Protokoll der Sitzung vom 06.10.2005

(Zuruf der Abg. Christine Rudolf SPD)

Nein, das heißt ganz einfach, Frau Kollegin Rudolf, dass zu einem Zeitpunkt, an dem Menschen, die zuarbeiten und unterschiedliche Erwägungen auch schriftlich anstellen, ein Papier in der Öffentlichkeit gehandelt wurde, als ob es sich um eine Beschlussvorlage handle. Es gibt bisher nicht im Schulausschuss der KMK und schon gar nicht im Plenum der KMK eine Beschäftigung mit irgendeinem Papier dieser Art, und es gibt auch keine solche Vorlage, um sich dort damit zu beschäftigen. Gäbe es eine solche, würden wir von unseren Widerspruchsmöglichkeiten Gebrauch machen.

(Abg. Dr. Döring FDP/DVP: Sehr gut!)

Das Thema ist politisch vom Tisch.

(Beifall bei allen Fraktionen – Abg. Fleischer CDU: Sehr gut!)

Wir wissen, dass der Schulsport erwiesenermaßen einen wesentlichen Beitrag zur ganzheitlichen Bildung liefert, dass sowohl die körperliche als auch die geistige Entwicklung der Kinder und Jugendlichen davon beeinflusst wird und dass ebenso die Sozialkompetenz junger Menschen im Sport ganz erheblich gestärkt werden kann. Teamgeist, Fairplay, ehrenamtliches Engagement, Leistungsbereitschaft, Bereitschaft, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen, aber auch Niederlagen vernünftig einzuordnen und zu ertragen, all das kann gerade im Sport besonders gefördert werden. Deswegen ist für uns der Sport ein Unterrichtsfach, in dem wir nicht nur Bewegung fördern, sondern in dem auch Einstellungen, Haltungen, Schlüsselqualifikationen vermittelt werden.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig!)

Es ist ein vollwertiges Unterrichtsfach.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ja, es ist sogar mehr als nur ein vollwertiges Unterrichtsfach. Schon in einem früheren Lehrplan war zu lesen: Schulsport ist mehr als Sportunterricht.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

Den Schulsport erfassen wir mit vielen Elementen, die den Unterricht ergänzen. Der normale Sportunterricht wird durch außerunterrichtliche Angebote, durch AGs, durch Wettbewerbe angereichert und durch Konzepte, die wie im Fall der „Grundschulen mit sport- und bewegungserzieherischem Schwerpunkt“ eine ganze Schulart erfassen. Dieses Konzept „Grundschulen mit sport- und bewegungserzieherischem Schwerpunkt“ ist im Jahr 2004 mit dem Deutschen Präventionspreis ausgezeichnet worden. Das ist mit Sicherheit eine ganz herausragende Anerkennung des Konzepts: Bewegung, Spiel und Sport als Schulprogramm mit 200 Minuten in der Woche.

Liebe Frau Rastätter, Sie haben gesagt, Sie hätten gern die tägliche Sportstunde, und haben deshalb 500 Minuten ge

(Minister Rau)

fordert. Darf ich Sie daran erinnern, dass bei uns die Stunde immer noch 60 Minuten hat. Wir kämen auf 300 Minuten. Aber 500 wären fünfmal 100 Minuten, die 100-MinutenStunde.

(Abg. Zimmermann CDU: Bei 45 Minuten noch weniger!)

Da hat Herr Ministerialrat Weinmann gleich gesagt, dann wären seine Überstunden alle weg. Das hat doch auch was für sich.

(Heiterkeit)

Man sollte es nicht auf die Spitze treiben wollen vor lauter „noch mehr und noch mehr“. Dann kommt so was dabei heraus.

(Abg. Zimmermann CDU: Herr Minister, eine Schulstunde hat doch immer noch 45 Minuten!)

Das Modellprojekt „Grundschulen mit sport- und bewegungserzieherischem Schwerpunkt“ haben wir im Schuljahr 2001/2002 mit fünf Modellschulen gestartet. Dann haben wir es geöffnet und Bewerbungen zugelassen, und heute sind es bereits über 350 Grundschulen, die dieses Konzept umsetzen. Dazu kommt, dass wir auf der Ebene der Regierungsbezirke Multiplikatorenteams, Regionalteams eingesetzt haben, die weitere Grundschulen darauf vorbereiten helfen, dass dieses Konzept umgesetzt werden kann. Das Landesinstitut für Schulsport hat gemeinsam mit dem Landkreis Ludwigsburg ein Modell entwickelt und bereits zur Anwendung gebracht, wie wir hier zu einer flächendeckenden Umsetzung kommen können. Das ist unser erklärtes Ziel.

