Protokoll der Sitzung vom 30.11.2005

Dies sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen. Sie bauen mit Ihrem Vorschlag ein Bürokratiemonster auf. Die schwachsinnige Idee gar, eine zusätzliche Pkw-Vignette einführen zu wollen, heißt zusätzliche Bürokratie, zusätzliche Verwaltungskosten. Wenn mehr Geld hereinkommen soll, dann ist es eine zusätzliche Abzockerei

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

der inländischen Pkw-Fahrerinnen und -Fahrer. Diese ist auch noch grob ungerecht, weil sie völlig belastungs- und nutzungsunabhängig ist. Das heißt, die Wenigfahrer werden indirekt bestraft und die Vielfahrer werden belohnt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Heike Dederer CDU – Abg. Heiderose Ber- roth FDP/DVP: Im Moment auch! – Gegenruf des Abg. Dr. Caroli SPD: Eigentlich müssten Sie sich freuen, Frau Berroth! – Gegenruf der Abg. Heide- rose Berroth FDP/DVP: Da haben Sie von sich auf andere geschlossen!)

Das ist weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll, und es ist rundweg von uns abzulehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Heike Dederer CDU: Was wollen Sie jetzt? Wollen Sie Bürokratieabbau oder nicht?)

Also wenn, dann müssten Sie das System schon so umstellen, dass es Bürokratieabbau bedeutet und einfacher wird. Wenn man nicht mehr Geld hereinholt, kann man auch nicht mehr ausgeben.

Im Übrigen stelle ich fest, dass die große Koalition in Berlin zumindest für eines gesorgt hat, nämlich dafür, dass die Mittel für den Infrastrukturausbau nicht nur verstetigt werden, sondern in einem Sonderprogramm deutlich erhöht werden. Das müssten Sie eigentlich mit Jubel zur Kenntnis nehmen, anstatt ständig hier herumzumotzen und Dinge zu beklagen, die Sie, die FDP, in den Zeiten der alten Bundesregierung, der Kohl-Regierung, mit zu verantworten haben. Denn dieser Nachholbedarf, von dem Sie immer reden, ist in dieser Zeit entstanden. Sie sollten sich nicht hier hinstellen und große Forderungen nach einer Entlastung der Steuer- und Gebührenzahler aufstellen – das ist typisch für die FDP –, die tatsächlich jedoch mehr Geld ausgeben müssten. Wie Sie das finanzieren wollen, haben Sie nun wirklich nicht gesagt.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Sie sollten nicht von sich auf andere schließen!)

Deswegen sollten Sie sich mit solchen Forderungen zurückhalten. Aber irgendwann müssen Ihre Anträge und Großen Anfragen ja auch einmal abgearbeitet werden. Insofern habe ich auch ein gewisses Verständnis.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Aber letztlich ist entscheidend – wie Exbundeskanzler Kohl formuliert hat –, was hinten herauskommt. Im neuen Koalitionsvertrag kommt heraus, dass der Bund mehr für Verkehrsinfrastruktur tut als je zuvor.

(Abg. Schmiedel SPD: Das kommt vorne heraus! – Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Allerdings besteht erheblicher Nachholbedarf – und da könnten Sie sich aktiv einbringen – bei den Landesstraßen. Wollen Sie dort, wo das Land zuständig ist, eventuell auch eine Nutzerfinanzierung erreichen, und wie wollen Sie dies tun? Also, da sind mehr Fragen als Antworten entstanden. Deswegen fordere ich die FDP/DVP auf: Regieren Sie, und reagieren Sie nicht nur!

(Abg. Hofer FDP/DVP: Sehr gut! – Beifall und Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Palmer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn Frösche sich auf der Straße bewegen, ist ihnen zu raten, das Weite zu suchen.

(Abg. Heike Dederer CDU: Das ist wirklich mal ein Ladenhüter!)

Sie sind da wirklich in Gefahr. – Ich muss sagen, Kollegin Dederer, als Sie noch für Löcher in Haushalten zuständig waren, haben Sie mir besser gefallen als jetzt, da Sie sich um Löcher in Straßen kümmern.

(Vereinzelt Beifall – Abg. Heike Dederer CDU: Das beruht auf Gegenseitigkeit!)

