Protokoll der Sitzung vom 13.04.2000

Wie will ich das argumentativ durchhalten beim Maschinenbauer in Baden-Württemberg, bei dem Handwerker auf der Schwäbischen Alb, zu dem ich sage – –

(Abg. Brinkmann SPD: Sagen Sie das denen von der CDU einmal! – Abg. Schmiedel SPD: Dort sitzt der Gegner! – Unruhe)

Moment, nicht alleine. In der Hightechbranche, einem schmalen Bereich, gibt es das jetzt. Der Global Player – Hewlett-Packard, IBM – erhält jetzt die Chance, sich weltweit zu bedienen, aber der Mittelständler und der Handwerker nicht. Das halte ich für falsch.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Deuschle REP: Eben!)

Ich halte es für falsch, dass wir auf der einen Seite sagen: „Die sind ganz arg wichtig, die holen wir herein“, und auf der anderen Seite gleichzeitig Leute wegschicken, die genauso wichtig und in ihren Betrieben unersetzbar geworden sind. Darum kämpfen wir dafür, eine Gleichbehandlung für die kleinen und mittelständischen Handwerksbetriebe mit den Großbetrieben, den Global Players, zu erreichen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Schmiedel SPD: Sagen Sie das einmal Herrn Oet- tinger!)

Wartet es doch einmal ab. Herr Schmiedel, das sage ich schon auch in Ihre Richtung, weil Sie sagen: Dieser Bereich ist wichtig, der andere nicht so sehr.

(Abg. Brinkmann SPD: Nein, das hat er nicht ge- sagt!)

Doch, Sie haben es gesagt.

(Minister Dr. Döring)

Wir bekommen eine ganz merkwürdige Diskussion im Zusammenhang mit der Greencard.

(Abg. Schmiedel SPD: Nicht verdrehen!)

Das ist etwas, was ich den Großbetrieben, diesen Global Players, in aller Deutlichkeit sage. Ich finde es schon außerordentlich merkwürdig, dass genau dieselbe Firma, die darum kämpft, ihre Mitarbeiter mit 55 Jahren loszuwerden,

(Abg. Döpper CDU: Und früher!)

lauthals schreit, sie habe keine Mitarbeiter, die ihre Qualitätsansprüche erfüllten.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das passt nicht zusammen, meine Damen und Herren. Da muss man dann sagen: Das sind Versäumnisse bei der Weiterqualifikation während des Berufs, wenn sie jetzt sagen: „Unsere 55-Jährigen taugen nichts mehr, schickt sie weg; wir müssen die jungen Leute hereinholen.“

Deswegen noch einmal, und das in aller Ruhe: Sie sind in der Diskussion, wir sind in der Diskussion. Sie haben gesagt, Sie würden die Greencard eventuell bis zum 1. August einführen können. Also haben wir noch ein paar Monate Zeit, um da zu einem sinnvollen Ergebnis zu kommen. Deswegen werden wir darüber sachlich und der Reihe nach diskutieren und uns bemühen, das Ziel zu erreichen, dass die Leute, die wir bei uns brauchen können, auch bei uns bleiben können oder zu uns ins Land kommen können. Das ist für mich der entscheidende Punkt.

Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, warum wir die Leute, die für uns wichtig und wertvoll sind, außer Landes schicken oder sie nicht zu uns ins Land lassen. Ich möchte, dass wir in Deutschland, dass wir in Baden-Württemberg an dem weltweiten Wettbewerb um die besten Kräfte und die besten Köpfe teilnehmen können. Deswegen muss man eine klare Regelung herbeiführen und darf sie nicht in Form einer solchen Krücke treffen, wie Sie sie jetzt mit der Greencard nur für einen schmalen Bereich vorsehen.

Meine Damen und Herren, es ist für mich auch überhaupt keine Frage: Die Petition, um die es im Wirtschaftsausschuss gegangen ist – – Das ist übrigens eine Petition von einer Frau Teufel aus Baden-Württemberg.

(Abg. Brinkmann SPD: Und zwei weitere noch!)

Zwei weitere noch.

Es gibt – mit Ausnahme der PDS – einen einstimmigen Beschluss des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestags und des Deutschen Bundestags insgesamt. Ich halte die Beschlusslage für außerordentlich vernünftig, dass man sagt: Es kann doch bis zur nächsten Innenministerkonferenz im Mai ein Moratorium beschlossen werden, wonach man sich darüber bei der Innenministerkonferenz angesichts der veränderten Situation, angesichts des einstimmigen Beschlusses des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestags und angesichts des einstimmigen Beschlusses des Deutschen Bundestags noch einmal unterhalten wird und prüfen wird, welche Lösung möglich ist.

(Abg. Schmiedel SPD: Was vertritt denn der zu- ständige Minister des Landes Baden-Württemberg dort?)

Genau darum geht es. Wir treten dafür ein, dass wir zu einer vernünftigen Lösung kommen.

(Zuruf des Abg. Schmiedel SPD)

Lassen Sie mich noch zu einem anderen Thema kommen, weil Sie auch Arbeitsämter angesprochen haben. Wir müssen natürlich schon sehen: Wir bekommen die entsprechenden Briefe. Sie gehen an den Petitionsausschuss oder in den Geschäftsbereich des Innenministeriums. Das Arbeitsamt – eine Bundesbehörde – verfolgt in dieser Frage eine knallharte Linie. Das heißt, wir müssen dafür auch noch an anderen nicht ganz unwichtigen Stellen Verbündete gewinnen, wenn wir hier eine Lösung haben wollen. Solange sie sagen: „Gar kein Thema, überhaupt kein Bedarf“, müssen wir auch bei den Stellen, die letztlich mit darüber entscheiden, einmal zu einer veränderten Einstellung kommen, meine Damen und Herren. Deswegen geht es auch darum, bei den Arbeitsverwaltungen hier Unterstützung zu erlangen.

