Protokoll der Sitzung vom 06.10.2005

haupt marschieren will, wohin der Zug fahren soll. Es kann nicht sein, dass einzelne Städte, einzelne Teilregionen letztlich abgehängt werden. Vielmehr müssen wir daran arbeiten, eine gute Lösung zu erreichen.

Auf kommunaler Ebene sind die grenzüberschreitenden Bemühungen schon sehr unterschiedlich weit vorangeschritten. Der Eurodistrikt Region Freiburg/Centre et Sud Alsace arbeitet derzeit an einer Kooperationsvereinbarung. Im Länderdreieck Lörrach – Weil – Basel sind Bestrebungen sogar für einen trinationalen Eurodistrikt im Gang. Im Eurodistrikt Straßburg – Ortenau schließlich geht es zwar gut voran, aber auch dort gibt es noch Probleme, die gelöst werden müssen.

Für uns Grüne ist besonders wichtig, dass die Zusammenarbeit gerade auf kommunaler Ebene noch intensiviert wird, wenn wir das Prinzip, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und das Zusammenwachsen eben von unten erfolgen, tatsächlich umsetzen wollen.

Die bisher gemachten Vorschläge gemeinsamer Projekte beinhalten ein enormes Potenzial, so zum Beispiel im Bereich eines gemeinsamen Tourismus- und Standortmarketings. Da muss wirklich ein radikaler Perspektivenwechsel stattfinden. Hier gibt es ja nicht nur Chancen für einen grenzüberschreitenden größeren Pool an zum Teil auch bilingualen Arbeitskräften, sondern auch Forschungseinrichtungen und Zulieferbetriebe, die in der Region Ortenau und in der Region Straßburg allein nicht so stark werden können.

Für uns Grüne ist es allerdings noch wichtiger, dass die Bürger und Bürgerinnen stärker als in der Vergangenheit in die grenzüberschreitenden Projekte eingebunden werden. Die Zusammenarbeit und das Zusammenwachsen können nur funktionieren, wenn die Bürger und Bürgerinnen dazu wirklich bereit sind und das auch als ihr persönliches Anliegen sehen.

Damit sind wir bei dem zentralen Punkt der Bildung: Kindergarten, Schule, Hochschule, berufliche Bildung. Zu Recht hat die FDP/DVP-Fraktion ja gerade den Bereich der grenzüberschreitenden Bildung in den Mittelpunkt ihrer Großen Anfrage und ihres Antrags gestellt. Denn es kommt darauf an, dass Kinder und Jugendliche frühzeitig, von klein auf diesen Raum als eine gemeinsame Region definieren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU und der FDP/DVP)

Hierzu einige kritische Anmerkungen. Der neue Kultusminister Rau hat sich insbesondere hier ja auch für viele Projekte engagiert, unter anderem für Französisch in der Grundschule am Oberrhein.

Ich begrüße sehr das Europalehramt, das an den Pädagogischen Hochschulen Karlsruhe und Freiburg studiert werden kann. Ich frage mich allerdings, warum es die Ausbildung zum Europalehramt nur für angehende Grundschul-, Hauptschul- und Realschullehrkräfte gibt, nicht aber für angehende Gymnasiallehrkräfte. Haben es angehende Gymnasiallehrkräfte nicht auch nötig, bilingual ausgebildet zu werden, damit die Studien mit europäischen Studien verknüpft wer

den? Meiner Meinung nach besteht Handlungsbedarf in dem Sinn, das Europalehramt auch auf den gymnasialen Lehramtsstudiengang auszuweiten.

(Zuruf des Abg. Fleischer CDU)

Zweitens: Die Professionalisierung der Grundschullehrkräfte für Französisch in der Grundschule darf sich nicht auf die einmaligen 48 Kursstunden beschränken. Vielmehr muss diese Professionalisierung natürlich fortgesetzt werden, damit die Qualität des Grundschulfranzösisch im Laufe der Zeit immer mehr verbessert werden kann.

Drittens: Wichtig ist im Bereich der Bildung, dass Französisch in den beruflichen Schulen wesentlich stärker als heute angeboten wird und dass gerade im Bereich der beruflichen Bildung grenzüberschreitend Jugendliche ausgebildet werden können, dass es auch grenzüberschreitende Netzwerke der Ausbildung gibt.

