Protokoll der Sitzung vom 25.10.2000

Frau Abg. Fauser – –

(Abg. Göschel SPD: Im Anschluss, hat sie gesagt!)

Die Absicht der DB AG, die Interregioverbindungen in Baden-Württemberg zu verringern, müssen wir wirklich nachdrücklich zurückweisen.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP – Abg. Kiefl CDU: Jawohl!)

Es geht nicht an, dass die DB AG sich aus dem Personenfernverkehr zurückzieht und dem Land die Schulden überlässt bzw. die Verantwortung für dieses klägliche Produkt zuweist.

(Beifall des Abg. Kiefl CDU)

Die Abkopplung, meine Damen und Herren, würde dazu führen, dass die bereits strukturpolitisch benachteiligten Regionen noch weiter benachteiligt würden. Das Abkoppeln seitens der Bahn durch ein Ersetzen von Personenfernverkehr auf der Schiene durch Schienenpersonennahverkehr wäre ein Schlag für die touristisch ausgerichteten Landkreise. Konstanz, Lindau und andere wären mit dem Personenfernverkehr nicht mehr direkt anzufahren. Das kann so einfach nicht akzeptiert werden.

(Abg. Göbel CDU: Ravensburg auch nicht!)

Wie bereits erwähnt: Der mühsam aufgestellte Integrale Taktverkehr wäre dann in großen Teilen stark gestört.

Meine Damen und Herren, wir brauchen von der rot-grünen Regierung gemeinsam mit der Deutschen Bahn endlich einmal eine klare Aussage darüber, wie viel Bahn wir uns leisten wollen. Wie soll die Zukunft der Bahn aussehen, und wie sind die verkehrspolitischen Rahmenbedingungen, und zwar insgesamt gesehen? Wie sollen der Bundesfernstraßenbau und die Bahn integriert werden?

Ich nehme die Debatte auch gern zum Anlass, um einfach noch einmal deutlich zu machen, dass die Bahn dringend mehr Transparenz und mehr Offenheit an den Tag legen sollte.

(Beifall der Abg. Lieselotte Schweikert FDP/DVP)

Es ist wichtig, endlich einmal zu erfahren, wie die Trassenpreise tatsächlich aussehen. Wo ist mit erheblichen Problemen zu rechnen? Es ist wichtig, auszurechnen, was ein Fahrgast wirklich auf einem Kilometer Interregio kostet. Die Entscheidungen der Bahn müssen durchschaubarer werden. Hier herrschen erhebliche Informationsdefizite.

Der Bundesverkehrsminister hat hier eine Aufgabe zu erbringen; er muss der Bevölkerung klar sagen, was langfristig passieren soll. Wir müssen doch ganz deutlich sagen: Die Belastungen durch die Ökosteuer auch auf die Bahn bzw. auf den gesamten ÖPNV umzulegen, ist ein reiner Witz. Wenn ich die Umwelt entlasten möchte und versuchen will, die Leute zum Umsteigen auf die Bahn zu begeistern, dann kann ich doch in diesem Bereich nicht auch noch eine Ökosteuer draufschlagen.

(Beifall der Abg. Lieselotte Schweikert FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, das sind so viele Dinge, die einfach nicht zusammenpassen. Deshalb müssen wir als Land deutlich sagen: Es geht nicht an, dass man einen Personenfernverkehr plötzlich zum Personennahverkehr macht, um die Kosten einfach auf das Land herunterzuziehen. Wir als Land sind sicherlich besser in der Lage als der Bund bzw. die Deutsche Bahn, vor Ort mit Regionalisierungsmitteln einen Interregioverkehr aufzubauen, der diesen Namen auch verdient. Aber dies geht nicht ohne Kostenausgleich. Deshalb, meine Damen und Herren, werden wir darauf achten, dass sich der Bund nicht zulasten des Landes entschuldet.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Halt, Sie wollten noch eine Nachfrage des Herrn Abg. Göschel beantworten.

