Protokoll der Sitzung vom 13.04.2000

Ich will das, was jetzt bei der CDU an Bewegung vorhanden ist, nicht interpretieren, aber es fällt auf: auf Bundesebene Frau Merkel und auf Landesebene Herr Oettinger. Die Kollegen der CDU-Fraktion sind auch bei der Debatte im Wirtschaftsausschuss sehr differenziert vorgegangen.

(Abg. Hauk CDU: Das machen wir immer! – Abg. Brinkmann SPD: Aber der Schuhmacher durfte heute nicht reden!)

Ich sehe die Bundestagsresolution. Ich würde einmal lapidar sagen: Noch einen kleinen Schucker, und wir sind auf gleicher Ebene.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der SPD – Abg. Pfister FDP/DVP: So ist es!)

Deshalb sage ich einmal: Noch ein bisschen! Wenn Sie dieses Regierungsgeschäft in der Opposition verlernt haben, dann ist das nicht schlimm, denn so schnell sollen Sie ja nicht wieder an die Regierung. Warum wir das nicht wollen, werde ich in der zweiten Runde sagen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Mau- rer SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Deuschle.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zum sachlichen Hintergrund der Debatte zurückkommen. Deutschland und Baden-Württemberg haben Flüchtlinge aus Bosnien und anderen Ländern aus humanitären Gründen einreisen lassen, in Deutschland ca. 325 000, in Baden-Württemberg immerhin über 55 000. Heute sind noch ca. 5 000 Flüchtlinge aus Bosnien in unserem Lande. Geschäftsgrundlage für diese Einreisen war aber, dass diese Menschen nach dem Ende des Bosnienkrieges wieder in ihre Heimat zurückgehen.

(Abg. Rapp REP: So ist es!)

Der Vertrag von Dayton datiert immerhin vom 21. November 1995, als der Bosnienkrieg zu Ende ging. Deutschland und Baden-Württemberg waren sehr großzügig und haben weitgehend auch individuelle Gründe für eine verzögerte Heimreise akzeptiert. Hier muss man der Bevölkerung und dem Steuerzahler einmal danken, die in unserem Land Milliarden von Mark dafür aufgebracht haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der Republikaner)

Wenn jetzt nicht die Heimreise auch der letzten Flüchtlinge organisiert werden kann, dann wird in der Bevölkerung die Bereitschaft, Bürgerkriegsflüchtlinge von wo auch immer aufzunehmen, die bisher da war, gegen null gehen. Meine Damen und Herren, wenn Sie das wollen, dann führen Sie eine solche Debatte weiter.

(Beifall bei Abgeordneten der Republikaner)

In der Zwischenzeit haben nun manche Bosnier – nicht alle, aber manche – Arbeit gefunden. Dass dies für einige Betriebe und Branchen Übergangsprobleme bewirkt, ist ganz klar. Aber jeder Unternehmer, der die Leute eingestellt hat, wusste schon am Anfang, dass am Ende eine Rückreisenotwendigkeit gegeben war. Das wusste jeder, der die Menschen hier eingestellt hat.

Jetzt möchte ich noch auf die Argumentation der Pro-Anwälte, auch des Herrn Wirtschaftsministers, eingehen.

Da wird zum Ersten gesagt, wenn man bei der Hightechindustrie eine Greencard zuließe, dann wäre der Mittelstand – die Hotellerie, das Handwerk und andere – benachteiligt. Dies wird beispielsweise von Herrn Minister Döring erklärt. Wenn man so argumentieren würde, dann hätte er ja Recht. Deswegen sagen wir Republikaner konsequent: Wir wollen keine Greencard. Wir wollen sie auch nicht für die Hightechindustrie, weil das Problem auch dort durch einen nationalen Krafteinsatz mit eigenen Kräften in zwei bis vier Jahren lösbar ist.

(Beifall des Abg. Schonath REP)

Daher ist dieses Argument nicht stichhaltig, Herr Minister.

(Beifall bei Abgeordneten der Republikaner)

Wir wollen hier natürlich keine Ungleichbehandlung zwischen Betrieben der Großwirtschaft und des Mittelstands zulassen. Deshalb haben wir eine konsequente Linie. Für uns stellt sich aber eine Grundfrage: Ist unser Arbeitslosenund unser Sozialhilfesystem bei über 4 Millionen Arbeitslosen in Deutschland eigentlich vernünftig organisiert, wenn es nicht gelingt, aus diesen über 4 Millionen Arbeitslosen Arbeitskräfte für im Grunde gering qualifizierte Tätigkeiten zu bekommen? Das ist doch die Grundfrage: Warum geht das denn eigentlich nicht? Ist dieses System so neben der Kappe, dass das gar nicht mehr möglich ist?

Baden-Württemberg hatte gemäß einer Antwort Ihres Ministeriums, Herr Minister, Ende 1998 rund 243 000 Sozialhilfeempfänger, darunter auch 63 000 Ausländer, wobei laut Auskunft Ihrer Regierung mehr als die Hälfte jünger als 25 Jahre sind. Da muss die andere Konsequenz doch sein: Wir müssen die Zumutbarkeitskriterien ganz anders fassen und drastisch verschärfen. Da darf es einfach nicht mehr möglich sein, dass man sich davor drücken kann, hier zumutbare Arbeit anzunehmen. Wenn wir das nicht organisieren können, dann hat die Politik hier insgesamt versagt, meine Damen und Herren. Der Bürger versteht das nicht mehr.

