Zweitens: Es ist keine Beamtenregelung. Wenn es so wäre, dass diese Kommission den Eindruck hätte, hier werde im Ministerium politisch motiviert gearbeitet und nicht so, wie wir es nach unseren formalen Kriterien für wichtig halten, dann gäbe es nicht die ausdrückliche Bereitschaft und auch nicht den Wunsch, weiter zusammenzuarbeiten und weiter über Literaturunterricht im Gymnasium – ob getrennt oder zusammengelegt – zu entscheiden.
Mein Anliegen, mit dem ich hier noch mal ans Rednerpult gehe, ist: Teile der Debatte zeigen mir, wie es ist, wenn man einen Vorgang dahin bringt, wo man ihn haben will. Da gehört er nicht hin, da lasse ich ihn auch nicht hinschieben, sondern er bleibt, wo er hingehört: in der Schule!
(Beifall bei der CDU – Abg. Carla Bregenzer SPD: Er kommt gar nicht in die Schule! Sie haben ja verhindert, dass er in die Schule kommt! – Glocke des Präsidenten)
a) Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Qualitätsorientierte Einführung des Fremdsprachenunterrichts in der Grundschule – Drucksache 12/4725
b) Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Einführung des Fremdsprachenunterrichts an den Grundschulen; hier: Berücksichtigung schulischer und kommunaler Initiativen – Drucksache 12/5560
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung zu a und b fünf Minuten und für die Aussprache zu a und b fünf Minuten je Fraktion, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für ein positives Zusammenleben der Menschen in Europa ist es wichtig, dass junge Europäer künftig mehrere Fremdsprachen lernen. Der Schlüssel für die Mehrsprachigkeit ist dabei das frühe Fremdsprachenlernen in der Grundschule. Der frühe Fremdsprachenbeginn ist aber auch mit Blick auf die besonderen Lernfähigkeiten der Kinder im Grundschulalter ideal. Ihre Offenheit, ihre Bildsamkeit, ihre Sensibilität für Spracherwerb, auch für die Zweitsprache, ist seit langem bekannt.
Die gesellschaftliche Akzeptanz für die Einführung der Fremdsprache an der Grundschule ist groß. Bei Eltern, bei Kommunen, bei den Verbänden, bei der Wirtschaft, überall gibt es ungeteilte Zustimmung; denn über die kulturelle Bedeutung des Fremdsprachenlernens hinaus ist die Fremdsprachenkompetenz auch zu einer Schlüsselqualifikation geworden.
Trotz dieser geradezu einmaligen Voraussetzungen erleben wir derzeit in Baden-Württemberg das gleiche Fiasko wie bei fast allen bildungspolitischen Vorhaben unserer Kultusministerin: Ein schönes Konzept, aber die Umsetzung wird nicht im Dialog mit den Beteiligten erarbeitet, sondern findet hinter verschlossenen Ministeriumstüren statt. Folglich ist das Umsetzungskonzept unausgegoren und praxisuntauglich und führt im ganzen Land zu Recht zu Unruhe und Protest.
Seit der großspurigen Ankündigung des Ministerpräsidenten vor zweieinhalb Jahren, dass Fremdsprachen an der Grundschule flächendeckend eingeführt werden,
sind über zwei Jahre der Untätigkeit vergangen. Sie haben das Wichtigste, nämlich die umfassende Qualifizierung der Lehrkräfte, verschlafen. Jetzt bleibt nach den Weihnachtsferien – realistischerweise können Sie vorher gar nicht mehr richtig anfangen – nur noch ein halbes Jahr für eine systematische Weiterbildung der Lehrkräfte übrig, und dies in der Situation, dass Lehrkräfte gleichzeitig in diesem Schuljahr erstmals auch die verlässliche Grundschule garantieren müssen.
(Lachen bei Abgeordneten der CDU – Abg. Ingrid Blank CDU: Was ist denn das für ein Zusammen- hang? – Abg. Seimetz CDU: Oh Jammer, Jammer, Jammer!)
Zweitens: Mit aller Gewalt soll die Fiktion der flächendeckenden Einführung aufrechterhalten werden, obwohl Sie nur mit 15 % der Grundschulen, nämlich mit 400 von 2 500 beginnen.
Faktisch werden wir dadurch über Jahre sehr unterschiedliche Lernvoraussetzungen in den weiterführenden Schulen haben, denn wir werden dort in den fünften Klassen Kinder haben, die vier Jahre qualifizierten Englischunterricht hatten, Kinder, die einmal eine AG hatten, und Kinder, die überhaupt kein Fremdsprachenangebot hatten.
Die Vorstellung, die blieben doch in den Verbünden, ist doch eine reine Legende, denn es gibt ja auch so etwas wie Mobilität. Eltern ziehen auch in Baden-Württemberg mit ihren Kindern um.
