Protokoll der Sitzung vom 06.10.2005

Die Statistiken belegen aber auch, dass Baden-Württemberg im Bundesvergleich vorne liegt, was die innere Sicherheit betrifft, und auch mit die geringste Jugendkriminalität aufweist. Baden-Württemberg liegt im bundesweiten Vergleich noch im Rahmen – –

(Abg. Heinz CDU: Sehr gut! Das muss man den Grünen immer wieder sagen! – Zuruf des Abg. Oel- mayer GRÜNE)

Herr Kollege Oelmayer, es gibt ein Nord-Süd-Gefälle – das streiten zwar nicht Sie, aber andere, die hier weiter links sit

zen, immer wieder ab – auch im Bereich der inneren Sicherheit und der Jugendkriminalität.

Jetzt ist die Frage: Was tun wir in Baden-Württemberg dagegen? Sie sagen, wir würden einseitig auf repressive Maßnahmen setzen. Dies stimmt nicht. Wir setzen auch auf repressive Maßnahmen.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Im Wesentlichen!)

Wir setzen aber auch sehr stark auf präventive Maßnahmen.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Welche sind das?)

Ich will zu diesem Ansatz jetzt nur auf die Aktivitäten der Landesstiftung im Rahmen der Zukunftsoffensive III der Landesregierung verweisen.

(Abg. Heinz CDU: Sehr gut! – Abg. Oelmayer GRÜNE: Das sind zeitlich befristete Projekte! Und was passiert dann?)

Wenn Sie von zeitlich befristeten Projekten sprechen, dann verweise ich gleich auf das, was Sie vorhin ansprachen, nämlich die Jugendsozialarbeit. Bei der Jugendsozialarbeit – diese Maßnahme war in der Tat zeitlich limitiert – handelte es sich um eine Anstoßfinanzierung seitens des Landes für eine kommunale Aufgabe.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Das wird auf der kommunalen Seite mittlerweile auch ausgeführt.

(Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE)

Ich darf aus dem Bereich der Landesstiftung, aus dem Bereich der Zukunftsoffensive III der Landesregierung einfach nur ein Beispiel nennen: die Projekte im Bereich der Werteerziehung, der Konflikthandhabung, der Streitschlichtung und einiges mehr. Wir tun etwas, die Landesregierung tut etwas, und sie tut sehr viel im Bereich der Prävention. Aber die Prävention allein reicht nicht, und deswegen bedarf es eben auch der Instrumentarien – dies dürfte unstreitig sein – des Jugendstrafrechts und des Strafrechts.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Da ist unsere Position eine andere als die der Fraktion GRÜNE, zum Beispiel was die Anwendung des Jugendstrafrechts für Heranwachsende angeht. Für Heranwachsende, also erwachsene mündige Bürger im Alter von 18 bis 21 Jahren, kann im Ausnahmefall das Jugendstrafrecht Anwendung finden. Das wissen wir.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Genau!)

Tatsache ist aber, dass in einem erheblichen Umfang – nicht nur im Ausnahmefall, wie es das Gesetz will – bei Straftaten Heranwachsender das Jugendstrafrecht angewandt wird. Was wir wollen, hat nichts mit einem Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit zu tun, den Sie dem Herrn Justizminister vorgeworfen haben. Wir wollen, dass es bei diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis bleibt, dass der heranwachsende 18- bis 21-Jährige im Regelfall nach Erwachsenenstrafrecht bestraft wird.

(Beifall bei der CDU – Abg. Oelmayer GRÜNE: Das muss man doch im Einzelfall entscheiden kön- nen!)

Der Heranwachsende ist ein mündiger Bürger, hat Wahlrecht, darf Auto fahren. Für ihn müssen auch die gleichen Pflichten gelten.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Oelmayer GRÜNE: Haben Sie kein Vertrauen in die Richterinnen und Richter, dass die das richtig entscheiden? Das verstehe ich nicht!)

Alles andere ist lediglich ein Ausnahmefall.

(Beifall bei der CDU)

Insgesamt, meine Damen und Herren, ist die Bekämpfung des Abgleitens junger Menschen auf die schiefe Bahn eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Es ist nicht allein eine Aufgabe der Polizei. Da sind wir uns völlig einig. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie fängt im Elternhaus an, hört dort aber noch lange nicht auf. Es geht im Kern um die Vermittlung ganz einfacher Werte: Achte deinen Nächsten! Oder: So etwas tut man nicht!

