Protokoll der Sitzung vom 01.02.2006

Meine Damen und Herren, Integration ist der Eckpfeiler unserer Ausländerpolitik. Es muss uns gemeinsam gelingen, die Integration voranzubringen. Unter einem gemeinsamen Dach der Europäischen Union ist uns dies mit den Angehörigen unserer europäischen Nachbarn nach meiner Meinung gut gelungen. Jetzt geht es insbesondere darum, die Integration der Nicht-EU-Staatsangehörigen besser als bisher zu bewältigen.

Meine Damen und Herren, in Baden-Württemberg leben rund 1,2 Millionen Ausländer. Dies entspricht einem Ausländeranteil von 12 %. Der Bundesdurchschnitt liegt bei etwas über 8 %. Damit hat Baden-Württemberg unter den Flächenländern den höchsten Ausländeranteil. Dennoch kann unser Land eine sehr erfolgreiche Integrationspolitik vorweisen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund geraten leichter als andere Schüler in Gefahr, zu so genannten Risikogruppen mit geringeren Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu gehören. Deshalb ist eine gute Bildung ein wesentlicher Integrationsbaustein. Bildungsnachteile lassen sich am besten in frühen Jahren ausgleichen.

(Abg. Birzele SPD: Sehr richtig!)

In Baden-Württemberg werden deshalb schon im vorschulischen Bereich Integrationsangebote gemacht.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Mit Sprachkursen fördern wir Kindergartenkinder mit Migrationshintergrund,

(Abg. Birzele SPD: Alle?)

damit sie bereits beim Start in der Schule die gleichen Bildungschancen haben wie Kinder deutscher Eltern.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Meine Damen und Herren, das Ergebnis der IGLU-Studie, der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung, zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Baden-Württemberg verzeichnet einen hohen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund. Während der Durchschnitt für die alten Bundesländer bei 22,2 % liegt, beträgt der Anteil für BadenWürttemberg 26,9 %. Dennoch sind die Leistungsunterschiede zwischen Kindern aus Familien mit und Familien ohne Migrationshintergrund in Baden-Württemberg deutlich geringer als in Nordrhein-Westfalen, Bremen oder Bayern, also Ländern, die ebenfalls einen hohen Migrantenanteil haben.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Was heißt das jetzt?)

An den Berufsschulen des Landes können ausländische Jugendliche, die eine Ausbildung beginnen, ihre defizitären Deutschkenntnisse durch den Besuch von Stütz- und Ergänzungsunterricht verbessern.

Dass die guten Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen in Baden-Württemberg mit den Chancen auf dem Arbeitsmarkt zusammenhängen, zeigt ein Blick in die Arbeitsmarktstatistik. Die Arbeitslosenquote bei Ausländern ist im Januar 2006 in Baden-Württemberg mit 17,1 % bundesweit am niedrigsten. Es folgen Bayern mit 20,3 % und Hessen mit 22,4 %. Bundesweit liegt die Arbeitslosenquote bei Ausländern bei 25,7 %. Auch bei der Jugendarbeitslosigkeit verzeichnet Baden-Württemberg mit 6,3 % im Januar 2006 die günstigste Quote der gesamten Bundesrepublik Deutschland – vor Bayern mit 8,7 % und dem Saarland mit 9,8 %. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 11,8 %.

Meine Damen und Herren, auch bei den Ausgaben, beim Mitteleinsatz zeigt es sich, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Der Gesamtaufwand des Landes für Integrationsmaßnahmen im Jahr 2004 beläuft sich auf 40 Millionen €. Das Land investiert jährlich 3,8 Millionen € in vor- und außerschulische Hausaufgaben-, Sprach- und Lernhilfen, von denen besonders Kinder mit Migrationshintergrund profitieren. Dazu kommen rund 33 Millionen € für Lehrerdeputate in den Schulen des Landes.

Außerdem tragen in Baden-Württemberg arbeitsmarktpolitische Projekte zur Integration bei. Im Jahr 2004 investierte das Land Baden-Württemberg mehr als 7 Millionen € in Integrationsmaßnahmen für bleibeberechtigte Ausländer und Spätaussiedler.

Meine Damen und Herren, zu einer effektiven Integrationspolitik in Baden-Württemberg tragen insbesondere die Kommunen, aber auch die Kirchen, Vereine, freien Träger, viele Ehrenamtliche und Migrantenorganisationen bei. Ihnen allen – das möchte ich ausdrücklich sagen – gilt bei dieser Gelegenheit unser besonders herzlicher Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Aber mit der Prämisse „fördern und fordern“ ist auch die Verpflichtung verbunden, diese Angebote anzunehmen. Integration gelingt nur, meine Damen und Herren, wenn der Wille zur Integration vorliegt. In Baden-Württemberg treffen integrationswillige Ausländer nicht in Leere. Aber wir dürfen auch erwarten, dass das Angebot, sich in unserem Land zu integrieren, angenommen wird.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Wesentliche Voraussetzung für die Integration ist die Anerkennung unserer Rechts- und Werteordnung. So wichtig gegenseitiges Verständnis und Toleranz sind, so unerlässlich sind der Respekt und die Akzeptanz unserer Rechtsordnung und unserer Werte.

