Protokoll der Sitzung vom 04.02.2000

(Abg. Stephanie Günther Bündnis 90/Die Grünen: Das sind doch alles Bundesgelder!)

Ja, aber die haben andere genauso. Deswegen sage ich gerade: Die anderen haben sie auch, aber sie haben nicht diese Erfolge – weil wir die besseren Rezepte haben. Genau das will ich damit schildern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Zum Schluss dieser kleinen Bestandsaufnahme, dieser kleinen Schilderung will ich Ihnen etwas zum Stichwort Umweltplan sagen, den Sie mehrfach reklamiert haben. Er befindet sich zurzeit in der Ressortabstimmung. Ich nehme einmal an, dass wir ihn in dieser Legislaturperiode noch sauber hinbekommen. Aber auch bei diesem Punkt muss man sagen: Wir werden dann das erste Bundesland sein – nicht das letzte –, das einen solchen Umweltplan hat. Wenn wir also von Land zu Land vergleichen, können wir uns auf vielen Gebieten blicken lassen.

Zweiter Gedankenblock: Ich will mit diesem Blick zurück und mit diesem Vergleich mit den Realitäten in anderen Ländern nicht sagen, meine Damen und Herren, dass damit das Ende der Umwelt- und Verkehrspolitik in Baden-Württemberg einzuleiten sei, weil hier alles schon in Ordnung sei. Meine Messlatte sind nicht unsere Erfolge; meine Messlatte sind – gerade in der Umweltpolitik – die globalen ökologischen Herausforderungen. Diese Messlatte liegt natürlich sehr viel höher.

Ich will mit großem Ernst und mit großer Eindringlichkeit sagen: Die globalen ökologischen Herausforderungen, denen wir als ein Industrieland, als ein wohlhabendes Land uns natürlich besonders zu stellen haben, verpflichten uns auf allen politischen Ebenen, von der europäischen bis zur kommunalen, und sie verpflichten auch alle politischen Kräfte.

(Abg. Hackl Bündnis 90/Die Grünen: Sehr richtig! Aber sagen Sie das mal Ihrer Fraktion!)

Vor dem Hintergrund des Ressourcenverbrauchs, des Klimawechsels, des Eingriffs in die Biosphären und des Bevölkerungswachstums muss man sagen: Die Fragen, die sich uns gerade zu Beginn dieses Jahrhunderts stellen – in dem magischen Viereck zwischen Friedenspolitik, Entwicklungspolitik, Umweltpolitik und sozialer Gerechtigkeit –, wird die Bundesrepublik und wird auch das Bundesland Baden-Württemberg mit noch größerer Aufmerksamkeit verfolgen müssen, als es bisher der Fall war.

(Beifall des Abg. Hackl Bündnis 90/Die Grünen)

Wir sprechen unter dem Stichwort Globalisierung eigentlich immer über die ökonomischen Fragen. Es gibt natürlich auch eine ökologische Dimension der Globalisierung. Diesen Herausforderungen sind wir alle miteinander noch nicht gerecht geworden. Ich sage auch mit großer Eindringlichkeit, dass die Umweltprobleme im Unterschied zu früher unanschaulicher geworden sind, weil sie im Weltmaßstab zu sehen sind, und dass sie auch bedrängender und unangenehmer werden, was die Zumutungen an den Lebensstil des Einzelnen anbelangt.

