Protokoll der Sitzung vom 02.02.2006

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Noll.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Ende einer Legislaturperiode führt manchmal zu solch merkwürdigen Artikelgesetzen, bei denen zwei Dinge, die völlig unabhängig voneinander sind, zusammenkommen und dann gemeinsam beraten werden.

(Abg. Fleischer CDU: Man darf es nur nicht ver- wechseln! – Abg. Dr. Lasotta CDU: Nicht dass die Jäger eingesperrt werden! – Gegenruf des Abg. Oelmayer GRÜNE: Das habe ich gedacht!)

Ja, man darf es nicht verwechseln. Ich werde es versuchen. Wir haben uns erspart, das personell aufzuteilen; der Kollege Drautz war natürlich bei der Beratung dabei.

Erster Teil: Änderung des Jagdgesetzes. Minister Hauk hat ja wunderschön dargestellt, dass es hier in klassischer Weise um Privatisierung geht, um Verschlankung, um Entbürokratisierung und um Übertragung von Aufgaben an Dritte, an zu Beleihende, mit Steigerung der Dienstleistungsqualität für diejenigen, die die Dienstleistung nachsuchen. Mehr kann man eigentlich nicht erwarten. Deswegen sind wir sehr froh darüber.

Wir haben natürlich Vertrauen in die Kompetenz der Regierung, aber auch in die Kompetenz der bisher Beteiligten, nämlich in erster Linie des Landesjagdverbands. Ich durfte noch lernen, dass dazu auch die Organisation der Schulung zur Trichinenprobenentnahme und zum Aufbau eines eigenständigen Messsystems zur Überwachung der radioaktiven Belastung von Wildschweinen gehört. Das beruhigt mich

sehr – das ist jetzt kein Spaß –, weil seit dem Reaktorunfall in Tschernobyl Wild belastet war und ist. Auch das ist also geregelt. Das wird künftig für diejenigen, die die Prüfung ablegen wollen, in hervorragender Weise vom Landesjagdverband angeboten werden können. Daher signalisiere ich unsere volle Zustimmung zu diesem Teil des Gesetzes.

Nun zum zweiten Teil des Gesetzes, auch dies ein wirklich sehr ernst zu nehmendes Thema. Wenn offensichtlich bei Regelungen, die einerseits die Therapie und die Wiedereingliederung von Straftätern betreffen, bei denen wir andererseits aber auch den Sicherheitsaspekt für die Bevölkerung sehr im Auge haben müssen, bisher sozusagen eine Lücke vorhanden war oder man dies jedenfalls meint, dann müssen diese Regelungen geändert werden. Daher halten wir es für richtig, jetzt klare gesetzliche Vorgaben für den Maßregelvollzug festzulegen, und zwar immer für den Fall, dass es sich um Täter handelt, die sich – so wird es sehr technisch formuliert – gegen die sexuelle Selbstbestimmung vergangen – das sind in aller Regel Vergewaltiger oder ähnliche Straftäter – oder überhaupt schwere Straftaten begangen haben. Durch die klaren Vorgaben soll geregelt werden, wie lange überhaupt Urlaub gewährt werden kann: im geschlossenen Vollzug maximal eine Woche; im offenen Vollzug jährlich maximal sechs Wochen.

Das besonders Strittige – Kollege Lasotta hat ja noch einmal darauf hingewiesen – ist: Was ist mit denen, bei denen man weiß, dass sie möglicherweise die Strafe auf Bewährung bekommen werden? Sie sollen wieder an das normale Leben herangeführt werden. Das nennt man dann technisch „extramurale Belastungserprobung“; so steht es in dem Gesetzestext. Also außerhalb der Mauern der Anstalt sollen sich die Straftäter wieder an das normale Leben gewöhnen. Dass das natürlich eine kritische Phase ist, ist völlig klar.

(Abg. Dr. Lasotta CDU: Menschenfeindlicher Be- griff!)

Darum sage ich ja, „extramurale Belastungserprobung“ ist der technische Begriff, so wie er eben im Gesetzestext steht, aber darum geht es. – Es ist ja klar, dass genau das eine hochsensible Phase ist, in der man wirklich vorher genau überprüfen muss, ob eine Gefährdung für die Bevölkerung besteht.

Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass die Staatsanwaltschaft gesagt hat: „Zwei Möglichkeiten: Entweder ihr nehmt es auf eure eigene Kappe im Maßregelvollzug; dann haben wir gar nichts mehr damit zu tun. Oder aber ihr wollt weiter daran festhalten“ – und das wollen wir – „dass die Staatsanwaltschaft, die damals die Verurteilung des Täters gefordert hat, das überprüfen können

(Abg. Dr. Lasotta CDU: Dann macht man ein Zweitgutachten!)

und ihre Zustimmung geben soll; dann muss es natürlich möglich sein, dass sie sich nicht einfach auf das verlässt, was im Maßregelvollzug von den dortigen Therapeuten in einem Gutachten festgestellt wird, sondern dass sie ein unabhängiges Gutachten verlangt.“

Das ist jetzt definitiv geregelt. Das war ja auch der Streitpunkt, warum es noch ein bisschen hin und her ging in der

Frage: Wer bezahlt die Kosten? Da hat natürlich die Justiz gesagt: Da muss man sich einigen, was man denn will.