Frau Kollegin Fauser, Sie haben vorhin die Ausgabenvorschläge der Pällmann-Kommission bezüglich des Schienenausbaus gelobt. Loben Sie auch die Einnahmevorschläge dieser Kommission, die ja vorschlägt, 25 Pfennig pro Kilometer leistungsabhängig vom Schwerverkehr zu verlangen und eine Vignette für den übrigen Verkehr einzuführen?

Herr Göschel, ich bin der Meinung, wir müssen in diesen Bereichen im europäischen Rahmen wettbewerbsfähig bleiben. Wir müssen darauf achten, dass wir zum Beispiel unsere Spediteure im Verhältnis zu denen in anderen Ländern nicht über Gebühr belasten. Wie Sie wissen, reduzieren Italien, Belgien und Frankreich die Mineralölsteuer, um die einheimischen Firmen zu schützen, während wir in Baden-Württemberg riskieren, dass unsere Firmen nicht überleben.

(Abg. Zeller SPD: Wo soll das Geld denn herkom- men?)

Jetzt hören Sie einmal wirklich zu.

(Heiterkeit bei der CDU und den Republikanern)

Wenn Sie in schulpolitischen Debatten 6 000 Lehrerstellen fordern, haben Sie noch nie einen Finanzierungsvorschlag gemacht.

(Abg. Zeller SPD: Wir haben das jedes Mal sauber finanziert! – Lachen bei der CDU und den Repu- blikanern)

Ich denke, diese Debatte ist unfruchtbar. Sie haben sprudelnde Einnahmequellen. Sie können in allen anderen Bereichen, die Sie für wichtig halten, weiterhin Ausgaben finanzieren.

(Abg. Zeller SPD: Sie wissen also nicht, woher Sie das Geld nehmen!)

Aber die Schiene, das Lieblingskind der Grünen, vernachlässigen Sie eklatant.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und des Abg. Göbel CDU)

Das Wort erhält Herr Abg. Eigenthaler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Bahnstrukturreform, die aus den früheren Sondervermögen des Bundes, nämlich aus Deutscher Bundesbahn und Deutscher Reichsbahn, das private Unternehmen Deutsche Bahn AG machte, fällt in die Verantwortung der schwarz-gelben Bundesregierung. Im Zuge der Bahnstrukturreform wurden die Zuständigkeit und die finanzielle Verantwortung für den gesamten öffentlichen Personennahverkehr auf die Bundesländer und die Kommunen übertragen. Dies nur zur Klarstellung, weil der heute zu behandelnde Antrag ganz offensichtlich unter wahlkampfstrategischen Gesichtspunkten auf der Tagesordnung steht.

(Beifall bei Abgeordneten der Republikaner)

Unabhängig davon, wer die Verantwortung für die Streichung der Interregioverbindungen zu übernehmen hat, ver

urteilen wir Republikaner diese, wie wir meinen, große Fehlentwicklung aufs Schärfste. Den Bürgern in unserem Land, die aufgrund der Fahrplanausdünnungen der Bahn unter schlechteren Anbindungen leiden, ist es schlicht und ergreifend schnuppe, ob das Land oder der Bund dafür verantwortlich zu machen ist. Die gegenseitigen Schuldzuweisungen bringen uns dabei keinen Deut weiter.

Da wird den Bürgern über viele Jahre eingetrichtert, sie sollen ihr eigenes Fahrzeug stehen lassen und auf die Bahn umsteigen – und dann werden wichtige Verbindungen gestrichen, und die Fahrgäste müssen zusätzliche Wartezeiten hinnehmen, um ihr Ziel zu erreichen. Auf diese Art und Weise wird man keine neuen Fahrgäste überzeugen können, den öffentlichen Personenverkehr zu benutzen und ihr „heiligs Blechle“ in der Garage zu lassen oder gar ganz darauf zu verzichten.

(Beifall bei Abgeordneten der Republikaner)

Meine Damen und Herren, die Bahn hat, seit sie ein Privatunternehmen ist, ein immer schlechteres Image bekommen, und mit den neuen Streichungen der Interregioverbindungen wird dieser Negativtrend noch verstärkt. Deshalb sind Bund, Land und Bahn dringend dazu aufgerufen, eine Lösung zu finden, um die Weiche in Richtung eines gut funktionierenden Schienenverkehrs neu zu stellen.