(Abg. Schmiedel SPD: Das Innenministerium!)

Nachdem ich beim Thema Arbeitsverwaltung bin, muss ich auch sagen: Es würde mich schon interessieren, wie es mit den Ergebnissen der teuren Umschulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen, die die Arbeitsämter überall durchführen, aussieht. Wenn diese Maßnahmen so erfolgreich wären, wie sie sein sollten, hätten wir auch weniger Probleme. Auch dieses Thema sollte einmal einer deutlichen Prüfung unterzogen werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Verehrter Herr Deuschle, Sie sagen: in zwei bis vier Jahren.

(Abg. Deuschle REP: Ja!)

Da sind wir hier in Baden-Württemberg an der falschen Adresse. Ich sage für die Landesregierung: Die Landesregierung hat sich keine Versäumnisse vorzuwerfen, was Ausbildungsanstrengungen in den vergangenen Jahren angeht.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Richtig!)

Dies gilt genauso für die Betriebe in Baden-Württemberg. Wir haben seit 1996 für jeden ausbildungswilligen und -fähigen jungen Menschen eine Lehrstelle. Wir haben – das ist Ihnen gestern mehrfach vorgetragen worden – an den Berufsakademien und Fachhochschulen die Zahl der Studienplätze verdoppelt.

(Abg. Deuschle REP: Jetzt? – Gegenruf des Abg. Pfister FDP/DVP: Seit 1995!)

Nein, nicht jetzt, sondern in den letzten vier, fünf Jahren. Deswegen haben wir uns da keine Versäumnisse vorzuwerfen.

Es hilft doch einem Betrieb, der jetzt in einem Existenzkampf steht, nicht, wenn ich ihm sage: In vier Jahren kriegst du deinen Facharbeiter. Der Betrieb braucht den

(Minister Dr. Döring)

Facharbeiter jetzt, und ich muss ihn jetzt zur Verfügung stellen, damit der Betrieb im Wettbewerb mithalten kann, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Lassen Sie mich auch noch auf diejenigen eingehen, die vonseiten des Koalitionspartners die Meinung vertreten – man kann auch eine andere dazu haben –: Das ist jetzt diese – – Ich sage in aller Deutlichkeit: Es geht mir darum – so sehe ich auch die Aufgabe für mich –, in erster Linie die Interessen der Wirtschaft des Landes Baden-Württemberg zu wahren und deren Interessen zu vertreten, damit die Betriebe, die wir bei uns haben, hier eine Chance und eine Zukunftsperspektive haben.

Wenn der Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Hans-Eberhard Schleyer, in einem SWR-Interview vor wenigen Tagen auch in aller Klarheit sagt: „Das Vertrösten auf die Zeit in wenigen Jahren hilft uns nichts, sondern wir brauchen die Fachkräfte jetzt. Dies ist nur mit einem klaren Zuwanderungsgesetz zu regeln“, dann vertritt er die Meinung des Handwerks, die wir in vollem Umfang teilen und der wir auch endlich zum Durchbruch verhelfen wollen, meine Damen und Herren.

Es geht mir außerdem – noch einmal – ganz entschieden darum, dass ich eine Gleichbehandlung haben möchte, weil ich nicht weiß, wie ich demjenigen gegenüber argumentieren soll, der sagt: Kann das wahr sein, dass die, die weltweit unterwegs sind, ab 1. August, wie es die Bundesregierung plant, die Möglichkeit bekommen, sich weltweit zu bedienen und die besten Köpfe zu holen, und der kleine und mittlere Betrieb gehen leer aus? Natürlich ist es richtig – Herr Haasis hat es angedeutet, andere auch –: Noch immer haben wir in Baden-Württemberg erfreulicherweise die mit Abstand geringste Arbeitslosenquote in ganz Deutschland.

(Abg. Deuschle REP: Eben!)

Aber natürlich muss man auch dem Thema nachgehen, wie es sein kann, dass bei immer noch knapp 300 000 Arbeitslosen ein baden-württembergischer Gartenbaubetrieb keinen Gartenbauhelfer bekommt – bei einer solchen Arbeitsmarktsituation. Auch hier muss angesetzt werden; das ist für mich überhaupt keine Frage.

Es muss auch klar werden, dass derjenige, der einer geregelten Arbeit nachgeht, mehr in den Taschen haben muss als einer, der keiner geregelten Arbeit nachgeht.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das sind Selbstverständlichkeiten, die angegangen werden müssen. Aber Sie können sich nicht auf einen einzelnen Bereich konzentrieren und behaupten, dieser wäre jetzt entscheidend. Sie müssen unserer Überzeugung nach mit einem Gesamtpaket an die Lösung des Problems herangehen. Ich sehe uns dabei auf einem ordentlichen Weg, und ich sehe, dass wir in der Landesregierung in den nächsten Monaten – vielleicht sogar noch, bevor Sie in Berlin zu einer übereinstimmenden Meinung kommen – zu einer vernünftigen Auffassung gelangen.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP – Unruhe bei der SPD)