Die Vorschläge, die Sie heute hier präsentiert haben, sind reichlich unausgegoren. Wir wollen das doch einmal konkret machen. Sie sagen auf der einen Seite, Kollegin Berroth, die Finanzierung solle belastungsneutral sein. Damit suggerieren Sie den Autofahrern, es wäre möglich,

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Nicht nur den Autofahrern!)

erstens eine Pkw-Maut zu erheben, zweitens mehr Geld für den Straßenbau auszugeben und das drittens auch noch so zu machen, dass die öffentlichen Haushalte nicht darunter leiden.

Das geht natürlich nicht, und das sollten auch Sie einsehen, Frau Kollegin Dederer. Wenn Sie ehrlich sind, dann wissen Sie: „Belastungsneutral“ – eine Maut zu erheben und im gleichen Umfang Steuern zu senken – bedeutet, neue Löcher in unsere Haushalte zu reißen. Seien Sie doch einmal ehrlich.

(Abg. Heike Dederer CDU: Für die inländischen Autofahrer!)

Wir reden von einem Betrag – wenn es was bringen soll – von 5 Milliarden €, auf die Sie bei den Steuereinnahmen verzichten wollen, die Sie zusätzlich für den Straßenbau ausgeben möchten und belastungsneutral durch die PkwMaut realisieren wollen.

Jetzt sagen Sie: „Die 5 Milliarden €, die wir zusätzlich haben möchten, kommen von den ausländischen Fahrern.“ Da gibt es aber Berechnungen der Verkehrsministerkonferenz – man hat das ja untersucht –, die zeigen, dass die Summe, die ausländische Autofahrer erbringen könnten, in etwa dem Betrag entspricht, den Sie für die Erhebung der Maut ausgeben müssten. Das fällt also weg.

Am Ende bleibt Ihnen nur die Wahl, den Leuten entweder ehrlich zu sagen – dann kann man darüber streiten –: „Wir wollen von den Autofahrern 5 Milliarden € mehr holen, um dieses Geld für den Straßenbau auszugeben“ – das wäre eine ehrliche Ansage, und dann können die Leute entscheiden, ob sie das wollen –, oder zu sagen: „Wir wollen zusätzliche Löcher in den Haushalten im Umfang von 5 Milliarden € schaffen.“ Dann möchte ich einmal sehen, wie Sie

das bei der Haushaltslage, die wir haben – mit einem strukturellen Defizit von bereits 3 Milliarden € im Land und 40 Milliarden € beim Bund –, ehrlicherweise verantworten.

Entscheiden Sie sich: Wollen Sie die Autofahrer zusätzlich belasten, oder wollen Sie Löcher in die Haushalte reißen? Aber tun Sie nicht so, als könnten Sie belastungsneutral eine Maut einführen und zugleich mehr Geld für den Straßenbau ausgeben! Das funktioniert nicht.

(Beifall bei den Grünen)

Zweiter Punkt: Frau Kollegin Berroth, Sie haben hier auch über die Vignette gesprochen. Offenbar sind Sie auch bereit, eine Vignette einzuführen. Da muss ich Ihnen jetzt wirklich sagen: Die Einführung der Vignette ist ökologisch gesehen ein so hochgradiger Unsinn, dass wir dafür keinerlei Verständnis haben.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Eine Vignette bedeutet ja nichts anderes – wenn Sie gleichzeitig auch noch Entlastungen bei der Mineralölsteuer durchsetzen wollen; Sie polemisieren ja immer noch gegen die Ökosteuer –, als dass Vielfahrer in Zukunft billiger unterwegs sind. Aber diejenigen, die mit dem Fahrzeug ökologisch vernünftig umgehen, die auf langen Strecken auch einmal die Bahn benutzen und die das Auto nur einsetzen, wenn es nötig ist, müssen zusätzliche Kosten tragen. Ein solches Mobilitätskonzept lehnen wir strikt ab. Das ist vor dem Hintergrund des Klimawandels und der begrenzten Ressourcen an Rohöl auch völlig unverantwortlich – typisch FDP.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Lachen der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Wenn wir schon über eine Nutzerfinanzierung der Infrastruktur reden, dann sollten wir meiner Meinung nach auch über das sprechen, was heute konkret zur Entscheidung ansteht, und nicht über Dinge, die vielleicht auf Parteitagen der FDP von Bedeutung sind. Und da geht es momentan eben nicht um die Einführung einer Pkw-Maut, denn die Bundesregierung hat klar und unmissverständlich ausgedrückt, dass das in den vier Jahren, für die sie angetreten ist, nicht zur Debatte steht. Vielleicht fällt die Regierungszeit auch kürzer aus, aber es gibt im Bund jetzt keine Debatte über eine Pkw-Maut.

