Protokoll der Sitzung vom 20.07.2000

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage wie folgt:

Die Leistungen nach dem Gesetz zur Einrichtung einer Stiftung „Erinnerung – Verantwortung – Zukunft“ dienen nach dem erklärten Willen des Bundesgesetzgebers nicht dem gleichen Zweck wie frühere Entschädigungsleistungen. Mit diesem Gesetz soll ein zusätzliches, in finanzieller Hinsicht abschließendes Zeichen moralischer Verantwortung gesetzt werden, mit dem jenen Geschädigten, die bisher aus verschiedenen Gründen leer ausgegangen sind, wenigstens teilweise eine Entschädigung gewährt wird. Dies ergibt sich deutlich aus dem Gesetz. Die Landesregierung hat deshalb dem Gesetz im Bundesrat zugestimmt.

Zur Frage b: Bei den Zahlungen der Wirtschaftsunternehmen handelt es sich um freiwillige Leistungen, die von den jeweils zuständigen Organen dieser Unternehmen in eigener Zuständigkeit festgelegt werden.

(Abg. Deuschle REP: Na ja, freiwillig?)

Im Übrigen gibt es gegen die infrage stehende Regelung des § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung – Verantwortung – Zukunft“ keine Anhaltspunkte für rechtliche Bedenken. In jenem Paragraphen wurde festgelegt, dass der Bundesanteil auch die Zahlungen der Unternehmen beinhaltet, die im Alleineigentum oder im mehrheitlichen Eigentum des Bundes sind.

Nun ist aktuell der Presse zu entnehmen, dass die Bundesregierung nunmehr auf einen Beitrag der Länder verzichtet. So wurde von der dpa am Dienstag dieser Woche eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums zitiert. Offiziell liegt diese Stellungnahme der Bundesregierung noch nicht vor. Sollte sich diese Pressemitteilung endgültig bewahrheiten, dann wäre aus unserer Sicht die Frage im Hinblick auf die Beiträge landesbeteiligter Unternehmen gegenstandslos.

Zusatzfrage, Herr Abg. Krisch.

Herr Staatssekretär, wie begründet die Landesregierung ihre Zustimmung zu Zahlungen der Stiftungsinitiative wiederum an eine Organisation, die schon in den Fünfzigerjahren Gelder der Bundesrepublik Deutschland erhielt, welche aber zum großen Teil nicht bei den beabsichtigten Empfängern ankamen? Das ist ein Vorwurf aus israelischen Regierungskreisen, der durch Vorwürfe US-amerikanischer und israelischer Organisationen verstärkt wird, welche gerade dieser das Geld empfangenden Organisation Korruption und Betrug vorwerfen.

Herr Staatssekretär.

Herr Abgeordneter, Sie wissen, dass die gesetzliche Grundlage, die jetzt durch den Bundestag und den Bundesrat abgesegnet worden ist, letztlich das zusammenfasst, was zwischen der Wirtschaft, der Bundesregierung und ihren Gesprächspartnern im Einvernehmen ausgehandelt worden ist. Dies ist in engem Kontakt mit der US-Regierung geschehen, weshalb wohl keine Zweifel an der Seriosität der Gesprächspartner bestehen dürften.

Die Landesseite war in keiner Weise in diese Verhandlungen eingebunden. Die Landesregierung hat dem Gesetz im Bundesrat aus gesamtstaatlicher Verantwortung zugestimmt, um zu mehr Rechtssicherheit für unsere Unternehmen im Ausland beizutragen.

Herr Abg. Dagenbach.

Herr Staatssekretär, warum stimmte die Landesregierung einem Gesetz zur Zahlung von 10 Milliarden DM zu, obwohl bis heute noch nicht geklärt ist, wer die Gelder an wen und in welcher Form weitergibt, obwohl bis heute keinerlei Maßnahmen getroffen wurden, um eine aufgabengemäße und korrekte Verwendung der Gelder beim Empfänger sicherzustellen, und obwohl bis heute keinerlei Maßnahmen getroffen wurden, um eine Wiederholung der Betrügereien und der Korruption in den Fünfzigerjahren auszuschließen?

Herr Staatssekretär.

Herr Abgeordneter, wir gehen davon aus, dass die Bundesregierung bezüglich der Umsetzung dieses Gesetzes Sorge getragen hat bzw. dafür Sorge tragen wird, dass die Gelder bei denjenigen Empfängern ankommen, für die sie auf der Basis dieses Gesetzes erbracht werden.

(Abg. Deuschle REP: Glauben Sie, dass das die Regierung interessiert?)

