Die Bundesregierung ist noch immer nicht der Forderung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz sowie sämtlicher Datenschutzbeauftragter der Länder nachgekommen, das Gesetz zu überarbeiten. Zwar gibt es einen „Erlass zur behördlichen Selbstbeschränkung“ bei der Abfrage von Kontendaten, doch müssen die aus verfassungsrechtlicher und datenschutzrechtlicher Sicht gebotenen Regelungen klar und deutlich im Gesetz selbst verankert werden.
Wir teilen auch die Kritik des Landesbeauftragten für den Datenschutz an den bundesweit möglichen elektronischen Zugriffen der Finanzämter auf die Lohnsteuerbescheinigungen. Dass es den baden-württembergischen Finanzbeamten samt ihren Länderkollegen möglich ist, bundesweit auf beliebige, in den 16 Landesspeichern zum Abruf bereitgehaltene Lohnsteuerbescheinigungen zuzugreifen, ist schon etwas starker Tobak.
Die Nutzung der Mautdaten zu polizeilichen Fahndungszwecken ist zwar populär, jedoch stellt dies wiederum einen weiteren kleinen Baustein für die vollständige Überwachung der Bürger dar. Uns ist bewusst, dass die Nutzung der Mautdaten vom Koalitionspartner gefordert wird. Wir haben aber auch zur Kenntnis nehmen müssen, dass der Vorsitzende der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag festgestellt hat, dass die technische Überwachung der Bürger heute schon weit über die „1984“-Visionen von Orwell hinausgeht.
Wir fragen uns natürlich, inwieweit sich die Verhältnisse in Bayern von denen in Baden-Württemberg unterscheiden. Besagter Fraktionsvorsitzender ist übrigens auch der Auffassung, dass es bei der Nutzung der Mautdaten nicht sein dürfe, dass der Datenschutz nachträglich durch die Hintertür ausgehöhlt wird. Der Bundesinnenminister will in diesem Zusammenhang die Mautdaten nicht nur für die Aufklärung von Verbrechen nutzen,
Das hört sich gut an. Allerdings konnte die Landesregierung bisher keine Hinweise oder Belege dafür vorlegen, dass Terroristen für die Planung und Durchführung von Anschlägen in der Bundesrepublik schwere Nutzfahrzeuge einsetzen.
Meine Damen und Herren, die EU-Kommission hat gegen die Bundesrepublik ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, um endlich den privaten und öffentlichen Datenschutz in einer Hand zusammenzuführen. Wir begrüßen dies. Die Liberalen fordern dies schon seit Jahren mit der gleichen Begründung. Die Zusammenlegung ist aus Gründen der Verwaltungsökonomie, Effizienz und Bürgernähe absolut sinnvoll.
Die derzeitige Praxis in Baden-Württemberg ist nicht mit der EU-Datenschutzrichtlinie in Einklang zu bringen. Es hätte uns gefreut, wenn wir dies noch hätten ändern können.
Die Vorratsdatenspeicherung lehnen wir als unverhältnismäßigen Eingriff in das informationelle Recht jedes einzel
nen Bürgers ab. Sie ist weder mit der Unschuldsvermutung noch mit der Verhältnismäßigkeit der Mittel vereinbar.
Meine Damen und Herren, es wäre noch vieles zu sagen. Wichtig scheint mir noch, zu betonen: Eine Aufnahme des Grundrechts auf Datenschutz in die Verfassung hätte eine positive Signalwirkung, würde das Grundrecht auch bei sich ändernder Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sichern und dem Anspruch einer Verfassung für die Informationsgesellschaft entsprechen. Aus diesem Grund setzen wir uns für die Aufnahme des Datenschutzes in die Landesverfassung ein.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Stickelberger SPD: Die Sicherheits- politiker der CDU müsste beunruhigen, was Sie ge- sagt haben! – Gegenruf von der SPD: Die haben aber geklatscht!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch ich möchte im Namen meiner Fraktion dem Datenschutzbeauftragten und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Erstellung des Berichtes – die unter nicht immer ganz einfachen Bedingungen erfolgte – recht herzlich danken.
Ich kann im Prinzip an die Debatte von vorhin zum Meldegesetz anschließen. Es wird ganz deutlich, dass bei der intensiven und umfassenden Nutzung neuer Kommunikationstechnologien natürlich die Bedeutung des Datenschutzes automatisch zunimmt. Deswegen haben wir als Fraktion wiederholt gefordert, dass die für den Datenschutz zuständige Stelle, nämlich der Landesbeauftragte für den Datenschutz, mit entsprechendem Personal ausgestattet wird, weil er ansonsten seiner Aufgabenstellung, Datenschutzverstöße in umfassender Weise aufzudecken, in der Form, die aus unserer Sicht notwendig wäre, gar nicht mehr nachkommen kann.