Im Rahmen der Schulsportoffensive wurden auch Kooperationen mit außerschulischen Partnern weiter ausgebaut. Zum Beispiel arbeiten wir mit den Turnerbünden des Landes an einer Weiterentwicklung der sport- und bewegungsfreundlichen Schule, nicht nur der Grundschule, unter dem Titel „Kinder, unsere Zukunft“.

Die Kooperation Schule/Verein ist seit 15 Jahren ein erfolgreicher Dauerbrenner der gemeinsamen Arbeit von Ehrenamt, nämlich Sportverein, und Schule. Wir haben mittlerweile jährlich 4 000 Kooperationsmaßnahmen bei 4 500 Schulen im Land in den verschiedenen Schularten, in denen Schule und Verein im Bereich des Sports zusammenarbeiten.

Da hinein passt natürlich hervorragend das vom Kollegen Döring zitierte LSV-Papier, das gestern der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Der Landessportverband – das finde ich sehr erfreulich – ist bereit, weitere Verantwortung für den Sport in der Schule und mit der Schule und gemeinsam zwischen Verein und Schule zu übernehmen. Das ist ein sehr gutes Angebot, auf das wir gerne eingehen. Wir werden uns nachher nach Ende dieser Sitzung mit den Sportpräsidenten zusammensetzen, um genau solche Dinge weiter zu besprechen. Sie sehen, der Boden dafür ist bei uns auch wirklich bereitet. Die Atmosphäre der Zusammenarbeit ist hervorragend.

Ich will in diesem Zusammenhang auf das Programm „Schülermentoren im Sport“ zu sprechen kommen. Seit Jah

ren bilden wir gemeinsam mit dem freien Sport junge Menschen, Schülerinnen und Schüler, aus, damit sie Verantwortung in Sport-AGs übernehmen können, auch in außerschulischen Angeboten, im Verein, und zusätzliche Sportangebote mit betreuen können. Inzwischen haben rund 10 000 Schülerinnen und Schüler eine solche Ausbildung, die in Seminarform durchgeführt wird, durchlaufen und entsprechende Fähigkeiten erworben. Das ist ein ganz hervorragendes Ergebnis dieses Schülermentorenprogramms. Da geht es nicht nur um Standardsportarten. 18 Sportarten sind inzwischen in diesem Ausbildungsprogramm vertreten. Das kann auch einen Beitrag dazu leisten, dass die Vielfalt des Sportunterrichts gestärkt werden kann.

Wir haben inzwischen in unserem Land rund 50 Schulen mit ausgesprochenen Sportprofilen. Das ist auch ein wesentlicher Beitrag dazu, dass aus diesen Schulen heraus Ideen in andere Schulen hinein multipliziert werden können.

Ich will das Thema „Leistungssport und Schule“ hier wenigstens kurz ansprechen. „Das Land hat seine Hausaufgaben in diesem Bereich erledigt. Nun muss der organisierte Sport nachziehen.“ Das haben nicht wir festgestellt, sondern der organisierte Sport für sich. Mit den Partnerschulen des Sports und den vom Deutschen Sportbund anerkannten Eliteschulen des Sports haben wir auch für den Leistungssportbereich eine Ausstattung geschaffen, die wirklich gut ist.

(Abg. Fleischer CDU: Exzellent!)

Exzellent, ruft der Kollege Fleischer dazwischen, der es aufgrund seiner Erfahrungen als Sportpräsident wissen muss. – Es ist auch für den Breitensport in der Schule wichtig, dass man sieht: Diejenigen, die die Fähigkeiten und die Bereitschaft haben, diese Leistung zu erbringen, können weiterkommen. Das wird durch die Schule nicht verhindert, sondern sinnvoll ergänzt.

