Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir alle kennen das Hauptproblem auf unseren Fernstraßen: Wir haben zu viele Autos, und wir haben zu wenig Straßen. Deswegen haben wir landauf, landab Staus und landauf, landab und jeden Tag großen Ärger.
was, glaube ich, unbestritten ist; und für mehr Straßen brauchen wir mehr Geld. Zur Sicherung der Mobilität unserer Bürgerinnen und Bürger verfolgen wir zwei Wege: Wir machen aus dem Gegebenen das Beste, wir optimieren die Kapazität unserer Straßen mit Verkehrssteuerung und durchdachtem Verkehrsmanagement – das ist das eine –, und wir bemühen uns – das ist das andere – um mehr Geld für neue Straßen. Wir suchen nach neuen Wegen, die Verkehrsinfrastruktur besser finanzieren zu können. Der Antrag der Fraktion der FDP/DVP zur Verkehrssteuerung und die Große Anfrage der Fraktion der FDP/DVP zur Verkehrswegefinanzierung verbinden diese beiden Punkte miteinander.
Zunächst einmal zu unseren Zielen zur Verkehrssteuerung: Die Leistungsfähigkeit vor allem der Fernstraßen muss gesteigert werden. Lösungen aus dem Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie, gemeinhin auch Telematik genannt, spielen dabei eine herausragende Rolle. Das ist aber keine neue Erkenntnis aus dem Jahr 2005, sondern seit Inkrafttreten des Generalverkehrsplans BadenWürttemberg 1995 hat unter der Überschrift „Integriertes Verkehrsmanagement“ die Landeskonzeption zum Einsatz von Telematik im Verkehr Bestand.
Wir konzentrieren unsere Aktivitäten bei der Anwendung und Weiterentwicklung der Telematik im Verkehr unter anderem auf den weiteren Ausbau technisch ausgereifter Telematiksysteme zur Beeinflussung des Straßenverkehrs und auf den Ausbau von landesweiten Verkehrsmanagementsystemen. Diese Zielsetzung war 1995 zukunftweisend und gilt auch heute noch.
Zehn Jahre, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, sind allerdings eine lange Zeit, und wir müssen feststellen, dass wir bei der Telematik im Straßenverkehr noch nicht so weit gekommen sind, wie wir uns das gewünscht hätten. Große Projekte wie der Neubau der Verkehrsrechnerzentrale Ludwigsburg scheiterten Ende der Neunzigerjahre daran, dass die ausführende Firma den damaligen neuen Herausforderungen nicht gewachsen war. Der finanzielle Schaden konnte zwar in Grenzen gehalten werden, aber wegen des Fehlens der zentralen Steuerungsfunktionen war lange Jahre der Neubau derjenigen weiteren Verkehrsbeeinflussungsmaßnahmen im Land blockiert, die beim Bund angemeldet waren. Im Vergleich zu anderen Ländern sind wir mit der Umsetzung von Verkehrsbeeinflussungsanlagen deshalb ins Hintertreffen geraten.
Der Nutzen der Verkehrsbeeinflussung auf den Straßen hinsichtlich Sicherheit, Zeitgewinn und Stauvermeidung ist unumstritten. Wie kommen wir aber künftig weiter? Wir haben jetzt erstmalig eine rechtliche Grundlage für das Straßenverkehrsmanagement gebildet. Wir haben den erforderlichen organisatorischen Rahmen geschaffen, und wir haben das Personal aufgestockt. Das mit dem Verwaltungsstruktur-Reformgesetz erneuerte Straßengesetz zentralisiert erstmals die Aufgaben des Straßenverkehrsmanagements. Die Landesstelle für Straßentechnik Baden-Württemberg hat zur Aufgabenwahrnehmung das Referat „Straßenverkehrszentrale Baden-Württemberg“ erhalten.