Das heißt in concreto: In dem vorliegenden Datenschutzbericht mit 108 Seiten sind zahlreiche Verstöße aufgelistet, von denen ich jetzt nicht alle im Einzelnen aufzählen möchte. Aber auf zwei möchte ich gern eingehen:
Wenn ich im 2. Abschnitt des 2. Teils – Justiz – lese: „Mangelnde Unterstützung des Landesbeauftragten für den Datenschutz durch das Justizministerium“ – was ja nicht zum ersten Mal in einem Datenschutzbericht steht –, dann muss ich mich schon fragen, weshalb das Justizministerium des Landes dem Datenschutzbeauftragten nicht in dem Umfang Unterstützung zukommen lässt, wie es erforderlich wä
re. Das wäre, glaube ich, das Allermindeste. Denn während man von Stellen wie Polizei, Verfassungsschutz usw. eher noch erwarten kann, dass sie mit gewissem Vorbehalt agieren, wundert mich schon, dass auch das Ministerium als solches sehr zurückhaltend agiert, um es gelinde und diplomatisch zu formulieren. Ich meine schon, dass es auch für die Landesregierung angezeigt wäre, hier einmal für Abhilfe zu sorgen, damit man im Siebenundzwanzigsten Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz nicht wieder denselben Vorwurf lesen muss.
Hier sind aber auch zahlreiche weitere Verstöße aufgeführt, die zum Beispiel eine Frage betreffen, über die wir auch hier im Landtag immer wieder diskutieren und bei der wir immer wieder eine Abwägung treffen müssen, nämlich die Frage der Datensammlungen unter anderem zum Zweck der Verbrechensbekämpfung. Zahlreiche Menschen sagen, Datenschutz sei Täterschutz. Das mag ja eine Formulierung sein, die im Einzelfall unter Umständen zutrifft. Aber primär ist Datenschutz zunächst einmal ein Grundrecht aller Menschen in einer freiheitlich lebenden Gesellschaft. Deswegen sind wir der Auffassung, dass der Datenschutz auch im Land Baden-Württemberg nicht geschwächt werden darf, sondern gestärkt werden muss – dies gilt insbesondere bei zunehmender Zahl und zunehmender Komplexität der Aufgabenstellungen –, sodass Datenschutz nicht Täterschutz wird, sondern Menschenschutz ist. Auf Datenschutz haben auch die Menschen in Baden-Württemberg einen Anspruch. Denn Daten geben sie überall und immer preis, egal, auf welcher Chipkarte auch immer, wahrscheinlich auch während der Einlasskontrolle hier im Landtag. Denn ich gehe davon aus, dass die Durchgänge hier kontrolliert und die Daten dann auch erfasst werden, auch wenn sie vielleicht statistisch nicht festgehalten werden. Ob das bisher der Fall ist, weiß ich nicht; da hat wohl noch keine Prüfung stattgefunden.
Für unsere Fraktion heißt das alles in allem, dass wir bei der Konzentration der datenschutzrechtlichen Aufgaben natürlich auch dafür Sorge tragen müssen – ich wiederhole es einfach, auch wenn ich mitbekommen und mit halbem Ohr gehört habe, dass, wie gehofft, bei den Noch-Regierungsfraktionen vielleicht doch noch ein Paradigmenwechsel eintritt –,
dass wir den Datenschutz im öffentlichen Bereich und den im nicht öffentlichen Bereich aus Effizienzgründen zusammenlegen. Denn – der Kollege hat es ja bereits beschrieben – es gibt sehr viele Bereiche, bei denen sich die Aufgabenstellungen überschneiden, und zudem werden sehr viele Bereiche der öffentlichen Verwaltung und der öffentlichen Tätigkeit privatisiert, ohne dass die Datenschutzzuständigkeit jeweils wechseln sollte. Wir als Grüne-Fraktion sind der Auffassung: Das gehört in eine Hand; dann wird der Datenschutz im Land effizient.
Wenn auch Sie das wollen, kommen Sie diesem Wunsch endlich nach, auch wenn Sie es dann nicht auf einen Antrag aus den Reihen der Oppositionsfraktionen hin tun. In dieser Wahlperiode geht das nicht mehr, mir bleibt aber die Hoffnung, dass man das in der nächsten Wahlperiode in anderer Konstellation endlich umsetzen kann.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit bei meinen Ausführungen zum Sechsundzwanzigsten Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz. Nochmals vielen Dank an die Mitarbeiter, die für den Datenschutz des Landes tätig sind.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Sechsundzwanzigste Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz macht deutlich, dass sich der Datenschutz in Baden-Württemberg auf einem guten Weg befindet und sich auch im letzten Jahr positiv entwickelt hat. Dies ist – das möchte ich gleich am Anfang betonen – auch auf die fachlich kompetente und engagierte Arbeit des Landesbeauftragten zurückzuführen. Hierfür möchte ich Herrn Zimmermann und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausdrücklich danken.
