Protokoll der Sitzung vom 02.02.2006

Das Wort erhält Frau Abg. Fauser.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir heute hohen Besuch hier im Landtag haben. Der langjährige Präsident der Handwerkskammer Karlsruhe, Herr Leverkus, ist hier. Es freut mich, dass wir Ihnen heute hier einige positive Dinge von der Arbeit des Petitionsausschusses mitgeben dürfen.

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Meine Damen und Herren, der Petitionsausschuss – GustavAdolf Haas, einer unserer wirklich kompetenten und außerordentlich sympathischen Kollegen, hat es gerade ausgeführt – ist mitten im Volk, er hört auf die Menschen, er macht Politik vom Menschen aus.

Ich möchte mich in diesem Zusammenhang ganz herzlich bedanken bei Herrn Döpper, aber auch beim Kollegen Ernst Behringer. Es ist wirklich schön, dass die Herren immer konstruktiv, immer sensibel die einzelnen Probleme gemeinsam mit den Abgeordneten diskutieren.

Auch für die hervorragende Arbeit der Geschäftsstelle des Petitionsausschusses kann man nur Dank sagen. Es ist immer wieder erstaunlich, mit wie viel Geduld die Mitarbeiter auch Einzelfragen behandeln und versuchen, den Abgeordneten und damit den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes behilflich zu sein.

Meine Damen und Herren, Herr Döpper sagte einmal: Der Petitionsausschuss ist die Notrufsäule des Bürgers. Ich sage immer gerne: Der Petitionsausschuss ist die letzte Appellationsinstanz der von der Bürokratie geknebelten Bürger, wie das Max Weber einmal zum Ausdruck brachte.

Meine Damen und Herren, ich möchte mit Bemerkungen zum Finanzministerium bzw. mit einigen positiven Aspekten beginnen.

(Zuruf des Abg. Fischer SPD)

Da wir darauf angewiesen sind, dass die Steuergelder konsequent eingetrieben werden, hat man den Eindruck, dass das Finanzministerium in den letzten Jahren sehr viel stringenter durchgreift und sehr viel weniger Kulanz gegenüber den Bürgern zeigt. Aber es gelingt uns immer wieder, im Petitionsausschuss – das wurde ja gerade sehr eindrücklich ausgeführt – mithilfe des Finanzministeriums und der Finanzämter zu Lösungen zu kommen, die auch für die Bürger erträglich sind. Ich möchte auf § 88 der Abgabenordnung hinweisen, wonach es den Finanzämtern nach wie vor durchaus möglich ist, den Bürgern und Steuerzahlern mitzuteilen, wenn sie einen evidenten Fehler gemacht haben. § 88 der Abgabenordnung wird in Zukunft noch wichtiger werden, da ja die Steuerberatungskosten nicht mehr abgesetzt werden können und viele Bürger ihre Steuererklärungen selbst machen.

Meine Damen und Herren, wir sind im Petitionsausschuss über alle Fraktionen hinweg bemüht, die Menschen anzuhören und ihnen entgegenzukommen. Ich halte den Petitionsausschuss deshalb für eine sehr wichtige Einrichtung, weil dieses Instrument quasi eine Präventionsmaßnahme darstellt. Hier im Land weiß jedes Amt, dass über den Petitionsausschuss eine Überprüfung der handelnden Mitarbeiter potenziell möglich ist.

In diesem Zusammenhang ist natürlich auch die Frage der Inkompatibilität sehr wichtig, weil wir als Petitionsausschuss die handelnden Ämter überprüfen und es möglicherweise Interessenkollisionen gibt, wenn die davon betroffenen Bürgermeister und Landräte im Landtag sitzen.

(Abg. Gall SPD: Warum unterstützen Sie dann un- seren Antrag nicht? – Zuruf des Abg. Fischer SPD)

Lieber Herr Gall, jetzt habe ich Sie gerade so gelobt,

(Abg. Gall SPD: Das haben wir überhört!)

seien Sie etwas zurückhaltend!

Meine Damen und Herren, ich möchte noch die Frage der Ausländer und der Flüchtlinge ansprechen. Es ist für uns wirklich belastend, die Petitionen von vielen betroffenen Bürgerinnen und Bürgern zu bearbeiten, die sich in Deutschland inzwischen hervorragend integriert haben. Es ist eine schwierige Entscheidung, zum Beispiel zu sagen: Es ist Recht und Gesetz, dass eine nunmehr 21-jährige Tochter einer Familie, die sich noch im Asylverfahren befindet, in irgendein Land abgeschoben wird. Es gibt seltene Ausnahmefälle, und deshalb bin ich froh, dass wir vonseiten der FDP/DVP nach langen Diskussionen mit dem Innenministerium die Einrichtung einer Härtefallkommission vereinbaren konnten. Uns wäre es natürlich lieber gewesen, die Härtefallkommission wäre beim Ausländerbeauftragten, Herrn Justizminister Dr. Goll, angesiedelt worden.