Meine Damen und Herren, man kann auf Dauer nicht in Deutschland leben wollen, ohne unser Wertesystem anzuerkennen. Darum geht es in dieser Sache.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Manchmal ist das, was man von Rot-Grün so hört, schon bemerkenswert; denn eigentlich müsste es doch in deren Interesse sein, dass zu diesem Themenbereich auch die Gleichberechtigung der Frau gehört. Wir können und dürfen es nicht akzeptieren, dass es muslimischen Mädchen untersagt wird, am Schwimmunterricht teilzunehmen oder ins Schullandheim zu gehen, wenn sie dies möchten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Drexler SPD: Haben Sie nicht zugehört, was Herr Birzele gesagt hat?)

Nehmen Sie ein anderes schönes Beispiel, das Ihnen vielleicht noch besser gefällt, nämlich das in Baden-Württemberg geplante Kopftuchverbot im Kindergarten,

(Zuruf von der SPD)

das Sie übrigens generell ablehnen. Dabei geht es gerade darum, die Diskriminierung zu verhindern. Es geht im Gegenteil um Integration.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Das verhindern Sie mit Ihren Fragen überhaupt nicht!)

Ich glaube nicht, dass man uns vorwerfen kann, wir würden Muslime ausgrenzen. Im nächsten Schuljahr beginnen in Baden-Württemberg Modellversuche zum islamischen Religionsunterricht in deutscher Sprache. Das ist ein Zeichen dafür, dass wir die große Gruppe von Muslimen nicht ausgrenzen, sondern dass wir ihre Religion ernst nehmen und ihr einen hohen Stellenwert einräumen,

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

und zwar dort, wo der Islam tatsächlich als mit unseren Grundwerten vereinbare Religion und nicht als Ausdruck kultureller Abgrenzung oder fundamentalistischer Gesinnung in Erscheinung tritt.

Herr Abg. Mappus, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Boris Palmer?

Im Moment nicht.

(Zuruf von der SPD)

Durch die Einführung von islamischem Religionsunterricht in deutscher Sprache wollen wir die fundamentalistische Beeinflussung durch so genannte Koranschulen einschränken.

Meine Damen und Herren, unser Leitgedanke heißt aber: konsequente Integration und Verhinderung von Parallelwelten, wie es der Ministerpräsident dargestellt hat.

(Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Wir wollen gerade auch muslimische Mädchen, die kein Kopftuch tragen wollen, vor dem Einfluss fundamentalistischer Erzieherinnen in Schule und Kindergarten schützen. Das nimmt Druck von integrationswilligen Eltern, die ihre Kinder liberaler und westeuropäischer erziehen wollen.

(Abg. Inge Utzt SPD: Und das wollen Sie mit dem Fragebogen verhindern?)

Meine Damen und Herren, wer im Übrigen auch beim aktuellsten Thema „Deutschsprechgebot an Schulen“, das es an einer Berliner Schule gibt, von Ausländerfeindlichkeit spricht, muss sich gut überlegen, wie sein Verständnis von Integration ist.

(Beifall bei der CDU – Abg. Fleischer CDU: Sehr gut! – Abg. Birzele SPD: Das war doch eine Ver- einfachung!)

Man kann Schulen vor Ort nur dazu ermuntern, in Zusammenarbeit mit Eltern, Lehrern und Schülern zu solchen Regelungen zu kommen. Es ist übrigens sehr interessant – das kann man nebenbei einmal einfließen lassen –, dass es gerade ein SPD-Politiker war, nämlich Wolfgang Thierse – wenn ich es richtig weiß, immer noch stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD –, der solch eine Maßnahme als einer der Ersten begrüßt hat.

(Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Meine Damen und Herren, wir wollen gerade nicht, dass sich Parallelgesellschaften entwickeln

(Abg. Drexler SPD: Wir auch nicht!)

und dass die Menschen in Deutschland, egal, ob jung oder alt, mit unterschiedlichen Sprachen nebeneinander und damit getrennt voneinander aufwachsen und leben.

Ministerpräsident Günther Oettinger hat im Zusammenhang mit der Einbürgerung den Gesprächsleitfaden angesprochen. Die CDU-Landtagsfraktion – um dies vorwegzunehmen, meine Damen und Herren – unterstützt und begrüßt den Leitfaden, um den es hier geht, voll und ganz.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Inge Utzt SPD)

Dass bei der Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit vom Antragsteller ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und zu der Werteordnung des Grundgesetzes verlangt wird, ist wohl mehr als legitim. Wer sich für Integration einsetzt, muss auch der Forderung nach einem ernsthaften Bekenntnis zur Verfassung und zu unseren Grundwerten Rechnung tragen.