Protokoll der Sitzung vom 22.02.2006

(Abg. Inge Utzt SPD: Doch, die Abgeschobenen!)

Alle angemeldeten Härtefälle wurden zurückgestellt, und bei den bei der Kommission angemeldeten Fällen wurde in der Zwischenzeit keine Abschiebung vorgenommen.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Utzt?

Gern.

Herr Minister, wie ist das, wenn jemand nichts von der Härtefallkommission wusste? Ich habe jetzt eine Petition vorliegen, in der es darum geht, dass die betreffende Familie abgeschoben worden ist. Die Abschiebung war rechtsstaatlich in Ordnung, also kann der Petitionsausschuss nicht positiv entscheiden. Aber die Antragsteller sind im Ausland. Folglich kann die Härtefallkommission auch nicht entscheiden. Das ist mein Vorwurf. Verstehen Sie, dass ich Ihnen da vielleicht einen Vorwurf mache, dass Sie so spät in die Puschen gekommen sind?

Das weiß ich schon. Ich kann nur noch einmal wiederholen, Frau Kollegin Utzt: Fällen, von denen die Härtefallkommission nichts weiß oder von denen wir im Innenministerium nicht wissen, dass sie zur Beratung in der Härtefallkommission angemeldet werden sollen, können wir im Vorgriff nicht abhelfen. Aber alle Fälle, von denen wir wussten, wurden zurückgestellt und in die Härtefallkommission gegeben. Dies hat natürlich in den ersten Monaten nach Inkrafttreten der Härtefallkommissionsverordnung zu einer hohen Zahl von Fällen geführt. Zum 31. Januar 2006 sind insgesamt 885 Eingaben, die ca. dreieinhalbtausend Personen umfassen, eingegangen. In den letzten beiden Monaten sind immer noch jeweils 65 neue Härtefalleingaben eingereicht worden.

Die Kommission hat wirklich getan, was sie konnte, um diese hohe Anfangszahl abzuarbeiten. Sie hat sich nach ihrer Konstituierung in nahezu zweiwöchentlichem Turnus getroffen und bis Ende Januar in sechs Sitzungen 237 Eingaben behandelt und erledigt. In 194 Fällen gelangte sie zu einer Sachentscheidung. Davon richtete sie bei 57 Eingaben, also bei mehr als einem Viertel der geprüften Fälle, ein Ersuchen an das Innenministerium.

Meine Damen und Herren Kollegen, das Innenministerium respektiert die Entscheidungen der Kommission. Bis Ende Januar wurde in 49 Fällen eine Anordnung nach § 23 a des Aufenthaltsgesetzes erteilt. Das entspricht – es wurde hier schon gesagt – immerhin einem Anteil von 90 % der Ersuchen. Dass es in dem einen oder anderen Fall unterschiedliche Bewertungen gab und weiterhin geben wird, will ich überhaupt nicht leugnen. Das Innenministerium trifft nach einem Ersuchen der Kommission nämlich eine eigene Ermessensentscheidung. Es „darf“ – wie der Gesetzeswortlaut sagt –, muss also keineswegs die Erteilung eines Aufenthaltstitels im Falle eines Ersuchens anordnen.

Die vom Bundesgesetzgeber vorgegebene Zweistufigkeit der Härtefallprüfung nach § 23 a ist auch zwingend und verbietet jeden Automatismus. Dennoch hoffe ich, dass die Kommission und mein Haus auch künftig weitgehend zu einheitlichen Ergebnissen gelangen werden.

Ich gehe davon aus, dass die Kommission ebenso wie das Innenministerium für eine positive Entscheidung besonderen Wert auf ein überdurchschnittliches Maß an Integration legt. Straftaten, extremistische Betätigung, taktische Manöver – dazu komme ich nachher noch – mit dem Ziel, die Rückkehrpflicht mit allen Mitteln zu unterlaufen, die fortdauernde Abhängigkeit von öffentlichen Leistungen oder ein lediglich kurzer Aufenthalt im Bundesgebiet: Alle diese Punkte, die ich genannt habe, stehen deshalb einer gelungenen Integration in aller Regel entgegen.

Aber ich will auch mit aller Deutlichkeit sagen: Kein Verständnis habe ich, wenn Betroffene, Anwälte oder sonstige Unterstützer ein negatives Ergebnis der Härtefallprüfung nicht akzeptieren, sondern gerade so tun, als könne es mit Petitionen, Rechtsschutzanträgen und sonstigen Eingaben so weitergehen wie vorher. Es könnten also die Fälle quasi wieder von Anfang an aufgerollt werden. Diese Hoffnung sollten wir nicht weiter zulassen und nicht noch schüren.

(Abg. Hillebrand CDU: Jawohl! So nicht! Genau!)

