(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Alfred Haas CDU: Das ist kein Fragebogen, Herr Birzele! Sie haben das Ding noch gar nicht gesehen!)
Die Kirchen hatten sich im Vorfeld zur Mitarbeit bereit erklärt und eindringlich vor solch missverständlichen und diskriminierenden Fragestellungen gewarnt. Sie äußern sich deshalb zu Recht kritisch. Die evangelischen Kirchen verweisen darauf, dass der Leitfaden den Eindruck eines Pauschalverdachts der Verfassungsuntreue von Muslimen aufkommen lasse. Die katholische Kirche lehnt die Fragenaktion ebenfalls ab.
Der Vorstoß schürt auf unverantwortliche Weise Ressentiments und Vorbehalte gegen die Gläubigen des Islam, die unter einen Generalverdacht gestellt werden,
erklärte der Vorsitzende der katholischen Arbeitsgemeinschaft Migration, der Essener Weihbischof Franz Vorrath.
(Abg. Mappus CDU: Es gibt keinen Test! – Abg. Herrmann CDU: Das ist kein Test! Sie sagen be- wusst die Unwahrheit!)
Das Erzbischöfliche Ordinariat Freiburg und das Bischöfliche Ordinariat Rottenburg-Stuttgart fordern in ihrer gemeinsamen Presseinformation vom 13. Januar 2006, dass alle Einbürgerungswilligen gleich behandelt werden müssen und dass der Gesprächsleitfaden überarbeitet werden soll.
Die Kirchen raten dringend zu einem Vorgehen, das den Integrationsprozess mit Muslimen und anderen einbürgerungswilligen Menschen in unserer Gesellschaft nicht beschädigt, sondern nachhaltig fördert.
Meine Damen und Herren, da kann ich nur sagen: Nehmen Sie diese Äußerungen der evangelischen und der katholischen Kirche hier in unserem Lande ernst!
Wer wie Sie, Herr Ministerpräsident, zu Recht die Kirchen und die gesellschaftlichen Gruppen zur Beteiligung bei der Integration einlädt und ihre Mitwirkung einfordert, darf sie nicht vorher vor den Kopf stoßen und sich über deren berechtigte Einwände einfach hinwegsetzen.
Deshalb kann es heute nur eine Konsequenz geben: Herr Ministerpräsident, erklären Sie hier eindeutig: Der Gesprächsleitfaden wird aufgehoben.
Um allen sonst zu erwartenden Falschmeldungen und Verdächtigungen vorzubeugen, betone ich: Wir Sozialdemokraten setzen uns dafür ein, dass alle Migrantinnen und Migranten die erforderlichen Deutschkenntnisse erwerben, und wir fordern von allen Einbürgerungsbewerberinnen und -bewerbern eine innere Hinwendung zur Bundesrepublik Deutschland und ein eindeutiges Bekenntnis zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, insbesondere zu der Unantastbarkeit der Menschenwürde, der Gleichberechtigung von Mann und Frau nach Artikel 3 des Grundgesetzes und der Wahrung der Freiheitsgrundrechte.
Ein Themenkatalog als Handreichung für die Ausländerbehörde kann dabei durchaus sinnvoll sein. Dabei sind jedoch die Themenkomplexe mit allen Bewerberinnen und Bewerbern durchzusprechen. Einen Anfangs- oder gar Generalverdacht wegen einer bestimmten Religionszugehörigkeit oder Staatsangehörigkeit lehnen wir entschieden ab.
Meine Damen und Herren, es wären noch einige weitere Dinge anzusprechen. Ich will nur darauf verweisen, dass über die Arbeit der Härtefallkommission in der nächsten Sitzung des Innenausschusses noch debattiert wird. Wenn in dieser Härtefallkommission – besonders Herr Kollege Hofer kann dies ja bestätigen – sorgfältig und intensiv über einzelne Fälle debattiert und entschieden wird, erwarten wir, dass der Innenminister solchen Ersuchen der Härtefallkommission auch entspricht und nicht einen Teil davon ablehnt.
