zeptionellen Fortentwicklung arbeiten, und wir nehmen gerade auf diesem Gebiet weiter jede Partnerschaft aus dem außerschulischen Bereich dankbar an.
Große Anfrage der Fraktion GRÜNE und Antwort der Landesregierung – Jugendkriminalität und Jugendstrafrecht in Baden-Württemberg – Drucksache 13/2871
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, für das Schlusswort fünf Minuten.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben das Thema Jugendkriminalität relativ am Schluss der heutigen Tagesordnung stehen, und zwar auf der Grundlage einer Großen Anfrage, die wir vor mehr als einem Jahr eingebracht haben und die die Landesregierung vor gut einem Jahr beantwortet hat. Nichtsdestotrotz ist das Thema nach wie vor aktuell.
Ich darf mich vielleicht zunächst bei der Landesregierung für die umfassende Antwort bedanken und zwei oder drei Vorbemerkungen machen. Die Große Anfrage hatte das Ziel, eine Bestandsaufnahme zu machen. So ist sie auch strukturiert: Erstens: Stand der Jugendkriminalität in Baden-Württemberg. Zweitens: Das Konzept der Landesregierung, was sie gegen Jugendkriminalität in Baden-Württemberg unternehmen will. Drittens: Wie sieht es mit Präventivmaßnahmen aus, bzw. wie konkret sind die Konzepte der Landesregierung?
Zum ersten Punkt der Bestandsaufnahme, die jetzt natürlich auch noch ein Stück weit aktueller sein könnte, als sie vor einem Jahr war, darf ich resümieren: Insgesamt ist die Jugendkriminalität leicht rückläufig, aber die Gewaltkriminalität unter Jugendlichen nimmt zu. Das ist natürlich eine erschreckende Feststellung, und es wird nachher darauf einzugehen sein, wie wir darauf reagieren.
Im zweiten Teil geht es um die Reaktion auf Jugendkriminalität. Hier hat die Landesregierung, allen voran der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung, natürlich auch getragen durch die Äußerungen des Justizministers des Landes, doch sehr stark darauf abgehoben, nicht den Grundgedanken des Jugendgerichtsgesetzes in den Mittelpunkt zu stellen, der nämlich heißt: „Erziehung statt Strafe“, sondern die Landesregierung verfolgt eher das Konzept „Erziehung durch Strafe“. Wir sind der Auffassung, dass die drei Kriterien, die die Landesregierung nennt, um das zu erreichen, nämlich die Verschärfung des Jugendstrafrechts, der falsche Ansatz sind, um gegen Jugendkriminalität in Baden-Württemberg angehen zu können.
Der erste Ansatz der Landesregierung ist: Es soll in der Regel nicht, auch nicht nach der richterlichen Unabhängigkeit, nach Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht gemäß § 105 des Jugendgerichtsgesetzes verurteilt werden, sondern eigentlich soll auf die Heranwachsenden, also die 18- bis 21-Jährigen, generell das Erwachsenenstrafrecht Anwendung finden. Herr Kollege Stickelberger hat dankenswerterweise mit einem Antrag nachgehakt, inwieweit es mit der richterlichen Unabhängigkeit vereinbar ist, wenn die Landesregierung, allen voran der Justizminister, die Entscheidungsfreiheit der Richterinnen und Richter im Land angreift, indem sie sagt: Eigentlich muss viel mehr nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden.
Ich bin der Auffassung, Herr Justizminister, dass die Richterinnen und Richter des Landes in jedem Einzelfall sehr wohl konkret und kompetent entscheiden können, welches Strafrecht Anwendung finden muss, ob Jugendrecht oder Erwachsenenstrafrecht. Ich halte es nicht für angezeigt, dass Sie in die richterliche Entscheidung und Unabhängigkeit eingreifen. Das ist der falsche Weg.
Wir sind vielmehr der Auffassung, dass es bei den bisherigen Regelungen des § 105 bleiben soll. Das zeigen auch die Zahlen: ca. 50 % werden nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt, 50 % nach Jugendstrafrecht, in jedem Einzelfall von der Jugendrichterin oder dem Jugendrichter abgewogen. Darüber hinaus bietet das Jugendstrafrecht viel bessere Sanktionsmöglichkeiten als das Erwachsenenstrafrecht, einfach deswegen, weil die Fächerung der Sanktionsmöglichkeiten breiter ist und von Zuchtmitteln über Arreste bis hin zum Jugendstrafrecht alle Möglichkeiten vorsieht, was das Erwachsenenstrafrecht als Sanktionsmöglichkeit so nicht bietet. Deswegen lehnen wir diese von Ihnen geforderte Änderung, für die ja Bundesgesetz geändert werden müsste, ab.