Ich stelle auch die Frage: Werden heute denn nicht Fachkräfte in Bosnien gebraucht? Wir dürfen das alles doch nicht nur egoistisch aus unserer deutschen und baden-württembergischen Sicht sehen. Bosnien braucht auch genügend Leute, die hier in Deutschland etwas gelernt haben, für den Aufbau dort unten. Wie war das denn mit unseren Heimatvertriebenen? Sie sind doch auch nach der Flucht und der Vertreibung hierher gekommen und haben das Land hier doch auch aufgebaut. Sie wären gern nach Schlesien oder nach Ostpreußen zurückgegangen und hätten dort das Land aufgebaut, wenn sie dazu die Möglichkeit gehabt hätten.

(Beifall bei den Republikanern)

Ich stelle hier natürlich auch die Frage an die Landesregierung, Herr Minister: Haben Sie hierzu eine einheitliche Meinung? Der Innenminister hat hier eine härtere Haltung und übernimmt Republikaner-Positionen.

(Lachen des Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen)

Sie, Herr Wirtschaftsminister, reden hier wie Rot-Grün. Was sagt denn der Herr Ministerpräsident? Warum ist er heute nicht da und nimmt für seine Regierung hierzu Stellung?

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Müller SPD)

Das hätten wir doch heute erwartet.

Ich sage Ihnen jetzt zum Ende des ersten Teils meiner Rede: Aus staatspolitischen Gründen müssen auch wirtschaftliche Teilinteressen zurückstehen. Die Bosnier werden in Bosnien gebraucht, und wir müssen in Deutschland und in Baden-Württemberg unser Sozialsystem so umgestalten, dass Sozialhilfe und Schwarzarbeit nicht interes

santer als produktive Erwerbsarbeit sind. Dies gilt für Deutsche und Ausländer. Es darf nicht so organisiert sein, dass Menschen von der Arbeit abgehalten werden. Dazu sage ich nachher im zweiten Teil noch etwas.

(Beifall bei Abgeordneten der Republikaner)

Das Wort erteile ich Herrn Wirtschaftsminister Dr. Döring.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Brinkmann, es ist schon ein bisschen weit hergeholt, wenn ausgerechnet Sie der Landesregierung vorwerfen: Welch ein Chaos in dieser Regierung bei dieser Frage! Schauen Sie einmal nach Berlin.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Brinkmann SPD: Keine Märchen auf- bauen!)

Da können wir sagen: Gegen das, was Sie dort abziehen, sind wir ein Hort der Harmonie.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: So lange im Krankenhaus und nichts Neues gelernt!)

Schauen Sie sich einmal an, was der Bundeskanzler sagt, was Herr Riester dazu sagt, was die Grünen zum Einwanderungsgesetz sagen, was die SPD zum Einwanderungsgesetz sagt. Das sind völlig konträre Meinungen, Herr Kollege Walter.

(Abg. Schmiedel SPD: Was haben Sie denn für eine Meinung?)

Es ist überhaupt nicht verwunderlich, dass in einer solchen Debatte, die eine sehr weit reichende Entscheidung mit sich bringt, die Meinungen unterschiedlich sind und dass es auch in der Koalition unterschiedliche Meinungen gibt. Aber es ist auch völlig klar – Herr Kollege Hofer hat es ausgedrückt –: Wir haben eine völlig übereinstimmende Position, und für diese Position kämpfen wir auch in dieser Regierung.

Noch einmal: Das ist am Beginn und mitten in einer solchen Diskussion ein völlig normaler Vorgang. Es sind zwei Parteien in einer Koalition in Stuttgart, und es sind zwei in Berlin. Beide, dort wie hier, kämpfen darum, dass sie zu einer Position kommen, die das Beste für das Land BadenWürttemberg, für die Wirtschaft und die hier arbeitenden Menschen ist. Darum geht es in allererster Linie, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und der Abg. Dr. Inge Gräßle CDU)

Wenn Sie sich vergegenwärtigen – und das kann einen gar nicht ruhen lassen –, um zur Tagesordnung zurückzukehren: Bis jetzt haben sich an das Wirtschaftsministerium – und ich bin mir sicher, bei den Kollegen von der CDU sieht es nicht viel anders aus – aus dem Handwerk, aus dem Mittelstand, ob es das Bauhandwerk ist, ob es die Gartenbaubetriebe sind, ob es die Gastronomiebetriebe sind, etwa 400 Betriebe gewandt und gesagt: „Lasst uns diesen

Mitarbeiter da, er ist ein außerordentlich wertvoller Mitarbeiter geworden.“ Wir wollen – und das kommt jetzt durch die Greencard-Diskussion erst recht – Gleichbehandlung.

(Abg. Deuschle REP: Eben!)

Das ist ein ganz entscheidender Punkt. An der gegenwärtigen Diskussion und vor allem an der Praxis, die sich jetzt auf den Weg macht, zeigt sich doch die ganze Absurdität der Ausländerpolitik, die bei uns gemacht wird: Auf der einen Seite macht man sich auf den Weg, in einem schmalen Bereich der Wirtschaftsbranche

(Abg. Schmiedel SPD: Aber wichtigen!)

Experten ins Land zu holen. – „Aber wichtigen“ sagen Sie, Herr Kollege Schmiedel.

(Abg. Schmiedel SPD: Ja!)

Auf der anderen Seite wollen die Handwerker genau das Gleiche. Soll ich zu denen sagen: „Euer Betrieb ist mir nicht wichtig“? Mir ist deren Betrieb ganz genauso wichtig, und gerade weil mir deren Betrieb genauso wichtig ist, möchte ich eine Gleichbehandlung haben, meine Damen und Herren. Darum geht es mir; das ist der entscheidende Punkt.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Wie will ich das argumentativ durchhalten beim Maschinenbauer in Baden-Württemberg, bei dem Handwerker auf der Schwäbischen Alb, zu dem ich sage – –