Sie mögen ja den Wolf im Schafspelz spielen. Sie mögen ja versuchen, hier aufzuzeigen, dass Demokratie und Rechtsstaat auch bei Ihnen gelten. Aber Ihre Praxis, Ihre Partei ist verräterisch. Der Bericht des Landesamts für Verfassungsschutz zeigt dies anhand von ganz konkreten, nachweisbaren, untadeligen Beispielen auf.
Deswegen bin ich dankbar, dass hier anhand Dutzender von Beispielen aufgezeigt worden ist, wie die Republikaner in den rechtsradikalen Bereich ausfransen und dass es eine doppelbödige Strategie ist, sich nach vorn demokratisch gut gesinnt zu zeigen und nach hinten rechtsradikal bis hin zur Gewaltbereitschaft zu sein.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Ab- geordneten der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen und demonstrativer Beifall des Abg. Krisch REP)
Ich bin dem Landtagspräsidenten dankbar, dass er in den letzten Tagen von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht hat und eine Veranstaltung mit einer rechtsradikalen Person, die von den Republikanern eingeladen war, hier nicht stattgefunden hat. Ich bin der Meinung, es gilt heute aufzuzeigen, wohin die angesprochene Ausfransung ganz konkret geht.
Der Antrag meiner Fraktion, Drucksache 12/5476, und die Stellungnahme des Innenministeriums zeigen dabei die konkrete Wahrheit auf. Es gibt jede Menge gemeinsamer Veranstaltungen. Es gibt Sympathie und mehr zwischen Funktionsträgern und Mitgliedern der Republikaner und Vertretern aus dem rechtsextremen Bereich.
Heute ganz aktuell ist die Homepage der Gemeinderatsfraktion der Republikaner im Internet; sie spricht eine deutliche Sprache. Am 3. Juli 2000 hat sich der NPD-Landesvorsitzende ins Gästebuch der Reps von Stuttgart eingetragen. Seit dem 3. Juli steht dort wörtlich zur „Aktion Gesprächsbereitschaft“, einer Veranstaltung in BiberachHochdorf, zu der er eingeladen war, es zeige sich, dass Gemeinsamkeiten zunähmen: „Ich habe mich gefreut, dass zu der Veranstaltung in Biberach-Hochdorf“, so wörtlich, „eine ganze Reihe von aktiven Funktionären der Republikaner gekommen ist. Ich weiß“, so sagt Michael Wendland, der Landesvorsitzende der NPD, „aus vielen Gesprächen, dass Ihre Basis und Teile Ihrer Funktionäre aufrechte Idealisten sind. Wäre es da nicht wünschenswert, wenn wir mehr miteinander ins Gespräch kommen würden? Ich stehe dafür“, sagt er, „auch auf privater Basis jederzeit zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen, NPD Deutschland, Landesverband Baden-Württemberg, Michael Wendland“. Seit 3. Juli
2000 steht das im Internet, von niemandem gelöscht, so geduldet, getragen, vielleicht sogar gewollt. Und dies ist nur eine der aktuellen Beweisführungen dafür. Die Zahl der Beweise ist groß.
In einem Schreiben vom 14. Januar 2000 teilt der NPDLandesvorsitzende von Holstein, Stawitz, mit, dass die NPD in Holstein im Wahlkampf Spenden und Hilfe von den Reps erhalten habe.
Anlässlich der baden-württembergischen Kommunalwahlen vom Oktober letzten Jahres zeigte sich, dass auch in Baden-Württemberg auf unteren Parteiebenen eine punktuelle Kooperation mit anderen Rechtsextremisten stattfindet. So waren in Karlsruhe auf der Kommunalwahlliste der Reps mehrere Mitglieder der NPD zu finden. Ein verantwortlicher NPD-Funktionär äußerte sich dahin gehend, dass die Kandidatur entgegen der Behauptung der Reps durchaus auf der Basis einer offiziellen Absprache zwischen den Parteien vollzogen worden sei.