(Abg. Fischer SPD: Dann wäre es aber nicht besser gewesen!)

Meine Damen und Herren, das Härtefallverfahren beruht im Gegensatz zum Petitionsrecht auf einem einfachen Bundesgesetz und wird in einer Landesverordnung geregelt. Ein ganz wichtiges Moment ist die Chance, dass bei einem Härtefallersuchen an das Innenministerium vom Gesetz abweichend Entscheidungen getroffen werden können. Diese Möglichkeit fehlt uns im Petitionsausschuss und belastet uns außerordentlich.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Sagen Sie das denen ein- mal!)

Meine Damen und Herren, wir müssen darauf achten, dass zukünftig Asylverfahren und ausländerrechtliche Verfahren allgemein schneller abgeschlossen werden. Nachdem die Menschen hier oft integriert sind und – wie ausgeführt wurde – sich dann viele deutsche Mitbürgerinnen und Mitbürger richtigerweise für die integrierten Menschen einsetzen, müssen wir in manchen Bereichen eine fast unmenschliche Entscheidung treffen.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Ja, weil Sie immer dagegen sind!)

Ich bin der Auffassung, dass man, da wir im Moment in Berlin die Einbürgerungspraxis überprüfen, im Bereich der Petitionen und der Altfallregelungen neue Lösungen andenken sollte.

Ich möchte hier noch folgenden Fall anführen: Ich halte es nicht für richtig, im Zusammenhang mit dem Bau der Um

gehungsstraße in Herrenberg-Affstätt aufgrund des Platzverbrauchs zu sagen: Wir nehmen eine Belastung aus dem Ort heraus und führen die Umgehungsstraße genau am Neubaugebiet vorbei. Meine Damen und Herren, das ist keine Umgehung, sondern im Grunde genommen ein Verkehrsproblem, das von einem Innenstadtbereich zum nächsten verlagert wird. Auch hier sollte das Recht der betroffenen Menschen beachtet werden.

Dasselbe gilt für Simmersfeld. Rechtens zu handeln bedeutet nicht immer, damit auch den Menschen gerecht zu werden. Wer mir erzählt, 14 Windräder mit Rotoren, deren Durchmesser 90 Meter beträgt, würden keine massiven Windgeräusche verursachen, dem muss ich schon entgegenhalten, dass dieses Ergebnis geschönt ist. Es ist nur zu bedauern, dass diese für die Bevölkerung vor Ort so wichtige Angelegenheit so wenig Beachtung findet. Dies ist ein ganz gewichtiger Eingriff in das Eigentum.

(Abg. Knapp SPD: Welches Eigentum?)

Ich wünsche Ihnen allen einen Bauplatz in Fünfbronn, meine Herren.

(Zurufe der Abg. Knapp und Gall SPD)

Ich freue mich über die Arbeit im Petitionsausschuss und empfinde ihn als einen der interessantesten Ausschüsse, die wir haben.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Gustav-Adolf Haas SPD)

Das Wort erhält Herr Abg. Oelmayer.

(Zuruf: Das wird die Abschiedsrede! – Abg. Alfred Haas CDU: Ein guter Schluss ziert alles! – Abg. Scheuermann CDU: Die 102. Rede! – Gegenruf des Abg. Dr. Caroli SPD: In einer Legislaturperio- de!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Am Ende einer jeden Wahlperiode ist es schon Usus, dass der Vorsitzende des Petitionsausschusses – im Übrigen des größten Ausschusses des Landtags von BadenWürttemberg –

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Das haben wir jetzt schon einmal gehört!)

einen Abschlussbericht vorträgt. Es gibt darin ein paar Kennzahlen, auf die ich gerne eingehen würde, weil sie doch zum Nachdenken Anlass geben.

Das ist zum Beispiel die Frage, welche Fallzahlen jeweils im Verlauf einer Wahlperiode zu verzeichnen sind, wie viele Petitionen tatsächlich im Landtag von Baden-Württemberg ankommen. Wenn man sich die Entwicklung anschaut, die der Vorsitzende in seinem Bericht ja dankenswerterweise skizziert hat, dann fällt doch auf, dass in der 7. Legislaturperiode von 1976 bis 1980 10 504 Petitionen eingegangen sind, während in der jetzigen 13. Legislaturperiode, die ein Jahr länger, nämlich fünf Jahre, dauert

(Zuruf des Abg. Döpper CDU)

das spielt fast keine Rolle, Herr Vorsitzender –, nur noch 6 247 Petitionen eingegangen sind.

