Protokoll der Sitzung vom 17.05.2000

Der größte Hemmschuh in dieser Diskussion war ja, wie man hinter den Kulissen gehört hat, Herr Teufel. Da haben wir wohl Herrn Oettinger zu verdanken, dass er Herrn Teufel endlich bewegt hat, dieser Einigung hier zuzustimmen. Jetzt ist es endlich so weit. Wir beraten nicht nur, wir vertagen nicht nur, sondern der Sport wird heute in die Landesverfassung aufgenommen, ein Versprechen, das dieses Parlament dem Sport, wie gesagt, schon in der letzten Legislaturperiode gegeben hat. Der Sport ist nun mit all seinen Facetten von der schönsten Nebensache der Welt mit diesem gemeinsamen Antrag auf den Stellenwert gebracht worden, den er unseres Erachtens verdient. 3,5 Millionen Menschen sind in Baden-Württemberg im Sport organisiert, und es werden jährlich mehr. Sowohl junge wie alte Menschen finden Zugang zum organisierten Sport. In 11 000 Vereinen wird Sport angeboten, und es handelt sich hier um ein breit gefächertes soziales Netz. Der Sport hat Integrationsfunktion, Gesundheitsfunktion und Umweltschutzfunktionen. Dieser Bedeutung wird heute mit der Aufnahme in die Landesverfassung Rechnung getragen.

Die Verankerung als Staatsziel verleiht dem Sport einen höheren Stellenwert, und – Herr Rech, auch da muss ich Ihnen ein Stück weit widersprechen – meines Erachtens

fängt hier unsere Arbeit als Parlament eigentlich erst an. Wenn der Sport nun gleichbedeutend ist mit Kultur, Wissenschaft, Erziehung und Denkmalpflege, liegt es an uns, die Kontinuität im Sport, die er uns ja bietet, auch in den Haushaltsberatungen der Zukunft zu Wort kommen zu lassen; denn die Verankerung des Sports als Staatsziel muss dem Sport die Sicherheit geben, dass die Förderung und Pflege, wie wir sie uns jetzt selber als Auftrag erteilen, in Kontinuität und Verlässlichkeit in der Politik umgesetzt wird.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Abg. Rastätter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich werde jetzt für meine Fraktion zum Gesetzentwurf der Grünen, zur Verankerung des Tierschutzes in die Landesverfassung sprechen. Mein Kollege Oelmayer wird anschließend zum Änderungsantrag, der die Verankerung der Staatsziele Kultur und Sport betrifft, reden.

Meine Damen und Herren, es besteht ein großer Konsens in der Bevölkerung darüber, dass sich eine zivilisierte und humane Gesellschaft auch durch einen ethisch verantwortbaren Umgang mit unseren Mitgeschöpfen, den Tieren, auszeichnet. Insbesondere für Kinder und Jugendliche hat der Tierschutz einen sehr hohen Stellenwert in ihren Wertvorstellungen. Durch Umfragen ist seit vielen Jahren bekannt, dass 80 % der Bevölkerung eine Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung wünschen.

Nun haben wir ja auf Bundesebene ein Tierschutzgesetz, das bereits die Verantwortung des Menschen für das Tier anerkennt. Das Tierschutzgesetz – so steht es in § 1 – soll die elementaren Rechte der Tiere, nämlich das Leben und das Wohlbefinden der Tiere, sichern. Gerade aber weil die Praxis vielfältig zeigt, dass mit dem Tierschutzgesetz dieser Auftrag nur unzureichend durchgesetzt werden kann, brauchen wir die Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung. Der Tierschutz ist immer dann nicht durchsetzbar, wenn er mit uneingeschränkt geltenden Grundrechten, zum Beispiel der Freiheit von Forschung und Lehre, kollidiert. Selbst grausamste Tierversuche mit Dauerqualen für die Tiere können gerichtlich nicht untersagt werden, selbst wenn sie eklatant gegen unser Tierschutzgesetz verstoßen. Erst mit der Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung kann die vom Gesetzgeber gewollte Güterabwägung zwischen dem Recht der Tiere auf Wohlbefinden und Leben und dem Schutz der Grundfreiheit von Forschung und Lehre stattfinden.

Selbstverständlich ist dazu – das möchte ich bei dieser Gelegenheit noch einmal ganz besonders betonen – die Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz notwendig. Dieses Ziel, die Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz, schien im Bundestag vor einigen Wochen greifbar nahe. Meine Damen und Herren, es ist einzig und allein der hartnäckigen Verweigerungshaltung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu verdanken gewesen, dass die Aufnahme des Tierschutzes ins Grundgesetz gescheitert ist. Alle anderen Bundestagsfraktionen, die SPD, die Grünen, die FDP

und auch die PDS, haben sich auf eine Kompromissformel geeinigt.