Hochwertiges Verkehrsmanagement erfordert Personal. In Zeiten notwendigen Personalabbaus konnten wir die vorhandenen 12 Stellen auf 19 Stellen aufstocken. Sieben neue
qualifizierte Fachkräfte wurden in den letzten zwei Monaten eingestellt. Die Straßenverkehrszentrale Baden-Württemberg soll künftig landeseinheitlich die Planung und Steuerung der Verkehrsbeeinflussungsanlagen an den Fernstraßen übernehmen. Sie betreibt auch die Verkehrsrechnerzentrale des Bundes zur Überwachung der Verkehrsbeeinflussungsanlagen und den Neubau der Verkehrsrechnerzentrale des Bundes. Dieses Projekt wird aus heutiger Sicht bis Mitte 2008 abgeschlossen sein. Das ist besonders wichtig, da die neue Verkehrsrechnerzentrale den Kern aller künftigen Verkehrsbeeinflussungsanlagen und Verkehrsmanagementeinrichtungen darstellt.
Wir sind nunmehr so optimistisch, dass wir bei der aktuellen Fortschreibung des „Programms für Verkehrsbeeinflussungsanlagen an Bundesautobahnen 2005 bis 2010“ Maßnahmen in fast fünffachem Umfang gegenüber bisher angemeldet haben. Sie haben vorhin auf Rheinland-Pfalz und auf Bayern mit Größenordnungen von 10 oder über 10 Millionen € verwiesen. Das war bisher auch unsere Größenordnung. Aber die neu beantragten Projekte umfassen immerhin über 50 Millionen €. Das ist doch ein deutlicher Sprung nach vorn, wenn wir die technischen und die personellen Voraussetzungen haben, wie wir sie jetzt momentan organisieren und einrichten.
Wir beschränken uns aber nicht nur auf den Ausbau und die Optimierung von Verkehrsbeeinflussungsanlagen. Wir sind auch tätig bei der Zusammenführung von Arbeitsfeldern des Bundes, des Landes und der Kommunen. – Da wir gerade bei den Kommunen sind: Wir sollten genau hinschauen, wer für was verantwortlich ist und wer vor allem für die angekündigten, die angestrebten Maßnahmen im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft zuständig ist. Bei den Projekten, die momentan öffentlich kritisch thematisiert werden, ist das vor allem und fast ausschließlich die Landeshauptstadt selbst.
Es geht um die Zusammenführung von Bund, Land, Kommunen, der Wirtschaft und der Wissenschaft. Den Autofahrer interessieren Zuständigkeitsgrenzen überhaupt nicht. Daher verstehen wir unter Verkehrsmanagement auch die Zusammenarbeit unterschiedlicher Körperschaften bei der Abwicklung oder Optimierung des Verkehrs, damit keine Brüche im Verkehrsfluss entstehen.
Die Straßenverkehrszentrale wird über entsprechende gemeinsame Steuerungsstrategien verhandeln und diese dann vereinbaren. Konkret betrifft dies die Kooperation mit der Integrierten Verkehrsleitzentrale der Landeshauptstadt und mit der neuen Landesmesse beim Flughafen, durch die auch benachbarte Autobahnen betroffen sind.
Mit der Wirtschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen, besteht seit langem Einvernehmen, dass alle Geschäftsfelder, die über die allgemeine kollektive Verkehrsbeeinflussung hinausgehen, der gewerblichen Nutzung vorbehalten bleiben sollten. Das Land betrachtet Verkehrsinformationsdienste zuvörderst als Aufgabe der Privatwirtschaft. Allerdings wollen wir die Wirtschaft auch nicht alleine stehen lassen. In öffentlich-privater Zusammenarbeit unterstützen
wir zum Beispiel mit dem Projekt „Mobilitätsinformationsnetz“ oder kurz „MOBIN Baden-Württemberg“ die Schaffung des Marktes für Verkehrsinformationen und beteiligen uns mit dem neuen Pilotprojekt „Datenoptimierung für integrierte Telematik“ an innovativen Forschungs- und Entwicklungsprojekten mit Wirtschaft und Wissenschaft.
Ich halte fest, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen: Das Land hat sich zur Ausweitung des Straßenverkehrsmanagements mithilfe der Telematik ehrgeizige Ziele für die nächsten Jahre gesetzt. Wir wollen künftig den Verkehr im vorhandenen Fernstraßennetz mithilfe von Verkehrsbeeinflussungsanlagen optimal, sicher und mit weniger Staus führen. Wir wollen auch im Verkehr den informierten Bürger und unterstützen Verkehrsinformation, wo es nur geht. Wir wollen im Interesse der Wirtschaft den Verkehr berechenbar machen, wie es die Just-in-time-Produktion einfach verlangt.
Wir wollen in Zusammenarbeit mit dem Bund, den Ländern, den Kommunen, der Wirtschaft und der Wissenschaft ein Verkehrsmanagement aus einem Guss und auf neuestem technologischem Stand. Das wollen wir im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger als Verkehrsteilnehmer wie auch im Interesse unserer Wirtschaft und des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg.
Bei allem Optimismus in Bezug auf den Einsatz von Telematik, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, gilt aber: Verkehrslenkung und Verkehrsmanagement beseitigen nicht unsere strukturellen Probleme. Sie entheben uns nicht der Aufgabe, das Straßennetz dort auszubauen, wo es zwingend erforderlich ist. Das ist in Baden-Württemberg an vielen Stellen, auf vielen Strecken dringendst erforderlich.
Damit bin ich bei der sehr grundsätzlichen Thematik der Großen Anfrage zur Verkehrswegefinanzierung. Verkehrspolitik ist Standortpolitik. Eine unzureichende Verkehrsinfrastruktur mit kilometerlangen Staus ist wachstums- und beschäftigungsfeindlich.
Wir brauchen eine ausreichende und verlässliche Finanzierung unserer Verkehrswege. Wir müssen heute jedoch konstatieren, dass der Bundeshaushalt die Bundesverkehrswege immer weniger finanzieren kann. Die Mittel, die die Erhaltung des Straßen- und Schienennetzes verschlingen, sind gestiegen und müssen weiter steigen. Dies schränkt den Spielraum für Ausbau- und Neubaumaßnahmen ein.
Was bringen uns die nächsten Jahre? Die Berliner Koalitionsvereinbarung vom 11. November enthält die Kernbotschaft, dass – ich zitiere – „die Verkehrsinvestitionen deutlich erhöht und auf hohem Niveau verstetigt werden“.
(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Und für den öffentli- chen Verkehr deutlich reduziert werden! – Gegen- ruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)
Es gibt dazu keinen Beschluss. Sie kennen die Position des Landes dazu, die klipp und klar und eindeutig ist. Sie wissen, dass auch der Bundesrat bei dieser Frage ein entscheidendes Wort mitzureden hat.
(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Wir hoffen auf Ihr Rückgrat! – Abg. Göschel SPD: Wir hoffen, dass Sie stark bleiben!)
Da sollten wir nicht gegeneinander argumentieren, sondern miteinander unseren optimierten öffentlichen Nahverkehr erhalten.
Ich zitiere weiter aus der Koalitionsvereinbarung: „Das Volumen soll in der kommenden Legislaturperiode um 4,3 Milliarden € steigen.“
Diese Aussagen der Koalition begrüßen wir natürlich nachdrücklich. Wir sind gespannt, wie sich in der haushaltsmäßigen Umsetzung die tatsächlichen Ansätze in den nächsten Jahren entwickeln werden. Eines gilt aber schon heute als sicher: Gelöst sind die Finanzierungsprobleme der Bundesverkehrswege dadurch keineswegs;
denn es handelt es sich um grundsätzliche Probleme. Verkehrsprojekte haben einen langen Vorlauf von vielen Jahren. Sie brauchen nicht nur einen ausreichenden, sondern auch einen stetigen und verlässlichen Mittelfluss. Die Erfahrungen über viele Jahre und über unterschiedliche Regierungen hinweg zeigen: Über die Haushaltsfinanzierung kann weder der notwendige Finanzierungsbedarf gedeckt noch die erforderliche Verlässlichkeit sichergestellt werden.
