Aktuelle Debatte – Konsequenzen aus den Sturmschäden durch den Orkan Lothar für die Klimaschutzpolitik in Baden-Württemberg – beantragt von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Es gilt die übliche Gesamtredezeit von 50 Minuten, eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion für die einleitenden Erklärungen und eine Redezeit von fünf Minuten für die Redner in der zweiten Runde.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Orkan Lothar hat in Baden-Württemberg verheerende Schäden angerichtet. 25 Millionen Festmeter Holz hat er umgelegt. Allein zur Bewältigung der unmittelbaren Sturmfolgen sind ca. 300 Millionen DM erforderlich. Der Landtag hat im Haushalt 100 Millionen DM bereitgestellt. Diese Mittel werden nicht ausreichen; es sind weitere Mittel aus Brüssel und Berlin erforderlich.
Wichtig ist noch, dass die Landesregierung ein Konzept erarbeitet, das verhindert, dass es zu Preiszusammenbrüchen auf dem Holzmarkt kommt, indem das Land und die Kommunalwaldbesitzer in den ersten Jahren Zurückhaltung beim Verkauf üben und Nasslager anlegen. Ich hoffe, dass darüber Einigkeit besteht und die erforderlichen Maßnahmen in die Wege geleitet werden.
Die tatsächlichen Schäden dieses Sturms sind natürlich weit höher. In Europa sind durch den Sturm 100 Tote zu beklagen, und man schätzt, dass der Sturm Schäden in Höhe von mindestens 20 Milliarden DM verursacht hat. Allein in Baden-Württemberg hat er schätzungsweise Schäden in Höhe von 2 Milliarden DM verursacht.
Jedem ist klar, dass solche Schäden auf Dauer weder vom Staat finanziell ausgeglichen werden können noch versicherbar sind.
Die Analyse großer Naturkatastrophen ab 1960 ergibt: Im Vergleich der letzten zehn Jahre mit den Sechzigerjahren ist die Anzahl solcher Ereignisse auf das Dreifache gestiegen, die volkswirtschaftlichen Schäden auf das Neunfache und die versicherten Schäden sogar auf das Fünfzehnfache. Es mehren sich die Anzeichen für eine klimabedingte Häufung von extremen Wetterereignissen.
Seit den Konferenzen von Rio und von Kioto ist klar, dass zum Klimaschutz die Industrieländer die CO2-Emissionen reduzieren müssen, und zwar um 25 % bis zum Jahr 2005.
Das Statistische Landesamt Baden-Württemberg stellt allerdings fest: Wenn der Trend in Baden-Württemberg so weitergeht, bleibt der Stand im Jahr 2010 auf dem des Referenzjahrs 1990. Jetzt könnte man ja noch Hoffnung aus dem Kabinettsbeschluss von 1999 schöpfen, wo beschlossen wurde, die regenerativen Energien – sowohl die Pri
märenergien als auch die Stromerzeugung – bis zum Jahr 2010 zu verdoppeln. Döring wollte 200 Millionen DM einstellen.
Was aber sind die Tatsachen? Die Tatsachen sind, dass von dem Etat von 5 Milliarden DM des Jahres 1999 auf jeweils 3,6 Milliarden DM in den Jahren 2000 und 2001 heruntergefahren wurde. Das sind die Taten, die folgen. Es wird genau das Gegenteil von dem getan, was erforderlich wäre und was man der Öffentlichkeit versprochen hat. Ich stelle also erstens fest: eine totale Verantwortungslosigkeit in dieser Angelegenheit!
Zweitens: EnBW-Verkauf. In der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten dazu kommt das Wort Ökologie oder Umweltschutz kein einziges Mal vor. Es hat die Regierung offensichtlich keine Minute umgetrieben, dass man, wenn man die Anteile des Landes am größten Energiekonzern Baden-Württembergs verkauft, wenigstens einen Gedanken daran verschwenden sollte, wie man bei diesem Verkauf etwas für die Umwelt tun kann. Keine müde Mark und keine müde Überlegung sind da eingeflossen, sondern mit dem Verkauf an die Electricité de France ist mit Sicherheit das genaue Gegenteil erfolgt, nämlich eine Politik gegen den Klimaschutz.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und der Abg. Ursula Haußmann SPD – Abg. Hauk CDU: Das müssen Sie einmal genau erklären!)
