Protokoll der Sitzung vom 04.10.2000

In der Stellungnahme der Landesregierung auf unseren Antrag Drucksache 12/3134 versucht der Innenminister vom Thema abzulenken. Es geht nämlich nicht um eine Diffamierung rechtsstaatlicher Interessenwahrnehmung von Polizei und Justiz – wir haben zu keinem Zeitpunkt das Fehlverhalten Einzelner der gesamten Polizei oder gar der Justiz zugerechnet –, sondern für uns geht es um die Frage nach den politisch Verantwortlichen.

(Abg. Deuschle REP: Sehr richtig!)

Ihre Reaktion ist deswegen ein Ablenkungsmanöver und auch eine Beschönigung, Herr Justizminister, weil Sie verschweigen, dass das hier konkret angesprochene Verhalten in einer rechtskräftigen Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe als verfassungsfeindliches Handeln gebrandmarkt wurde,

(Abg. Deuschle REP: Hört, hört! – Beifall bei Ab- geordneten der Republikaner)

und zwar sowohl hinsichtlich des Verdeckten Ermittlers als auch der Personen, die ihm den dienstlichen Auftrag hierzu erteilt hatten.

Ein Wort zu dem Begriff. Als organisierten Beschaffungsextremismus verstehen wir ein planmäßig zielgerichtetes Vorgehen von in staatlichem Auftrag handelnden Personen oder Institutionen mit der Absicht, durch Aufbau oder Verstärkung von Einstellungen oder Neigungen extremistische Verhaltensweisen bei dazu bestimmten Personen, Personengruppen oder Organisationen zu wecken, zu unterstützen oder weiterzuentwickeln, um einen bisher im politischen Extremismus nicht vorhandenen Brennpunkt zu organisieren oder einen bestehenden Brennpunkt zu verstärken mit dem Ziel, staatliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr rechtlich zu legitimieren oder anlassbezogen politisch zu instrumentalisieren.

(Abg. Deuschle REP: Hört, hört!)

Erlauben Sie mir bei der Gelegenheit doch einen Hinweis zum Thema Instrumentalisierung. Wir verwahren uns dagegen, den guten Ruf von Polizei und Justiz zur Rechtferti

gung rechtswidriger und verfassungsfeindlicher Aktivitäten im Verantwortungsbereich des Innenministeriums zu missbrauchen.

(Beifall bei den Republikanern)

Meine Damen und Herren, Fakt ist erstens, dass ein Verdeckter Ermittler des Landeskriminalamts Baden-Württemberg nach Feststellung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe Ende Oktober und Mitte Dezember 1994 unter Verwendung eines Redemanuskripts, das unter Mitarbeit des Landeskriminalamts verfasst wurde, Schüler und Jugendliche in nationalsozialistischer Weltanschauung regelrecht geschult und aufgehetzt hat.

(Abg. Deuschle REP: Hört, hört!)

Fest steht zweitens, dass diese Rede selbst in der vom Landeskriminalamt vorgelegten Fassung – die wahrscheinlich nicht die authentische ist, wie wir inzwischen wissen – zahlreiche Straftatbestände verletzt, wobei inzwischen ja Erkenntnisse vorliegen, dass das richtige Manuskript noch sehr viel schwerwiegendere Hetzparolen enthält.

Ihnen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, teile ich mit, dass Sie von unserer Fraktion diesen von der Staatsanwaltschaft zunächst einmal zugrunde gelegten Redetext in der vorgelegten Fassung schriftlich erhalten.

Richtig ist drittens, dass eine Unterweisung in neonationalsozialistischer Weltanschauung weder durch die Vorschriften über den Einsatz Verdeckter Ermittler abgedeckt ist noch für die Tätigkeit eines Verdeckten Ermittlers erforderlich ist, auch nicht zur Aufrechterhaltung einer Legende.

Entscheidend ist viertens, dass mit diesen Vorgängen, die hier ganz konkret angesprochen wurden, genau jene Saat in die Köpfe junger Menschen gelegt wurde, die dann zu den verurteilenswerten Exzessen aus antisemitischen Einstellungen heraus wie beispielsweise in Düsseldorf führt.

(Beifall bei den Republikanern)

Deswegen das Fazit: Solange der Beschaffungsextremismus nicht angeprangert und unterbunden wird, sind die hierfür Verantwortlichen sowie die Wissenden und Wegsehenden, meine Damen und Herren, in der politischen Mithaftung für Antisemitismus und Neonaziumtriebe in unserem Land.

(Beifall bei den Republikanern)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Rech.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Kollegen! Ich gestehe vorweg ganz offen, dass mir im Vorfeld dieser Debatte nicht so recht klar war, was das Ganze eigentlich soll. Nach der Rede des Kollegen Schlierer ist mir allerdings klar, worum es geht. Es geht darum, dass wir schon heute die Debatte von morgen führen sollen.

(Widerspruch bei den Republikanern)

Es geht mindestens um eine Ablenkung, wenn nicht gar um einen vorgezogenen – sprich untauglichen – Entlastungsangriff. Herr Kollege Schlierer, all das, was Sie versucht haben, unter eine Überschrift, in einen Kontext zu bringen, steht morgen auf der Tagesordnung. Morgen haben wir fast zwei Stunden Gelegenheit, darüber miteinander heftig zu diskutieren und zu debattieren.

Die Vorgänge, die diesem Antrag zugrunde liegen, stammen aus den Jahren 1994 und 1996, wenn ich es recht sehe, und Ihr Ziel kann allenfalls darin bestehen, dem damals verantwortlichen Innenminister

(Abg. Deuschle REP: Eben!)

ungesetzliches Handeln oder gar Verfassungsbruch anzuhängen, zumindest aber ihm nachträglich ans Bein zu treten.

