Protokoll der Sitzung vom 20.07.2000

Das war am 23. Mai. Es ging darum, endlich Planungssicherheit zu schaffen. Es war dann im Juni eine Regierungserklärung des Bundesverteidigungsministers vorgesehen, die aber ausgefallen ist. Dafür gab es auf Antrag der CDU eine Debatte.

Weitere vier Wochen später, jetzt im Juli, ist weder Sicherheit geschaffen, noch gibt es klare Aussagen, sondern die Unsicherheit über die Zukunft der Bundeswehr ist weiter gestiegen. Viele Soldaten und auch viele zivile Mitarbeiter sorgen sich, wo und wie sie künftig bei der Bundeswehr beschäftigt sein werden. Das heißt, das Gegenteil von dem, was angekündigt wurde, ist eingetreten; Verunsicherung greift immer mehr Platz.

Es wird auch zum Teil mit unsachlichen Argumenten gegen die Bundeswehr argumentiert, wie schlecht die Aus

stattung sei, wie übel die Bundeswehr dastehe. Ich meine, das hat sie nicht verdient. Natürlich sind Reformen notwendig, wie immer und überall. Aber es ist auch in den letzten Jahren viel geschehen, und die Bundeswehr hat immer ausgezeichnete Arbeit geleistet,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

sei es bei den Einsätzen auf dem Balkan oder auch bei uns während der Oderflut und nach dem Sturm Lothar. Auch bei solchen Ereignissen hat die Bundeswehr immer ihre Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft gezeigt.

Deshalb, so meine ich, sollte man nicht durch übereifrige politische Debatten die Bundeswehr als marodes Gebilde darstellen oder sie für unfähig erklären, ihre Aufgaben zu erfüllen. Die Soldaten und auch die Führung genießen ob ihrer Professionalität und ihrer hohen Einsatzbereitschaft zu Recht ein entsprechendes Ansehen in der Bevölkerung, und wir wissen, dass auf sie Verlass ist. Wir danken ihnen auch für ihre Pflichterfüllung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der FDP/DVP und des Abg. Brechtken SPD)

Nun haben viele schon nach der letzten Strukturreform entdeckt, welch wichtigen Beitrag, auch aus wirtschaftspolitischer Sicht, die Bundeswehr für die einzelnen Standortgemeinden darstellt. Das gilt auch für diejenigen, die sich vorher nicht so sehr zur Bundeswehr bekannt haben. Deshalb hoffen wir, dass auch mit der rot-grünen Koalition in Berlin doch noch eine sachliche Debatte darüber möglich ist, wie wir die Bundeswehr neu strukturieren können.

Aber dabei darf es nicht nur ums Geld und das Diktat des Bundesfinanzministers gehen. Es ist schon komisch, wenn gerade aus dem Lager der SPD kritisiert wird, es sei in den letzten Jahren viel zu wenig investiert worden, und dann in der mittelfristigen Finanzplanung, die die alte Regierung vorgelegt hat, bis zum Jahr 2004 20 Milliarden DM bei der Bundeswehr gestrichen werden. Es sind 20 Milliarden DM weniger vorgesehen.

(Abg. Schmiedel SPD: Das ist falsch!)

Ich denke, dass dies der falsche Ansatz ist. Aber wir wissen zwischenzeitlich natürlich auch, weshalb es nicht weitergeht. Es geht nicht weiter, weil sich die Regierung in Berlin über die Zukunft der Bundeswehr nicht einig ist. Man hat sich darauf geeinigt, dass nur noch 255 000 Soldaten und 80 000 bis 90 000 Zivilbeschäftigte vorhanden sein sollen, gegenüber 130 000 Zivilbeschäftigten im Moment.

Aber der Knackpunkt ist eigentlich, dass zwischen SPD und Grünen wohl noch keine Einigung zum Thema allgemeine Wehrpflicht erzielt wurde. Dazu vertritt die SPD dieselbe Meinung wie wir, die Grünen aber wohl eine andere. Deswegen bitte ich Sie, für Klarheit zu sorgen, damit die Reform der Bundeswehr weitergeht und auch an unseren Standorten hier in Baden-Württemberg die Menschen wissen, woran sie sind.