Die Homepage des REP-Kreisverbands Heidelberg/RheinNeckar vom Juli letzten Jahres enthält neben Verweisen auf die unabhängigen Nachrichten auch Hinweise auf den Sänger und Liedermacher Frank Rennicke, amtsbekannt rechtsradikal.
Herr Käs zeigt sich öffentlich mit rechtsradikalen Personen. Als Vertreter der Freien Nationalisten sprach der Neonazi Thomas Wulf, der auf Bildern unmittelbar hinter Käs stand und ein Transparent der Reps hielt, im Juli 1998 im hessischen Kassel bei einer Veranstaltung der republikanischen Jugend.
Vorne steht Schlierer – ein Versuch, rechtstreu, demokratisch und gut gesinnt zu wirken –, aber nach hinten franst die Fratze rechtsradikal aus. Einen Sitz hinter Schlierer sitzt Käs und macht im rechtsextremen Bereich alles mit.
Deswegen lautet die offizielle Sprachregelung dieser Partei seit dem Ruhstorfer Parteitag – zehn Jahre ist es her –: Keinerlei gemeinsame Sache mit NPD, DVU, FAP, ANF und KNS.
Die Praxis sieht so aus, dass Funktionäre kungeln, dass Dr. Frey von der DVU Absprachen mit Herrn Schlierer trifft und dass man am 17. November 1998 abgesprochen hat, wer bei welcher Landtagswahl antritt und wer wem hilft.
Im Grunde genommen ist es jetzt an der Zeit, den Bürgerinnen und Bürgern, den Wählern in Baden-Württemberg deutlich zu machen und an sie zu appellieren: Die republikanischen Wählerstimmen sind unterschiedlicher Herkunft. Da gibt es Neonazis, Altnazis und junge Nazis – die können und wollen wir nicht erreichen, die sollen wählen, was sie wollen. Die sprechen wir nicht an. Aber es gibt eine große Zahl von Wählern, die im Grunde genommen aus
Verdrossenheit über Parteien, über Regierungshandeln oder aus Veränderungsangst zu der rechtsradikalen Wählerstimme greifen. An sie appellieren wir: Der Wolf im Schafspelz ist entpuppt. Machen wir im März nächsten Jahres Schluss mit diesem Spuk. Sorgen wir dafür, dass Baden-Württemberg nur von demokratischen Parteien im Parlament geführt und regiert wird.
(Lang anhaltender Beifall bei der CDU, der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der FDP/ DVP – Zuruf von den Republikanern: Ja, ja! Da ist der Wunsch der Vater des Gedankens!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Brandanschlag auf die jüdische Synagoge in Düsseldorf, der Überfall auf russische Aussiedler, Hakenkreuzschmierereien an der Gedenkstätte Buchenwald und auf dem jüdischen Friedhof in Schwäbisch Hall, vor zwei Tagen begangen, am 3. Oktober, dem zehnten Jahrestag der deutschen Einheit – ein schlimmeres Zeichen der Unbelehrbarkeit hätte es nicht geben können. An einem solchen Festtag wurden Taten verübt, die die Erinnerung an den nationalsozialistischen Rassismus und Antisemitismus wachrufen müssen.
Nach der Wiedererlangung der Einheit Deutschlands erlebten wir eine erschreckende Welle rechtsextremistischer Straftaten und fremdenfeindlicher Gewalttaten in Deutschland: Hoyerswerda, Rostock, Mölln, Solingen, aber auch Friedrichshafen und Filderstadt sind einige der Orte, an denen Fremde bedroht und getötet worden sind. Insgesamt 93 Menschen sind in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland aus rechtsextremistischen Motiven ermordet worden. Nach dem starken Ansteigen rechtsextremistischer Straftaten und Gewalttaten in den Jahren 1991 bis 1994 gab es einen Rückgang in den Folgejahren 1995 und 1996, auch dank konsequenter Verfolgungsmaßnahmen. Ab 1997 ist leider wieder ein gewisser Anstieg dieser Straftaten festzustellen. Auch in diesem Jahr gab es zahlreiche spektakuläre Anschläge auf Personen in Deutschland.