Das auf Wirtschaftlichkeit getrimmte Privatunternehmen Deutsche Bahn AG möchte sich zusehends auf die angeblich lukrativeren Fern- und Transitverbindungen konzentrieren und bis spätestens Juni 2001 insgesamt 16 Millionen unverzichtbare Interregio-Zugkilometer in Deutschland stilllegen, davon allein 1,9 Millionen Kilometer in Baden-Württemberg. Als Grund für die Stilllegungen wird eine zu geringe Auslastung der im Zweistundentakt fahrenden Züge angegeben. Deshalb scheinen die Interregio-Zugverbindungen für die Bahn nicht mehr interessant zu sein.

Wenn das stimmt, verwundert es sehr, dass sich zwei privatwirtschaftliche Verkehrskonzerne aus Frankreich und Großbritannien geradezu darum reißen, rund zwei Drittel des stillgelegten Streckennetzes künftig sogar im Stundentakt betreiben zu können. Noch mehr verblüfft, dass bei diesem Konzept pro Zugkilometer nur die Hälfte der bisher vom Land gezahlten Subventionsmittel aufzubringen wäre. Das neue Konzept will mit einem klar definierten Produkt, stärkerer Werbung und einem differenzierten Preissystem mehr Kunden gewinnen. Da stellt sich schon die Frage, ob wir in der Vergangenheit für den ÖPV pro Zugkilometer insgesamt nicht viel zu viel bezahlt haben und ob die Bahn dabei nicht Millionen für andere Zwecke verwendet hat, anstatt dieses Geld für die Takt- und Serviceverbesserung einzusetzen und größere Anstrengungen zu unternehmen, um neue Kunden zu gewinnen.

Müssen erst fremde Unternehmen kommen, um der Bahn vorzumachen, wie es besser geht? Wenn das Konzept der Privatfirmen aufgeht, werden diese weitere Bahnverbindungen ins Auge fassen und der Bahn immer mehr Konkurrenz machen. Wettbewerb ist grundsätzlich nichts Schlechtes, aber in diesem Fall geht es eindeutig zum Nachteil der Bahn AG.

Wir Republikaner sind der Meinung: Die Streichung von Interregioverbindungen ist ein gewichtiger Anlass, um in letzter Minute für alle Beteiligten akzeptable Lösungen zu finden. Schuldzuweisungen sind hier nicht gefragt. Vielmehr geht es darum, gemeinsam für einen funktionierenden und attraktiven Schienenverkehr einschließlich dessen Finanzierung zu sorgen. Dazu sind die Verantwortlichen im Bund, aber genauso auch hier im Land dringend aufgerufen, um den ÖPV auf der Schiene bedarfsgerecht und zukunftweisend zu gestalten und voranzubringen. Deshalb – oder auch trotzdem; je nachdem, wie man es nimmt – stimmen wir dem Antrag von CDU und FDP/DVP zu. Gleise müssen befahren und dürfen nicht nur gebaut oder gesichert werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Republikanern)

Das Wort für eine sehr kurze Redezeit von 27 Sekunden erhält Herr Abg. Scheuermann.

(Heiterkeit)

In einer halben Minute vier Bemerkungen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Erstens: Herr Stolz, ein wesentlicher Bestandteil der Bahnreform ist die Entschuldung der Bahn von 80 Milliarden DM zulasten der Autofahrer. Wo ist hier die Bevorzugung der Straße gegenüber der Bahn?

(Zuruf des Abg. Stolz Bündnis 90/Die Grünen)

Ich habe eine halbe Minute Redezeit.

Zweitens: Ich greife Ihren Vorschlag auf, aus den beiden Zugarten Regionalexpress und Interregio eine Zugart zu machen. Aber dann müssen das Land und die Bahn ihre Mittel für den Regionalexpress bzw. für den Interregio in einen Topf werfen. Dann wird etwas Vernünftiges daraus.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Göschel SPD)

Das Letztere haben Sie nicht gesagt.