(Zuruf des Abg. Dr. Caroli SPD)

Also reden wir doch über das, was ansteht, und das ist die Lkw-Maut. Bei der Lkw-Maut könnten wir das Prinzip der Nutzerfinanzierung noch erheblich verbessern, meine Damen und Herren. Da blicke ich auch zur Regierungsbank. Wir haben mit der Lkw-Maut nämlich Probleme.

Erstens greift sie nur oberhalb eines Gesamtgewichts von 12 Tonnen. Wir sehen jetzt, dass deswegen verstärkt Fahrzeuge zwischen 7,5 Tonnen und 12 Tonnen zugelassen werden – Zuwachs: 15 % bis 20 %. Das kann doch nicht unser Ziel sein, dass wir jetzt mehr kleine Lkws auf den Straßen rollen haben, weil die Unternehmen der Maut ausweichen! Das geht nicht.

Zweites Problem: Die Unternehmen weichen der Maut nicht nur durch kleinere Fahrzeuge aus, sondern sie weichen auch auf Landes- und Bundesstraßen aus – und damit in unsere Ortschaften. Das wollen wir nicht! Auch darauf müssen wir reagieren.

Es gibt Möglichkeiten, diese Ausweichbewegungen zu stoppen:

Erstens: Wir müssen so schnell wie möglich, das heißt, sobald die EU es uns erlaubt – die Richtlinie ist gerade in Bearbeitung –, die Bemautung auch auf Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen erstrecken. Wir sollten uns baldmöglichst darauf verständigen, dass es unser Ziel ist, so bald wie möglich eine Lkw-Maut ab 7,5 Tonnen einzuführen.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Dr. Caroli SPD)

Zweitens: Wir müssen dafür sorgen, dass die Ausweichbewegungen durch zwei Maßnahmen unterbunden werden, nämlich zum einen, indem wir die Bemautung auf Bundesstraßen einführen – und zwar möglichst weitgehend; da unterscheide ich mich von dem, was die Landesregierung bisher zur Kenntnis gegeben hat –, und zum anderen, indem wir die vorhandenen und in Zukunft erleichterten Möglichkeiten zur Sperrung von Ortsdurchfahrten für den Durchgangsverkehr nutzen.

In beiden Punkten sind Sie hintendran: Sie wollen die Bemautung auf Bundesstraßen nur in wenigen Ausnahmefällen. Das halten wir für falsch; eine Maut bringt nämlich auch Geld, und Lkws machen Bundesstraßen genauso kaputt wie Autobahnen. Zum anderen ist Baden-Württemberg das Land, das bisher noch kein einziges Durchfahrtsverbot zugunsten der Anwohner erlassen hat,

(Zuruf der Abg. Heike Dederer CDU)

während Sachsen und Rheinland-Pfalz bereits Bundesstraßen auf einer Länge von 30 bis 40 Kilometern für den Durchgangsverkehr gesperrt haben. Sie tun das nicht.

Deswegen, meine Damen und Herren, reden wir nicht über die FDP-Vorschläge zur Nutzerfinanzierung durch eine Pkw-Maut, sondern reden wir möglichst schnell über eine Verbesserung der Lkw-Maut. Das bringt uns mehr Geld für unsere Haushalte, und es entlastet die Bürgerinnen und Bürger von unnötigen, störenden Effekten, von Lärm und Dreck in den Durchgangsstraßen. Das steht jetzt an, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Göschel und Dr. Caroli SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Staatssekretär Köberle.

Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir alle kennen das Hauptproblem auf unseren Fernstraßen: Wir haben zu viele Autos, und wir haben zu wenig Straßen. Deswegen haben wir landauf, landab Staus und landauf, landab und jeden Tag großen Ärger.