Die Situation in Baden-Württemberg ist etwas günstiger als in anderen Bundesländern. Aber auch bei uns gab es im laufenden Jahr bereits zwei versuchte Tötungsdelikte, so am 11. Februar in Owingen bei Friedrichshafen einen Brandanschlag auf einen „Szeneabtrünnigen“ und am 10. April in Ditzingen einen versuchten Mord an einem Asylbewerber. Weitere erhebliche Straftaten waren zu verzeichnen.
Eine besonders bedrohliche Entwicklung ergibt sich in der rechtsextremistischen Musikszene und im Internet. Die Zahl der Internetauftritte deutscher Rechtsextremisten hat sich seit 1996 verzehnfacht.
Diese Fakten, meine Damen und Herren, zeigen, dass wir das Problem rechtsextremistischer Straftaten noch lange nicht bewältigt haben, wenn wir es je werden bewältigen können.
Welche Erkenntnisse haben wir nun über die Täter solcher Straftaten? Bei den 1999 ermittelten Tatverdächtigen ist das niedrige Durchschnittsalter sehr bemerkenswert. Bei den rechtsextremistisch motivierten Gewaltdelikten lag es bei 18,7 Jahren. Bemerkenswert ist auch, dass es sich bei diesen Straftaten vorwiegend um Delikte von Männern handelt. Der Anteil weiblicher Tatverdächtiger betrug lediglich 6,2 %. 60 % aller extremistischen und fremdenfeindlichen Gewalttaten wurden durch Skins verübt. Wie groß das Gefahrenpotenzial ist, ergibt sich daraus, dass durch die sorgfältige Arbeit des Landesamts für Verfassungsschutz 1999 670 Skinheads bei Veranstaltungen festgestellt werden konnten.
Ein wesentliches Ergebnis eingehender Studien ist die Erkenntnis, dass es d e n rechtsextremistischen Gewalttäter nicht gibt. Alle Versuche, einen solchen typischen Gewalttäter beschreiben zu wollen, führen zu einem höchst widersprüchlichen Bild. Geeignet ist meines Erachtens vielmehr die Einteilung der Gewalttäter in mehrere Gruppen, die sich hinsichtlich ihrer Motivation, aber auch hinsichtlich ihrer Bildung und ihrer Herkunft voneinander unterscheiden. Der Einfachheit halber möchte ich mich im Folgenden auf drei Großgruppen beschränken: auf die Mitläufer, die gewaltbereiten Schläger und schließlich die ideologisch vorbelasteten Rechtsextremisten.
Der Typus des Mitläufers ist meist noch sehr jung, kommt in der Regel aus eher unauffälligen Elternhäusern, geht zur Schule oder hat bereits eine abgeschlossene Schul- oder Berufsausbildung. Dieser Tätertypus verfügt nicht über ein ausgeprägtes rechtsextremistisches oder ausländerfeindliches Weltbild. Der Grund für die Teilnahme an fremdenfeindlichen Straftaten ist meist ein gewisser gruppenpsychologischer Konformitätsdruck, Alkoholgenuss und Imponiergehabe.
Den zweiten Typus könnte man als Schlägertypus bezeichnen. Dieser Typus hat meist keine abgeschlossene Berufsoder Schulausbildung, kommt überproportional häufig aus problematischen Familienverhältnissen und ist meist vorher schon wegen Gewaltdelikten polizeilich aufgefallen.
Körperliche Gewalt gehört bei diesem Tätertypus zum Alltag und wird gewissermaßen als die normale Art der Konfliktaustragung angesehen. Dieser Typus hat in der Regel schon in der Familie Gewalt erfahren. Trotz der bisweilen sehr ausgeprägten Ausländerfeindlichkeit finden wir auch bei diesem Typus kaum ein verfestigtes rechtsextremistisches Weltbild.
Der nächste, also der dritte Typus, ist schließlich der ideologisch vorbelastete Rechtsextremist. Er ist politisch stark aktiv, verfügt häufig sogar über einen höheren Bildungsabschluss und setzt Gewalt strategisch gegen bestimmte Opfergruppen ein.