Deswegen, glaube ich, haben wir miteinander eine Aufgabe, die zunächst einmal darin besteht, den Verlust des Stellenwerts der Umweltpolitik – der landauf, landab, auf allen

(Minister Ulrich Müller)

Ebenen und in allen politischen Parteien zu beobachten ist; da sollten wir uns überhaupt nichts vormachen – zu bekämpfen, indem wir die wahre Bedeutung der Umweltdimension wieder deutlich machen. Diese Kommunikationsaufgabe ist übrigens eines der Leitmottos,

(Zuruf von der SPD: Motten!)

die wir in der Haushaltsveranschlagung haben. An einer ganzen Reihe von Stellen in diesem Haushalt haben wir versucht, im Bereich der Umweltkommunikation, Umweltbildung, Umweltaktionen und Umweltmodellvorhaben etwas voranzubringen, genau aus diesem Kommunikationsaspekt heraus: ob es die lokale Agenda 21 ist, wo Sie vorhin 1 Million DM vergessen haben, die wir natürlich noch zusätzlich auswerfen, ob es Wettbewerbe sind, Demonstrationsprojekte, Modellversuche, freiwilliges ökologisches Jahr, Umweltbildung oder was auch immer. Das ist eine gemeinsame Aufgabe. Ich glaube, wir sollten uns ihr über die Parteigrenzen hinweg stellen.

Dritter Gedankenblock: Wenn ich jetzt vom Verlust des Stellenwerts spreche, dann steckt darin ein Stück Selbstkritik. Aber darin steckt auch ein erhebliches Maß an Kritik, was die Haltung der Oppositionsparteien anbelangt.

Ich kritisiere nicht, meine Damen und Herren, dass Sie im Finanzausschuss und hier im Plenum keine sensationellen, weltbewegenden Alternativanträge gestellt haben. Wenn man Ihre Sprüche an dem misst, was Sie dann real an Anträgen gestellt haben, hält sich das in Grenzen. Ich kritisiere das nicht, weil ich es als eine Bestätigung unserer Linie ansehe.

Sehr viel eher kritisiere ich den Verlust an ökologischer Kompetenz seit dem Regierungswechsel in Bonn bzw. Berlin. Dieser Verlust an ökologischer Kompetenz ist wirklich mit Händen zu greifen. Ich will Ihnen das einmal daran deutlich machen, dass auf Bundesebene zunehmend davon gesprochen wird, man sollte auf Konzepte der alten Bundesregierung zurückgreifen. Zum Beispiel sagt Herr Loske, der umweltpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, man solle zum Umweltgesetzbuch vielleicht den MerkelEntwurf hernehmen.

Ich kritisiere, dass beispielsweise das Thema Atomausstieg bei Ihnen alle Kräfte bindet. Noch dazu ist es natürlich die falsche Veranstaltung. Ich will das jetzt im Einzelnen gar nicht schildern. Es gibt sehr gute, auch ökologische Gründe, nicht für den Atomausstieg zu sein, ob das CO2 ist, ob das die Frage ist, was an die Stelle tritt, ob das die Frage ist, dass wir die eigenen Kraftwerke abschalten und den Atomstrom dann von woanders her beziehen, wie auch immer.

Ich kritisiere, dass Sie auf Bundesebene bei dem Thema Ökosteuer einen Missbrauch des Begriffs Ökologie betreiben, dass Sie diesen Begriff dadurch entwerten, dass die Leute den Eindruck haben, Ökologie sei das, wo immer Geld für fremde Zwecke verlangt werde. Es ist ja das Merkwürdige an der Geschichte, dass sich die Leute nicht so sehr über die 6 Pfennig Mineralölsteuererhöhung je Liter beklagen, sondern dass sie sich betrogen vorkommen. Es ist Betrug, wenn Sie bei der Ökosteuer selbst hoffen müssen, dass Sie Ihre ökologischen Ziele nicht erreichen, weil Ihnen nämlich anschließend das Geld fehlen würde,

das Sie schon längst ausgegeben haben. Das ist doch ein innerer Widerspruch.

(Abg. Hackl Bündnis 90/Die Grünen: Sie haben es noch nicht begriffen!)

Im Übrigen will ich einmal sagen: Die Konzeptionslosigkeit der Ökopolitik auf Bundesebene ist mit Händen zu greifen. Und weil vorhin einmal gefragt wurde, was wir denn für Konzepte hätten, möchte ich Ihnen nur einmal die bundesbezogenen Vorstöße schildern, die wir in der letzten Zeit unternommen haben.

