Protokoll der Sitzung vom 29.06.2000

Soweit sie in einem Beschäftigungsverhältnis sind, sind sie krankenversichert. Es werden zusätzlich Krankenversicherungsbeiträge abgeführt, ohne dass sich die Leistung erhöht. Das heißt, es ist eine reine Gesetzesvorschrift, um abzukassieren, höhere Beiträge einzunehmen und die Sozialversicherungspflicht auf möglichst viele Schultern zu verteilen, und das auch noch bei Ehrenamtlichen, die sich für unsere Gesellschaft einsetzen.

(Abg. List CDU: Unerhört!)

Wenn wir einmal überschlagen – 110 000 freiwillige Feuerwehrleute und im letzten Jahr 145 000 Einsätze –, dann können wir für 24 Stunden, sieben Tage die Woche gerechnet, sagen, dass etwa alle dreieinhalb Minuten Tag für Tag, Nacht für Nacht in diesem Land Feuerwehrleute im ehrenamtlichen Einsatz sind, ohne Übungen, ohne Ausbildung, alle dreieinhalb Minuten, und dafür jetzt sozialversicherungspflichtig.

Wenn wir die Zahlen anschauen, sehen wir, dass die Zahl der freiwilligen Feuerwehrleute in den letzten Jahren leider schon zurückgegangen ist, zwar nicht stark, aber doch kontinuierlich. Wir spüren ja auch in anderen Bereichen, dass die Bereitschaft für die Übernahme eines Ehrenamts leicht abnimmt. Deshalb muss die Politik alles tun, zu erreichen, dass die Menschen bereit sind, sich für andere zu engagieren, und darf sie dafür nicht noch bestrafen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ich darf mit Genehmigung des Präsidenten aus dem Schreiben des Landesfeuerwehrverbands vom 16. Juni, das Sie alle erhalten haben, zitieren:

Der Landesfeuerwehrverband Baden-Württemberg lehnt die Sozialversicherungspflicht entschieden ab. Die Feuerwehren sehen darin eine außerordentliche Beeinträchtigung des Ehrenamts. Wer das beispielhaft günstige, von ehrenamtlich tätigen Menschen getragene Feuerwehrwesen in unserem Land auch künftig will, muss die Rahmenbedingungen hierfür verbessern und darf sie nicht dramatisch verschlechtern.

Dem können wir nur in vollem Umfang zustimmen.

Das Land Baden-Württemberg hat in den letzten Jahren immer wieder versucht, die steuerfreien Beträge für ehrenamtlich Tätige zu erhöhen. 300 DM sind auch steuerfrei. Leider haben diese Bemühungen des Landes in den letzten Jahren, die steuerfreie Entschädigung zu erhöhen, keine Früchte getragen. Aber die neue Lage nach dem 630-DMGesetz bedeutet eben nun, dass neben der Steuerpflicht auch Sozialversicherungspflicht besteht, und zwar ab 300 DM bis 630 DM 22 % pauschale Sozialversicherungsbeiträge.

Ich habe es schon zu Beginn erwähnt: Noch unsinniger ist die Regelung, dass bei all denen, die im Hauptberuf sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, diese Entschädigung als Arbeitsentgelt gewertet und deshalb dem Gesamtlohn bei der Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge in voller Höhe zugeschlagen wird.

(Abg. Ingrid Blank CDU: Ja!)

Dies ist nicht nur unsozial, es ist ungerechtfertigt,

(Beifall bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

und wenn gelegentlich das Wort Abzockerei benutzt wird, dann stimmt das in diesem Fall.

Es muss die ehrenamtlich Tätigen auch etwas merkwürdig berühren, wenn man ihre Tätigkeit als abhängiges Beschäftigungsverhältnis bezeichnet, für das Lohn bezahlt würde, und wenn sie sich in der Öffentlichkeit so darstellen lassen müssen.

(Abg. Brechtken SPD: Das stimmt nur für die Füh- rungskräfte, für die anderen ist das nicht festge- stellt!)

Am letzten Sonntag war der Bundeskanzler in Augsburg beim Deutschen Feuerwehrtag, hat dort

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Nichts gesagt!)

wohl den Unmut der Feuerwehrleute zu spüren bekommen und hat in seiner Rede versucht, etwas zu retten, indem er erklärt hat, dass es möglicherweise eine Neuregelung geben wird. Dann wörtliches Zitat:

Die zukünftige wird besser sein als die bisherige Regelung.

(Abg. Ingrid Blank CDU: Nachbessern, nachbes- sern!)

Leider hat er nicht gesagt, wie das „besser“ aussehen soll, und er ist zu Recht dort von einigen Feuerwehrleuten als Nachbesserungskanzler bezeichnet worden, der nur ankündige, dass nachgebessert werde.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Ingrid Blank CDU: Sehr gut!)

Derweil könnte die Sache eigentlich längst geregelt sein. Es gibt im Bundestag einen Antrag der CDU/CSU, und die SPD und die Grünen brauchen diesem Antrag der CDU/ CSU nur zuzustimmen, dann ist die Sache erledigt. Oder sie stimmen dem Antrag von Bayern im Bundesrat zu – die Bayern haben einen Entschließungsantrag eingebracht, Baden-Württemberg unterstützt ihn –, die Sozialversicherungspflicht für ehrenamtlich Tätige wieder aufzuheben.

