Protokoll der Sitzung vom 29.06.2000

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Bünd- nisses 90/Die Grünen – Abg. Haasis CDU: Was? Übungsgelder der Feuerwehr sind gleich zu behan- deln?)

(Abg. Haasis CDU: Übungsgelder der Feuerwehr sind gleich zu behandeln?)

Entschuldigung, lieber Herr Kollege. Lesen Sie einmal die Überschrift Ihres eigenen Antrags. Da reden Sie nicht nur von der Feuerwehr, sondern Sie reden auch von Vereinen und von sonstigen ehrenamtlich Tätigen. Ich habe jetzt das Thema insgesamt angesprochen.

(Abg. Haasis CDU: Sie sagen: „Sind gleich zu be- handeln“!)

Schauen Sie einmal den Gesetzentwurf von Bayern an, der im Bundesrat liegt. Er unterscheidet überhaupt nicht. Er wird dem Gleichheitsgrundsatz nicht gerecht, weil er nämlich die wirtschaftliche Tätigkeit in keiner Weise gerecht behandelt.

(Abg. Haasis CDU: Sie haben ihn offenbar nicht gelesen, Herr Brechtken! Das ist doch gar kein Ge- setzentwurf!)

Jetzt sage ich Ihnen noch einmal etwas zur Sache. Ich will Ihnen fünf Punkte dazu nennen. Ich sage das übrigens als ein Verbandsvertreter. Ich bin ja Präsident des größten Sportfachverbandes dieses Landes.

(Abg. List CDU: Traurig genug, dass Sie so argu- mentieren!)

Ja, ja. Ich stehe dazu, übrigens auch bei den Sportvereinen. Ich stehe dazu.

(Abg. List CDU: Sagen Sie das auch einmal drau- ßen! – Gegenruf der Abg. Christine Rudolf SPD: Das sagt er doch!)

Herr Kollege List, hören Sie mir doch wenigstens einmal in Ihrer Amtszeit zu!

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Abg. List CDU: Ausgerechnet Sie!)

Erstens: Ich halte es nach wie vor für richtig, dass eine 630-DM-Regelung erlassen wurde, die endlich das Sozialversicherungssystem stabilisiert hat

(Lachen bei der CDU – Beifall der Abg. Ursula Haußmann SPD – Abg. Döpper CDU: Schwarzar- beit!)

und die dafür gesorgt hat, dass die Umgehungstatbestände wegfallen, wo man – ich nenne einmal ein Beispiel – bis 17 Uhr Lohn gezahlt hat und danach in einer eigens dafür gegründeten GmbH ein zweites Beschäftigungsverhältnis eingegangen ist, das steuerfrei und sozialversicherungsfrei war. Damit hat man übrigens auch den anständigen Mittelständler als Handwerker nebenan geschädigt, weil er einen Wettbewerbsnachteil hatte.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen – Zuruf des Abg. Hauk CDU)

Der Sport ist eine solidarische Veranstaltung. Er hat dafür Verständnis.

(Abg. Haasis CDU: Ja? Alle im Verein? Das will ich einmal sehen!)

Jetzt müssen wir als Zweites diejenigen, die in der Tat im Kernbereich des ehrenamtlichen Engagements tätig sind – ich sage bewusst: im Kernbereich, nicht in der wirtschaftlichen Tätigkeit, die ja auch in Vereinen durchgeführt wird –, davon ausnehmen. Dazu haben wir einen ersten wesentlichen Schritt getan. Wir haben nämlich die Übungsleiterpauschale von 2 400 DM auf 3 600 DM erhöht, und wir haben den Personenkreis erheblich ausgeweitet.

(Abg. Nagel SPD: So!)

Sie hatten in der Regierung 16 Jahre Zeit, dies zu tun, und Sie haben das nicht getan.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen – Abg. Haasis CDU: Um Gottes willen!)

Drittens: Wir brauchen Vereinfachungen. Ich habe bis heute nicht begriffen, warum ich bei der Steuer bei geringfügigen Steuersätzen eine Jahresmeldung machen kann, während ich bei der Sozialversicherung monatlich eine Meldung machen muss.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Haben Sie keine Ahnung von der Sozialversicherung?)

Abgesehen von den Vereinen, die wirtschaftlich tätig sind und die man nicht ausnehmen kann, wäre es eine erhebliche Erleichterung für die Vereine, wenn man im Sozialversicherungsrecht endlich, wie beim Steuerrecht, die Jahresmeldung einführen würde. Das würde die Arbeit erheblich erleichtern. Dies halte ich für einen weiteren wichtigen Gesichtspunkt.

Das Vierte: Ich will darauf hinweisen: Wir haben das Stiftungsrecht geändert, was im Steuerrecht wesentliche Erleichterungen und damit erhebliche Mittelzuflüsse in diesem Bereich bringt.