Bei der Frage nach den Gründen für fremdenfeindliche Gewalt müssen wir auch die Unterschiede zwischen diesen Tätergruppen in unsere Überlegungen einbeziehen. Wir ha
ben es gerade bei den beiden erstgenannten Gruppen mit Tätertypen zu tun, für die typisch ist, dass sich die Gewaltbereitschaft meist spontan entwickelt und sich dann gegen Bevölkerungsgruppen richtet, die in irgendeiner Weise abgrenzbar sind und gegen die derartige Übergriffe, wie auch immer, rechtfertigbar erscheinen, das heißt, wenn der Opfergruppe vorher ganz bestimmte negative Eigenschaften und vor allem die Verantwortung für eine ganze Reihe von Missständen zugeschrieben wurden. Wenn d i e Ausländer oder d i e Juden oder d i e Linken für alle Übel der Welt verantwortlich sind,
dann braucht man wegen der gewalttätigen Übergriffe gegen diese Gruppen auch kein schlechtes Gewissen zu haben.
Daraus folgt, dass wir die Phänomene Gewalt und Rechtsextremismus getrennt voneinander betrachten müssen. Bei einer großen Zahl solcher Straftäter ist zuerst die Gewaltbereitschaft vorhanden, die sich dann im konkreten Einzelfall ein Opfer sucht. Die wirkliche Gefahr liegt deshalb im rechtsextremistischen Hintergrund.
Wie unsere Geschichte gezeigt hat, braucht der Rechtsextremismus drei Bedingungen, um zur ernsthaften Gefahr für die Demokratie zu werden: Er braucht die Aggressivität und die Gewaltbereitschaft der wenigen, er braucht die Sympathie eines beträchtlichen Teils der Bevölkerung, und er braucht die Passivität der Übrigen. Fremdenfeindliche Gewalt ohne Sympathie in der Bevölkerung wäre in erster Linie ein polizeiliches Problem oder eines für die Jugendsozialarbeit. Zur Gefahr für das gesamte demokratische Gemeinwesen werden Fremdenfeindlichkeit und Gewalt aber dann, wenn ein Teil der Bevölkerung dies versteckt oder offen begrüßt und die so genannte schweigende Mehrheit es duldet. Gefahren drohen somit nicht nur von den eigentlichen Gewalttätern, sondern vor allem von den rechtsextremistischen Parteien und Organisationen, die Vorurteile schüren und ein Klima schaffen, in dem fremdenfeindliche Gewalt gedeihen kann.
Der Rechtsextremismus geht von der prinzipiellen Ungleichheit der Menschen aus, unterstellt also, dass es Menschen höheren und minderen Werts gibt.
Kennzeichnend für alle rechtsextremistischen Organisationen ist zum Zweiten eine ausgesprochene oder unterschwellige Akzeptanz von Gewalt. Diese Bereitschaft, Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung zumindest insgeheim zu akzeptieren, macht nach meiner Überzeugung die eigentliche Gefährlichkeit des Rechtsextremismus aus.
Ich möchte in diesem Zusammenhang zur Verdeutlichung eine Aussage des Landesvorsitzenden der Republikaner, Käs, zitieren, der die Exzesse von Rostock mit den Worten rechtfertigte: Wie sollen sich die Menschen sonst wehren?
Als Grundkonsens unserer Gesellschaft wurde in Artikel 1 des Grundgesetzes festgelegt: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Die Würde des Menschen und nicht nur des deutschen, wie Johannes Rau bei seiner Dankesrede nach der Wahl zum Bundespräsidenten betonte. Dieser Grundkonsens wird durch die rechtsextremistischen Straftaten gebrochen. Es wird zwischen höherwertigen Menschen, den Deutschen, und Minderwertigen, den Fremden, den Ausländern, den Juden, den Minderheiten, unterschieden. Damit lebt der alte nationalsozialistische Rassenwahn wieder auf.