(Zuruf des Abg. Kluck FDP/DVP)

Deshalb ein Wort zu Ihnen, meine sehr geehrten Kollegen und Kolleginnen von der CDU-Fraktion: Wo bleibt denn da die Rückbesinnung auf Werte bei der CDU, wenn sie bei der ersten Gelegenheit, wo sie dies hätte unter Beweis stellen können, im Bundestag versagt?

Heute aber geht es um die Verankerung des Tierschutzes in der Landesverfassung. Ich begrüße es, dass in den letzten Jahren in diesem Hause ein Bewusstseinswandel stattgefunden hat; denn in der letzten Legislaturperiode, als meine Fraktion bereits einen Gesetzentwurf zur Verankerung des Tierschutzes in der Landesverfassung vorgelegt hat, wurde dieser Entwurf noch von allen Fraktionen des Landtags abgelehnt.

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Allen?)

Meine Damen und Herren, der heute vorliegende Gesetzentwurf meiner Fraktion enthält eine weiter gehende Formulierung als der Entwurf der Landesregierung. Aus unserer Formulierung, die Tiere vor vermeidbaren Qualen und vor nicht artgerechter Haltung zu schützen, erwächst ein höheres Maß an Selbstverpflichtung, insbesondere auch der Politik. Dadurch soll erreicht werden, dass das neue Staatsziel des Tierschutzes nicht nur eine symbolische Bedeutung erhält; denn auch auf Landesebene gibt es große Möglichkeiten, den Tierschutz konkret zu verbessern. Ich nenne beispielhaft die Forderung der artgerechten Haltung unserer landwirtschaftlichen Nutztiere. Ich nenne beispielhaft die Abschaffung der tierquälerischen Käfighaltung von Legehennen im Unteren Lindenhof der Universität Hohenheim. Ich nenne aber auch die Möglichkeit einer Verpflichtung der Hochschulen, Tierversuche in der Forschung und in der Lehre zu verringern und durch Alternativmethoden zu ersetzen.

Meine Damen und Herren, wir wünschen uns, dass unser weiter gehender Gesetzentwurf heute eine Zustimmung dieses Hauses findet. Wir bitten Sie, ihn zu unterstützen. Wir wollen auf jeden Fall erreichen, dass der Tierschutz in der Landesverfassung für die Tiere nicht nur eine symbolische Bedeutung hat. Es nützt ihnen nichts, in der Verfassung verankert zu sein, wenn nicht konkret in allen Bereichen der Schutz der Tiere in unserem Bundesland verbessert wird.

Ich bedanke mich.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD)

Das Wort hat Herr Abg. Dr. Glück.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit langem gibt es Bemühungen, dem Tierschutz Verfassungsrang zu geben. Die Liberalen haben als erste Fraktion im Bundestag eine Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz gefordert. Die gleiche Forderung erheben wir seit Jahren hier im Land.

Sicherlich deckt sich dies mit der Forderung der anderen Fraktionen. Allerdings möchte ich feststellen, dass die große Koalition in der letzten Legislaturperiode keine Einigung gefunden hat.

Unser Koalitionsvertrag für diese Legislaturperiode sieht vor, das Staatsziel Tierschutz in unsere Verfassung aufzunehmen. Eine breite Mehrheit unserer Gesellschaft will eine Verbesserung beim Tierschutz, und ich denke, wir sind es auch den Tieren schuldig.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Der Tierschutz war bisher gegenüber anderen Verfassungsrechten wie der Forschungsfreiheit oder der Freiheit der Kunst ins Hintertreffen geraten. Man kann in der Forschung – das möchte ich ganz klar festhalten – nicht auf Tierversuche verzichten. Aber es gilt, diese zu reduzieren, und es geht auch darum, nach alternativen Möglichkeiten der Forschung zu suchen.

Noch immer, meine Damen und Herren, gibt es zu viele und zu lange Tiertransporte. Diese müssen verringert werden. Dabei geht es nicht um Schlachtverbote oder um Forschungsverbote. Es geht vielmehr darum, anzuerkennen, dass auch in einer unternehmerischen Landschaft, ebenso wie in einer freien Forschungslandschaft, das Leid von Tieren verringert werden muss.

(Beifall bei der FDP/DVP und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich bedanke mich für den Beifall auch der Grünenfraktion. Das kommt ja selten vor. Besten Dank.

(Zuruf des Abg. Dr. Schäfer Bündnis 90/Die Grü- nen – Abg. Brechtken SPD: Die Fraktion ist ein- fach sehr gerecht beim Beifall!)