(Zuruf des Abg. List CDU – Dem Redner wird das Ende der Redezeit angezeigt.)

Noch einen letzten Punkt, Herr Präsident. – Wir müssen – und das ist für mich der entscheidende Punkt – auch aufeinander zugehen. Wenn Sie glauben, man könne das Problem mit Maximalforderungen lösen, etwa nach dem Motto des bayerischen Gesetzentwurfs, dann werden Sie es nicht schaffen.

(Abg. Haasis CDU: Haben Sie den gelesen?)

Den habe ich sogar dabei, Herr Kollege. Ich stelle ihn Ihnen gerne zur Verfügung, damit Sie hineinschauen können, was drinsteht.

(Abg. Haasis CDU: Es gibt nämlich gar keinen Gesetzentwurf!)

Wenn wir nicht differenziert an die Sache herangehen, werden wir es nicht schaffen.

Es geht darum, die Stabilisierung unseres Systems beizubehalten und Umgehungstatbestände zu beseitigen. Das ist meiner Meinung nach von entscheidender Bedeutung für die Zukunft. Wir müssen den Kernbereich der Ehrenamtlichen bis zu einer bestimmten Größenordnung herausnehmen, aber eines muss auch klar sein: Wer im ehrenamtlichen Bereich, im Sport oder wo auch immer, Geld verdient, Arbeitseinkommen erzielt, dort Weisungen unterliegt, zum Beispiel bestimmte Formen von Trainerschaft etc., darf sich nicht hinter dem Ehrenamt verstecken, sondern muss wie andere Arbeitnehmer auch Steuern und Sozialversicherung zahlen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen – Zuruf von der CDU: Um die geht es ja nicht! – Abg. Haasis CDU: Das ist wirklich das Letzte! – Abg. List CDU: Gut, dass Sie es gesagt haben!)

Das Wort erhält Frau Abg. Erdrich-Sommer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach meiner Überzeugung sind die Feuerwehren wirklich wichtige Einrichtungen. Nicht nur weil ich in einem Feuerwehrhaus in Offenburg sozialisiert worden bin als Tochter eines Ortsbrandmeisters und Kommandanten, der auch noch in der Musikkapelle mitgespielt hat, weiß ich, was die Feuerwehren gesellschaftlich auch außerhalb des Löschens für eine gute Arbeit leisten. Nicht nur deshalb sind sie mir wichtig, sondern auch weil ich als Finanzerin genau weiß, dass die freiwilligen Feuerwehren für das Land und die Kommunen die Arbeit günstiger tun,

(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Richtig!)

als es professionalisierte Berufsfeuerwehren tun könnten.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Mein Finanzerherz spricht ganz eindeutig dafür, die Freiwilligkeit bei den Feuerwehren zu erhalten.

Aber, meine Damen und Herren, es geht im Kern ja gar nicht darum, ob wir die Feuerwehren belasten oder nicht oder ob das 630-DM-Gesetz richtig ist oder falsch. Im Kern geht es darum, ob die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen, die derzeit bestehen, die ehrenamtlichen Tätigkeiten richtig abbilden und richtig steuerbefreien. Diese Frage steht schon länger auf der Tagesordnung und nicht erst, seit die Sozialversicherungspflicht der Steuerpflicht praktisch nachgefolgt ist.

Zum einen steht auf der Tagesordnung, ob die steuerfreie Aufwandspauschale mit einer Freigrenze von 300 DM richtig bedacht ist. Da muss man einfach noch einmal prüfen: Reicht die Freigrenze von 300 DM aus? Bildet sie das Ehrenamt, und zwar nicht nur bei der Feuerwehr, sondern bei allen ehrenamtlichen Tätigkeiten, richtig ab? Ich glaube, dass die Kommission auf Bundesebene, die das Ehrenamt genau beleuchtet, die richtige Adresse ist, um Empfehlungen abzugeben.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Zweitens – und das betrifft hauptsächlich die Feuerwehren, das THW und ähnliche Einrichtungen –: Wie gehen wir mit dem Verdienstausfall und der Entschädigung dafür um? Wenn ich richtig informiert bin, sind es derzeit 17 DM,

(Abg. Deuschle REP: Ja, das ist richtig!)

die je nachdem, wie viel pro Monat anfällt,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Im Schnitt!)

steuer- und sozialversicherungspflichtig sind. Das, meine Damen und Herren, kann natürlich nicht von der ersten Mark an gehen.

Nach der bisherigen Regelung müssen zwei Drittel dieser Einkünfte versteuert werden und sind sozialversicherungspflichtig, ein Drittel ist steuerfrei. Für 900 DM – wenn ich

die Größenordnung richtig in Erinnerung habe – gibt es Freibeträge von 50 bis 300 DM. Die Regelung halte ich für zu sperrig. Sie bildet das Problem nicht mehr richtig ab.