Protokoll der Sitzung vom 26.10.2000

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Oettinger fragt: Was ist dabei, wenn wir jetzt planen und vorbereiten, wie wir das Geld aus dem hier beschlossenen Verkauf verwenden, einem Verkauf, der gegen unsere Stimmen erfolgt ist, und über eine Konstruktion, die wir immer für falsch gehalten haben? Aber Sie gehen einen Schritt weiter: Sie verteilen die Gelder bereits. In der heutigen Ausgabe der „Stuttgarter Zeitung“ steht ganz groß: „Stuttgart erhält 106 Millionen DM aus der Zukunftsoffensive“. Da steht nicht, das sei alles noch sehr fraglich, das sei alles noch nicht ganz sicher. Vielmehr heißt es dort, Stuttgart erhalte diese Mittel für seine Forschungsinstitute.

Dabei ist die entscheidende Frage – sie besteht, seitdem wir über dieses Thema diskutieren –: Fließen die Erlöse aus dem Verkauf der Landesanteile an der EnBW tatsächlich in dieser Höhe? Oder sagt der Wettbewerbskommissar in Brüssel: „Nein, so geht es nicht, wir machen Auflagen“ oder „Wir genehmigen nicht“?

(Abg. Kluck FDP/DVP: Aber wir können doch trotzdem verkaufen!)

Die Landesregierung hat zu Beginn dieser Diskussion gesagt, die Vorprüfung sei erfolgt, es gebe keinen Zweifel, die Genehmigung bestehe. Dann kommt erstaunlicherweise eine vertiefte Prüfung bis zum 15. Februar.

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Das ist aber auch nicht ungewöhnlich, Frau Kollegin!)

Auch diesbezüglich reagieren Landesregierung und CDU mit der Bemerkung: Gar nicht ungewöhnlich, kein Zweifel, Geld kommt. Das erstaunt schon ein bisschen, wenn man sich die Fakten wirklich anschaut.

Da gibt es eine EU-Richtlinie, nach der Unternehmen aus abgeschotteten Märkten – um einen solchen handelt es sich beim Strommarkt in Frankreich – keinen Zugang zu liberalisierten Märkten haben. Dann kommt die EdF, die als Staatsunternehmen kein Interesse daran hat, dass die Liberalisierung des Strommarkts in Frankreich wirklich durchgesetzt wird, auf die Idee: Wir kaufen uns in den liberalisierten deutschen Markt ein – quasi als Türöffner.

Meine Damen und Herren, in Brüssel sitzt ein Wettbewerbskommissar Monti, der sein Amt nach allen Regeln

sehr ernst nimmt. Wenn man dies weiß, muss man sich diese Vorbedingungen einmal auf der Zunge zergehen lassen. Dass Herr Monti sein Amt sehr ernst nimmt, heißt doch: Er nimmt die Richtlinien nicht nur nach ihren Buchstaben, sondern auch nach ihrem Geist ernst. Wenn er dies tut, wird diese Richtlinie schon zu ganz gewaltigen Einschnitten bei diesem Verkauf führen, wenn sich Frankreich nicht sehr schnell bewegt. Dafür gibt es im Moment aber keine Anzeichen.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: So ist es! Genau so ist es!)

Man kann jetzt in der Zeitung lesen, dass der Ministerpräsident zu seinen Aussagen – es bestehe gar kein Zweifel, es sei alles normal, es werde alles durchgehen – kommt, weil er so vertrauensselig war, sich auf Aussagen von Herrn Goll zu verlassen, und dass die erste Besprechung, die Vorprüfungen mit Brüssel von der EdF geführt worden sind. Dazu kann ich nur sagen: Man kann auch den Bock zum Gärtner machen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das, meine Damen und Herren, wäre aber nicht das Problem, wenn nicht auch schon die Früchte aus diesem Garten verteilt werden würden, bevor man nachgeschaut hat, ob der Bock den Garten denn tatsächlich noch bestellt hat oder ob alles verwüstet ist. Da wird das Ganze grotesk.

(Heiterkeit und Beifall beim Bündnis 90/Die Grü- nen und bei Abgeordneten der SPD)

Dabei hätte der gesunde Menschenverstand schon einiges klären können. Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Verhalten des französischen Staates, keine Öffnung zuzulassen, und der Genehmigung des Marktzugangs eines Staatsunternehmens. Dass das Probleme gibt und dass dies eine ernste Lage ist, wäre mit etwas Nachdenken schon klar geworden.

Wenn man sich auf seinen Verstand nicht mehr so richtig verlassen kann, genügt auch ein Telefonat mit der EUKommission. Wenn schon mir als einfacher Abgeordneter ein solches Telefonat Aufschluss über den Ernst der Lage gibt, müsste dies einem Ministerpräsidenten und seinen diversen Ministern doch erst recht möglich sein.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Der kann alles außer Französisch!)

Dort wird eindeutig gesagt, dass vor dem 15. Februar 2001 keinesfalls eine Entscheidung getroffen wird, dass es ernsthafte Einwendungen wegen der Wettbewerbsverzerrungen gibt und dass mit Auflagen zu rechnen ist.

