Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Haasis, ich verstehe nicht ganz, weshalb dieses Thema heute in einer Aktuellen Debatte behandelt werden soll.
(Abg. Renate Thon Bündnis 90/Die Grünen: Das verstehe ich auch nicht! – Abg. Haasis CDU: Der 30. November! – Abg. Haas CDU: Das verstehen Sie nie! Es ist immer das Gleiche!)
Wir haben auf der Ebene der Europäischen Union, soweit es um Fragen der Ausländerpolitik geht, bis jetzt noch das Einstimmigkeitsprinzip. Bei der heute noch gegebenen Situation, dass ein Mitglied der Europäischen Union die Beschlussfassung über das Inkrafttreten einer solchen Richtlinie wegen des Einstimmigkeitsprinzips verhindern kann, kann momentan überhaupt nichts anbrennen.
Das sagte Herr Innenminister Dr. Schäuble bei einer Plenardebatte im Landtag Ende Juni dieses Jahres. Das heißt, wir haben schon damals dieses Thema debattiert, übrigens fast alle in der gleichen Richtung. Das Thema eignet sich sicherlich nicht, um heute eine Aktuelle Debatte zu führen.
(Abg. Haasis CDU: Die SPD-Abgeordneten haben alle dafür gestimmt – und die Grünen! Das will ich einmal dazu sagen!)
Meine Damen und Herren, ich will unterstreichen: Vom Ansatz her ist die Intention der EU-Kommission wichtig und richtig, denn es handelt sich um einen ersten wichtigen Schritt zu einer europäischen Harmonisierung des Drittstaatenangehörigkeitsrechts. Mit der geplanten Richtlinie erkennt die EU das Recht von Angehörigen aus Drittstaaten auf Familienzusammenführung auch als Grundlage für ein Familienleben an.
Herr Kollege Mühlbeyer hat vorhin bei einer anderen Debatte ja auch gesagt – ich zitiere –: „Die Ehe und Familie sind Keimzelle unserer staatlichen Gemeinschaft.“
Ja, natürlich. Wenn Sie das aber sagen, dann müssen Sie auch sagen, dass dies vom Prinzip her natürlich auch für Menschen gilt, die aus Drittstaaten zu uns kommen.
Meine Damen, meine Herren, der EU ist außerdem beizupflichten, wenn sie eine energischere Integrationspolitik betreiben will.
Bei all diesen richtigen Ansätzen – das haben wir auch bei der letzten Debatte am 29. Juni hier geäußert – ist der neue Text, der jetzt vorgelegt wurde, für uns allerdings immer noch eine Enttäuschung, weil man auf die Vorstellungen der Mitgliedsstaaten und damit auch auf die Vorstellungen der Bundesrepublik leider nicht eingegangen ist. Ich habe damals bei der Debatte – deshalb ist das Thema überhaupt nicht geeignet, hier aktuell debattiert zu werden, Herr Kollege Haasis – auch schon erwähnt, dass es für uns unverzichtbar ist, bei der Zusammenführung darauf abzuheben, ob der Zusammenführende über einen Aufenthaltstitel verfügt, der ihm eine dauernde Aufenthaltsperspektive bietet, weil nur so verhindert werden kann, dass Personen, die die Mitgliedsstaaten in gewisser Zeit wieder verlassen, eine Familienzusammenführung geltend machen können. Ich habe auch darauf hingewiesen, dass wir den Vorschlag der
Kommission ablehnen, Verwandten in aufsteigender Linie und volljährigen Kindern einen Anspruch auf Familienzusammenführung zu gewähren, denn es kann kein Anspruch sein, sondern das müsste eine Ermessensentscheidung sein, die eingeräumt wird und die auch Einzelfallentscheidungen, insbesondere im Hinblick auf Härtefälle, erlaubt.
Noch ein Punkt, den ich auch wiederhole – so aktuell ist das Thema, Herr Haasis – und den das letzte Mal Ihr CDUKollege Schmid auch angesprochen hat: Wir haben gefordert, dass, bevor wir zu dieser Richtlinie konkret Stellung nehmen können, verlässliche Prognosen von der Bundesregierung erarbeitet werden, wie die Auswirkungen sein würden, wenn die EU-Richtlinie umgesetzt würde.
