Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 104. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.
Aus dienstlichen Gründen verhindert sind Herr Minister Stächele und Herr Finanzminister Stratthaus sowie – ab 15 Uhr – Herr Staatssekretär Hillebrand.
Aktuelle Debatte – Gesunde Lebensmittel als Markenzeichen Baden-Württembergs oder die Gentechnikpolitik der großen Koalition? – beantragt von der Fraktion GRÜNE
Das Präsidium hat eine Gesamtredezeitdauer von 40 Minuten und folgende Redezeiten festgelegt: für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen fünf Minuten, im Übrigen fünf Minuten je Sprecher.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst meinen Dank an die Schweizer Bevölkerung aussprechen, die eine sehr weitsichtige Entscheidung getroffen hat. Sie hat damit gezeigt, dass sie in vielen Fragen weitsichtiger ist als die baden-württembergische Landesregierung. Sie ist in ihrem Denken in der Frage der Gentechnik auch moderner als der Ministerpräsident dieses Landes. Besonders interessant ist, dass sich die Menschen gerade in den Gegenden, in denen die Weltoffenen, die Europabefürworter sitzen, nämlich in der Westschweiz, mit den größten Mehrheiten gegen die Gentechnik ausgesprochen haben – nur eben in dem Zusammenhang, dass das eine moderne Richtungsweisung war.
Herr Hauk hat gestern gesagt, wir sollten in andere Länder schauen. Ich empfehle dieser Landesregierung den Blick in die Schweiz. Sie liegt ja nicht weit weg von hier; das werden Sie schon schaffen.
Meine Damen und Herren, leider gehen die Großkoalitionäre in Berlin, CDU/CSU und SPD, einen ganz anderen Weg, wohl auch mit Unterstützung der FDP. Geht es nach den Großkoalitionären in Berlin, werden die bisherigen Re
gelungen, die zum Umwelt- und zum Verbraucherschutz getroffen wurden, glatt auf den Kopf gestellt. Zwar ist im Koalitionsvertrag die Rede davon, dass der Schutz der Umwelt und der Gesundheit oberstes Prinzip bleiben solle, aber die Frage ist doch, wie das geschehen soll, wenn man so wachsweiche Regelungen trifft, wie sie jetzt enthalten sind. Ich glaube – und mit dieser Meinung stehe ich bei weitem nicht allein, sondern darin bin ich einig mit allen, die das, was in Berlin beschlossen wurde, kritisch angeschaut haben –, das Gentechnikgesetz wird entsprechend den Forderungen der Gentechniklobby angepasst. So soll es beispielsweise Veränderungen bei der Haftung geben.
Das war vorbildlich gelöst, meine Damen und Herren. Damit hatten die Landwirte Sicherheit, damit hatten die Verbraucherinnen und Verbraucher Sicherheit, und genau das wird jetzt verloren gehen.
Bisher galt das Verursacherprinzip, Herr Kollege Kiefl. Genau das gilt aber nicht mehr. Wir waren uns doch eigentlich auch in diesem Hause immer einig darüber, dass das Verursacherprinzip bei allen Umweltfragen ganz oben stehen sollte.
Sie wissen doch, meine Damen und Herren, dass es eine Schimäre ist, den Leuten vorzumachen, es gäbe in Deutschland eine Koexistenz von konventioneller und ökologischer Landwirtschaft auf der einen und Gentechnik auf der anderen Seite. Das geht gar nicht! Das ist Ihnen auch von Bauernverbandsseite schon aufgezeigt worden. Sie wollen es einfach nicht hören.
Die Wahlfreiheit, meine Damen und Herren, zwischen gentechnikfrei und Gentechnik geht verloren, weil es zu Auskreuzungen und zu Verunreinigungen kommen wird. Niemand weiß, wie diese Auskreuzungen aussehen werden.
Ja, das gilt es zu erforschen, aber nicht draußen im Feld, wo man diese Risikotechnologie nicht mehr zurückholen kann, sondern im Reagenzglas. Da können Sie das von mir aus erforschen.
Nein, Feldversuche kann es, solange wir nicht wissen, was passiert, nicht geben. Das ist doch wohl klar.
Meine Damen und Herren, das, was im Koalitionsvertrag steht, wird über die Hintertür diesen Haftungsfonds einführen. Das heißt – und das ist besonders zynisch –, die Bevölkerung lehnt zu 80 % den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft ab, aber letztendlich wird sie dafür blechen müssen.
Die betroffenen Wirtschaftsverbände weigern sich bisher, Haftungsfonds einzurichten. Sie werden sich auch weiterhin weigern. Aus gutem Grund lehnt es auch die Versicherungswirtschaft völlig ab, Schäden, die durch Gentechnik entstehen, zu versichern, weil sie damit wirklich in Teufels Küche kommen kann.
Deshalb, meine Damen und Herren, müssen wir uns überlegen: Was ist der richtige Weg für Baden-Württemberg? Beispielsweise schreibt in der „Badischen Bauern Zeitung“ Herr Bossert, gentechnikfrei wäre etwas fürs Image. Die Landwirte in der Reutlinger Umgebung erhoffen sich Marketingvorteile durch „gentechnikfrei“.
Ihnen, Herr Minister Hauk, wurden erst vor wenigen Wochen von einem breiten Bündnis – von den Landfrauen bis hin zur Verbraucherzentrale – 38 000 Unterschriften überreicht.
Sehen Sie doch endlich ein: Die Menschen in Baden-Württemberg wollen kein Genfood. Selbst Leute wie der italienische Landwirtschaftsminister, die Ihnen politisch nahe stehen, haben dem Schweizer Volk gratuliert.
(Abg. Scheuermann CDU: Dem stehen wir nicht nahe! Ich kenne den nicht! – Abg. Capezzuto SPD: Wie heißt er denn?)
Ich habe einmal bei Sabine Christiansen Frau Merkel gesehen, wie sie verkündet hat: „Wir machen alles so wie Berlusconi.“
Kommt das vielleicht daher, weil sie in der DDR nicht erfahren hat, was Herr Berlusconi macht? Gesagt hat sie es. Aber sei’s drum!
Meine Damen und Herren, in der Schweiz hat die Industrie, beispielsweise der größte Käsehersteller, das Referendum „Nein zur Gentechnik“ unterstützt, weil die Wirtschaft begriffen hat, dass mit Gentechnik kein Geld zu verdienen sein wird.
Meine Damen und Herren, die hohen Zuwächse bei ökologischen Lebensmitteln – das hat eine Umfrage anlässlich der Messe Biofach Anfang dieses Jahres ergeben – sind folgendermaßen zu erklären: Die Verbraucherinnen und Verbraucher sagen, sie gingen hauptsächlich deswegen in Bioläden, weil sie keine gentechnisch manipulierten Lebensmittel haben wollten, sondern Sicherheit. Das ist eines der Erfolgsrezepte von Bioprodukten, und dies sollten Sie auf die konventionellen Produkte ausweiten.
Herr Minister, Sie reisen jetzt immer durchs Land und fordern: „Wir müssen Premiumprodukte erzeugen.“
Da haben Sie uns auf Ihrer Seite. Das ist genau das, was Frau Künast immer mit „Klasse statt Masse“ gefordert hat. Ich bin froh, dass ihr jetzt auch dazu steht.
Auch wir sind der Meinung, meine Damen und Herren, Baden-Württemberg muss zum Feinkostladen Deutschlands oder gar Europas werden.