Drittens: Es wird deshalb in Baden-Württemberg in den nächsten Jahren Kommunen und Schulen erster und zweiter Klasse geben. Die Kommunen und die Eltern lassen sich dies nicht gefallen. Das beweisen die vielen Briefe, die Sie
und auch wir derzeit bekommen. Die Eltern haben Recht: Es ist ein Angriff auf die Chancengleichheit von Kindern in unserem Bundesland, wenn es von einem Zufallsprinzip, nämlich vom Wohnort abhängt, ob in den nächsten Jahren ein Kind Fremdsprachenunterricht an der Grundschule bekommt oder nicht.
Der Städtetag verlangt in seiner Verzweiflung jetzt sogar – offensichtlich ist es Ihnen nicht gelungen, die Ressourcen für die flächendeckende Einführung der Fremdsprachen bereitzustellen –,
dass die flächendeckende Einführung der Fremdsprachen aus den Privatisierungserlösen finanziert wird. Aber mit Ihrem Stiftungsmodell geht das ja überhaupt nicht, und zwar wegen der Gemeinnützigkeitsklausel. Fremdsprachenunterricht, meine Damen und Herren, ist aber keine Wohltätig
Sie werden Ihrer Verpflichtung gegenüber Kindern, Eltern und Kommunen nicht gerecht, wenn Sie milliardenschwere Geschenke über das Land austeilen, aber Ihre Pflichtaufgaben im Bildungswesen nicht erfüllen.
Den Vorschlag, der jetzt von einigen Verbänden, aber auch von den Kollegen der SPD in dieser verfahrenen Situation gemacht wird, erst in den Klassen 3 und 4 zu beginnen, halten wir Grünen wiederum nicht für richtig. Das wäre eine Zwischenlösung, die große Probleme nach sich zöge, wenn man später ohnehin ab Klasse 1 Englischunterricht einführen möchte. Das würde weiterhin Unruhe stiften und Umsetzungsprobleme sowie weitere Lehrplanrevisionen mit sich bringen. Deshalb sind wir dafür, ab Klasse 1 zu beginnen.
Erstens: Alle Schulen, die ein Fremdsprachenangebot machen wollen, sollen die Stunden hierfür zugewiesen bekommen.
Zweitens: Alle Kommunen, die dies beantragen, müssen in die Pilotphase aufgenommen werden. Selbstverständlich muss die Pilotphase verkürzt werden.
Drittens: Auch wir Grünen verfolgen die Bilingualität, also das zweisprachige Lernen von Französisch und Deutsch, am Oberrhein. Aber wir können diese Bilingualität nicht gegen den Willen der Betroffenen als Zwangsmaßnahme von oben erreichen, sondern wir brauchen dazu positive Anreize. Herr Rau, wenn Sie sich so sehr für die flächendeckende Einführung von Französisch am Oberrhein verkämpfen, dann hätte ich mir von Ihnen den politischen Mut gewünscht, Französisch als erste Fremdsprache an der Grundschule flächendeckend für ganz Baden-Württemberg zu fordern. Das wäre konsequent gewesen und hätte Ihren politischen Mut bewiesen.
(Beifall bei Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Salo- mon Bündnis 90/Die Grünen)
Viertens: Selbstverständlich müssen jetzt große finanzielle und organisatorische Maßnahmen ergriffen werden, damit die Qualifizierung der Lehrkräfte schneller erfolgen kann. Wir fordern zusätzliche Vertretungslehrkräfte für eine Entlastung an den Grundschulen, wenn umfassende Weiterbildung durchgeführt wird.
Fünftens zum Gesamtkonzept: Da sind Sie uns eine Antwort schuldig geblieben. Es gibt bislang noch keine befriedigende Lösung für die Fortsetzung des Fremdsprachenunterrichts in den weiterführenden Schulen.
Für die Gymnasien haben Sie überhaupt nichts zu sagen, aber auch für die Hauptschüler ist die Lösung – zum Beispiel am Oberrhein –, vier Jahre an der Grundschule Französisch zu haben und hinterher Französisch in einer AG weiterzuführen und mit Englisch zu beginnen, absolut unbefriedigend. Hier fordern wir Sie auf, ein fundiertes Gesamtkonzept für Fremdsprachen auch für die weiterführenden Schulen zu entwickeln.
Ich komme zu einem weiteren Punkt. Sie berücksichtigen überhaupt nicht – das habe ich schon in der Vergangenheit angemahnt – die Sprachenvielfalt, die wir in Baden-Württemberg bereits haben. Wir haben Kinder aus verschiedenen Herkunftsländern, die bereits über eine große Sprachenvielfalt verfügen. Das ist doch eine Bereicherung für unser Bundesland.