Drittens: Im Generalverkehrsplan 1995 wurde von der Landesregierung festgestellt: Die CO2-Emissionen müssen bis zum Jahre 2010 um 10 % verringert werden. Das ist gar nicht erreichbar, weil die Zunahme des Verkehrs, die dort geschätzt wurde, heute schon erreicht ist. Die Zunahme des öffentlichen Verkehrs sollte nämlich bis dahin 21 % betragen. Es wurde von der Erhöhung der Spritkosten bis zu diesem Zeitpunkt um 80 % und einem durchschnittlichen Flottenverbrauch von fünf Litern ausgegangen. Von diesem Ziel sind wir meilenweit entfernt. Also auch in diesem Punkt völliges Versagen der Landesregierung.
Was macht sie stattdessen? Eine wüste Kampagne gegen die ökologische Steuerreform, obwohl sie sie selber propagiert hat.
Der Einsatz des Faktors Arbeit muss durch die Senkung der Lohnzusatzkosten relativ verbilligt werden, der Energie- und Rohstoffverbrauch durch eine schrittweise Anpassung der Energiepreise relativ verteuert werden. Beides muss in einer aufkommensneutralen Lösung intelligent verbunden werden.
Genau das machen wir. Wir verteuern die Energie und verbilligen den Kostenfaktor Arbeit durch Senkung der Lohnzusatzkosten.
Was haben Sie dagegen? Keine stichhaltigen Argumente, sondern nur Polemik. Auch hier völliges Versagen. Gegenüber denen, die noch etwas tun, wüste Polemik. Bilanz: ka
Ich glaube, man kann es sich nur durch einen dramatischen Werteverfall erklären. Schon im Spendenskandal erweisen sich wichtige Werte, von denen jeder dachte, dass die CDU wirklich dafür steht, als Lug und Trug. Aber auch politische Werte, bei denen es um die Zukunft unserer Kinder und der nachfolgenden Generation geht, werden zugunsten des Machterhalts mit rein populistischen Kampagnen, wie wir sie in Schleswig-Holstein erleben, einfach rücksichtslos über Bord geworfen.
(Abg. Haasis CDU: Aber der Waldschaden ist nicht darauf zurückzuführen! – Zuruf des Abg. Hans-Michael Bender CDU – Abg. Haasis CDU: Hat die CDU denn Waldschäden verursacht?)
Das kann, glaube ich, nicht der Weg sein, wie sich eine Volkspartei mit den ihr eigenen Traditionen um die Probleme der Zukunft kümmert.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kretschmann, Sie haben sich entlarvt. Was für die Republikaner das Thema Ausländer ist, ist im Augenblick aus Ihrer Sicht wohl das Thema Spenden. So scheuen Sie sich nicht einmal, sie mit den Ursachen für die Waldschäden in Verbindung zu bringen.
Wir haben in Baden-Württemberg nichts zu verbergen, und dabei bleibt es auch. Dass das Ihnen nicht passt, kann ich zwar verstehen, aber das ändert nichts an der Sache.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, richtig ist: Der Orkan Lothar hat allein bei uns im Land Vermögensschäden – Waldschäden und Gebäudeschäden – in der Größenordnung von über 2 Milliarden DM verursacht.
Richtig ist auch, dass wir in den letzten Jahrzehnten eine Zunahme von Klimaextremen, von extremen Temperaturen, von extremem Niederschlägen, von extremen Wetterlagen insgesamt, eine Häufung von Tiefdrucklagen, zu verzeichnen haben. Ich glaube nicht, dass dies ein Zufall ist, und ich glaube auch nicht, dass dies auf allgemeine Erderwärmungen etc. zurückzuführen ist, sondern das hat schon anthropogene Ursachen – das bestreiten auch Wissenschaftler nicht mehr –, auch im Bereich der globalen Erderwärmung, die durch Treibhauseffekte – sprich vor allem durch CO2 – verursacht wird. So weit sind wir uns wahrscheinlich einig.
Wir sind uns, weil es da um reine Zahlen geht, auch über die Ursachen einig: Ein Drittel der Ursachen stammt aus dem Verkehr. Ich behaupte einmal, Herr Kollege Kretschmann, dass Ihre Politik – ich werde nachher noch etwas dazu sagen – da eben nicht zielführend ist. Das zweite Drittel der Ursachen für den Treibhauseffekt stammt aus den Haushalten, also ein riesiges Potenzial, und das restliche Drittel stammt aus dem industriellen und aus dem gewerblichen Bereich.
Wenn man sich die großen Bereiche anschaut, nämlich Verkehr und Kleinverbraucher, Haushalte, stellt man fest, dass Sie, die Sie in der Regierung in Berlin sind, an diesen großen „Baustellen“ total versagen.