Wir haben am 1. Dezember des letzten Jahres über die Altfallregelung diskutiert. Meine Kollegin Inge Utzt hat dazu
die Position unserer Fraktion dargelegt. Sie von CDU und FDP/DVP haben den dringlichen Antrag leider abgelehnt.
Die katholischen und die evangelischen Bischöfe haben sich in einem Schreiben von Anfang Dezember 2005 an Sie, Herr Ministerpräsident, und an Sie, Herr Innenminister, gewandt. Leider ging von unserem Bundesland nicht das von den Bischöfen gewünschte – ich zitiere – „Zeichen humanitärer Familien- und Integrationspolitik“ aus. Vielmehr wurde, gerade auch auf Betreiben von Innenminister Rech, eine Härtefallregelung
In diesem Zusammenhang verweise ich auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 16. Juni 2005, die besagt, eine Aufenthaltsbeendigung stelle einen Eingriff in das nach Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Privatleben dar, wenn der Ausländer über starke persönliche, soziale und wirtschaftliche Kontakte zum Aufnahmestaat verfüge. Der Aufnahmestaat ist verpflichtet, so der EGMR, mit positiven Maßnahmen, das heißt einer Aufenthaltserlaubnis, für die Rechte des Betroffenen zu sorgen. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat mit Urteil vom 19. Dezember 2005 dazu Kriterien aufgestellt. Das Verwaltungsgericht Stuttgart teilt in mehreren Entscheidungen diese Meinung.
Meine Damen und Herren, wir fordern die Landesregierung auf, die Ausländerbehörden in diesem Sinne anzuweisen, in solchen Fällen bei Erfüllung der genannten Kriterien Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen. Dies hätte auch eine erhebliche Reduzierung der Arbeitsbelastung der Härtefallkommission zur Folge, da diese nur noch Eingaben zu entscheiden hätte, bei denen eine solche Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der geschilderten Rechtsprechung nicht möglich ist.
Wir wollen eine Gesellschaft, in der niemand ausgegrenzt wird, in der alle ihren Platz finden und in der sich jeder mit seinen Fähigkeiten einbringen kann.
Diese richtige Aussage bedeutet doch selbstverständlich auch, dass die sozialen Voraussetzungen für eine solche Teilhabe gegeben sein müssen. Leider hat aber die Landesregierung gerade die für die soziale Integration erforderlichen Mittel gekürzt oder gestrichen.
Trotz aller vollmundiger Erklärungen haben Sie immer noch kein ausreichendes Konzept für die Sprachförderung im Kindergarten ab dem dritten Lebensjahr,
obwohl dies gerade für Kinder von Migrantinnen und Migranten wichtig wäre. In der Schule ist die Zahl der Stunden für Förderkurse zurückgegangen usw. Deshalb, Herr Minis
terpräsident, lassen Sie Ihren Worten Taten folgen. Zögern und taktieren Sie nicht weiter. Heben Sie den Gesprächsleitfaden auf, und schaffen Sie die erforderlichen sozialen Voraussetzungen für eine sinnvolle Integrationsarbeit, bei der selbstverständlich die Migrantinnen und Migranten ebenfalls ihren Beitrag einbringen müssen.
Die Integration der auf Dauer in unserem Land lebenden Ausländer ist ohne Zweifel eine der großen Zukunftsaufgaben von Politik und Gesellschaft.
Ich bin deshalb dem Ministerpräsidenten Günther Oettinger sehr dankbar dafür, dass er in der heutigen Regierungserklärung dieses Thema gewählt hat und damit zeigt, wie wichtig uns in der Landesregierung und im Landtag die Integrationspolitik ist.
Meine Damen und Herren, Integration ist der Eckpfeiler unserer Ausländerpolitik. Es muss uns gemeinsam gelingen, die Integration voranzubringen. Unter einem gemeinsamen Dach der Europäischen Union ist uns dies mit den Angehörigen unserer europäischen Nachbarn nach meiner Meinung gut gelungen. Jetzt geht es insbesondere darum, die Integration der Nicht-EU-Staatsangehörigen besser als bisher zu bewältigen.