Protokoll der Sitzung vom 17.05.2000

(Zuruf des Abg. Fleischer CDU)

Herr Fleischer, dass Sie als Funktionär da auf die Palme gehen, habe ich erwartet. Das spielt aber gar keine Rolle. Damit kann ich mich gut abfinden.

(Abg. Fleischer CDU: Von Ehrenamt haben Sie keine Ahnung!)

Die sportliche Betätigung ist ein Grundrecht, das sich schon aus der grundgesetzlichen Verfassung ergibt.

(Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

Insoweit interpretieren wir die Förderung des Sports auch nicht nur unter finanziellen Gesichtspunkten, meine Damen und Herren, sondern auch unter dem Gesichtspunkt, Sport in diesem Land überall dort zu ermöglichen, wo er betrieben werden kann.

Kultur ist ein Begriff, der einer weitgehenden Interpretation zugänglich ist. Ich möchte den Kerninhalt von Kultur interpretieren als freie Schaffenskraft eines jeden von uns, aber auch der gesamten Gesellschaft. Es handelt sich um ein schützenswertes Gut, das sehr wohl auch als Staatszielbestimmung – damit bin ich bei dieser Begrifflichkeit – in die Verfassung aufgenommen werden kann.

Herr Kollege Rech, der jetzt leider nicht mehr anwesend ist, hat vorhin einen sehr interessanten und klugen Spruch geäußert. Er hat nämlich darauf hingewiesen, dass eine Staatszielbestimmung wie der Tierschutz

(Dem Redner wird das Ende seiner Redezeit ange- zeigt.)

ich komme bald zum Ende, Herr Präsident – nur dann mit Leben erfüllt wird, wenn diejenigen, an die sich die Staatszielbestimmung richtet – Gemeinden, Behörden, der Gesetzgeber und jeder Einzelne von uns –, diese auch beachten, meine Damen und Herren. Das gilt dann aber nicht nur für den Tierschutz. Das gilt natürlich auch für die Belange der Umwelt, das gilt für die natürlichen Lebensgrundlagen. Angesichts der Differenzen, die wir zu der Praxis in diesem Land feststellen, was die Umsetzung von Gesetzen und Staatszielbestimmungen anbelangt, muss man sagen: Da muss man noch viel lernen, insbesondere dann, wenn es um die Konkretisierung von Staatszielbestimmungen geht.

Alles in allem tragen wir den vorgelegten Änderungsantrag als Kompromisslösung in diesem Haus mit und werden somit auch dieser Verfassungsergänzung insgesamt – darüber wird nachher in der Abstimmung gemeinsam zu entscheiden sein – zustimmen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP/DVP)

Das Wort hat Herr Abg. Kiesswetter.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mein Kollege Glück hat bereits vorgetragen, warum wir für die Aufnahme des Tierschutzes und des Sports als Staatsziele in die Verfassung sind. Ich möchte mich deshalb nur mit den Ausführungen der SPD auseinander setzen, dass ein Gesetz eigentlich nichts wert und nur die Verankerung in der Verfassung wirksam sei.

Jedes Gesetz ist eine Willensbildung des Parlaments und hat einen sehr hohen Rang.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP – Abg. Brechtken SPD: Wer hat so etwas behauptet?)

Zu behaupten, nur das, was in der Verfassung steht, habe Sinn und Gewichtigkeit – –

(Abg. Bebber SPD: Das hat ja keiner behauptet! Das ist eine Erfindung von Ihnen!)

Doch, das haben Sie hier so vorgetragen.

(Abg. Helga Solinger SPD: Haben Sie überhaupt zugehört? Das kann nicht sein! – Unruhe)

Sie sagten, nur wenn es in der Verfassung stünde, hätte es Bedeutung. Die Verfassung hat einen bestimmten Stellenwert. In ihr sollen gewisse Grundsätze stehen.

Zu Ihrer Forderung bezüglich der Behinderten: Selbstverständlich setzen wir uns alle hier im Saal für Behinderte ein. Das hängt schon mit der Menschenwürde nach Artikel 2 des Grundgesetzes zusammen. Behinderte haben danach einen besonderen Stellenwert. Ich meine, dass das nicht extra aufgeführt werden muss, sondern eine Selbstverständlichkeit mit sehr hohem Rang ist.