Ich komme zum Schluss. Dieser trinationale Studiengang kommt nur sehr langsam in die Gänge. Wir brauchen höhere Zahlen von Absolventen.

Abschließend möchte ich sagen: Es ist sehr positiv, dass es schon sehr viele Schulpartnerschaften am Oberrhein gibt. Aber die müssen natürlich weiter ausgebaut werden. Im Grunde muss jede baden-württembergische Schule am Oberrhein eine Partnerschaft mit einer französischen Schule bekommen. Es entsteht dann eine gemeinsame Region, wenn Kinder und Jugendliche mit dem Bewusstsein aufwachsen, dass sie zusammengehören. Da gibt es sicher noch vieles, was verbessert werden kann.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich dem Herrn Minister des Staatsministeriums und für europäische Angelegenheiten Stächele.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Kollege Caroli hat mich zu Recht zitiert: An den Taten werden wir gemessen. Trotzdem muss man sich an den Begriffen, die eingeworfen werden, orientieren, die Begriffe erklären und mit dafür Sorge tragen, dass die Begriffe nicht Verwirrung stiften. Daran ist mir sehr gelegen, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Diskussion um die Europäische Metropolregion.

Wir wissen, worum es dabei geht. Das ist zunächst nichts anderes als ein deutscher Raumordnungsbegriff. Europäische Metropolregion ist ein Raumordnungsbegriff.

(Abg. Schmiedel SPD: Ein europäischer Raumord- nungsbegriff!)

Ein deutscher, nationaler Raumordnungsbegriff. Herr Schmiedel, glauben Sie mir, da weiß ich wirklich Bescheid.

Es geht nun darum, diesen Raumordnungsbegriff zu nutzen. Der Wirtschaftsminister hat sich in der Raumordnungskonferenz bemüht, zu dem, was jetzt positioniert ist – Rhein

(Minister Stächele)

Neckar-Bereich, Stuttgart –, den Oberrheinbereich mit aufzunehmen, zunächst einmal durch Anfügen. Jenseits des neuen Begriffs bestand und besteht, Frau Kollegin Rastätter, die europäische Modellregion am Oberrhein seit 10, 20, 30 Jahren. Das war immer schon unser Begriff: eine europäische Modellregion am Oberrhein.

(Zuruf der Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD)

Der Begriff „Modell“ ist deswegen berechtigt – das werden die Freunde hier aus dem Rhein-Neckar-Bereich und aus Stuttgart nicht bestreiten –, weil es die Region ist, die Modellcharakter durch die grenzüberschreitende Tätigkeit hat: Elsass, Baden, Nordschweiz. In der Diskussion draußen ist immer ganz wichtig, dass die Leute nicht das Gefühl haben, dass die Zusammenarbeit erst beginne. Zweitens dürfen sie nicht das Gefühl haben, dass jeden Tag ein neuer Begriff erfunden wird und sie am Schluss selber nicht mehr wissen, wo es langgeht.

Es begann auch nicht – Herr Kollege Theurer, gestatten Sie mir diese Anmerkung – mit dem FDP-Kontakt im Jahr 2004.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Das habe ich nicht be- hauptet!)

Nein, ich will nur sagen, dass davor schon viele andere Kontakte stattgefunden haben. Sie haben aufgenommen, was seit den Sechzigerjahren im badisch-elsässischen Gespräch von Rey aus Colmar und Pflimlin auf elsässischer Seite und Dr. Schäuble auf unserer Seite angedacht worden ist. Das war im Grunde eine Linie, die sich durchzieht. Man hat mit ständigem Bohren dicker Bretter versucht, daraus eine europäische Modellregion zu machen.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Kohl und Genscher wa- ren auch dabei! – Zuruf des Abg. Fischer SPD)

Die Voraussetzungen waren in den Sechziger- und Siebzigerjahren ganz anders als jetzt. Bis in die Achtziger- und Neunzigerjahre hinein war es ungleich schwerer, als es sich jetzt im Zuge der europäischen Integration bietet und wir es heute nutzen können.

