Protokoll der Sitzung vom 24.10.2001

(Widerspruch bei der CDU – Zuruf des Abg. Drautz FDP/DVP)

Sie haben heute dem Parlament auch nicht erklärt, was Sie in Ihrer Abteilung verändern wollen, in dieser Abteilung, die nichts aufgedeckt hat. Das ist eine Bankrotterklärung der politischen Verantwortung.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Zuruf des Abg. Hauk CDU)

Verantwortung heißt, das zu übernehmen, was an Fehlern passiert. Wenn ein Lokführer ein Haltesignal überfährt und nichts passiert, wird er bei der Bundesbahn ein Jahr lang nicht mehr eingesetzt. In dem Moment, wo man bei dem Wort Verantwortung „politisch“ dazusetzt, ergibt sich genau das, was Sie heute gemacht haben: dann hat niemand mehr eine Verantwortung zu tragen; jeder war es, bloß die Politik nicht. Damit werden Sie die Glaubwürdigkeit der Aufsichtsbehörde nicht herstellen, Herr Minister.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Sie haben 57 Tage lang nichts gemacht; 57 Tage lang ist nichts veranlasst worden. Sie haben zu dem Zeitpunkt, zu dem Sie kritisch waren, nicht den Betreiber einbestellt. Sie haben im Übrigen auch nicht erklärt, warum Ihre Abteilung nicht entdeckt hat – liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist der absolute Hammer –, dass aufgrund der Meldungen der EnBW festgestellt wurde, dass beim Anfahren des Reaktors die Borflüssigkeit überhaupt nicht gemessen wurde. Sie wurde 14 Tage lang nicht gemessen. Das kann man aus der Meldung belegen. Wer das feststellt, muss sagen: Zu einem Betreiber, der einen Reaktor in Betrieb nimmt, der nicht betriebsfähig ist, fehlt das Vertrauensverhältnis. Warum haben Sie dazu nichts gesagt? Warum hat der Beamte nichts gesagt? Warum hat Herr Keil nichts gemacht? Warum haben Sie nichts gemacht, als Sie es gemerkt haben?

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Hauk CDU: Warum hat der BMU nichts gemacht? Wa- rum hat Trittin nichts gemacht?)

Ich sage noch einmal: Sie können ja jetzt – wie der Ministerpräsident – den Minister halten. Er wird nach dieser Geschichte politisch nicht lange überleben.

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Herr Schaufler hat drei Monate überlebt, Frau Staiblin sechs Monate. Das war heute das Beispiel einer nicht ausgeübten Atomaufsicht. Ich sage noch einmal, Herr Minister: Sie haben nichts gemacht. Sie sind auch nicht auf Hinweise eingegangen. Sie wissen genau: Hätten Sie nicht freiwillig abgeschaltet oder nicht mit dem Betreiber gesprochen, hätten Sie eine Anweisung dazu bekommen, die im Bundesumweltministerium schon schriftlich vorlag. Das haben Sie verschwiegen. Nur deswegen sind Sie überhaupt tätig geworden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Flei- scher CDU: Ein Headhunter besonderer Art!)

Das Wort erhält Herr Abg. Oettinger.

(Abg. Alfred Haas CDU: Dem schwachen Drexler würde ich nichts mehr antworten!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zur selben Zeit, nämlich um 14 Uhr, als der Antrag auf Entlassung und die anderen Anträge zu diesem Tagesordnungspunkt hier aufgerufen worden sind, hat der Bundesumweltminister in Berlin eine Pressekonferenz abgehalten, und zwar genau zu Folgerungen aus der Aktenentwicklung zu Philippsburg, exakt zu unserem Thema,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Muss er Sie das vorher fragen?)

das hier zu einem Entlassungsantrag führt und das die Atomaufsicht in Berlin ebenfalls parallel zu Stuttgart zu bewerten hat.