(Abg. Rückert CDU: Lauter zufriedene Bürger! – Weitere Zurufe)

Ganz ruhig. – Wenn man sich die Zahl der Eingänge anschaut, dann stellt man einen kontinuierlichen Rückgang fest. Hierfür gibt es nun mehrere Erklärungsmöglichkeiten. Man könnte die Entwicklung – so, wie der Vorsitzende Döpper ausgeführt hat – auf die Entbürokratisierung zurückführen. Das jedoch glaube ich nicht und kann es mir nicht vorstellen.

(Abg. Gall SPD: Ich auch nicht! – Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

Die Zahl unserer Vorschriften hat nämlich eher zu- als abgenommen. Man könnte auch sagen, die Entwicklung gehe auf die mangelnde Bekanntheit dieses Grundrechts zurück. Es ist übrigens ein Grundrecht, das im Grundgesetz ebenso wie auch in unserer Landesverfassung geregelt ist. Vielleicht müssen wir ja davon ausgehen, dass die Transparenz und die Öffentlichkeitswirkung dieses Ausschusses im Land nicht in dem Maße bestehen, wie es notwendig wäre.

Deswegen fände ich es toll, wenn diese schöne Broschüre, die es über das Petitionsrecht gibt, nicht nur hier, hinter verschlossenen Türen im Landtag, ausliegen würde, sondern wenn das Petitionsrecht im Land wieder möglichst flächendeckend bekannt gemacht würde. Ich weiß wohl, dass dies möglicherweise zu einem erhöhten Eingang von Petitionen führt, aber ich glaube, es ist geradezu notwendig und richtig, den Menschen zu vermitteln, dass sie hier ein Recht haben, sich gegen unangemessene oder sogar falsche Entscheidungen der Verwaltung zur Wehr zu setzen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

Darüber hinaus kann man feststellen – das habe ich jetzt jedoch nicht über die Jahre hinweg verglichen –, dass die Erfolgsaussichten einer Petition ja auch nicht gerade allzu rosig sind. Wenn man sich die Statistik anschaut, dann sieht man, dass es 20 Fälle gibt, die mit einer Berücksichtigung geendet haben. Das ist ein Anteil von 0,34 %. Auch das mag natürlich dazu beitragen, dass die Menschen im Land sagen: „Da haben wir wahrscheinlich sowieso keine Chance.“ Man darf aber wahrscheinlich auch noch einen Teil derjenigen Fälle, die als erledigt angesehen werden und insgesamt 18 % ausmachen, zu den erfolgreich durchgeführten Verfahren rechnen. Aber auch hier, glaube ich, sollte einmal darüber nachgedacht werden, ob nicht doch mehr Möglichkeiten für den Ausschuss bestehen, in diesem oder jenem Fall positiv zu entscheiden.

Ich will noch auf einen Komplex, das Ausländerrecht, eingehen. Natürlich beschäftigt uns dies schon deswegen zuhauf – auch wenn die Zahl der Fälle dort um 50 %, wie der Vorsitzende Döpper ja zuvor berichtet hat, zurückgegangen ist –, weil die humanitäre Situation, die sich hinter diesen Fällen verbirgt, oftmals am bedrückendsten ist. Anders als bei Fällen, in denen es etwa um Steuerlasten oder um Baubzw. Gartenbaustreitigkeiten geht, die ja im Ausschuss auch

immer wieder behandelt werden, betreffen diese humanitären Fälle Menschen ganz konkret in ihrer Lebenssituation. Dabei geht es oft auch um das künftige Wohlergehen – so will ich es einmal sagen – dieser Menschen und um die Frage, ob sie hier weiterleben können oder ob sie abgeschoben werden und ausreisen müssen.

Hier will ich gar nicht auf Einzelfälle eingehen. Ich will nur sagen: Das Zusammenspiel mit der Härtefallkommission, die ja jetzt hier im Landtag auch eingerichtet worden ist, ist aus meiner Sicht, der ich dem Petitionsausschuss jetzt neun Jahre angehöre, dringend verbesserungsbedürftig. Denn im Moment kommt es eher so an, dass der Ausschuss unter Kompetenzverlust, zumindest aber unter Informationsverlust leidet. Das kann meines Erachtens nicht im Sinne der Menschen sein, die sich entweder an die Härtefallkommission oder an den Petitionsausschuss wenden.

(Zuruf des Abg. Behringer CDU)

Ich glaube, da haben wir als Ausschuss, Kollege Behringer, in der nächsten Legislaturperiode – in dieser werden wir es nicht mehr schaffen – noch eine Aufgabe vor uns, die wir im Interesse der Menschen, die sich entweder an den Petitionsausschuss oder an die Kommission wenden, gemeinsam lösen müssen.