(Beifall bei Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen und der SPD – Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Keitel: Gerade Sie müssen das sagen! – Abg. Dr. Schlierer REP: Da lacht ja seine eigene Frakti- on!)
Herr Stoiber, der den Österreichern im Oktober letzten Jahres diese Koalition empfohlen hat, möchte nicht in die Nähe von Herrn Haider gebracht werden. Diese Sorge finde ich verständlich. Man kann ihn aber in die Nähe von Herrn Schüssel bringen, der diese Koalition in Österreich gebildet hat. Wenn jemand, der von „durchrasster Gesellschaft“ und davon spricht, nationale Loyalität sei nicht teilbar, die Empfehlung gibt, mit der FPÖ zu koalieren, ist das ein guter Hinweis darauf, dass die Integrationspolitik nach rechts nicht immer die richtige ist, sondern dass es Momente gibt, in denen es eine Abgrenzung, in denen es Klarheit geben muss.
Ein letztes Wort zu denjenigen, die diese Aktuelle Debatte beantragt haben. Wenn danach gefragt wird, welche Auswirkungen es habe, dass Jörg Haider der Chef einer Partei ist, die jetzt an der Regierung beteiligt ist, so haben Sie gerade eine dieser Auswirkungen erlebt. Der Bundesvorsitzende der Partei Die Republikaner glaubt nämlich, Anlass zu haben, sich hier bereits aufblasen zu können.
Aber ich sage Ihnen: Wenn man sich Herrn Schlierer und Herrn Käs ansieht, versteht man den brennenden Wunsch, Jörg Haider ähnlich zu werden. Das versteht man dann schon.
(Beifall und Heiterkeit beim Bündnis 90/Die Grü- nen und bei der SPD – Abg. Rapp REP: Die Öster- reicher machen nicht alles falsch!)
Die Absprachen unter den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und unsere eindeutige Haltung gehören zu den Maßnahmen, die notwendig sind, damit es hier bei uns nicht dazu kommt.
(Abg. Deuschle REP: Sagen Sie einmal etwas zu Hessen! – Abg. Rapp REP: Schöne Krawatte heu- te! Haben Sie extra für die Debatte diese Krawatte ausgesucht?)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin über das Vorgehen der Europäischen Union gegen die Regierungsbildung in Österreich nicht glücklich. Ich bin deshalb nicht glücklich darüber, weil mir dieses Vorgehen – zum Teil jedenfalls – zu hysterisch erscheint und es – zum Teil – von Heuchelei gekennzeichnet ist.
Ich bin über das Vorgehen vor allem deshalb nicht glücklich, weil das europäische Haus unter dem Strich in Misskredit gerät,
Ich glaube, mit diesem Vorgehen ist dem europäischen Einigungsprozess unter dem Strich eher ein Bärendienst erwiesen worden.
Ich bin nicht glücklich über das Vorgehen der 14 EU-Mitgliedsstaaten, weil es – jedenfalls zum Teil – auch ein falsches Signal an die neuen Beitrittskandidaten gibt. Das gilt für die neuen Länder im osteuropäischen Raum, das gilt aber etwa auch für die Schweiz. Welches Bild müssen neue Beitrittskandidaten von dieser Europäischen Union eigentlich erhalten, was den Toleranzgedanken angeht?
Deshalb sage ich: Dass jetzt die große Keule gegen das kleine Österreich geschwungen wird, ist europapolitisch nicht gut.
Es ist aber auch ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht der Verträge. Denn zu einem Gemeinschaftsrecht und zu einer Gemeinschaftstreue gehören doch wohl auch ein Mindestmaß an gegenseitiger Solidarität und der Grundsatz, dass man, bevor der Stab über einen EU-Partner gebrochen und er in die Isolation getrieben wird,
Hier wird aber das Gegenteil gemacht. Das muss man kritisch sehen. Das heißt, ein Land wird vorsorglich in Haft genommen. Es wird so getan, als seien künftige Schandtaten geradezu vorprogrammiert. Darauf hin werden die Sanktionen aufgebaut. Dies ist ein glatter Bruch der Amsterdamer Verträge. Man kann es nicht anders sagen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Dr. Caroli SPD: Sie haben ja jeden Maßstab verloren!)
Jörg Haider ist kein Liberaler, und die FPÖ ist keine liberale Partei. Das haben wir immer gesagt. Aber gerade deshalb müssen diejenigen, die zu hysterisch reagieren und jetzt auf die Straße gehen, daran denken: Vermeidet um Himmels willen alles, was dazu führen kann, dass dieses Verhalten geradezu ein Wählerbeschaffungsprogramm für Haider ist. Das müssen wir doch alle miteinander vermeiden.
Das Wahlverhalten der Österreicher bei der letzten Wahl geht doch nicht auf die angebliche Lichtgestalt Jörg Haider
zurück, sondern das Wahlverhalten ist die Reaktion auf eine seit Jahrzehnten erstarrte Politik von SPÖ und ÖVP.
Schwarz und Rot haben in Österreich zu einer Proporzdemokratie geführt, haben Österreich zu einer Proporzdemokratie verkommen lassen, haben sich nach dem Muster „Mal links, mal rechts, mal schwarz, mal rot“ den Staat zur Beute gemacht und die Posten verteilt. Genau davon haben viele Österreicher in der Zwischenzeit die Schnauze gestrichen voll.
Nur aus diesem Grund jetzt 30 % oder fast 30 % der Wähler einer maßlosen Kritik auszusetzen, sie gewissermaßen in eine verbrecherische Ecke zu stellen, meine Damen und Herren, ist an Hysterie nicht zu überbieten, schadet aber – ich sage es noch einmal – vor allem der europäischen Einigung.
Rot-Grün – das muss man kritisch sagen – war an diesem Irrweg, wie ich ihn bezeichnen möchte, durchaus beteiligt. Der Kanzler und auch der Außenminister haben eine Europapolitik betrieben, die von Opportunismus und auch von Heuchelei gekennzeichnet war.
Meine Damen und Herren, ein deutscher Außenminister, der freundlich in der Türkei oder in China oder anderswo Shakehands macht, ein deutscher Außenminister, dem die Barbareien in Tschetschenien ein Achselzucken wert sind,
ein solcher deutscher Außenminister, der jetzt hergeht und österreichischen Regierungspolitikern die Einreise verwehrt, ist unglaubwürdig.
(Lebhafter Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Dr. Caroli SPD: Unglaublich, was hier vor- geht! – Zuruf der Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/ Die Grünen)