Sie halten dem Landesumweltminister vor, dass er die Atomaufsicht nicht ausübe. Die bundesministerielle Atomaufsicht hat aufgrund der Entwicklung in Philippsburg erstens – wie wir – Wert auf umfassende Aufklärung seitens der Betreiber und der Gutachter gelegt, hat zweitens – wie wir – darauf Wert gelegt, dass die Wiederinbetriebnahme von ganz konkreten Voraussetzungen, über die wir beraten haben, abhängt, hat aber drittens keinerlei Abschaltung weiterer Kernkraftwerke in Baden-Württemberg atomrechtlich für angemessen gehalten,

(Abg. Fleischer CDU: Hört, hört!)

im Gegensatz zu den Grünen im Landtag von Baden-Württemberg,

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Der Minister hat aber auch gesagt, sie sind unzuverlässig!)

und hat in der politischen Bewertung ebenfalls nichts ausgesagt, was dem Antrag der Fraktion der SPD entspricht.

(Abg. Drexler SPD: Das muss er auch nicht als Bundesminister!)

Ich kann nur sagen: Wer mit Maß und Ziel, wer objektiv und unvoreingenommen die Angelegenheit aufarbeiten will,

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Haben Sie Vertrauen zu den Betreibern oder nicht?)

hat in Minister Müller einen herausragenden Sachwalter, der unser aller Vertrauen verdient. Wer über das Ziel hinausschießen will, wer mit Ideologie und ohne Maß und Ziel an die Sache herangeht,

(Abg. Teßmer SPD: Ach, Ideologie!)

der findet sich im Grunde genommen im Antrag der Grünen und im Antrag der SPD wieder.

Wir unterstützen den Minister.

(Abg. Drexler SPD: Ist mir klar!)

Wir lehnen beide Anträge als unsachgemäß und als nicht auf der Grundlage des Atomrechts fundiert ab.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von der CDU: Un- sinnig! – Abg. Drexler SPD: Und machen weiter mit der Nichtaufsicht!)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Bevor wir zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung der Anträge kommen, erhält Herr Abg. Dr. Witzel das Wort zu einer persönlichen Erklärung.

(Abg. Alfred Haas CDU: Jetzt kommt die Ent- schuldigung! – Gegenruf des Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Jetzt macht mal langsam!)

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Da mir im Rahmen der Debatte die Möglichkeit zu einer Zwischenfrage nicht gegeben wurde, darf ich jetzt diese persönliche Erklärung abgeben.

(Abg. Oettinger CDU: Nein! Warum denn? Herr Präsident!)

Herr Oettinger warf mir vor, ich hätte Geheimnisse aus dem Ausschuss ausgeplaudert.

(Glocke des Präsidenten)

Einen Moment, Herr Abg. Witzel. – Herr Abg. Oettinger, ich kenne die Geschäftsordnung. Sie dürfen sich darüber im Klaren sein.

(Abg. Oettinger CDU: Ich bitte um Anwendung! Nicht nur Kenntnis, sondern Anwendung!)

Ich werde die Geschäftsordnung anwenden.

Herr Abg. Witzel muss erst einmal seine persönliche Erklärung abgeben, damit ich weiß, was er zu sagen gedenkt.

(Lachen bei der CDU – Abg. Fleischer CDU: Sie müssen einschreiten! – Abg. Teßmer SPD zur CDU: Ist er genannt worden oder nicht?)

Herr Oettinger, damit wir es juristisch richtig hinbekommen: Sie haben mich in der Debatte angegriffen.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Witzel, Sie haben noch nicht das Wort. Ich habe nur darauf gewartet, dass die Damen und Herren des Landtags auch zuhören.

Ich habe Herrn Abg. Witzel auf die möglichen Inhalte einer persönlichen Erklärung hingewiesen. Er hat dazu die Geschäftsordnung gelesen. Ich habe keine Veranlassung, daran zu zweifeln, dass er sich an die Geschäftsordnung hält.

Herr Abg. Witzel, Sie haben das Wort.

(Beifall bei der SPD – Abg. Teßmer SPD: Schlimm, dass man das so braucht!)

Herr Präsident, ich danke Ihnen dafür. – Herr Oettinger, Sie haben mir in Ihrem Beitrag vorgeworfen, ich hätte Geheimnisse aus der Ausschusssitzung des Umweltausschusses vom 11. Oktober dieses Jahres ausgeplaudert. Dazu darf ich feststellen: Erstens: In dieser Sitzung des Umweltausschusses