Eine weitere Forderung, die Sie zur Verschärfung des Jugendstrafrechts einbringen, ist die Heraufsetzung der Jugendstrafe von 10 auf 15 Jahre. Auch diese Forderung lehnen wir ab. Wenn Sie Ihre Antwort auf die Große Anfrage anschauen, stellen Sie fest, dass sie empirisch gar nicht begründet ist. Sie teilen in der Stellungnahme mit, dass es nur wenige Fallzahlen gibt, wo bisher im Jugendstrafrecht die Höchststrafe von zehn Jahren verhängt worden ist. Hätten Sie diese Forderung durch entsprechende Nachweise belegen können, dass die Höchststrafe ständig und oft verhängt wird und deswegen schon gar nicht mehr ausreicht, dann
wäre das logisch und auch für einen Juristen, Herr Justizminister, nachvollziehbar. Aber das haben Sie gerade nicht getan. Sie haben gesagt, es sei empirisch gar nicht erfasst. Dann muss ich fragen, auf welcher Grundlage Ihre Forderungen basieren. Das scheint offensichtlich mehr der populistische Gedanke zu sein als empirische Untersuchungen.
Eine weitere Forderung, die Sie erheben, will ich noch kurz erwähnen. Sie sagen, es müsse ein Warnschussarrest eingeführt werden. Das würde bedeuten, dass man immer dann, wenn auf Bewährung verurteilt worden ist, erst noch einen Vorgeschmack bekommt, quasi eine Woche im Arrestvollzug. Ich kann Ihnen nur sagen, Herr Justizminister, das ist ein ganz unprobates Mittel, einfach deswegen, weil alle Untersuchungen und alle, die sich konkret mit dem Thema Jugendstrafrecht und Arrestvollzug befassen, belegen, dass Arrestvollzug mit einer Rückfallquote von 70 % sowieso kein adäquates Mittel ist und darüber hinaus Stigmatisierung stattfindet, dass ein Heraustrennen stattfindet aus Gemeinschaften, in denen die Jugendlichen leben. Auch insoweit ist das aus unserer Sicht kein Mittel, mit dem Sie die Anwendung des Jugendstrafrechts zurückführen können.
Kollege Herrmann, jetzt sage ich Ihnen noch eines – da können Sie auch den Kopf schütteln –: Wir haben gesagt, wir wollen mehr präventive Maßnahmen. Was hat die Landesregierung gemacht? Überall dort, wo sie präventiv tätig sein kann, hat sie gekürzt, zum Teil auf null. Ich nenne das Beispiel Schulsozialarbeit.
(Abg. Herrmann CDU: Das ist eine kommunale Aufgabe! – Gegenruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Das ist keine kommunale Aufgabe! – Zu- ruf der Abg. Ruth Weckenmann SPD)
Kollege Herrmann, jetzt können Sie auch den Kopf schütteln. Ich bin der Meinung: Im präventiven Bereich sind die Maßnahmen der Landesregierung gerade rückläufig. Sie setzt nicht dort an, wo nach unserer Auffassung der Schwerpunkt der Bekämpfung der Jugendkriminalität liegen muss,
nämlich im präventiven Bereich. Insoweit sagen wir: Erziehung statt Strafe. Das Jugendgerichtsgesetz bedarf keiner Änderung. Wir müssen uns um die Ursachen kümmern und müssen die Prävention in den Vordergrund stellen.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Jugendstrafrecht wurde mit der Großen Anfrage der Fraktion GRÜNE sehr umfassend beleuchtet und durch die Antwort der Landesregierung auch
Im Übrigen wissen Sie ja: Im Schwäbischen heißt es: „Nicht geschimpft ist genug gelobt.“ Insofern habe ich Ihnen sowie Ihren Kolleginnen und Kollegen ein hohes Lob ausgesprochen.
Das Phänomen der Jugendkriminalität ist ein Thema, mit dem wir uns immer wieder und auf Dauer beschäftigen müssen, ein Phänomen, das wir aufmerksam beobachten müssen.
Wenn man sich die Statistiken ansieht, stellt man fest, dass die Jugendkriminalität in den letzten Jahren besorgniserregend gestiegen ist. Das gilt vor allem für Körperverletzungen und Drogendelikte. Aber ganz besonders – überdurchschnittlich – ist die Steigerung der Kriminalität Jugendlicher bei den Rohheitsdelikten ausgefallen. Das ist ein Umstand, der bedenklich stimmen muss. Denn Kinder und Jugendliche sind offenkundig leichter als früher bereit, Gewalt als Mittel der Konfliktbewältigung einzusetzen. Einem Abgleiten junger Menschen muss der Nährboden entzogen werden.
Die Ursachen für die gestiegene Kriminalität sind in der Antwort der Landesregierung sehr umfassend dargelegt. Die Darlegungen zeigen: Es gibt nicht nur eine einzelne, einfache Antwort. Es handelt sich um gesellschaftliche Phänomene, gesellschaftliche Rahmenbedingungen, innerfamiliäre Gewalt und dergleichen mehr.
Gerade Kindern und Jugendlichen muss stärker eine gewaltfreie Konfliktbewältigung gelehrt und beigebracht werden.
Die Statistiken belegen aber auch, dass Baden-Württemberg im Bundesvergleich vorne liegt, was die innere Sicherheit betrifft, und auch mit die geringste Jugendkriminalität aufweist. Baden-Württemberg liegt im bundesweiten Vergleich noch im Rahmen – –