Dies alles waren unsere Forderungen. Nochmals: Wir müssen mit Enttäuschung feststellen, dass trotzdem
Lassen Sie mich die Gelegenheit nutzen, noch ein paar allgemeine Worte zur Migrationspolitik zu sagen. Meine Damen, meine Herren, seit 1993 liegt die Kompetenz für die Migrationspolitik bei der Europäischen Union. Es ist in der Vergangenheit viel zu wenig geschehen. Wir brauchen ein Gesamtkonzept, eine in sich schlüssige Gesamtlösung; denn es wird weiterhin Flucht und Wanderung auf der Welt geben. Deshalb nochmals unser Vorschlag: Wir brauchen eine gemeinsame europäische Entwicklungshilfepolitik, wir brauchen ein europaweit vereinheitlichtes Asylverfahren, wir brauchen ein gemeinsames Vorgehen bei Bürgerkriegs- und Katastrophenflüchtlingen, und wir brauchen eine europäisch harmonisierte Zuwanderungsgesetzgebung.
Ein letzter Punkt: Wir haben uns in der letzten Plenarwoche hier darauf geeinigt, die demokratischen Parteien zumindest, zunächst einmal die Ergebnisse der von Herrn Schily eingesetzten Zuwanderungskommission abzuwarten, die nächstes Jahr kommen werden, und uns dann über die künftige Migrationspolitik zu unterhalten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Tat haben wir vor etwa fünfeinhalb Monaten hier über dieses Thema gesprochen. Damals hatten die Reps die Debatte beantragt. Heute macht es die CDU. Sie macht es deswegen, weil sie mit der überarbeiteten Richtlinie immer noch nicht zufrieden ist.
Immerhin sind wir uns insofern einig, dass wir sagen: Es ist ganz wichtig, die aus den Sechzigerjahren stammenden Regelungen zur Familienzusammenführung aus der so genannten Gastarbeiterära zu überarbeiten. Das ist ja schon einmal ein Fortschritt.
Ich denke, wir können uns auch auf das berufen, was die beiden Kirchen in ihrem gemeinsamen Wort zu Migration und Flucht sagen. Sie fordern das nämlich ein und sagen – ich zitiere –:
Die mit dem Zuzug und dem Aufenthalt von Wanderarbeitnehmern und deren Familienangehörigen zusammenhängenden Fragen müssen zuvörderst unter den Gesichtspunkten von Menschenwürde, Arbeitsrechten, Familienschutz und Verhältnismäßigkeit gesehen und einer Lösung zugeführt werden.
Der im europäischen Recht garantierte Schutz des Familienlebens sollte auch der Familie von Drittstaatsangehörigen zugute kommen, damit Eheleute und Kinder in Europa einheitliche Grundlagen für die volle Entfaltung ihrer Persönlichkeit vorfinden.
Ich denke, es geht um diese Drittstaaten, und ich möchte im Wesentlichen darauf eingehen, was der CDU daran nicht gefällt. Es gab in Brüssel übrigens Zustimmung von Rot, Grün und Gelb. Deswegen habe ich mich auch etwas über die Ausführungen des Kollegen Heiler gewundert.
Die CDU begründet die von ihr beantragte Debatte vor allem mit dem erweiterten Familienbegriff, der ihr nicht gefällt. Sie verschweigt dabei aber einiges. Zum Beispiel geht es beim Familiennachzug von volljährigen Kindern um solche Kinder, die in ihrem Heimatland nicht unabhängig leben können. Das könnte zum Beispiel ein behindertes Kind sein.
Wenn es um Familienangehörige in aufsteigender Linie geht, betrifft das nur Leute, die ohne familiären Zusammenhang in ihrem Heimatland leben. Jetzt frage ich Sie als Partei, die so gerne für die Familie spricht: Was kann dagegen sprechen, ein Kind, das zwar volljährig, aber nicht in der Lage ist, unabhängig für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, zu den anderen Familienmitgliedern zu holen?
Was kann dagegen sprechen, die Oma, die vielleicht allein lebt, zur Familie nach Deutschland zu holen?
Außerdem gibt es Aussagen von Experten, wonach sich die Integrationsbereitschaft sogar verbessert, wenn die Familienangehörigen da sind. Das ist sogar wichtig, weil die Familien dann sagen: Wir haben unseren Lebensmittelpunkt hier gefunden. Wir werden hier bleiben. Unsere Kinder sind hier, und deswegen werden wir auch entsprechende Integrationsbemühungen angehen.
Der Familienbericht über die Lage ausländischer Familien zeigt übrigens, dass die Integration, obwohl es bisher überhaupt keine zielgerichtete Integrationspolitik gegeben hat, überwiegend gelungen ist. Ich denke, das ist eigentlich ein schönes Ergebnis.