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Weckenmann.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Blenke, Sie haben mich ein bisschen hilflos zurückgelassen. Was haben Sie eigentlich gesagt? Was wollten Sie zum Ausdruck bringen? Was tun wir jetzt für die Jugendlichen?

(Abg. Heinz CDU: Sie hätten halt aufpassen müs- sen! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Das hat er sel- ber nicht gewusst!)

Ich dachte, wir wären uns darin einig, dass wir eine beklagenswerte Zunahme der Jugendkriminalität haben, was uns alle zum Handeln zwingen sollte. Wir müssen uns intensiv damit auseinander setzen, was die Ursachen für diesen Anstieg sind. Vielleicht sind wir uns noch in diesem Punkt einig.

Ich schaue die Antwort der Landesregierung auf die Anfrage der Fraktion GRÜNE an, die richtige Erkenntnisse zusammenfasst: Jugendkriminalität wird begünstigt durch die Erfahrung innerfamiliärer Gewalt, durch gravierende soziale Benachteiligung, schlechte Zukunftschancen aufgrund niedrigen Bildungsniveaus, Integrationsprobleme und Gewalt in den Medien.

(Abg. Röhm CDU: Mangel an Grenzziehung!)

Ich wundere mich schon manchmal, wenn ich Sie immer höre, wenn Sie auf die Familie hinweisen. Aus diesen Familien, die diese Erziehung nicht leisten können, erwachsen die Jugendlichen, die zur Gewalt bereit sind. Da helfen uns Appelle nicht weiter. Denn offensichtlich konnten es diese

Eltern bei diesen Jugendlichen nicht leisten. Da müssen wir uns ein bisschen mehr einfallen lassen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Röhm CDU)

Ich habe den Revierleiter bei uns in Freiberg-Rot begleitet. Er hat zu mir gesagt: „Wissen Sie, Frau Weckenmann, da, wo wir Polizisten anfangen, da ist es zu spät. Bei den Jugendlichen, die Sie bei mir sehen, muss man früher anfangen.“

(Abg. Heinz CDU: Ja, richtig! – Beifall des Abg. Röhm CDU)

Also müssen wir uns mit der Prävention auseinander setzen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Zimmermann CDU – Abg. Zim- mermann CDU: Dann gehen Sie doch nicht zum Revierführer! – Unruhe)

Ach, seien Sie doch ruhig und hören Sie zu! – Die Landesregierung kann offensichtlich keine neuen Eltern backen.

Der Justizminister müsste angesichts dieser Zahlen vehement für den Ausbau von Präventionsmaßnahmen eintreten. Das wäre doch der vordringliche Weg.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Blenke CDU)

Jetzt auf einmal höre ich die Auseinandersetzung um die Jugendsozialarbeit. In seiner Antwort sagt der Minister noch, die Landesregierung tue etwas, und nennt im Bereich des Sozialministeriums die Jugendsozialarbeit als Aufgabe der Landesregierung. Jetzt haben Sie das abgeschafft, und dann sagen Sie nach der Abschaffung, dass das kommunal gemacht werden soll. Die Schulen aber sagen Ihnen, dass die Sozialarbeit Teil des Schulalltags ist. Sie schreiben in der Antwort zu Recht, es sei ein niederschwelliges, kriminalpräventives Angebot, das Kinder und Jugendliche im Vorfeld erreichen und stabilisieren könne. Fehlanzeige, Herr Minister! Sie, die Sie so laut bei allem schreien, haben mit zugestimmt, dass die Jugendsozialarbeit abgeschafft wird.

(Abg. Herrmann CDU: Aber in vielen Gemeinderä- ten ist sie trotzdem eingeführt worden! – Gegenruf von der SPD)

In viel zu wenigen, und Sie wissen das. Der flächendeckende Ausbau der Prävention – –

(Abg. Herrmann CDU: In Ludwigsburg gibt es deutlich mehr als noch vor fünf Jahren!)

Das reicht eben nicht aus. Ludwigsburg allein drückt die Jugendkriminalität im Land nicht herunter.

Wir brauchen einen Ausbau der Prävention, und zwar einen viel stringenteren.

(Beifall der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Er muss gekoppelt sein mit einem Jugendstrafrecht, das dazu beiträgt, den Einstieg von Jugendlichen in Kriminalitätskarrieren zu verhindern. Das muss unser größtes Anliegen sein. Wenn sie schon kriminell geworden sind, dann muss man sie herausholen.