Also noch einmal: Wir sind auch da zu der guten Regelung gekommen, dass diese Belastungserprobungen bei Vollzugslockerungen auf sechs Monate begrenzt sind. Da war es offenbar teilweise üblich, dass die weit über ein Jahr gedauert haben. Jetzt ist klargestellt, dass im Zweifelsfall ein Zweitgutachten eingeholt werden muss und dass immer die Staatsanwaltschaft zustimmen muss. Ich halte das für einen vernünftigen Kompromiss zwischen den Belangen der Sicherheit unserer Bevölkerung und der Möglichkeit, einen zu therapierenden Straftäter wieder an das normale Leben heranzuführen.

Deswegen stimmen wir zu.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erhält Herr Abg. Oelmayer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Kollege Noll hat schon einen Punkt vorweggenommen: Am Schluss einer Wahlperiode werden Gesetzesvorhaben in ein Artikelgesetz zusammengegossen. Bei dem vorliegenden Gesetzentwurf hatte ich zunächst den Eindruck, es gehe um die Unterbringung von Jägern.

(Heiterkeit)

Tatsächlich soll es ja nicht um die Unterbringung von Jägern gehen, sondern es geht um zwei verschiedene, ganz unterschiedliche Sachverhalte.

Lassen Sie mich mit dem einfacheren Thema, dem Landesjagdgesetz, beginnen. Auch die Fraktion GRÜNE ist der Auffassung, dass die private Durchführung der Jägerprüfung durchaus eine sinnvolle Entbürokratisierungsmaßnahme sein kann, sein muss. Sie wird als eine Maßnahme der „Entbürokratisierungstranche 3“ bezeichnet, was auch immer die Tranchen 1 und 2 waren. Es wäre vielleicht interessant gewesen, wenn das hier erläutert worden wäre.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Was? Die kennen Sie nicht?)

Ich habe an dieser Stelle, bevor wir in die Ausschussberatungen der Gesetzesvorhaben gehen, nur eine Anmerkung. Herr Minister Hauk hat ja darauf abgehoben, dass man die Verbände schon vorher angehört hat. Der Landesjagdverband hat dabei einen Vorschlag zu § 14 Abs. 2 des Landesjagdgesetzes gemacht, der meines Erachtens durchaus bedenkenswert wäre – das können wir aber auch noch in den Ausschussberatungen diskutieren –, weil er, glaube ich, zur Präzisierung dieses Gesetzestextes beiträgt.

Grundsätzlich stimmen wir diesem Vorhaben als Fraktion zu.

Zum zweiten Teil, zum Unterbringungsgesetz: Auch hier darf ich für unsere Fraktion vorwegnehmen, dass wir dem Vorhaben zustimmen. Ich hätte jedoch von Ihrer Seite, Frau

Staatssekretärin, erwartet, dass Sie den Anlass für das Gesetzesvorhaben hier noch einmal dartun. Ich hätte Verständnis dafür gehabt und es wäre auch eine logische Begründung gewesen, wenn man gesagt hätte, dass die Zahl der Problemfälle oder die Missbrauchsgefahr zugenommen habe. Aber der Kollege Lasotta hat ja dargetan, dass die Sicherheit nicht geringer geworden ist, sondern sich eher erhöht hat. Wir hatten in den letzten Jahren weniger Problemfälle. Insofern wäre es natürlich interessant gewesen, zu erfahren, wieso gerade jetzt die Verschärfung dieses Unterbringungsgesetzes erfolgt.

(Abg. Dr. Lasotta CDU: Wir sind immer daran in- teressiert, noch besser zu werden!)

Ja. – Sie haben eine, denke ich, eher pauschale Begründung hineingeschrieben, die natürlich richtig ist und immer gut ankommt, nämlich die Erhöhung der Sicherheit der Bevölkerung. Das ist klar; das steht hier im Vordergrund. Das brauchen wir nicht zu diskutieren. Aus diesem Grund hat Justizminister Goll kurz vor Schluss der letzten Wahlperiode das Straftäterunterbringungsgesetz durch den Landtag gepeitscht; ich sage das einmal so.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: „Gepeitscht“!)

Ob das so notwendig war, ob das zielführend war, möchte ich an dieser Stelle doch bezweifeln. Insofern hätte ich etwas mehr als Begründung für die Änderung des Unterbringungsgesetzes erwartet.

