Protokoll der Sitzung vom 06.10.2005

(Abg. Göschel SPD: Nicht alle! – Abg. Stickelber- ger SPD: Warten wir es ab, ob auch Sie klüger sind! – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Sie nehmen jetzt das Vorrecht für sich in Anspruch, dass Sie 1991 schon gewusst hätten, wie jetzt alles gekommen ist, und natürlich einen ganz perfekten Vertrag gemacht hätten. Ich werde es mir auf Wiedervorlage legen, um in zehn Jahren zu schauen, was Sie in diesem Jahr gerechnet haben und was in zehn Jahren daraus geworden ist.

(Abg. Fischer SPD: Wollen Sie dann immer noch im Landtag sein? – Abg. Knapp SPD: Solange es keine Veränderungen im Wahlkreis gibt!)

Nein, aber ich hoffe, dass ich dann noch am Leben bin und noch rechnen kann.

Ein Grundproblem des damaligen Vertrags muss man unseren politischen Altvorderen wirklich negativ anlasten: Sie haben einen Vertrag geschlossen, bei dem die operative Geschäftsverantwortung und die Finanzverantwortung auseinander fallen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

So etwas sollte man nicht tun. Es zeigt sich jetzt, dass das fatal war.

(Abg. Knapp SPD: Wer hat denn 1991 in Bund und Land regiert?)

Keiner von uns, Sie nicht und ich nicht.

(Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Aber welche Partei, das wissen Sie vielleicht noch!)

Seien wir einmal vorsichtig. Es führt überhaupt nicht weiter, einen Schuldigen zu suchen. Wir müssen das Problem lösen.

(Abg. Knapp SPD: Bei der Problemlösung sind Sie dabei, aber schuldig sind Sie nicht?)

Dass das eine technische Sachlage war, die nicht einschätzbar war, darin sind wir uns auch einig.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Darf ich um mehr Ruhe bitten.

Ja, in der Ruhe liegt die Kraft. Ich will auch nicht viel sagen. Sie können sich jetzt also ruhig austoben.

Es war technisch absolutes Neuland und deshalb schwierig einzuschätzen. Das wissen Sie so gut wie ich.

Ich habe mir herausgesucht, was vielleicht auch von anderer Seite kam. Ich weiß nicht, wer jeweils dafür zuständig war. Es war jedenfalls sinnvoll. Ich meine zum Beispiel die Erhöhung des technischen und des personellen Aufwands für die Überwachung und die Kontrolle gemäß Behördenanforderung oder die Rückbauunterbrechung – das hat Frau Kollegin Netzhammer auch angesprochen – von eineinhalb Jahren. Wir haben das Theater mitbekommen. Das hat halt Geld gekostet.

(Abg. Knapp SPD: Aber keine Milliarde Euro!)

Inzwischen gab es eine Novellierung der Strahlenschutzverordnung; Sie wissen heute auch noch nicht, was für Gesetze in zwei Jahren beschlossen werden.

(Abg. Knapp SPD: Doch, weil wir sie mit beschlie- ßen werden!)

Man kann nur hoffen, dass sie in Zukunft wieder nach vorne und nicht nach rückwärts beschlossen werden.

Man hat sich zur Erhöhung der Sicherheit entschlossen, nicht zu transportieren, sondern vor Ort zu verglasen. Auch das hat Mehrkosten erfordert. Man hat eine umfassende Auslegung gegen Flugzeugabstürze und Erdbeben gemacht, was Sie vorhin in anderen Fällen gefordert haben. Das hat man da gemacht, und das werfen Sie uns jetzt vor. Man hat bedauerlicherweise auch für die Endlagerung ganz andere Kosten ansetzen müssen, weil das ein gewisser Herr in Berlin sehr lange hat liegen lassen und es deswegen immer teurer geworden ist.

Hinzu kommt noch die Projektlaufzeitverlängerung mit einer weiteren Erhöhung der Kosten.

(Zuruf des Abg. Fischer SPD)

Auch bei uns herrscht Zähneknirschen, weil auch wir das Geld nicht gerne ausgeben. Ich frage Sie aber allen Ernstes: Sollen wir die Anlage einfach liegen lassen? Das kann doch auch nicht in Ihrem Sinne sein. Wir müssen das Problem lösen. Deswegen bin ich froh, dass sich die Landesregierung darangemacht und eine neue Vereinbarung geschlossen hat, die eine zügigere und kostengünstigere Abwicklung und mehr Einflussnahme als bisher erlaubt.

(Abg. Knapp SPD: Da stimmen wir doch zu! Da machen wir doch mit!)

Deswegen sind wir damit einverstanden, dass etwas getan wird, dass man nicht einfach alles liegen lässt, wie es an anderen Stellen im Bund zurzeit passiert.

(Beifall bei der FDP/DVP und der Abg. Veronika Netzhammer CDU – Abg. Knapp SPD: Sie machen es echt so, dass Sie alles Schlechte wegschieben: „Wir bedauern es, aber wir sind nicht schuld. Wir haben damit nichts zu tun.“!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Witzel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die vorliegende Rahmenvereinbarung hat eine Vorgeschichte. Es geht ja bekanntlich um die WAK. Ich kann mich noch gut daran erinnern: In den Achtzigerjahren wurde mir auf einer Tagung, bei der es um die Vorstellung der Konzeption dieser Anlage ging, von den Betreibern versichert, die Anlage sei absolut vergleichbar mit einer normalen chemischen Fabrik. Alle Bedenken, die von Atomkraftgegnern vorgetragen wurden, wurden beiseite gewischt mit der Begründung, man habe alles im Griff.