Die Frage einer Aufenthaltsgewährung in Härtefällen steht eben nicht am Anfang, sondern am Ende aller Prüfungen, ob den Betroffenen ein Aufenthaltsrecht eingeräumt werden kann. Sie hat eine Ultima-Ratio-Funktion. Es werden nur Personen erfasst, die unter Einschluss gerichtlichen Rechtsschutzes alle in Betracht kommenden Möglichkeiten ergriffen haben, um ein Aufenthaltsrecht zu erwirken, denen es aber aufgrund der Rechtslage nicht eingeräumt werden konnte. Verläuft das daraufhin angestrebte Härtefallverfahren auch erfolglos, dann muss man erkennen, dass alle Möglichkeiten ausgereizt sind. Irgendwann muss mit den Prüfungen Schluss sein. Und das ist spätestens der Fall, wenn auch die Härtefallprüfung negativ ausgegangen ist. Dann müssen sich die Betroffenen entsprechend dem Gesetzesbefehl auf eine Rückkehr einrichten. Daran führt, meine Damen und Herren, in einem Rechtsstaat nun wirklich kein Weg vorbei.

Insgesamt aber müssen selbst die Kritiker der heute in Baden-Württemberg geltenden Verordnungsregelung zur Kenntnis nehmen, dass es immerhin bei einem Viertel aller bislang inhaltlich geprüften Eingaben eine positive Entscheidung gegeben hat. Dies spricht ja nun nicht für eine restriktive, sondern ganz im Gegenteil für eine bis an die Grenzen gehende großzügige Anwendungspraxis. Dazu stehe ich, und mir ist die Arbeit der Härtefallkommission auch viel zu heilig – um es einmal so zu sagen –, um daran etwas ändern zu wollen. Dies ist eine Linie, die wir auch in Zukunft beibehalten werden.

Bevor wir eine fundierte Zwischenbilanz ziehen können, bleibt die weitere Entwicklung der Zahlen ebenso abzuwarten wie die von der Bundesregierung veranlasste Evaluierung des Zuwanderungsgesetzes insgesamt.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich darf um Ruhe bitten.

Ich möchte noch auf einen Punkt besonders eingehen, weil er hier verschiedentlich angesprochen wurde und weil er – wenn man sich viele Einzelfälle anschaut – in der Tat schon zum Nachdenken Anlass gibt. Das ist die Frage der humanitären Aufenthaltsrechte. Es geht um die Kettenduldungen und die Frage, ob man diese abschaffen sollte. Von der Opposition wird immer wieder behauptet, eine zentrale Zielsetzung des Zuwanderungsgesetzes sei die Abschaffung der so genannten Kettenduldungen gewesen, und dieses Ziel sei nicht erreicht worden. In diesem Zusammenhang wird dann auch immer wieder eine angeblich restriktive Verwaltungspraxis des Innenministeriums behauptet, insbesondere soweit es um die Anwendung des § 25 des Aufenthaltsgesetzes geht. Beide Vorwürfe sind unberechtigt. Die pauschale Behauptung, Ziel des Zuwanderungsgesetzes sei, Kettenduldungen abzuschaffen, wird, auch wenn man sie ständig wiederholt, eben nicht richtig.

Richtig ist vielmehr nach den Regelungen des Aufenthaltsgesetzes Folgendes: Kann der Ausländer nicht abgeschoben werden und ist ihm auch die freiwillige Ausreise nicht möglich, kann er eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Er soll nicht weiter nur eine Duldung bekommen. Reist er aber, obwohl er ausreisen könnte, nicht aus, steht gerade dieses Verhalten der Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegen. Genau so will es das Gesetz, und genau so wird in BadenWürttemberg verfahren.

Eine Regelung, die nur und ausschließlich auf einen langjährigen Aufenthalt abstellt und die Frage der Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise unberücksichtigt lässt, hat gerade keinen Eingang in das Zuwanderungsgesetz gefunden. Dies müssen wir endlich einmal zur Kenntnis nehmen.

Frau Kollegin Utzt, ein weiterer Punkt ist die Altfallregelung. Zunächst einmal: Der Stand der Diskussion in der Innenministerkonferenz ist ja bekannt. Auch in der Sitzung vom Dezember des letzten Jahres haben wir uns nicht auf eine Altfallregelung verständigen können. Der Berliner Koalitionsvertrag sieht vor, dass das Zuwanderungsgesetz anhand der Anwendungspraxis evaluiert werden soll und dass dann auch geprüft werden soll, ob eine befriedigende Lösung des Problems erreicht worden ist und ob die humanitären Probleme, etwa mit Blick auf in Deutschland aufgewachsene Kinder, gelöst sind. In diesem Zusammenhang hat die Innenministerkonferenz die Einrichtung einer länderoffenen Arbeitsgruppe auf Ministerebene beschlossen, die sich mit der Gesamtproblematik befasst und dann gegebenenfalls auch Verfahrensvorschläge entwickelt.

