Zweitens redeten Sie in diesem Zusammenhang, wo es darum geht, Menschen in großer Bedrängnis und Not beizustehen, davon, dass irgendwelche – wörtlich – selbst ernannten Moralapostel sich irgendetwas anmaßen.
Unsere Kirchen in Baden-Württemberg repräsentieren immerhin noch weit über 80 % der Bevölkerung. So viel Mitglieder haben sie noch. Immerhin ist es, wie ich meine, noch Konsens unter den demokratischen Parteien, dass die Kirchen eine berechtigte moralische Instanz in dieser Gesellschaft sind. Das sind keine „irgendwelche selbst ernannten Moralapostel“, sondern in der ersten These sagt die EKD:
Solche Pflicht gilt auch gegenüber Menschen, die sich durch die Ablehnung ihres Asylgesuchs und die danach anstehende Abschiebung an Leib und Leben bedroht sehen und sich deswegen um Hilfestellung an einzelne Christen und Bürger, ein Pfarramt, eine Kirchengemeinde oder die Kirche wenden.
nämlich um sieben Familien in Baden-Württemberg, die im Moment Kirchenasyl haben, kann man sich eine von diesen sieben Familien anschauen, nämlich eine Familie in Tübingen. Das ist eine Familie, von der ein Sohn anerkannter Asylbewerber ist. Alle anderen sollen abgeschoben werden – zwei Töchter und die Eltern. Alle anderen Angehörigen und Verwandten haben in Frankreich, in der Schweiz und in anderen Bundesländern Asyl. Die Mutter ist ein traumatisiertes Folteropfer.
Und worum geht es jetzt? Darum, dass noch einmal ein Gutachten für einen Asylfolgeantrag erstellt wird. Die Forderung geht nicht weiter, als dass diese Familie so lange bleiben kann. Damit wird schon ganz klar gezeigt, um was
es beim Beistand von Kirchen geht: in ganz begrenzten, schwerwiegenden Einzelfällen für eine gewisse Zeit solchen Familien Schutz und Beistand zu gewähren. Um mehr geht es nicht. Da solche Töne anzuschlagen, wie Sie das tun, Herr Käs, zeigt, dass Ihnen jegliche Maßstäbe abhanden gekommen sind, sofern Sie überhaupt jemals welche hatten.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD sowie Abgeordneten der FDP/DVP und des Abg. Roland Schmid CDU)
Kirchenasyl als eine eigene Rechtsinstitution gibt es in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Die Kirche nimmt ein solches Recht auch nicht in Anspruch. Sie darf auch nicht den Anschein eines solchen Rechts erzeugen durch ein Verhalten, mit dem die Scheu staatlicher Organe vor dem Vollzug rechtmäßiger Maßnahmen in kirchlichen Räumen ausgenutzt werden soll. Ziel des Beistandes ist es vielmehr, für Zuflucht suchende Menschen in der Bundesrepublik Deutschland, nicht in der Kirche, die Gewährung des Asyls oder eines anderen Aufenthaltsrechts zum Schutz vor besonderer Bedrohung doch noch zu erwirken. Nur der Staat kann solchen ein Recht gewähren.
Ich glaube, dass die Kirchen damit ganz deutlich und unmissverständlich gesagt haben, dass es keine rechtsfreien Räume gibt, auch nicht in Kirchen, sondern dass sie in ganz ausgewählten Fällen Menschen helfen wollen. Es ist schon gesagt worden, dass das in 70 % der Fälle von so genanntem Kirchenasyl auch erfolgreich war. Kollege Schmid hat zu Recht noch einmal darauf hingewiesen, dass es wohl unvorstellbar ist, dass in unserem Gemeinwesen der Staat einfach Kirchen aufbricht und die Leute rausholt. Da kommt ein wichtiger Grundsatz zum Tragen, nämlich die Verhältnismäßigkeit der Mittel.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU und der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. König REP)
Durch das, was wir hier haben, wird nach unserer Ansicht nicht das staatliche Gewaltmonopol oder das alleinige Recht des Gesetzgebers, zu entscheiden, welche gesetzlichen Grundlagen wir hier haben, auch bei der Behandlung von Asylsuchenden, infrage gestellt, sondern es geht letztlich darum, dass dies „subsidiäre Handlungen von Gemeinden sind, durch die ein Versagen unseres Gemeinwesens gegenüber elementaren Menschenrechten im Einzelfall notdürftig und zeitlich befristet ausgeglichen werden soll“, wie es Landesbischof Huber gesagt hat.