Nun will ich aber auf die Sprint-Studie zu sprechen kommen. Sie ist in letzter Zeit viel durch die Medien gegangen. Frau Kollegin Rastätter, Sie haben ja bereits in Ihrem Beitrag gesagt, ich hätte das alles relativiert. Inzwischen wissen wir, dass ich allen Grund hatte, dies zu relativieren. Was durch die Presse gegangen ist, war die Kurzfassung der Sprint-Studie. Diese Kurzfassung hat die Überschrift produziert: Jede dritte bis vierte Sportstunde fällt bei uns aus. Das war ein deutscher Durchschnittswert. Inzwischen haben wir die Langstudie vorliegen, und wir haben in dieser Langstudie auch Werte für Baden-Württemberg, und wir haben in dieser Langstudie auch Aufklärung darüber erhalten, wie denn methodisch gearbeitet wurde, um zu diesen Ergebnissen zu kommen. Da muss ich mich nun schon fragen, ob wir uns von jeder Überschrift gleich aufs falsche Gleis ziehen lassen sollen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig!)

Ich will Ihnen deutlich machen, wie das zustande kam. Methodisch war das Vorgehen so, dass man einerseits die Schulleitungen befragt hat, was aufgrund des nachweisbaren Unterrichts an Sportunterricht gegeben wird und was nicht. Dann hat man eine Schülerbefragung durchgeführt. Dabei hat man aber nicht etwa gefragt, ob die Schüler wis

(Minister Rau)

sen, wie viel Sportunterricht bei ihnen tatsächlich gehalten worden ist oder nicht, sondern man hat die Schüler gefragt: Wie oft fehlte eure Sportlehrerin/euer Sportlehrer in diesem Schulhalbjahr? Es gab vier Antwortmöglichkeiten – Multiple Choice –: fast nie, manchmal, oft, fast immer. Aufgrund dieser Antworten hat man die konkreten statistischen Angaben der Schulleiter heruntergewichtet und ist dann zu dem Ergebnis gekommen, in Deutschland falle jede dritte bis vierte Schulsportstunde aus.

(Heiterkeit der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Das ist schon bis hierher unseriös. Jetzt will ich Ihnen noch die Werte des Landes Baden-Württemberg in Relation zu den Bundeswerten nennen.

(Abg. Christine Rudolf SPD: Gehen Sie davon aus, dass unsere Schüler und Schülerinnen falsche An- gaben machen?)

In der Grundschule haben wir bei einer Pflicht von drei Schulsportstunden eine nachgewiesene Zahl von 3,1 abgehaltenen Schulsportstunden. Das hängt mit der sport- und bewegungsfreundlichen Grundschule zusammen, wodurch wir eine Menge Schulen haben, bei denen das Sportangebot über die drei Stunden hinausreicht.

An den Hauptschulen fällt im bundesweiten Durchschnitt bei einem Wert von 2,2 etwas mehr als jede vierte Schulsportstunde aus. Nach der Statistik der Schulleiter fällt in Baden-Württemberg in Wirklichkeit jede 27. Schulsportstunde aus.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Hört, hört!)

An den Realschulen fällt bundesweit jede achte und bei uns in Baden-Württemberg jede 14. Schulsportstunde aus. Und an den Gymnasien fällt bundesweit jede dritte bis vierte Stunde aus, und in Baden-Württemberg fällt nach Angaben der Schulleiter jede 18. Stunde aus.

(Abg. Fleischer CDU: Hört, hört!)

Meine Damen und Herren, dieses Ergebnis von BadenWürttemberg kann sich sehen lassen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das ist die tatsächliche Grundlage, auf der wir zu diskutieren haben. Das heißt nicht, dass wir uns jetzt nicht mehr um den Sportunterricht kümmern.

(Abg. Fleischer CDU: Natürlich!)

Aber das heißt, dass wir allen Grund haben, uns von diesen Meldungen der Sprint-Studie abzusetzen und das bei dieser Gelegenheit auch öffentlich deutlich zu machen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zuruf der Abg. Christine Rudolf SPD)

Ich wollte diese Gelegenheit gerne nutzen, um Ihnen deutlich zu machen: Der Sportunterricht hat in der Bildungspolitik des Landes Baden-Württemberg einen hohen, einen unumstrittenen Stellenwert. Wir werden weiter an seiner kon

zeptionellen Fortentwicklung arbeiten, und wir nehmen gerade auf diesem Gebiet weiter jede Partnerschaft aus dem außerschulischen Bereich dankbar an.