Den anderen wichtigen Punkt hat Herr Kollege Sakellariou, der jetzt wohl nicht mehr im Saal ist, schon angesprochen. Er hat dargetan, dass man, wenn sich die Aufenthaltsdauer der Unterbringung verlängert, was sich durchaus als Folge der Gesetzesänderung ergeben kann, natürlich auch dafür Sorge tragen muss, dass genügend Plätze zur Verfügung stehen. In diesem Hause muss eigentlich Einigkeit darüber bestehen, dass die Unterbringung von sechs Menschen in einem Zimmer kein vertretbarer Zustand sein kann. Dieser Zustand wird früher oder später sicher auch verfassungsgerichtlich überprüft werden. Betrachtet man den Strafvollzug und die Rechtsprechung dazu, ist das Land natürlich gefordert. Denn das wäre auch die Dokumentation dafür, dass es nicht nur um restriktive Maßnahmen geht, sondern dass wir den Menschen, die dort untergebracht sind, durch eine Therapie die Chance geben, wieder in das normale Leben zurückzukehren.

Unter der Maßgabe, dass der Landtag und die Fraktionen bereit sind, in Zukunft für eine Verbesserung der Unterbringungssituation Sorge zu tragen, werden wir diesem Gesetzesvorhaben zustimmen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, in der Ersten Beratung liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Sie stimmen der Überweisung des Gesetzentwurfs zur weiteren Beratung an den Sozialausschuss – federführend – und an den Landwirtschaftsausschuss – mitberatend – zu. – Es ist so beschlossen.

Damit ist Punkt 7 der Tagesordnung erledigt.

(Stellv. Präsidentin Christa Vossschulte)

Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Ausführung der Werkstättenverordnung und zur Änderung des Jugend- und Sozialverbandsgesetzes – Drucksache 13/5059

Meine Damen und Herren, die Fraktionen sind übereingekommen, keine Aussprache durchzuführen.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Ja, aber Einbringung durch die Regierung!)

Einbringung durch die Regierung. Das Wort erhält Frau Staatssekretärin Lichy.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Entwurf des Gesetzes zur Ausführung der Werkstättenverordnung und zur Änderung des Jugend- und Sozialverbandsgesetzes enthält, wie es schon der Titel impliziert, zwei Regelungen:

Erstens wird die Zuständigkeit zur Mitwirkung in den Fachausschüssen bei den Werkstätten für behinderte Menschen auf die Stadt- und Landkreise als örtliche Sozialhilfeträger übertragen.

Zweitens wird die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, dass das Land den Kommunalverband für Jugend und Soziales mit der Durchführung und Abwicklung von Landesförderprogrammen beauftragen kann.

Zunächst zum Gesetz zur Ausführung der Werkstättenverordnung: In der Werkstättenverordnung hat der Bund geregelt, dass bei jeder Werkstatt für behinderte Menschen ein Fachausschuss einzurichten ist. In diesem Fachausschuss wirken Vertreter der Werkstatt, der Bundesagentur für Arbeit und des Sozialhilfeträgers mit. Der Fachausschuss hat zu prüfen, ob die Beschäftigung in einer Werkstatt die geeignete Hilfe für den behinderten Menschen ist oder ob andere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben besser geeignet sind. Dieser Fachausschuss gibt dann dazu Empfehlungen ab. Der Fachausschuss hat also maßgeblichen Einfluss darauf, welche Hilfe einem behinderten Menschen zur Teilhabe am Arbeitsleben gewährt wird.

Die Hilfe im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen ist Teil der Eingliederungshilfen, die die Kommunen als Sozialhilfeträger gewähren. Seit der Verwaltungsreform – wir haben darüber schon oft diskutiert – ist der örtliche Sozialhilfeträger für die Gewährung von Hilfen im Arbeitsbereich einer Werkstatt zuständig, also der Stadtoder Landkreis, in dem der behinderte Mensch wohnt bzw. wohnte, bevor er in ein Heim aufgenommen wurde. Vor der Verwaltungsreform waren dafür die beiden Landeswohlfahrtsverbände Württemberg-Hohenzollern und Baden zuständig.

Daher haben jetzt Städte und Landkreistag gefordert, dass folglich auch die Zuständigkeit zur Mitwirkung in diesen Fachausschüssen vom überörtlichen auf den örtlichen Sozialhilfeträger übertragen wird. Diese Forderung ist sinnvoll, und deshalb unterstützen wir sie; denn es ist sachgerecht, dass der Leistungsträger, der für die Gewährung der Hilfen zuständig ist, in diesem Fachausschuss auch mitwirkt. Auf

unsere Bundesratsinitiative hin wurde in der Werkstättenverordnung eine Ermächtigung geschaffen, dass wir durch Landesrecht den örtlichen Sozialhilfeträger für zuständig erklären können.