Ich kann als Beispiel meinen eigenen Wahlkreis anführen: In Meßstetten ist das Luftwaffenkommando Süd stationiert, für dessen Erhalt wir natürlich eintreten. Es gibt nur zwei

Luftwaffenkommandos, nämlich das Luftwaffenkommando Nord in Kalkar und das in Meßstetten, das nach dem Strukturbericht zwar aufgelöst wird, aber es wird Ersatz geschaffen.

Sehr viele Menschen sind ungeheuer verunsichert, wie es nun weitergeht. Nachdem der Bundesverteidigungsminister erklärt hat, alle Standorte würden erhalten, haben das am Anfang vielleicht auch viele geglaubt. Jetzt merken sie, dass das eigentlich nicht sein kann, wenn man von 330 000 Soldaten auf 255 000

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: 280 000!)

und von 130 000 Zivilbeschäftigten auf 80 000 bis 90 000 zurückgeht. Es ist nicht klar, wie man dann alle Standorte erhalten will.

Wir appellieren an die Kollegen von der SPD und von den Grünen, in Berlin mit dafür zu sorgen, dass Baden-Württemberg fair behandelt wird, denn wir haben schon bei der letzten Strukturreform Standorte eingebüßt, und wir bitten, insbesondere auch daran zu denken, was es bedeutet, wenn im ländlichen Raum Standorte geschlossen werden, was es nicht nur für die Wirtschaftskraft, sondern was es auch für die Zeitsoldaten bedeutet, wenn ihre Standorte konzentriert werden. Denken Sie einmal daran, was Soldaten, die in der Nähe von München stationiert sind, und was Soldaten, die auf der Schwäbischen Alb sind, bei dem niedrigen Gehaltsniveau, das die Bundeswehr hat, für Miete und Lebenshaltungskosten ausgeben müssen.

(Zuruf des Abg. Buchter Bündnis 90/Die Grünen)

Doch. Denken Sie doch daran: Insbesondere bei der Wehrbereichsverwaltung spielt es natürlich eine Rolle, ob sie in München sein wird oder ob sie, wie bei uns, in Stuttgart oder in Sigmaringen angesiedelt ist.

(Abg. Sieber CDU: Die Bayern sind halt clever, das ist doch logisch!)

Wir bitten Sie: Machen Sie Ihren Einfluss geltend. Das ist jetzt ein Bereich, in dem SPD und Grüne einmal etwas für das Land tun können.

(Lachen bei der SPD – Zurufe von der SPD – Abg. Hans-Michael Bender CDU zur SPD: Wollt ihr nichts tun? – Gegenruf des Abg. Bebber SPD: Sie sind doch die Miesmacher in Person! – Zuruf des Abg. Schmiedel SPD)

Doch, da können Sie etwas für das Land tun, wenn Sie in Berlin darauf einwirken, dass wir rasch Klarheit bekommen und dass zentrale Standorte in Baden-Württemberg nach Möglichkeit erhalten bleiben und wir in dem Bereich nicht benachteiligt werden, wie die rot-grüne Regierung in Berlin das ja in vielen anderen Feldern zurzeit mit BadenWürttemberg versucht.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Brechtken.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will mit einem Dank an die Bundeswehr, an die Soldaten und an die Zivilbeschäftigten, beginnen, die, so glaube ich, auch in einer schwierigen Zeit der Umstrukturierung ihre Pflicht erfüllen und für uns alle Großartiges leisten.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Schlierer REP: Dünner Beifall!)

Das Zweite, was ich hinzufügen will, ist: Vom Grundsatz her sollten wir zuerst einmal sehr dankbar sein, dass wir eine Umstrukturierung der Bundeswehr durchführen müssen; denn das ist auch ein Stück der Friedensdividende, die wir im Zusammenhang damit haben, dass wir heute Gott sei Dank zum ersten Mal in unserer Geschichte nur von Freunden umgeben sind und dass wir zum Zweiten im Hinblick auf die neuen Notwendigkeiten des Bündnisses und auf die Struktur des Bündnisses eine Anpassung der Bundeswehr vornehmen müssen. Diese müssen wir, glaube ich, gemeinsam gestalten und entwickeln.

