Protokoll der Sitzung vom 29.06.2000

(Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Aha, sind die liberal?)

dass der Justizvollzug in Baden-Württemberg auf einem verfassungsrechtlich soliden Boden steht. Ich denke, Herr Minister, das würde Ihnen gut zu Gesicht stehen. Er schaut gar nicht her. Herr Minister, haben Sie meinen letzten Satz gehört? – Vielen Dank.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und Abgeord- neten des Bündnisses 90/Die Grünen)

Herr Capezzuto, Sie haben mindestens die gelbe Karte verdient.

(Heiterkeit – Abg. Bebber SPD: Für die Zeitüber- ziehung, nicht für seine Aussagen!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Walter.

(Abg. Brechtken SPD: Er war in der Verlänge- rung! – Heiterkeit)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte den Kollegen Capezzuto entschuldigen. Sie müssen wissen, diese Rede wurde heute live bei RAI uno übertragen. Deshalb hat er ein bisschen Verlängerung beantragt.

(Heiterkeit und Beifall)

Erlauben Sie mir aber noch eine allgemeine Vorbemerkung, bevor ich zum heutigen Thema komme. Wieder einmal ist es sehr auffallend, meine Damen und Herren, dass wir hier im Landtag eine von der Regierungskoalition beantragte Aktuelle Debatte haben, die kein landesspezifisches Thema hat.

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Entschuldi- gung, wer zahlt die Gefangenenentlohnung?)

Ja, lieber Kollege, das ist ein Ausdruck der Fantasie und Einfallslosigkeit, mit der Sie dieses Land regieren.

Meine Damen und Herren, die FDP/DVP und auch die CDU beklagen, dass durch eine Erhöhung des Gefangenenlohnes zu viele Kosten auf das Land zukämen. Fakt ist, Herr Bender und auch Herr Kiesswetter – das müssen Sie endlich zur Kenntnis nehmen –, dass es ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts gibt.

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Das haben wir zur Kenntnis genommen!)

Ja, aber Sie wollen keine Lehren, keine Konsequenzen daraus ziehen.

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: In Ihrem Sinne nicht!)

Jetzt lassen Sie mich einmal ausreden.

Schon bei der Verabschiedung des Strafvollzugsgesetzes im Jahr 1976 – das ist nun 24 Jahre her – hat der Gesetzgeber gesagt, dieser Lohn sei zu niedrig, er müsse bis spätestens 31. Dezember 1980, also vor fast 20 Jahren, erhöht werden. Das ist bisher nicht geschehen. Deswegen kann man hier jetzt auch nicht mit 1 oder 2 Prozentpunkten kommen, sondern da muss mehr passieren. Auch dieses Beispiel zeigt, wie wenig CDU/CSU und FDP in Bonn ihren Aufgaben 16 Jahre lang nachgekommen sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Schon damals hat man gesagt, der Lohn sei zu niedrig, weil er nicht der Resozialisierung diene. Das muss doch – das hat der Kollege Capezzuto richtig ausgeführt – das Hauptanliegen eines Strafvollzugs sein.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Das ist richtig, aber das macht man nicht mit Geld!)

Am 18. Februar 1998, Herr Kollege Kleinmann, haben die Grünen eine Große Anfrage zum Strafvollzug eingebracht. Damals schrieb die Landesregierung – ich zitiere –:

Die Landesregierung sieht derzeit angesichts der angespannten Haushaltslage keine Möglichkeit, die Gefangenenentlohnung zu erhöhen.

Diese Meinung ist nach dem Urteil des BVG schlichtweg nicht mehr haltbar, und eine nichtmonetäre Lösung, wie sie Herr Kiesswetter heute wieder vorgeschlagen hat, kann es auch nicht geben, das heißt Strafrabatt statt höherer Belohnung. Die Verfassung, Herr Kollege Rech, lässt sich nicht nach Kassenlage interpretieren. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Deswegen ist es, nachdem 20 Jahre lang dem Gesetz und der Verfassung nicht Genüge getan wurde, Zeit, jetzt die Gefangenenentlohnung spürbar zu erhöhen.

Der Herr Minister hat bei der Debatte über unsere Große Anfrage auch gesagt – ich zitiere ihn –:

Ich sehe ein, dass der Strafrabatt ein Mittel ist, das man nur in sehr geringen Dosen anwenden sollte.

Wenn diese Erkenntnis beim Minister schon 1998 durchgedrungen war, sollte sie im Jahr 2000 auch bei seiner FDP/ DVP-Fraktion einmal zur Kenntnis genommen werden.

Ich bringe ein weiteres Zitat, nämlich aus der Urteilsbegründung des BVG von 1998:

Die Bemessung des Arbeitsentgelts ist mit dem verfassungsrechtlichen Resozialisierungsgebot unvereinbar. In seiner gegenwärtigen Höhe kann es zur Resozialisierung nicht beitragen, weil der Gefangene nicht im gebotenen Mindestmaß davon überzeugt werden kann, dass Erwerbsarbeit zur Herstellung einer Lebensgrundlage sinnvoll ist.

Deshalb unterstützen wir den Vorschlag der Bundesregierung. Der Lohn ist auch weiterhin so niedrig, dass es für Betriebe durchaus attraktiv ist, diese Menschen zu beschäftigen. Das kann man doch hier nicht in Abrede stellen. Übrigens muss ich auch die Frage stellen, für was das Geld verwendet wird. Es wird nicht nur für Einkäufe im Gefängnis verwendet, sondern es wird auch zur Bildung von Überbrückungsgeld, für Unterhaltsleistungen und zur Schuldentilgung verwendet. All das sind Dinge, die man gar nicht vergessen darf.

Natürlich wären wir schlechte Landespolitiker, wenn wir nicht fragen würden: Kann man nicht irgendwo noch sparen, kann man nicht die Kosten senken? Auch hierzu hat der Kollege Capezzuto schon einige Vorschläge gemacht.

Wir sagen: Alle Möglichkeiten der Haftvermeidung müssen geprüft werden.

Zweitens: Der Täter-Opfer-Ausgleich muss in BadenWürttemberg aus seinem Schattendasein geführt werden. Andere Länder, zum Beispiel Niedersachsen – – Es ist so beliebt beim Ministerpräsidenten, solche Vergleiche zu bringen. Hier könnte man einen Vergleich bringen. Da stehen wir nämlich nicht allzu weit oben. All dies muss gemacht werden.

Wir sagen, diese 15 % entsprechen den Vorgaben des Urteils. Wenn wir das nicht machen, haben wir demnächst wieder eine Klage, dann müssen wir wieder nachbessern. Es ist doch Aufgabe der Politik, die Politik so zu gestalten, dass nicht ständig das Bundesverfassungsgericht die Richtlinien setzt, sondern dass wir das Primat der Politik haben.

Deshalb: 15 % sind eher das Mindestmaß, und das müssen wir auch durchsetzen.

(Abg. Pfister FDP/DVP: 18 % sind aber besser!)

Bei euch sind es eher 18 Promille, habe ich den Eindruck.

(Heiterkeit bei der FDP/DVP – Abg. Pfister FDP/ DVP: Das wollen wir einmal abwarten!)

Jetzt wollen wir mal schauen, was die FDP in Berlin zu diesem Thema sagt. Da gibt es den rechtspolitischen Sprecher Funcke. Ich weiß nicht, ob Sie den kennen, Herr Kollege Pfister. Der hat verkündet,

(Abg. Pfister FDP/DVP: Ist bekannt, ja, ja! Der ist bekannt!)

die 15 % seien mickrig, sie seien viel zu niedrig. Es sei eine Schande, dass es eine Bundesregierung gebe, die derart niedrige Gefängnislöhne festsetzen wolle.

Ich kann Ihnen nur sagen, Herr Kollege Pfister: Das ist ein Spiel, das Sie immer mehr treiben, aber wir sind nicht bereit, es länger hinzunehmen. Dort, wo Sie gerade sind, erzählen Sie immer das, von dem Sie annehmen, dass es die Leute hören wollen.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Da seid ihr die größten Opportunisten! Da seid ihr Weltmeister mit dieser Politik!)

Es ist immer dasselbe Spiel. Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel: Anfang Mai dieses Jahres, vor nicht einmal zwei Monaten, geht der Wirtschaftsminister hin und sagt vor der Landespressekonferenz und damit auch vor der Öffentlichkeit: Es ist eine Riesenschweinerei, dass die rot-grüne Bundesregierung nicht den halben Mehrwertsteuersatz für das Handwerk will. Fakt ist: Abgelehnt wurde das 1998 von der Bundesregierung, von einem Herrn Rexrodt. Den sollten Sie auch noch kennen; auch der gehört Ihrer Partei an.

(Zuruf von der CDU: Was haben Sie schon alles abgelehnt!)

Frau Frick, die, wenn es nach Herrn Döring gegangen wäre, hier statt Herrn Goll sitzen würde, hat verkündet: Dieser halbe Mehrwertsteuersatz ist vollkommener Blödsinn.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Sie leben nur in der Ver- gangenheit!)

Nein. Sie sollten endlich aufhören, den Menschen immer wieder etwas anderes zu erzählen. Bringen Sie eine einheitliche Linie hinein, denn mittlerweile ist es so, Herr Kollege Pfister: Wo FDP draufsteht, ist unseriöse Politik drin.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Käs.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema ist Resozialisierung im Strafvollzug. Bei den Redebeiträgen meiner Vorgänger habe ich festgestellt, dass keiner etwas zu den Opfern gesagt hat.