Von uns Grünen wurde schon damals gesagt: Die Entsorgung und die Endlagerung von Atommüll sind ungelöst, und es wird teurer werden, als viele sich vorstellen. Dafür gibt es Belege, Frau Netzhammer.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Was haben Sie sieben Jahre lang dafür getan? Nichts! Das ist das Problem!)

Das, was wir heute erleben, ist eine Bestätigung nach dem Motto „Das dicke Ende kommt zum Schluss“. Die Kosten für Entsorgung und Abriss dieser kleinen Versuchsanlage – es ist ja nur eine Versuchsanlage – wurden ursprünglich auf 1,9 Milliarden DM, also 1 900 Millionen DM, geschätzt. Nach dem derzeitigen Stand betragen die Kosten 1,9 Milliarden €, 1 900 Millionen €. Ich sage das, damit wir die Zahlen einmal richtig vor Augen haben. Es sind also Mehrkosten von 930 Millionen € entstanden. Davon entfallen nach dem Finanzschlüssel allein 76 Millionen € direkt auf das Land. Wenn wir bedenken, dass der Bund sein Geld auch nicht vom Himmel bekommt, sondern von den Bundesländern und von den Steuerzahlern in den Ländern, dann müssen wir sagen: Von dem Anteil des Bundes von 854 Millionen € müssen indirekt irgendwie 85 Millionen € aus dem Land kommen. Das heißt also, unter dem Strich müssen die Steuerzahler in Baden-Württemberg allein für dieses Projekt zusätzlich etwa 150 bis 160 Millionen € hinblättern.

Meine Damen und Herren, wir müssen uns im Gegenzug auch einmal die Frage stellen: Was haben wir für den Ausbau der erneuerbaren Energien in den letzten Jahren getan, und was tun wir jetzt? Von dieser Landesregierung sind jetzt pro Jahr etwa 10 Millionen € hierfür bereitgestellt worden, und zwar über die Förderung der Holzenergie, über „Klimaschutz-Plus“ usw. Das alles ist ja beachtenswert. Es ist aber zu wenig.

(Zuruf des Abg. Hillebrand CDU)

Aber wenn jetzt 150 bis 160 Millionen € aus dem Land allein für den Abriss dieser Anlage kommen müssen, dann ist das mehr, als während meiner ganzen parlamentarischen Tätigkeit hier an Mitteln für erneuerbare Energien bewilligt wurde. Das ist doch irgendwo absurd, Frau Netzhammer.

Wir haben gestern über das Thema „Weg vom Öl“ debattiert. Frau Dr. Brenner hat dargestellt, was das Land hier alles tut. Aber wir stellen fest: Wir müssen in den nächsten zehn Jahren über das hinaus, was wir für die Strategie „Weg vom Öl“ tun, noch mehr hinlegen – allein um die Fol

gen dieser WAK finanziell in den Griff zu bekommen. Das zeigt, dass das Gerede von der angeblich so billigen Atomenergie Schnee von gestern ist.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das werden Sie von mir noch nie gehört haben, Herr Kollege!)

Jetzt sagen Sie, Frau Netzhammer, wir hätten behauptet, bei AKWs, bei den Atomkraftwerken, sei alles besser. Das stimmt nun wirklich nicht. Mir ist bewusst, dass die Wiederaufarbeitung dieser Atomsuppe ein besonders brisantes und auch teures Projekt ist. Normale Atomkraftwerke abzureißen und zu entsorgen wird möglicherweise billiger werden. Das ist klar. Aber ich prophezeie Ihnen: Auch beim Abriss von Atomkraftwerken und bei der Entsorgung von festem Atommüll wird es noch manch negative Überraschung und manche Kostenüberschreitung geben. Das steht für mich so fest wie das Amen in der Kirche.

Was ist nun zu tun? Wir werden als Erstes wieder kritisieren – wie meine Vorredner auch –, dass die Verträge damals schlecht ausgearbeitet wurden und dass die Finanzkontrolle und der operative Betrieb nicht in einer Hand waren.

(Abg. Rückert CDU: Stimmt!)

Ich kritisiere hier noch einmal, dass die Finanzbeteiligung der Industrie gedeckelt wurde, während der Anteil der öffentlichen Hand nach oben offen war. Das muss hier noch einmal kritisch gesagt werden. Es ist damals von Ihnen versäumt worden, das in die Verträge einzubringen.

Wir werden als Letztes jetzt dieser Rahmenvereinbarung zustimmen, weil es eine sinnvolle Sache ist, die Finanzverantwortung und das operative Geschäft in eine Hand zu legen, damit nicht noch weitere Kostensteigerungen auf uns zukommen, sondern damit wir die Prognose von 1,9 Milliarden €, die wir jetzt haben, hoffentlich als das letzte Wort ansehen können.

Insofern stimmen wir dieser Rahmenvereinbarung schweren Herzens zu.

(Beifall der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE und Knapp SPD – Abg. Veronika Netzhammer CDU: Sehr gut!)

Das Wort erteile ich Herrn Staatssekretär Dr. Mehrländer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dass das heutige Thema auch Veranlassung gibt, noch einmal in die Vergangenheit zu schauen und diese aufzuarbeiten, ist verständlich; das will ich auch einräumen. Aber es geht jetzt darum, dass wir eine dringende Sache auf den Weg bringen, die leider – das muss ich sagen – auch in Bezug auf ihre Kosten explodiert ist. Dafür gibt es Gründe, die bereits genannt worden sind, die ich aber trotzdem kurz wiederholen will.

Beim Rückbau sind neue technische Gebiete beschritten worden. Ich darf dabei auch an die Terroranschläge vom 11. September 2001 erinnern, die eine Anpassung der Anforderungen an die passive Sicherheit, wie zum Beispiel Nachberechnungen zur Flugzeugabsturzsicherheit, notwen

(Staatssekretär Dr. Mehrländer)