Wichtig ist auch: Der Schutz der Tiere sagt auch etwas über unser zivilisatorisches Selbstverständnis aus. Beim Umgang mit Tieren darf Menschlichkeit nicht fehlen. Das Tierschutzgebot mit Leben zu erfüllen darf aber nicht an unserer Landesgrenze Halt machen. Tierschutz kann nur dann effektiv verwirklicht werden, wenn auch das Grundgesetz eine entsprechende Änderung erfährt. Deshalb geht mein Appell auch an unseren Koalitionspartner, sich bei den Kollegen auf Bundesebene stark zu machen, damit diese Sache geregelt wird. Ich hoffe, dass der Appell unseres Ministerpräsidenten, wie wir ihn vor kurzem gehört haben, bis nach Berlin hallen wird und dort seine Wirkung nicht verfehlen möge.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Schäfer Bündnis 90/Die Grünen)

Mein Appell geht aber auch an die Sozialisten auf europäischer Ebene. Wir müssen unseren europäischen Nachbarn deutlich machen, wo der Tierschutz mit Füßen getreten wird: Schlachtviehtransporte quer durch Europa – bis nach Nordafrika oder in den Vorderen Orient – müssen unterbunden werden, zumal diese Transporte meist mit Todesqualen für die Tiere verbunden sind.

Wenn wir uns heute für die Aufnahme des Tierschutzes in die Landesverfassung entscheiden, meine Damen und Her

ren, und damit ein Zeichen dafür setzen, die Tiere als unsere Mitgeschöpfe besser zu schützen, müssen wir auch an die Verbraucher appellieren und dort eine Bewusstseinsänderung herbeiführen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Tiere als Massenware und, damit verbunden, Lebensmittel zu Billigpreisen haben dort ihre Grenzen, wo aktiver Tierschutz beginnt. Es verdient die Anstrengung aller Fraktionen dieses Hauses, sich für diese Bewusstseinsänderung in unserer Gesellschaft stark zu machen.

Meine Damen und Herren, die Aufnahme des Tierschutzes in die Landesverfassung wurde hier im Landtag nicht deshalb verzögert, weil eine Fraktion etwas dagegen gehabt hätte. Das Problem bestand vielmehr darin, dass von manchen eine ganze Palette von Staatszielen gewünscht worden war.

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Ein ganzer Bauchladen!)

Die Verfassung darf aber nicht überfrachtet werden. Ich darf das Stichwort aufnehmen: Die Verfassung ist kein Bauchladen. Änderungen müssen sehr behutsam vorgenommen werden.

Gestatten Sie mir kurz, einen Zusammenhang herzustellen: Die Zehn Gebote passen auf eine knappe Seite.

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: So ist es!)

Moderne Verfassungen füllen ein kleines Heftchen, und EU-Richtlinien sind ganze Bücher.

(Abg. Brechtken SPD: Es könnte natürlich auch et- was mit der Veränderung der Lebensverhältnisse zu tun haben!)

In dieser behutsamen Abwägung, meine Damen und Herren, geht es heute – das sage ich aus voller Überzeugung – auch um die Aufnahme des Sports in die Verfassung.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: In der amerikanischen Verfassung steht auch das Recht auf Glück!)

Unsere Fraktion hat sich lange und nachdrücklich dafür eingesetzt. Natürlich wissen wir, dass mit der Aufnahme in die Verfassung nicht automatisch mehr Geld fließt. Wir wollen aber die Chancengleichheit des Sports in seinen sozialen Belangen, vor allen Dingen in der Abwägung gegen den Naturschutz.

Wir wissen auch um die ganz außerordentliche Bedeutung des Sports. Es wurde eben schon gesagt: Mit über 3,5 Millionen Mitgliedern in mehr als 10 000 Vereinen ist der Sport die größte Bürgerinitiative unseres Landes.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Ich dachte immer, die Bundeswehr wäre das!)

Der Sport leistet nicht nur wesentliche und unverzichtbare Beiträge für die Gesundheit und zur sinnvollen Freizeitgestaltung. Er ist – besonders wenn Sport im Verein betrieben wird – eines der wesentlichsten Bindemittel unserer

Gesellschaft. Seine Rolle in der außerschulischen Erziehung und zur Integration von Menschen unterschiedlicher sozialer und nationaler Herkunft ist unbestritten. In unseren Gemeinden ist der Sport Garant für aktives Zusammenleben, und er ist Kristallisationspunkt für bürgerschaftliches und ehrenamtliches Engagement.

Meine Damen und Herren, diese wichtige Rolle des Sports und seine Förderung durch den Staat wollen wir in unserer Verfassung verankert sehen ebenso wie die Förderung des kulturellen Lebens, als dessen Teil wir den Sport im Übrigen begreifen. Wir sind davon überzeugt, dass die vorgeschlagenen Bereiche durch die Staatszielbestimmung neue Stärkung und neue Impulse erfahren.

(Beifall bei der FDP/DVP)