Als Wesentliches haben Sie hier vorgetragen, der Schutz der ehrenamtlichen Mitarbeiter in Vereinen usw. solle in die Verfassung aufgenommen werden. Selbstverständlich hat für uns das Ehrenamt einen sehr hohen Stellenwert und eine sehr hohe Bedeutung. Wir sagen ausdrücklich den vielen Leuten Dank, die im Ehrenamt tätig sind in Vereinen, Verbänden, Initiativen und in den Kirchen. Wenn diese Leute nicht ihre Freizeit opfern würden, wäre unser Staat viel ärmer.

(Beifall des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Ihnen gehört deshalb der Dank.

Trotzdem meine ich, dass wir deren Förderung nicht in die Verfassung aufnehmen sollten. Denn die Förderung des Ehrenamts ist nach unserem Verständnis eigentlich eine Aufgabe der Kommunen.

(Abg. Helga Solinger SPD: Was?)

Denn dort und nicht beim Staat ist es eigentlich angesiedelt. Es handelt sich um eine Aufgabe der Kommunen. Dort sollen sie tätig werden. Die Kommunen sollen das Engagement der ehrenamtlich Tätigen fördern.

Wir möchten auch nicht, dass aufgrund des Ehrenamts finanzielle Ansprüche an das Land gestellt werden. Das ist auch ein Grund, warum wir dagegen sind. Das widerspricht dem Begriff des Ehrenamts.

In anderen Bundesländern, in denen die Förderung des Ehrenamts als Staatsziel in die Verfassung aufgenommen wurde, gab es gleich die Forderung, man sollte Leute ab dem 55. Lebensjahr mit zusätzlichen Beträgen fördern. Dies halten wir für falsch. Wir möchten keine Kommerzi

alisierung des Ehrenamts. Dies hielten wir mit dem Begriff des Ehrenamts für unvereinbar.

(Abg. Fleischer CDU: Sehr richtig!)

Deshalb lehnen wir das hier ab.

Ich meine, dass der von der Landesregierung vorgelegte Entwurf einer Änderung der Landesverfassung als ausreichend, sinnvoll und sehr positiv zu bewerten ist.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat Herr Abg. Herbricht.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nachdem die Union im Bundestag erneut einen tierschutzpolitischen Offenbarungseid geleistet hat, will sie nun im Ländle in dieser Angelegenheit Boden gutmachen. Wir hoffen für die gequälte Kreatur, dass dies nicht Teil einer Doppelstrategie ist nach der Devise: Im Lande dafür, solange die Ablehnung auf Bundesebene gesichert ist.

Wenn man über die Notwendigkeit eines besseren Tierschutzes spricht, kommt man nicht umhin, ein paar Worte über die Lage der Tiere bei uns und in der EU zu verlieren. Die Subventionspraxis der EU und die daraus resultierenden Betrugsmöglichkeiten sind Hauptverursacher vieler Tierquälereien.

(Beifall bei den Republikanern – Abg. Deuschle REP: Sehr richtig!)

Das Abschlachten der so genannten Herodeskälber – ca. 1 Million pro Jahr – wäre ohne Subvention völlig unrentabel und würde unterbleiben. Auch Tiertransporte wären in diesem Maße nicht rentabel, wenn es keine Subventionen gäbe. Manche Tiere durchleiden regelrechte Rundreisen: eingeführt in die EU als Zuchttiere, um Zoll zu sparen, anschließend als Schlachttiere wieder ausgeführt, um Subventionen zu kassieren.

30 000 Tiere sterben jedes Jahr in Spanien, die meisten davon in Stierkampfschulen. Da die EU keinen Unterschied macht zwischen einem Zucht- und einem Kampfstier, darf der deutsche Steuerzahler – und dürfen auch andere Steuerzahler in der EU – diese Quälerei mit 250 DM pro Tier subventionieren.