Herr Abg. Deuschle, Sie haben nicht das Wort. Das Wort zu einer Zusatzfrage hat Herr Abg. Schonath.

Danke schön. – Herr Staatssekretär Rückert, warum stimmte die Landesregierung einem Gesetz zu, das Nachforderungen oder weitere Erpressungen, zum Beispiel aus Ländern Osteuropas, nicht ausschließt

(Abg. Zeller SPD: Sagen Sie mal!)

und das der Anlass dafür war, dass Griechenland plötzlich finanzielle Forderungen an Deutschland stellt und deutsches Eigentum trotz der EU-Mitgliedschaft Griechenlands und trotz deutscher Wirtschaftshilfe an Griechenland rechtswidrig konfisziert?

Herr Staatssekretär.

Herr Abgeordneter, ich meine, dass Stichworte wie „Erpressung“ diesem Gesetz nicht gerecht werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen und der FDP/DVP – Abg. Zeller SPD: Unglaublich!)

Dieses Gesetz schafft die Basis zur Befriedung in einer sensiblen Streitfrage aus unsäglicher Vergangenheit und versucht, für die Zukunft zu einem besseren Miteinander über alle Grenzen hinweg beizutragen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP/ DVP)

Das Wort zu einer Zusatzfrage hat Herr Abg. König.

(Abg. Jacobi Bündnis 90/Die Grünen: Jetzt reichts aber! – Gegenrufe von den Republikanern)

Herr Staatssekretär, wie erklärt die Landesregierung ihre Zustimmung zu diesem Gesetz, das das Ergebnis der schon angesprochenen Erpressung durch USAnwälte ist, die ihrerseits wiederum auf Erfolgsbasis arbeiten und mit einem Anteil von 7 bis 10 % am Erlös der Stiftungsinitiative beteiligt sind und darüber hinaus...

Könnten Sie, Herr König, zu Ihrer Frage kommen?

... – ich habe doch gefragt: Wie erklärt die Landesregierung ihre Zustimmung? –...

Nein, das war keine Frage.

... als Mitglieder des Kuratoriums der Stiftung

(Zuruf des Abg. Drautz FDP/DVP)

über die Verwendung dieser Stiftungsgelder mitbestimmen dürfen?

Herr Abg. König, Sie blasen in das gleiche Horn wie Ihr Vorredner.

(Abg. Zeller SPD: So ist es!)

Ich habe schon bei der Beantwortung seiner Zusatzfrage deutlich gemacht, dass ich mich nicht auf der Ebene von Unterstellungen bewegen will. Ich gehe davon aus, dass die Landesregierung hier in gesamtstaatlicher Verantwortung gehandelt hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP/ DVP)

Herr Abg. Krisch.

(Zurufe, u. a. Abg. Zeller SPD: Jetzt langts aber!)

Herr Zeller, ich habe das Wort, bitte schön.

Herr Staatssekretär, Sie erwähnten, dass es keine Anhaltspunkte für rechtliche Bedenken gebe, wenn Unternehmen, an denen Land, Bund oder Kommunen mehrheitlich beteiligt sind, an die Stiftungsinitiative zahlten. Ist Ihnen nicht bekannt, dass in Fachzeitschriften ausdrücklich auf die Verletzung des Aktienrechts und auf steuerrechtliche Verletzungen hingewiesen wurde?

Herr Staatssekretär.

Ich habe meinerseits darauf hingewiesen, Herr Abgeordneter, dass diese Entscheidung in der autonomen Zuständigkeit der Entscheidungsorgane der einzelnen Unternehmen liegt. Sie können selbst entscheiden, ob sie einen Beitrag leisten oder nicht. Deshalb kann man auch nicht unterstellen, dass sie unter Druck handeln.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Abg. Dagenbach.

(Zuruf von der SPD: Jetzt langts aber!)

Herr Staatssekretär, warum hat die Landesregierung vor der Zustimmung zu diesem Gesetz dann keinen Versuch unternommen, Graf Lambsdorff, die Bundestagsabgeordneten Beck und Eppelmann bzw. die Gewerkschaft darauf hinzuweisen, dass es rechtswidrig und Nötigung ist, jene Firmen – ich beziehe mich jetzt auf die hier genannten Personen und die Gewerkschaft – an den Pranger zu stellen,

(Abg. Jacobi Bündnis 90/Die Grünen: Der kann nicht einmal vorlesen!)

und dass es rechtswidrig ist, zum Boykott gegen jene Firmen aufzurufen, die sich mit Recht weigern,

(Abg. Dr. Puchta SPD: Komma!)