Nun kann man eine Aktuelle Debatte dazu beantragen. Damit habe ich kein Problem. Ich halte es für gut, dass sich der Landtag mit diesem Thema beschäftigt. Man kann aber auch Gespräche hierzu führen. Wir haben bereits am 24. Juni alle Standortgemeinden des Landes zu einem Gespräch auch mit den wehrpolitischen Sprechern der Bundestagsfraktionen eingeladen.

(Abg. Haasis CDU: Die waren schwer enttäuscht! Die Bürgermeister waren schwer enttäuscht!)

Ach, lieber Herr Kollege. Zu der Enttäuschung komme ich gleich. Warten Sie ab, Herr Haasis. Ich wäre jetzt an dieser Stelle ganz vorsichtig. Ich werde noch etwas Schönes zitieren.

(Abg. Haasis CDU: Fragen Sie die mal! – Gegen- ruf des Abg. Heiler SPD)

Dieses Gespräch war wichtig und vernünftig, weil wir natürlich auch klarmachen werden, dass wir die Interessen der Standortgemeinden für dieses Land in die Gespräche einbringen wollen. Wir wollen aber auch eine Bundeswehr, die vernünftig strukturiert ist und die die Chance hat, die Zukunft zu bewältigen. Beides muss geleistet werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Nun habe ich ja Verständnis dafür, dass Sie die Aktuelle Debatte möglicherweise auch aufgrund Ihrer Erfahrungen aus der Vergangenheit beantragt haben. Ich habe Verständnis dafür, dass Standortgemeinden bei uns in tiefer Sorge sind. Dafür habe ich Verständnis; denn die alte Bundesregierung hat ihre Sanierungen und ihre Veränderungen in der Struktur natürlich schon zulasten Baden-Württembergs durchgeführt.

(Abg. Schmiedel SPD: So ist es!)

Ich will einmal einen Vergleich zwischen Baden-Württemberg und Bayern bringen.

(Abg. Schmiedel SPD: Ja!)

Wir haben in Baden-Württemberg – aktueller Stand – ca. 35 000 Soldaten. Die Bayern haben 82 000 Soldaten.

(Abg. Schmiedel SPD: Aha!)

Wir haben in Baden-Württemberg 57 Standorte, in Bayern 99 Standorte.

(Abg. Schmiedel SPD: Aha! – Zuruf des Abg. Dr. Schlierer REP)

Wir haben bei uns 26 Standorte mit mehr als 500 Dienstposten, in Bayern sind es 51 Standorte. Zwischen 1990 und 1998 betrug die Reduzierung in Bayern 36 Standorte, in Baden-Württemberg 50 Standorte.

(Abg. Schmiedel SPD: Ach, unglaublich! Ja, wer hat denn da geschlafen? – Gegenruf des Abg. Haa- sis CDU: Da sind auch die Depotverwaltungen da- bei! – Weitere Zurufe von der SPD und Gegenrufe von der CDU – Ministerpräsident Teufel: Saudum- mes Geschwätz, kann ich nur sagen!)

Dafür, dass Sie und die Standortgemeinden natürlich in besonderer Sorge sind, habe ich Verständnis.

(Anhaltende Unruhe)

Nein, das sind die Fakten. – Aber jetzt will ich etwas zitieren. Herr Präsident, ich nehme an, dass ich das darf; denn trotz der Aktuellen Debatte muss ich das ja vorlesen.

(Abg. Haasis CDU: Zählen Sie sie einmal auf! Aufzählen! Alle 50 aufzählen!)

Mir liegt eine Pressemitteilung vom 30. Juni vor, in der aus einem Gespräch berichtet wird, das der Herr Ministerpräsident mit Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping geführt hat. In dieser Pressemitteilung heißt es – ich sage das, weil Sie gerade einen Zwischenruf gemacht haben, mit dem Sie die Zahlen bzw. die Tendenz der Zahlen bestreiten –: