Protokoll der Sitzung vom 30.11.2005

Viertens: Wir schlagen außerdem vor, die Einführung einer Autobahnvignette für leichte Lkws und für Pkws wirklich ernsthaft zu prüfen. Zur Kompensation könnte die Mineralölsteuer gesenkt werden. Ich gebe zu, dass „Rechnung und Gegenrechnung“ ein schwieriges Feld ist. Aber man sollte sich zumindest ernsthaft bemühen, zu prüfen, ob da andere Regelungen möglich sind, als wir sie heute haben, auch unter Einbeziehung des Tanktourismus und der Tatsache, dass ausländische Fahrzeuge, soweit es irgendwie geht, nicht mehr bei uns tanken, aber kostenlos unser Straßennetz mitbenutzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Es hilft auch nicht weiter, lieber Herr Palmer, eine Gegenrechnung aufzumachen und zu sagen, dass das Aufkommen aus einer Vignette oder einer Maut für ausländische Pkws gerade einmal die Verwaltungskosten für das ganze hierfür notwendige System decke. Auch wenn dies wohl stimmt, so sind doch immerhin die Verwaltungskosten gedeckt. Bei der Lkw-Maut nehmen wir rund 3 Milliarden € ein und brauchen eine halbe Milliarde für die Deckung der Verwaltungskosten. Die ausländischen Lkws tragen ihren Teil dazu bei. Warum nicht das Gleiche bei den Pkws? Die Verwaltungskosten müssen von jemandem bezahlt werden. Ich glaube nicht, dass es gerecht ist, zu sagen: Die ausländischen Fahrzeuge finanzieren die Verwaltung, und die inländischen zahlen dann eigentlich die Zeche. Ich glaube, so können wir die Dinge hier nicht auseinander dividieren.

Lieber Herr Präsident, ich glaube, Herr Palmer will eine Zwischenfrage stellen.

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Palmer?

Bitte, Herr Palmer.

Herr Staatssekretär, würden Sie mir dennoch darin zustimmen, dass die ausländischen Fahrer, wenn die von mir zitierte Rechnung richtig ist, keinen Beitrag liefern, um Steuerausfälle zu kompensieren? Wenn Sie die Einnahmen, die bisher beim Bund an Steuern eingegangen sind, durch eine Absenkung der Mineralölsteuer streichen und das Ganze belastungsneutral gestalten wollen, dann können die ausländischen Fahrer jedenfalls dieses Loch nicht schließen. Ist diese Rechnung richtig?

Eigentlich habe ich das ja schon beantwortet und gesagt, dass man das Thema der Gegenfinanzierung und damit des Ausgleichs im Haushalt näher betrachten und anschauen muss. Es ist eine zu einfache Rechnung, zu sagen: Wir verlangen jetzt von ausländischen Fahrzeugen eine Maut, und damit haben wir das Steuerloch im Haushalt aufgrund von Mineralölsteuersenkung oder Kfz-Steuersenkung oder -abschaffung wieder gefüllt. Das halte ich für zu einfach. Ich halte es aber für notwendig, mit der Einführung einer nutzerorientierten Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur auch über Entlastungsmöglichkeiten nachzudenken. Denn das Autofahren ist bei uns im europäischen Vergleich so teuer wie nirgends, und das mit allen Folgen, übrigens auch für unseren Haushalt, etwa durch Nichttanken ausländischer Fahrzeuge im Inland und Tanken inländischer Fahrzeuge im Ausland. Dadurch entgeht uns zunehmend eben nicht nur – –

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Benzin ist zum Teil im Ausland teurer, sodass die Ausländer bei uns tanken!)

Gehen Sie einmal ins Grenzgebiet. Gehen Sie einmal Richtung Bodensee, Richtung Österreich, Richtung Schweiz.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Die Schweizer tan- ken in Deutschland Diesel!)

Da geht es inzwischen nicht mehr nur um das Tanken, sondern auch um vieles mehr, nämlich dass man den Tanktourismus auch mit Einkaufen, mit Gastronomie und mit vielem anderen verbindet. Deshalb sollte man eine Gesamtrechnung aufmachen und dann entscheiden, aber nicht von vornherein schon sagen, das eine komme infrage und das andere nicht. Deshalb war der Kurs Baden-Württembergs immer, nicht der Nation irgendein Patentrezept auf den Tisch zu knallen, sondern zu sagen: Wir müssen, nachdem wir nun 50 Jahre eine Art der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung gewohnt waren, in einen offenen Diskussionsprozess gehen und alles prüfen.

Ich sage einmal: Ganz eingeschränkt in der Wahrnehmung der Wirklichkeit sind wir auch nicht. Da haben wir in Baden-Württemberg im Unterschied zu anderen deutschen Ländern den großen Vorteil, dass wir grenznah sind und dass wir Erfahrungen über die Grenzen hinweg haben. Ich kann nur beobachten, dass Österreich und die Schweiz und andere Länder, die die Verkehrsfinanzierung umgestellt haben, und zwar radikal, in der Lage sind, mit erträglichen Preisen für die Nutzer der Verkehrsanlagen ihre Verkehrsinfrastruktur wesentlich schneller voranzubringen. Bei uns wird immer und ewig das Problem beschrieben und die La

(Staatssekretär Köberle)

ge diskutiert, aber nichts entschieden. Wir müssen zu Entscheidungen kommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Aber wenn man viel Transitverkehr hat, kann man bei den Ausländern etwas holen! Das ist in der Schweiz der Fall!)

Herr Präsident, ich darf meine Rede jetzt zu Ende führen.