Ich kann die Kolleginnen und die Kollegen von der SPD und von den Grünen nur bitten: Nehmen Sie Ihren Einfluss wahr – Sie haben welchen in Berlin –,

(Zurufe der Abg. List und Reddemann CDU)

zugunsten der freiwilligen Feuerwehrleute, aber auch all der anderen, die ehrenamtlich in Vereinen tätig sind, die

sich jetzt sagen lassen müssen, dass ihre ehrenamtliche Tätigkeit ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sei und dass deshalb Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen seien. Dies kann nicht sein. Deshalb kämpfen Sie an unserer Seite dafür, dass dieser Unsinn beseitigt wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Brechtken.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Haasis, ich will mich zunächst einmal ausdrücklich für unsere Fraktion dem Dank an die Feuerwehrleute, aber auch an die ehrenamtlich Tätigen in vielen Vereinen, Organisationen und Verbänden anschließen.

(Beifall bei der SPD, Abgeordneten des Bündnis- ses 90/Die Grünen und der FDP/DVP sowie der Abg. Dr. Carmina Brenner CDU)

Der Respekt vor den jeweiligen Trägern dieser Tätigkeit gebietet es aber auch, nicht auf ihrem Rücken mit Halbwahrheiten und mit nicht korrekten Darstellungen den Versuch zu machen, hier Auseinandersetzungen zu führen.

(Beifall bei der SPD)

Sie wissen genau, dass die Frage der Sozialversicherungspflicht nichts mit dem 630-DM-Gesetz zu tun hat.

(Abg. Haasis CDU: Aber natürlich!)

In bestimmten Auswirkungen, aber nicht in der Frage der Beurteilung. Zum Zweiten wissen Sie, dass die Sozialversicherungsträger festgestellt haben, dass die Sozialversicherungspflicht ausschließlich für die Führungskräfte gilt und nicht für die normalen Feuerwehrleute. Ausdrückliche Feststellung!

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen – Abg. List CDU: Schlimm genug!)

Aber Sie versuchen hier den Eindruck zu erwecken, als seien alle betroffen. Ich räume ein – deshalb komme ich gleich darauf –, dass wir hier auch ein Problem zu lösen haben, aber Sie sollten nicht so tun, als seien alle von dieser Fragestellung betroffen.

(Beifall bei der SPD)

Im Übrigen ist ja eines toll: Ihre Krokodilstränen beim Thema Feuerwehr, nachdem Sie in den letzten Jahren in den Haushalten unter doppeltem Wortbruch 84 Millionen DM bei der Feuerschutzsteuer weggenommen haben! Das ist die Situation.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen – Abg. Weimer SPD: So ist es! – Zuruf des Abg. List CDU – Gegenruf des Abg. Weimer SPD: Herr List, Glashaus! Glashaus, kann ich da nur sagen! – Unruhe)

Das hat die Einsatzfähigkeit erheblich beeinträchtigt, lieber Herr Kollege.

(Abg. Herrmann CDU: Keine Ahnung von der Praxis! – Widerspruch bei der SPD)

Jetzt aber zum Ansatzpunkt der Lösung für diese Fragen. Da beziehe ich mich ausdrücklich nicht nur auf die Feuerwehrleute, sondern ich beziehe mich ausdrücklich auch auf den gesamten Bereich der Ehrenamtlichen. Jetzt will ich einmal zitieren. Der Bundeskanzler – Sie haben das ja angesprochen – hat in seiner Rede am 24. Juni in Augsburg beim Deutschen Feuerwehrtag gesagt:

Ich weiß, viele von Ihnen, aber auch ehrenamtlich Tätige in anderen Bereichen, sind unzufrieden, dass die Sozialversicherungen ihr ehrenamtliches Engagement als abhängiges Beschäftigungsverhältnis einstufen. Das hat zur Folge, dass Sie für Ihre Aufwandsentschädigung, die Sie als Führungskräfte in den Feuerwehren von den Landkreisen und Kommunen erhalten, neben Steuern auch Sozialversicherungsbeiträge abzuführen haben.

Er spricht sich dann dafür aus – jetzt kommt die für mich wichtige Feststellung –, dass wir dort, wo es um Aufwandsentschädigungen geht, in der Tat dafür sorgen müssen, dass eine Sozialversicherungsfreiheit und eine Steuerfreiheit gewährleistet werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Tun Sie es doch! – Abg. Döpper CDU: Na also!)

Ich komme gleich darauf. An dieser Aufgabe werden Sie dann mitwirken müssen.

Er meint aber, dass gleichzeitig unter der Trägerschaft eines gemeinnützigen Vereins, wenn es nicht um ehrenamtliche Tätigkeit, sondern um wirtschaftliche Tätigkeit geht, ein 630-DM-Verhältnis eben gleich behandelt werden muss wie außerhalb des ehrenamtlichen Bereichs, weil die ja teilweise sogar gegeneinander in Konkurrenz treten. Deshalb müssen Sie etwas differenzierter an die Frage herangehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Bünd- nisses 90/Die Grünen – Abg. Haasis CDU: Was? Übungsgelder der Feuerwehr sind gleich zu behan- deln?)