Dass auch ein demokratisches Gemeinwesen im Einzelfall versagen kann, kann niemand bestreiten. In der Regel muss das eine Bürgerin und ein Bürger hinnehmen.
Aber dort, wo es um Leib und Leben geht, sind doch wohl noch einmal andere Maßstäbe angebracht als sonst im Allgemeinen.
Das heißt, in diesen Fällen geht es lediglich um eine humanitäre Vertiefung unserer Rechtsgrundsätze und nicht darum, sie infrage zu stellen.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD sowie Abgeordneten der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Deuschle REP)
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Diskussion über das so genannte Kirchenasyl ist im Kern eine Diskussion über Missverständnisse, die sowohl bei denen bestehen, die ein so genanntes Kirchenasyl bejahen, als auch bei denjenigen, die es strikt ablehnen.
Zunächst einmal ist festzustellen, dass es ein Kirchenasyl in einem demokratischen Rechtsstaat nicht gibt und auch nicht geben kann. Im Rechtsstaat setzt ausschließlich der Staat Recht. Das gilt auch für das Asylrecht. Einen rechtsfreien Raum darf es nicht geben.
Es ist deshalb ausgeschlossen, dass von gesellschaftlichen Gruppen oder Institutionen Sonderrechte gesetzt werden. Dies gilt auch dann, wenn der einzelne Bürger zu der Überzeugung gelangt ist, dass durch Gesetze Leib und Leben von Menschen in Gefahr sind.
Unbeschadet davon, meine Damen und Herren, besteht für den gläubigen Christen die Pflicht, Bedrängten Beistand zu leisten. Wenn es durch eine derartige Beistandsleistung zu einer Rechtsverletzung kommt, dann muss der einzelne Christ in seiner Rolle als Staatsbürger selbstverständlich die Verantwortung dafür übernehmen. Das heißt aber auch, dass er eine entsprechende Bestrafung akzeptieren müsste.
Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat im September 1994 zehn Thesen zum Thema Kirchenasyl beschlossen, in denen klargestellt wird, dass es auch aus der Sicht der Kirche ein so genanntes Kirchenasyl in der Bundesrepublik Deutschland nicht gibt. Kollege Kretschmann, Sie haben das zitiert. Ich wollte dieselbe These auch vorlesen, weil ich dies für sehr eindrucksvoll halte. Ich beziehe mich dann auf das Zitat, das Sie vorgelesen haben.
Ich hätte mir wirklich gewünscht, dass die Republikaner diese zehn Thesen einmal gelesen und vielleicht auch verstanden hätten;
denn dort wird sehr viel darüber geschrieben, wie das Kirchenasyl tatsächlich zu bewerten ist, welche Rolle der Staat hat und welche Rolle der einzelne Christ in einer solchen Situation hat. Vielleicht können sie das nachholen. Nachdem ich die Republikaner dazu schon in der letzten Legislaturperiode aufgefordert habe, habe ich allerdings keine Hoffnung mehr, dass sie diese Thesen jemals nachlesen; denn schon in der letzten Legislaturperiode haben wir mit der gleichen Tendenz über das gleiche Thema gesprochen. Das war identisch.
(Abg. Deuschle REP: In der nächsten vielleicht auch, wenn das Problem nicht gelöst ist! – Abg. Käs REP: Das werden wir noch öfter haben!)
Selbstverständlich dürfen vonseiten der staatlichen Organe mit Respekt vor der Kirche und nur mit Zustimmung des Kirchengemeinderats Zwangsmaßnahmen eingeleitet werden. Das Einvernehmen mit den Vertretern der Kirchen bei einer Räumung ist herzustellen, da ich davon ausgehe, dass sich die Verantwortlichen beider Konfessionen der Folgen ihrer Handlungen bewusst sind und Asylsuchenden wirklich nur in ganz besonderen Ausnahmefällen und nach eigener Überprüfung des Wahrheitsgehalts der Aussagen der Betroffenen Unterkunft in kirchlichen Räumen gewähren. Dies wird respektiert. Bei diesem Thema handelt unsere Landesregierung, meine ich, sensibel und verantwortungsbewusst.
Auf jeden Fall taugt dieses Thema nicht dazu, wie es die Republikaner wünschen, das Verhältnis von Kirche und Staat als Konflikt darzustellen
(Widerspruch bei den Republikanern – Abg. Deuschle REP: Oh, Herr Kollege! Immer nur die alte Platte! – Abg. Wilhelm REP: Alte Platte! – Unruhe)
Es reizt mich natürlich, jetzt zu verschiedenen Dingen etwas zu sagen. Ganz besonders reizt mich natürlich der Herr Kretschmann.