Deshalb müssen wir bereit sein, auch neue Wege zu gehen. Bei den Bundesfernstraßen benötigen wir eine Umstellung von der Steuerfinanzierung auf eine Nutzerfinanzierung.
Bei Schiene und Wasserstraße ist derzeit eine Nutzerfinanzierung durch Trasseneinnahmen bzw. Schifffahrtsabgaben nur teilweise möglich. Wenn jedoch bei den Bundesfernstraßen eine Nutzerfinanzierung gelingt, dann können die Bundeshaushaltsmittel auf diese Verkehrsträger konzentriert werden.
Wie stellen wir uns die Weiterentwicklung der Nutzerfinanzierung vor? Die Lkw-Maut war ein Schritt in die richtige Richtung. Wir warten einmal ab, was uns Europa in der Frage der Absenkung der Tonnenbemessung von 12 auf 7,5 Tonnen weiter ermöglicht. Allerdings kann man die sichere Voraussage treffen, dass wir dann natürlich noch wesentlich mehr Verdrängungs- und Verlagerungsverkehr als heute haben werden, was bereits landauf, landab beklagt wird.
Eine zukunftsorientierte Verkehrspolitik kann bei der Erhebung einer Lkw-Maut allein nicht stehen bleiben. Deshalb haben wir die Diskussion in den Gremien der Verkehrsministerkonferenz angestoßen. Das hat Baden-Württemberg getan; das hat Ulrich Müller immer wieder getan; das hat Stefan Mappus getan. Das war – das muss man heute auch feststellen – zwar eine Momentanentscheidung, die von
manchen Zufälligkeiten beeinflusst war. Aber wir haben zunehmend Unterstützung und Bündnispartner gefunden.
Auch durch die damals anstehende Wahl beeinflusst; das gebe ich durchaus zu, lieber Kollege Palmer. – Wir sind mit folgenden Zielen vorgestoßen:
Erstens: Die Einnahmen aus der Lkw-Maut sollen zweckgebunden und ungeschmälert einer neuen Fernstraßenfinanzierungsgesellschaft zugewiesen werden. Damit würde der Umweg über den Bundeshaushalt entfallen.
Zweitens: Diese Gesellschaft sollte in begrenztem Umfang die Möglichkeit haben, Kredite aufzunehmen, um auf den schwankenden Finanzierungsbedarf reagieren zu können, weil Straßenbaumaßnahmen ja über Jahre hinweg angelegt sind.
Drittens: Die derzeit im Bundesfernstraßenbau geplanten Betreibermodelle – so genannte A-Modelle und F-Modelle – sollen zügig fortgeführt werden. Wir haben ja im Moment bei uns im Land zwei Projekte, ein A-Projekt und ein F-Projekt, in der Planung und sind zuversichtlich, dass wir schon 2007 mit dem Bau beginnen können.
Viertens: Wir schlagen außerdem vor, die Einführung einer Autobahnvignette für leichte Lkws und für Pkws wirklich ernsthaft zu prüfen. Zur Kompensation könnte die Mineralölsteuer gesenkt werden. Ich gebe zu, dass „Rechnung und Gegenrechnung“ ein schwieriges Feld ist. Aber man sollte sich zumindest ernsthaft bemühen, zu prüfen, ob da andere Regelungen möglich sind, als wir sie heute haben, auch unter Einbeziehung des Tanktourismus und der Tatsache, dass ausländische Fahrzeuge, soweit es irgendwie geht, nicht mehr bei uns tanken, aber kostenlos unser Straßennetz mitbenutzen.