(Abg. Drexler SPD: Ozonordnung! Eine Katastro- phe!)

Erster Punkt, das Zwölf-Punkte-Programm Ozon: O-Ton Baden-Württemberg: In allen zwölf Punkten von der Umweltministerkonferenz einstimmig angenommen.

Zweiter Punkt, Kraftstoffqualität: Sie hatten erhebliche Probleme und machen jetzt auf Bundesebene ein Minus gegenüber dem, was wir in der Bundesratsinitiative vorgeschlagen haben.

(Abg. Drexler SPD: Wieso haben Sie das in den 15 Jahren nicht gemacht, in denen Sie in der Re- gierung waren?)

Herr Drexler, jetzt seien Sie einmal ganz ruhig, sonst muss ich mir überlegen, ob ich Ihren Namen in Zukunft doch mit „x“ schreibe.

(Abg. Drexler SPD: Ich schreibe mich mit „x“!)

Zum dritten Punkt: Nehmen Sie beispielsweise den ganzen Bereich der Abfallpolitik, das, was wir gegenüber der Bundesregierung im Interesse der Sicherung der Qualität der Abfallentsorgung kritisieren, und zwar ganz konkret genau an zwei Stellen: Das betrifft die TA Siedlungsabfall auf der einen Seite, und das betrifft auf der anderen Seite die Auseinandersetzung, die wir mit dem heutigen Bundesumweltministerium in Bezug auf das Thema „Beseitigung und Verwertung“ haben. Da sind wir uns sozusagen auf der geschäftsmäßigen Ebene mit den Grünen einig, aber eben nicht mit dem Bundesumweltministerium.

Wir versuchen, die Qualität in der Abfallentsorgung zu sichern, indem wir die Beseitigungsanlagen gegenüber einer falschen Verwertung aufrechterhalten wollen. Und wir müssen das gegenüber dem Bundesumweltministerium tun.

Wir machen Vorschläge in Bezug auf marktwirtschaftliche Instrumente. Ich will das mit dem Quotenhandelsmodell jetzt im Einzelnen gar nicht schildern. Ich will auch nicht schildern, welche Veranstaltungen wir zum Thema „internationaler Zertifikatehandel“ machen. Aber Sie müssen auf Bundesebene feststellen, dass wir da Anstöße geben müssen, aber leider noch nicht erfolgreich waren, weil es eben an Konzepten fehlt.

Ich will zum Schluss dieser kleinen Aufzählung, weil Sie immer meinen, es sei nichts da – Sie nehmen es halt nicht wahr oder wollen es nicht wahrnehmen –, sagen: Was wir im Bereich der Umweltforschung tun, was wir im Bereich der Umweltverwaltung tun, was wir im Bereich des Vollzugs tun, lässt sich sehen.

(Minister Ulrich Müller)

Ich nenne nur ein einziges Beispiel, das Thema Altlastenerkundung. Hier haben wir den am weitesten fortgeschrittenen Zustand unter allen Bundesländern. Das Gemälde, dass wir unseren Aufgaben nicht gerecht würden, stimmt nicht. Ich suche den edlen Wettstreit mit Ihnen, was die besseren Ideen und die besseren Konzepte anbelangt.

Ich würde Sie gerne herausfordern, dass Sie sozusagen unser Kontrahent sind und etwas bieten. Aber wenn ich jetzt beispielsweise den Landesparteitag der Grünen nehme, der ja unter anderem dem Ziel gedient hat – für die Grünen, wohlgemerkt –, das Thema Ökologie wieder aufzuwerten und zu entdecken, und mir dann Ihre Beschlüsse auf dem Landesparteitag anschaue, können wir uns vielleicht auf die Formulierung einigen: Bäume haben Sie da auch keine ausgerissen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf von der CDU: Dürftig! – Abg. Drex- ler SPD: Warum sollen denn die Grünen Bäume ausreißen?)