Aber auch in unserem Land gibt es Missstände. So fristen zum Beispiel Millionen von Legehennen ihr Dasein in Drahtgitterkäfigen ohne Sonnenlicht und natürliche Luftzufuhr. Wenn die Luftzufuhr einmal ausfällt, wie am Karfreitag dieses Jahres in Querfurt, Sachsen-Anhalt, ersticken auf einen Schlag 200 000 Legehennen.

Die Missstände im Tierschutzbereich sind offensichtlich, und die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen. In unserer angeblich so zivilisierten und fortschrittlichen Industriegesellschaft werden aus kommerziellen Interessen mehr Tiere gequält als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte.

Was kann nun ein Staatsziel Tierschutz gegen diese Missstände bewirken? Fakt ist, dass Grundrechte, die von der Bundesverfassung gewährt werden, nicht durch die Landesverfassung eingeschränkt werden können. Nur der Bundesverfassungsgeber kann dem Missbrauch von Tieren wirksam entgegentreten, der unter anderem unter Berufung auf die Freiheit von Wissenschaft, Lehre und Kunst stattfindet. Da ist ein Staatsziel Tierschutz im Grundgesetz unverzichtbar, auch im Hinblick auf die Signalwirkung für Europa. Nur wer Tieren im eigenen Land einen höheren Stellenwert einräumt, kann ein Mehr an Tierschutz auf europäischer Ebene einfordern.

Was kann die Aufnahme des Tierschutzes in die Landesverfassung bewirken? Zum einen wird durch die Tatsache, dass immer mehr Bundesländer den Tierschutz in die Verfassung aufnehmen, eine deutliche Werteverschiebung zum Ausdruck gebracht, welche der Bund, der ja gemäß Artikel 72 des Grundgesetzes zur Wahrung der Rechtseinheit im gesamtstaatlichen Interesse verpflichtet ist, auf Dauer nicht wird ignorieren können. Zum anderen können, wenn es um die Genehmigung von Tierversuchen geht, die Ermessensspielräume konsequenter zugunsten der Tiere genutzt werden, und das Land wäre auch in der Pflicht, die Entwicklung von Ersatzmethoden zu Tierversuchen entsprechend zu fördern.

Gleiches gilt für die Rechtsprechung. Hier sind in der Vergangenheit selbst bei spektakulärsten Fällen von Tierquälerei unverhältnismäßig geringe Geldbußen verhängt worden. Durch die Aufnahme des Tierschutzes in die Landesverfassung könnten auch hier die Ermessensspielräume von Staatsanwaltschaften und Gerichten zugunsten eines konsequenteren Tierschutzes verschoben werden. Entsprechend könnten auch die Aufsichtsbehörden und die Amtstierärzte bei tierschutzrechtlichen Missständen effektiver einschreiten. Auswirkung kann die Novellierung auch auf die Bereiche haben, die in der Gesetzgebungskompetenz des Landes sind, wie das Jagd-, das Fischerei- und das Naturschutzrecht. Da diese Bereiche im Großen und Ganzen zufriedenstellend geregelt sind, werden hier keine spektakulären Änderungen zu erwarten sein. Wir halten es dagegen für sinnvoll, bei der Ausgestaltung der Lehrpläne auf eine Sensibilisierung unserer Jugend für die Belange des Tierschutzes Wert zu legen.

Der von vier Fraktionen mitgetragene Zusatz „im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung“ wird von uns abgelehnt. Als Begründung für diesen Zusatz hat die Landesregierung ausgeführt, dass damit für den Bürger der Vorrang des Europa- und des Bundesrechts klar ersichtlich sei. Dies vermag nicht zu überzeugen, denn Verfassungserläuterungen gehören in die einschlägigen Kommentare und nicht in die Gesetzestexte.

(Beifall bei den Republikanern)

Da alle Grundrechte und Staatsziele sich stets nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung bewegen, ist dieser Zusatz systemwidrig und völlig überflüssig. Ja, man hat geradezu den Eindruck, dass der tiefere Sinn dieses Zusatzes der ist, Staatszielkritiker nach der Devise „Es wird ja nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird“ ruhig zu stellen. Wir halten unseren Änderungsantrag, der den Lan

desverfassungen von Bremen und Thüringen entlehnt ist, für gelungener als dieses vorgeschlagene Novum.