorsitzende des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Werner Stumpfe, forderte unterdessen, bei der an diesem Mittwoch beginnenden Tarifrunde in der Metallindustrie müsse es einen Abschluss unter 2,6 %... geben.
Stumpfe sagte weiterhin, mit einem solchen Tarifabschluss könnte mehr Beschäftigung gefördert werden. Jetzt kommts, machen Sie die Ohren auf:
Ausdrücklich lobte Stumpfe das Bündnis für Arbeit, da Gerhard Schröder (SPD) als erster Bundeskanzler Druck auf die Tarifparteien ausgeübt habe.
Herr Stumpfe als Vertreter des Metallarbeitgeberverbandes ist keine Vorfeldorganisation der SPD.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit – die Schaffung neuer Arbeitsplätze, eine aktive Arbeitsmarktpolitik – ist nach wie vor eine der wichtigsten Aufgaben der Politik und der Gesellschaft. Auch in Baden-Württemberg dürfen wir nicht nachlassen, dieses Thema ständig auf der Tagesordnung zu belassen, trotz im Bundesvergleich gesehen guter Beschäftigungslage.
Es gibt bei uns durchaus regionale Unterschiede. Wir haben nach wie vor Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit, zum Beispiel die Regionen Singen, Lörrach und auch Mannheim. Wir haben Gruppen von Menschen, zum Beispiel Langzeitarbeitslose, Menschen mit geringer Qualifikation, deren Leistungen auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr nachgefragt sind, und denen hat unsere Aufmerksamkeit besonders zu gelten.
Wir sind nicht der Auffassung, dass Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe die Endstation für diese Menschen sein darf. Jeder Mensch, der arbeiten kann und will, hat ein Recht auf Arbeit und Ausbildung, damit er seine Zukunft selbst gestalten kann. Menschen brauchen Zukunft, sonst gehen sie unserer Gesellschaft verloren.
Das wird sich gleich ändern.
Dies vermisse ich bei dieser Landesregierung und besonders beim Ministerpräsidenten: die Anstrengungen, eine wirklich aktive Arbeitsmarktpolitik in diesem Land zu gestalten, sich der Menschen anzunehmen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, mitzuhelfen, dass sie wieder eine Chance haben, Ausbildung und Arbeit zu erhalten, für sich und ihre Familie zu sorgen. Dies hat auch etwas mit Würde des Menschen zu tun.
Stattdessen betreibt man eine Politik, die ein Bündnis für Arbeit in unserem Land scheitern lässt.
Die Gewerkschaften will man mit Unverbindlichkeiten abspeisen. Substanzielle Forderungen und Vorschläge wurden abgelehnt. So kann man aber nicht mit einem wesentlichen Partner dieses Bündnisses umgehen.
Bitte.
Herr Glück, Sie bekommen darauf eine Antwort. Es wäre sinnvoll gewesen, Sie hätten bereits am Anfang meiner Rede zugehört, als ich gesagt habe, dass wir im Bundesvergleich eine gute Beschäftigungssituation haben, die aber nicht davon ablenken kann, dass wir regionale Unterschiede haben und dass es besondere Gruppen von Menschen gibt, um die man sich auch besonders kümmern muss.
Ich wiederhole: So kann man mit den Gewerkschaften als wesentlichen Bündnispartnern nicht umgehen. Es zeigt sich, dass dieser Ministerpräsident und sein VorzimmerPalmer
gar nicht gewillt sind, auf diesem Feld vorwärts zu kommen. Man musste Herrn Teufel ja geradezu nötigen, überhaupt ein Bündnis für Arbeit zu installieren. Was in anderen Bundesländern, zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen oder in Bayern, ausgezeichnet funktioniert, ist für den Ministerpräsidenten nur eine lästige Pflicht.
Herr Kollege Haas, Ihre politischen Aussagen haben die gleiche weltpolitische Bedeutung, wie wenn in Peking ein Fahrrad umfällt.
Genauso hat man den Eindruck, dass diese Landesregierung nicht mit der notwendigen Energie die Chancen der neuen ESF-Förderung durch die EU nach vorne bringt. 64 Millionen DM stehen im Jahr zur Verfügung, die mit den entsprechenden öffentlichen Komplementärmitteln verdoppelt werden können. In seiner Presseerklärung von vorgestern hat der Ministerpräsident unter anderem angekündigt, dass das Land im allgemeinen Haushalt Kofinanzierungsmittel zur Ausschöpfung des Europäischen Sozialfonds bereitstellt. Er hat dies gestern auch hier in seiner Rede bestätigt. Schaue ich aber in den vorliegenden Haushaltsplan, dann kann ich analog zu Wilhelm Busch nur sagen: Und Herr Repnik guckt nur stumm in seinem Haushaltsplan herum.
Herr Präsident, ich komme sofort zum Ende.
Man muss endlich Ross und Reiter nennen: Wie soll die Komplementärfinanzierung aussehen? Wie ist der Zeitrahmen? Wann können Mittel abgerufen werden, und wie hoch ist tatsächlich der Finanzierungsanteil des Landes? Hier gibt es zu viele Fragen und zu wenige Antworten.