(Zuruf des Abg. Krisch REP)

Warum Sie nun gerade den damaligen Innenminister ins Visier genommen haben, ist nur allzu klar. „Retourkutsche“ oder „Revanchefoul“ würde man dies nennen.

Wenn solcher Angriff auch nur ansatzweise Erfolg haben soll, ist dies nur möglich, wenn Sie klare Nachweise führen, klare Nachweise, dass dieser Verdeckte Ermittler als Agent provocateur gesetzliche Grenzen überschritten hätte und dazu angestiftet oder sogar angewiesen wurde.

Nach all dem, was hier durch die Landesregierung klar vorgelegt und beantwortet wurde, geht dieser Angriff ins Leere. Das Zitat, das Sie hier offensichtlich jetzt im Nachhinein noch einmal unter die staunenden Parlamentarier bringen, liegt mir nicht vor. Deswegen sage ich dazu jetzt mal noch nichts. Aber es gibt nicht den geringsten Anlass, anzunehmen, dass Polizeibeamte auf Weisung etwa Neonaziführer glorifiziert oder dass sie gar zum Krieg gegen das herrschende System aufgefordert hätten. Diese Angriffe, meine Damen und Herren von den Republikanern, auf Verfassungsorgane unseres Landes, auf Landeskriminalamt und Verfassungsschutz, weisen wir entschieden zurück.

(Beifall des Abg. Kiesswetter FDP/DVP)

Wie notwendig gerade diese Verfassungsorgane sind, zeigen die extremistischen, die politisch motivierten Gewalttaten, die Sie selber jetzt noch einmal ins Feld geführt haben, zeigen aber auch die Angriffe der Republikaner auf Polizei und Justiz, auf Landeskriminalamt und Verfassungsschutz im Plenum des Landtags und im Ausschuss. Deswegen möchte ich all denen, die durch diese Angriffe diffamiert werden sollen, ausdrücklich Dank sagen und sie darin bestärken, in dieser Arbeit zum Wohl unserer Demokratie fortzufahren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU – Abg. Käs REP: Auch im Rechtsbruch? – Abg. Dr. Schlierer REP: Auch mit der Aufforderung zum fortgesetzten Rechtsbruch?)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Redling.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Schon durch den Betreff lassen die Biedermänner erkennen, wen sie eigentlich treffen wollen: Nur vordergründig den ehemaligen Innenminister; ihre Zielrichtung ist eine staatliche Organisation, ihre Zielrichtung ist der Staat.

(Lachen bei den Republikanern – Beifall des Abg. Krisch REP – Abg. Deuschle REP: Das ist ja lach- haft!)

Deshalb ist das, was die Republikaner sagen, und auch das, was der Fraktionsvorsitzende der Republikaner eben gesagt hat, ein Angriff gegen unsere Demokratie,

(Abg. Deuschle REP: Das glauben Sie gerade! – Abg. Rapp REP: Wissen Sie überhaupt, was das ist? Aber Sie sind ja Demokrat! – Weitere Zurufe von den Republikanern, u. a. der Abg. Käs und Schonath)

den ich hier zurückweise.

Sie verwenden in Ihren Anträgen und in Ihrer Rede Kampfbegriffe. Kampfbegriffe in der politischen Auseinandersetzung kennen wir aus der Geschichte nur zu gut.

(Abg. Käs REP: „Rechtsextremismus“ zum Bei- spiel!)

Sie wollen mit Ihrem Antrag von Ihrem eigenen Tun und Handeln ablenken. Sie wollen von Ihren rechtsextremistischen Umtrieben ablenken – damit dies nicht nur so im Raum stehen bleibt, will ich dies auch begründen –, wenn Sie davon sprechen, „dass durch die Feigheit und die Realitätsverweigerung der Altparteien Bürgerkrieg ins Haus geholt werde“, oder von „Parasiten“ sprechen, wenn Sie von Ausländern sprechen, und weiter fortführen: „Verreckt ein Hund, springen die Flöhe bekanntlich zu einem anderen über.“

(Abg. Krisch REP: Das war ein SPD-Abgeordne- ter, der das hier sagte!)

Sie verwenden in Ihren Ausführungen eine Sprache, die Menschen, die Menschengruppen diffamiert.

(Abg. Käs REP: Kommen Sie zur Sache!)

Es ist kein Wunder, dass der Fraktionsvorsitzende der Republikaner so gut Bescheid weiß. Bescheid wissen kann ich nur dann, wenn ich zu den Informanten gute Beziehungen habe. Das heißt also, Herr Schlierer hat heute nachgewiesen, dass Republikaner sehr wohl gute Beziehungen in diese Szene der Rechtsextremisten, zu denen Sie sich ja selbst zählen, haben.

(Abg. Dr. Schlierer REP: Ein Dummkopf! – Abg. Käs REP: Das ist an Dummheit nicht zu überbie- ten!)

Wir jedenfalls sind den Beamten dankbar, die in der rechtsextremistischen Szene ermitteln, die den Mut haben, hier tätig zu werden. Wir danken diesen Beamten für ihre Einsatzbereitschaft, für das Risiko, das sie zum Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger, zum Schutz unserer verfassungs

mäßigen Ordnung auf sich nehmen. Ich danke diesen Beamtinnen und Beamten dafür, dass sie diese Tätigkeit für unsere Demokratie ausüben.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen – Abg. Eigenthaler REP: Das war eine Volkskammerrede!)