In der Tat haben wir mit dem 22. Januar 2003 – 40. Jahrestag des Élysée-Vertrags – von ganz oben eine Bestätigung erfahren, dass das, was man sich unten als Weg der interkommunalen Zusammenarbeit vorstellt, genannt Eurodistrikt, richtig ist und dass man das von oben her, bisher zwar ohne Mittel, aber doch fürsorglich im Patronat begleiten wird.

Die Eurodistrikte muss man richtigerweise unter dieser Region ansiedeln. Wenn wir ehrlich sind, ist das eine tapfere Tat, die im Eurodistrikt in der Zusammenarbeit von Straßburg und der Ortenau mündet, mit langen Geburtswehen, wie wir wissen. Das war nicht immer einfach.

(Abg. Fleischer CDU: Öfter Steißlage!)

Ein wichtiger Punkt dieser Vereinbarung besteht darin, dass Straßburg immer mehr anerkennt, dass die Ortenau die Gespräche auf Augenhöhe führen möchte. Es ist gut, was sich da tut. Am 17. Oktober findet die Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung statt. Aber richtigerweise muss man zunächst einmal darauf hinweisen, dass diese Form der in

ternationalen Zusammenarbeit, die „Eurodistrikt“ genannt werden darf, im Raum Karlsruhe bereits besteht.

(Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: PAMINA!)

Das ist mit PAMINA vorbildlich. Und die Zusammenarbeit besteht

(Abg. Theurer FDP/DVP: Freiburg!)

ohne viel „Gedöns“ auch im Bereich Weil – Lörrach – Basel.

(Zuruf der Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD)

Meine Erkenntnis von dort ist, dass in Sachen konkreter Umsetzung beispielhaft für die anderen gearbeitet würde, die jetzt titularisch vielleicht vorne sind, aber in der praktischen Umsetzung noch nicht. Wenn es einen Wettstreit zwischen diesen drei Partnern gibt, den Raum Freiburg – Colmar nicht vergessend,

(Abg. Fleischer CDU: Dann ist es nur gut!)

dann kann uns das nur recht sein.

(Abg. Fleischer CDU: Dann kann es nur recht sein!)

Kollegin Rastätter hat angesprochen, was das Interessante an diesem Eurodistrikt ist. Der Begriff „Eurodistrikt“ ist vor 15 Jahren einmal von Wolfgang Schäuble genannt worden. Damals schwang noch ein bisschen die Vision mit: Eurodistrikt angelehnt an Washington D. C.

Was jetzt an diesem Eurodistrikt gut ist: Hier haben sich im Zuge der Diskussion unwahrscheinlich viele Bürgerinitiativen entwickelt. Da gibt es ein Bürgerforum Eurodistrikt, die Gründung eines Radios Eurodistrikt, Kultur-Eurodistrikt. All diese Dinge sind im Wege von Bürgerorganisationen im Entstehen. Das heißt, der Weg zum Eurodistrikt war schon ein gutes Stück dieser Erfolg versprechenden Arbeit. Deswegen ist es umso wichtiger, diese Bürgerinitiativen jetzt nicht zu enttäuschen.

In diesem Vertrag sind natürlich hehre Ziele vereinbart. Man kann darüber streiten, ob man einen Schritt weiter hätte gehen sollen oder gehen müssen. Ich sage Ihnen: Ich halte das jetzt als Zwischenetappe für durchaus erfolgreich und durchaus begrüßenswert. Aber es gibt weitere Ziele. Das ist keine Frage.

In dieser interkommunalen Zusammenarbeit sind gerade in jüngerer Zeit auch große Erfolge erzielt worden wie zum Beispiel die Landesgartenschau in Kehl und die MimramBrücke. Sie ist zwar noch nicht ganz bezahlt, aber zumindest steht sie und verbindet die beiden Rheinufer.

Was jetzt in dieser Vereinbarung steht und was für diesen Eurodistrikt Chancen sind: Man will natürlich im Umweltbereich noch mehr zusammenarbeiten. Das heißt nicht, dass wir jetzt plötzlich eine gemeinsame Umweltgesetzgebung speziell für diesen Raum machen können. Aber das heißt, dass zum Beispiel, wenn in Kehl eine Holzverbrennungsanlage entstehen soll, durch mangelnde Kommunikation nicht mehr Unordnung und nicht mehr Disharmonie entsteht, als