Der Datenschutz, meine Damen und Herren, hat heute in der Verwaltung einen hohen Stellenwert. Dass der Landesbeauftragte im letzten Jahr nur drei Beanstandungen ausgesprochen hat, ist ein Indiz dafür, dass es in der Verwaltungspraxis im Großen und Ganzen keine schwerwiegenden Verstöße gibt. Das zeigt aber auch, dass das Instrument der Beanstandung durch den Landesbeauftragten flexibel und maßvoll eingesetzt wird.
sich in datenschutzrechtlichen und technischen Fragen vom Landesbeauftragten beraten zu lassen. Vorbeugender Datenschutz ist natürlich immer der beste Datenschutz. Eine gute Beratung braucht aber auch Zeit. Ich sage das deswegen, weil es vorhin angesprochen wurde. Aber wir wissen alle, dass unsere öffentliche Verwaltung – auch die Ministerien und der Landesbeauftragte – mitunter unter ungeheuer hohem Zeitdruck arbeitet. Die Landesbehörden werden deshalb künftig noch stärker darauf achten, dem Landesbeauftragten angemessene Äußerungsfristen einzuräumen. Ich persönlich lege auch großen Wert darauf, dass dies so gehandhabt wird.
Die Landesregierung ist im Gegensatz zum Landesbeauftragten für den Datenschutz – um auch einmal Punkte zu nennen, bei denen wir divergieren – davon überzeugt, dass die Neuregelung der forensischen DNA-Analyse in der Strafprozessordnung verfassungsgemäß ist. Die frühere gesetzliche Regelung hat nämlich den verfassungsrechtlichen Rahmen nicht voll ausgeschöpft, sodass der Anwendungsbereich der DNA-Analyse ausgeweitet werden konnte. Dabei spielt eine Rolle, dass sich die molekulargenetische Untersuchung auf den nicht codierenden Teil der DNA beschränkt. Das Bundesverfassungsgericht rückt die Feststellung eines DNA-Identifizierungsmusters ausdrücklich in die Nähe des Daktylogramms. Dass die neuen Regelungen nach zwei Jahren überprüft werden sollen, entspricht guter Gesetzgebungspraxis.
Um ein Weiteres zu sagen: Nicht gerechtfertigt ist auch die Kritik des Landesbeauftragten an einzelnen Änderungen des Landesverfassungsschutzgesetzes. Sie lässt außer Acht, dass die Änderungen, mit denen Befugnisse des Terrorismusbekämpfungsgesetzes in Landesrecht umgesetzt wurden, notwendig waren, weil sich die Bedrohungslage verändert hat.
Bei dem Gesetz über die Krebsregistrierung in BadenWürttemberg wird einerseits versucht, bei der Krebsregistrierung neue Wege zu gehen, um den Krebs effektiv zu bekämpfen. Andererseits wird durch ein ganzes Bündel von Maßnahmen das informationelle Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Patienten gewährleistet.
Unbegründet ist schließlich auch die Befürchtung des Landesbeauftragten, die auf Bundesebene angekündigte Überprüfung des Datenschutzrechts werde zu einer Absenkung des hohen Standards in Deutschland führen. Eine Fortentwicklung und Modernisierung des Datenschutzrechts wird von Experten ja schon seit langem und eindringlich gefordert.
Weil es auch in der heutigen Debatte wieder angesprochen worden ist: Wir werden dieses Thema, Herr Kollege Oelmayer, auch in der nächsten Legislaturperiode in unveränderter Formation miteinander beraten.
Ich hoffe, in unveränderter Formation, weil ich darauf setze, dass Sie wieder dabei sind, Herr Oelmayer.
(Abg. Oelmayer GRÜNE: Miteinander beraten ist Klasse, aber nicht in unveränderter Zusammenset- zung!)
Der Landesbeauftragte spricht sich in seinem Bericht erneut für die Zusammenlegung der Datenschutzaufsicht aus. Er beruft sich jetzt auch auf das von der EU eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland. Aber zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Verfahren die Regelungen aller Bundesländer in Bezug auf die Überwachung der Datenverarbeitung im nicht öffentlichen Bereich betrifft – und damit auch derjenigen Bundesländer, die eine Organisationsform besitzen, wie sie vom Landesbeauftragten für den Datenschutz angestrebt wird.