Vierter kleiner Abschnitt: Beim Übergang vom Thema Umweltpolitik zur Verkehrspolitik möchte ich mich dem Thema „öffentlicher Verkehr und Schienenverkehr“ zuwenden. Denn, meine Damen und Herren, das ist heute, glaube ich, noch gar nicht so deutlich herausgekommen:

(Zuruf von der SPD: Das muss auch nicht sein!)

Den wichtigsten und übrigens auch den teuersten und aufwendigsten Beitrag, den wir zur Umweltpolitik überhaupt leisten, leisten wir in der Verkehrspolitik durch die Förderung des öffentlichen Verkehrs und des Schienenverkehrs. Das ist vorhin schon einmal angesprochen worden.

(Beifall des Abg. Dr. Birk CDU)

Es sind über 2 Milliarden DM. Da geht es nicht um Pipifax, um irgendwelche kleinen Beträge für irgendwelche Teilmaßnahmen, sondern wir haben hier eine Schwerpunktsetzung vorgenommen.

Jetzt will ich das, was ich vorhin gesagt habe, noch einmal deutlich machen: Auch andere Bundesländer haben, weil das ja überwiegend Bundesgelder sind, Geld. Aber wir haben zusätzliche Instrumente, bei denen jeder sagen muss, dass wir aus dem Geld mehr gemacht haben als andere. Wir beziehen die Kommunen ein, wir kooperieren mit der DB, aber wir haben auch Alternativen zur DB, und zwar die meisten unter allen Bundesländern. Wir haben pragmatische Konzepte und ein Instrument mit der NVBW, der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg, wir haben trotz Kürzungen nach wie vor die beste Busförderung unter allen Bundesländern. Wir haben eine hervorragende Verbundförderung. Wir haben auch eine hervorragende Förderung nach § 45 a des Personenbeförderungsgesetzes und dabei die besondere „List“ angewandt, diese Mittel tabu zu stellen, weil wir das aus dem Finanzausgleichsgesetz finanzieren, im Unterschied zu anderen Bundesländern, die an dieser Stelle kürzen wollen. Wir wollen das nicht.

Wir stellen uns auf neue Herausforderungen ein. Es wird miteinander eine Aufgabe sein, uns den neuen Herausforderungen, die uns durch den Rechnungshof auferlegt wor

den sind und die da heißen, dass wir auch im öffentlichen Verkehr Kosten und Nutzen immer wieder neu zu überlegen haben, zu stellen. Außerdem haben wir die neue Herausforderung der Liberalisierung, des Wegfalls von Quersubventionen. Das ist in der Tat ein Thema, das auf uns gekommen ist und das wir mit Sorge sehen.

Wenn ich bei der Sorge bin, dann will ich auch das ansprechen, was hier schon einmal kurz eine Rolle gespielt hat, nämlich die Äußerung von Herrn Mehdorn in Bezug auf die Reduzierungen des Fernverkehrs, beispielsweise im Interregiobereich, die möglicherweise auf unser Angebot durchschlagen können, weil uns dann Lücken in den Integralen Taktfahrplan gerissen werden.

(Abg. Dr. Birk CDU: Das ist das Problem!)

Und wenn es so wäre, dass die DB tatsächlich 40 Millionen Zugkilometer von insgesamt 170 Millionen, die sie hat – das sind also 25 % und damit keine Kleinigkeit –, streicht, dann wäre das natürlich eine Katastrophe für unseren Integralen Taktfahrplan.

(Zustimmung des Abg. Dr. Birk CDU)

Ich merke das heute vorsorglich schon einmal ganz kritisch an.

(Abg. Stephanie Günther Bündnis 90/Die Grünen: Das ist aber auch eine Folge der Bahnreform, die Sie mit zu verantworten haben! – Weitere Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/Die Grünen)