Meine Damen und Herren, wenn sich ein Beamter erlauben würde, so zu arbeiten – und da kenne ich mich nun einmal aus –,

(Abg. Döpper CDU: Oh!)

dann würde man sagen: Der hat nicht sorgfältig gearbeitet. Ich kann nur sagen, der Herr Ministerpräsident hat seine Sorgfaltspflicht aufs Heftigste bei einer Entscheidung verletzt, die tatsächlich eine ganz wichtige und finanzpolitisch

zukunftweisende Entscheidung ist und die uns noch sehr viele Probleme machen wird.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD)

Auf weitere Aspekte werde ich in der zweiten Runde eingehen.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kiel.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema der Aktuellen Debatte heißt: „Die großzügige Verteilung nicht vorhandener Gelder aus der Landesstiftung durch die Landesregierung“. Man kann alle beruhigen. Dieses Thema suggeriert, das Geld sollte schon jetzt verteilt werden, obwohl es noch nicht da ist. Dies wird nicht geschehen; Herr Oettinger hat es schon gesagt.

(Abg. Marianne Erdrich-Sommer Bündnis 90/Die Grünen: Ihr habt es doch schon gemacht!)

Es ist aber sehr wohl der richtige Zeitpunkt, zu diskutieren, wofür es denn ausgegeben werden sollte, wenn es kommt, ob nun von der EdF oder von jemand anderem.

(Abg. Drexler SPD: Von Deutschland! – Zuruf des Abg. Dr. Puchta SPD)

Wenn wir das nicht rechtzeitig machen würden, würde die Opposition natürlich den Vorwurf erheben, man würde mauern

(Zuruf von der SPD: Nichts gegen unseren Frak- tionsvorsitzenden!)

und die Diskussion nicht ermöglichen.

(Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Ich halte es, gerade wenn es um eine Zukunftsoffensive geht, für richtig, sich in der Landesstiftung, an der die Opposition ja auch beteiligt ist,

(Zuruf von der SPD: Ja, ja!)

sehr frühzeitig genau zu überlegen, was man mit diesen 1,1 Milliarden DM denn sinnvollerweise machen sollte. Ich finde, das ist richtig.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Zweitens ist dazu zu sagen: Die Diskussion wird natürlich auch Fragen aufwerfen, zum Beispiel: Warum kann man aus diesen 1,1 Milliarden DM keine Gelder für den Denkmalschutz zur Verfügung stellen? Wenn man den Denkmalschutz stärker fördern wollte, um einmal dieses Beispiel zu nehmen, könnte man es aus diesen Mitteln nehmen oder im Haushalt größere Beträge dafür einsetzen, denn eines ist klar: Wer wissen will, wo er ist und wohin er geht, der muss wissen, woher er kommt.

(Zuruf von der SPD: Vor allen Dingen, wo er wohnt! – Abg. Drexler SPD: Vom Mond! – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Das war Plotin!)

Das hat auch mit Denkmalschutz in unseren Städten etwas zu tun, weil man nämlich nicht nur Neues bauen darf, sondern auch Bausubstanz erhalten muss.

Um noch einmal deutlich zu machen, wie wenig ehrlich die Diskussion ist, mache ich darauf aufmerksam, dass die SPD im Januar dieses Jahres im Finanzausschuss den ersten Vorschlag für die Verteilung dieser Gelder gemacht hat.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Rapp.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin schon etwas verwundert, wenn ich jetzt den Kollegen Kiel hier höre.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das wundert uns nicht!)

Vor viereinhalb Jahren, als er noch in der Opposition war, hätte er bei einem solchen Vorgang mit Sicherheit das HBMännchen des Landtags gespielt und hätte von unseriösem Verhalten der Landesregierung und allem Möglichen gesprochen. Ein solcher Sinneswandel ist wohl durch Regierungsbeteiligung möglich. Das hätte man vorher nie geglaubt.

(Beifall bei den Republikanern)

Die Landesregierung will jetzt – darüber müssen wir uns im Klaren sein – den letzten großen Privatisierungserlös über das Land streuen. Die EU-Wettbewerbshüter unterziehen den Verkauf des Landesanteils an der EnBW einer kartellrechtlichen Prüfung. Ich glaube, keiner kann absolut voraussagen, was dabei herauskommt. Man hat aber, wenn man in den letzten Wochen die Aussagen des Ministerpräsidenten und des Finanzministers verfolgt hat, das Gefühl, dass die Landesregierung davon ausgeht, es handle sich nur noch um eine Formalie und dann sei alles in Ordnung. Ich glaube nicht, dass das so ist, weil es einfach nicht sein kann, dass sich ein Monopolist des freien Markts bedient, aber der freie Markt sich des Monopolisten nicht bedienen darf. Das wird Prüfungen in Europa nach sich ziehen. Damit müssen Sie dann auch alle einverstanden sein. Sie wollten dieses Europa, und Sie haben jede nationale Souveränität abgegeben.

(Beifall bei den Republikanern)

Jetzt müssen Sie mit dem leben, was Sie in Maastricht und sonst wo angerichtet haben.

Aber es tauchen noch ganz andere Fragen auf, solange das Verfahren offen ist. Wie wir in den letzten Wochen mitbekommen haben, werden Kernkraftwerke besetzt. Diese sind nicht in der Lage, ihren Atommüll abzutransportieren. Möglicherweise müssen in Kürze Kernkraftwerke abgeschaltet werden. Da frage ich mich: Ist denn einem Käufer, der eine Beteiligung kauft, die Kernkraftwerke einschließt, diese noch den vollen Kaufpreis wert, wenn er weiß, dass er Anlagen, die er mit erwirbt, letzten Endes gar nicht nutzen kann, weil Rote und Grüne demonstrieren, wo sie nur demonstrieren können?