Noch einmal zurück zur Verkehrsministerkonferenz. Die knappe Ablehnung bedeutet nicht, meine Damen und Herren, dass damit die Diskussion um die Nutzerfinanzierung beendet wäre.

(Beifall der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Im Gegenteil, je länger man ein ungelöstes Problem vor sich herschiebt, desto drängender wird es, dieses Problem zu lösen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Auch die Koalitionsvereinbarung vom 11. November lässt die weitere Entwicklung offen. Ich halte es für gut und richtig, dass diese Entwicklung entgegen ursprünglicher Ankündigungen auch offen gelassen wird. Es bleibt gar nichts anderes übrig, als neue Wege der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung zu suchen und dabei ergebnisoffen alle Varianten zu prüfen.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Aber Frau Merkel hat es ausgeschlossen, und die hat doch die Richtli- nienkompetenz!)

Wir sind überzeugt, dass aufgrund der Situation der öffentlichen Haushalte das Thema „Weiterentwicklung der Nutzerfinanzierung“ auf der politischen Tagesordnung bleibt. Diese Maßnahmen sind bei manchen unpopulär, und manche machen das Thema auch unpopulär. Es braucht Mut, diese Dinge beim Namen zu nennen und sie mutig und offensiv zu diskutieren. Baden-Württemberg ist dazu weiterhin bereit.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, in der Aussprache liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Für das Schlusswort bei der Besprechung der Großen Anfrage erteile ich Frau Abg. Berroth das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zuerst auf das eingehen, was die Kollegen gesagt haben.

Herr Kollege Göschel, Sie haben mich heute verwundert. Sie sagen, das sei ein Ladenhüter. In der Tat ist der Antrag vom letzten Jahr. Aber Sie haben gleich darauf die „Stuttgarter Zeitung“ von gestern zitiert – eindrücklicher lässt sich die Aktualität, glaube ich, doch gar nicht aufzeigen.

(Beifall des Abg. Hofer FDP/DVP – Abg. Göschel SPD: Das dokumentiert doch nur Ihr Versagen!)

Vielleicht ist Ihnen auch aufgefallen, dass in dieser Zeitung steht, dass das Land sein Geld sehr wohl bezahlt hat, dass aber die Stadt im Moment Finanzierungsprobleme hat.

Ansonsten hat zur Verkehrssteuerung und zum Verkehrsmanagement der Herr Staatssekretär dankenswerterweise sehr ausführlich erläutert, worum es geht. Ich möchte es in einem kurzen Satz zusammenfassen: Die Theorie ist prima, aber es gibt eine Menge Praxisprobleme. Kollege Palmer hat das Beispiel der B 27 erwähnt, wo Spinnweben die Verkehrssteuerung ausgetrickst haben. Wir müssen weit mehr praktische Versuche durchführen, damit Innovation in Gang kommt.

(Zuruf des Abg. Kretschmann GRÜNE)

Wir brauchen das, und unser Antrag hat dazu gedient, die Landesregierung zu ermutigen, auf diesem Weg zügig voranzuschreiten.

Herr Kollege Göschel, ich habe sonst sehr viel Respekt, weil Sie hier immer sehr sachkundig reden. Diesmal aber haben Sie erheblich herumgeeiert. Was sollen die Äußerungen, es entstünden Verwaltungskosten, eine Vignette verursache Bürokratie?

(Abg. Göschel SPD: Zusätzliche Verwaltungs- kosten!)

Aber dafür fallen doch andere Kosten weg. Haben Sie außerdem jemals gehört, dass es in der Schweiz und in Österreich mit der Vignette Probleme gäbe?

Zu dem Umweltargument: Ich habe eindeutig gesagt, wir wollen die Vignette als Übergangslösung, weil dies sofort möglich ist. Es ist viel wichtiger, dass sich endlich etwas tut und man nicht ständig nur diskutiert.

Deswegen ist es schön, dass Sie uns aufgefordert haben, dass wir weiterhin regieren.

(Abg. Göschel SPD: Aber nicht mehr lange! – Abg. Kretschmann GRÜNE: Sie regieren nicht, Sie sind nur mit dabei!)

Das machen wir gern auch die nächsten fünf Jahre. Reagieren sollten Sie, indem Sie sich Ihren Koalitionsvertrag in Berlin ansehen. Denn darin steht eindeutig – ich zitiere –: „Unser Ziel ist es, mehr privates Kapital für den Verkehrswegebau zu mobilisieren.“ Unter anderem will man dort die Infrastrukturfinanzierung im Verkehrsbereich auf eine breitere Basis stellen und die Aufgabenstellung der Verkehrsinfrastrukturgesellschaft erweitern. Deutlicher kann man es nicht ausdrücken.

Ich sage nur eines dazu: Die VIFG muss ganz dringend vom Haushalt abgekoppelt werden; sie muss genau wie in Österreich eigenständig agieren und handeln können.

(Beifall des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Da sind wir bei dem Punkt, den Kollege Palmer – der jetzt leider nicht mehr hier ist – angesprochen hat.

(Abg. Scheuermann CDU: Da oben auf dem Schriftführerplatz sitzt er!)

Oh ja. Da hat er sich aber gut versteckt!

(Heiterkeit – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Er sitzt Ihnen im Nacken!)

Da oben, wo ihn alle sehen, nur nicht die Rednerin! – Herr Palmer, Sie haben die Belastungsneutralität angesprochen. Da gehen Sie davon aus, dass Private und der Staat zu gleichen Bedingungen arbeiten. Das stimmt eben nicht. Sehr viele Beispiele zeigen, dass Private kostengünstiger und effizienter bauen und organisieren. Das ist der wesentliche Gewinn.

(Abg. Göschel SPD: Engelbergtunnel! Sehr kosten- günstig!)