Pro- und Kontraargumente bezüglich einer Altfallregelung sind bekannt und ausgetauscht. Ich will dazu nur sagen: Die Situation der Betroffenen ist unstreitig ein sehr wichtiger Aspekt. Dies gilt insbesondere dann, wenn Kinder hier geboren oder aufgewachsen sind. Aus meiner täglichen Arbeit kenne ich die menschlich teilweise sehr schwierige Situation. Und dass die Entscheidung über Aufenthaltsrecht oder Aufenthaltsbeendigung für die Betroffenen eine sehr weit reichende Bedeutung hat, ist ja auch klar.

Was die Entscheidung aber schwierig macht, ist die Tatsache, dass ein langjähriger Aufenthalt nur eine Seite der Medaille darstellt und dass auch noch eine andere Seite mit weiteren Aspekten in die Waagschale zu legen ist. Betroffen sind zumeist abgelehnte Asylbewerber. Ihnen allein wegen des bisherigen Aufenthalts und der damit ja fast zwangsläufig verbundenen Eingewöhnung in die deutschen Lebensverhältnisse ein Aufenthaltsrecht einzuräumen wäre letztlich das Gegenteil dessen, was mit dem Zuwanderungsbegrenzungsgesetz eigentlich gewollt war.

Altfallregelungen nähren die Hoffnung, jahrelanger, auch nicht rechtmäßiger Aufenthalt führe letztlich doch zu einem Aufenthaltsrecht. Dies animiert andere, ihrer Ausreisepflicht ebenfalls nicht nachzukommen. Davon geht ganz zweifellos eine Anreizwirkung aus. Wir verzichten mit Altfallregelungen auch auf die Einhaltung des ansonsten geltenden Rechts. Die Dummen wären am Ende die Rechtstreuen,

(Abg. Zimmermann CDU: So ist es! – Abg. Blenke CDU: Das kann nicht sein!)

also diejenigen, die ihrer gesetzlichen Ausreisepflicht nachgekommen sind und die jetzt – teilweise unter schwierigen Bedingungen – wieder in ihrem Herkunftsland leben.

(Abg. Blenke CDU: Sehr gut!)

Ein letzter Aspekt: Wenn auf das Schicksal der minderjährigen, hier geborenen oder aufgewachsenen Kinder abgehoben wird, die nicht für das Verhalten ihrer Eltern bestraft werden dürften, dann kann ich dazu nur sagen: Wenn den Kindern ein Bleiberecht eingeräumt wird, profitieren davon ganz zwangsläufig auch die Eltern,

(Abg. Inge Utzt SPD: Selbstverständlich!)

selbst wenn sie die Aufenthaltsbeendigung jahrelang verhindert haben. Eine Regelung, die nur die minderjährigen Kinder begünstigt, gibt es nicht.

Meine Damen und Herren, ich will, wie ich es schon im Ausschuss getan habe, die schwierige Arbeit der Härtefallkommission ausdrücklich würdigen. Das Engagement jedes einzelnen Mitglieds ist außerordentlich hoch, schon in zeitlicher Hinsicht. Hinzu kommt – darauf wurde zu Recht hingewiesen – die psychische Belastung, die umso größer ist, je mehr man sich in die Einzelfälle vertieft. Die Kommissionsmitglieder tun dies mit großem Engagement, und die zahlreichen Fälle, in denen sie humanitäre Lösungen gefunden haben, rechtfertigen schon jetzt die Feststellung, dass diese Kommission außerordentlich erfolgreich arbeitet. Ich danke der Kommission für diese Arbeit.

Warten wir ab, wie sich die Dinge entwickeln, und warten wir ab, was die Evaluation des Zuwanderungsrechts an sonstigen Möglichkeiten noch aufzeigt, um zu darüber hinausgehenden Lösungen kommen zu können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Innenausschusses, Drucksache 13/5142.

Wer dieser Beschlussempfehlung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Beschlussempfehlung ist bei zahlreichen Enthaltungen mehrheitlich zugestimmt.

Damit ist Punkt 9 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu der Mitteilung des Rechnungshofs vom 16. Dezember 2005 – Beratende Äußerung zu Organisation, Wirtschaftlichkeit und Personalbedarf der Landesoberkasse Baden-Württemberg – Drucksachen 13/4987, 13/5148

Berichterstatter: Abg. Junginger

Hierzu ist keine Aussprache vorgesehen.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, Drucksache 13/5148, zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Beschlussempfehlung ist einstimmig zugestimmt.

Damit ist Punkt 10 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu der Mitteilung der Landesregierung vom 4. Januar 2006 – Bericht der Landesregierung zu einem Beschluss des Landtags; hier: Denkschrift 1999 des Rechnungshofs zur Landeshaushaltsrechnung von BadenWürttemberg für das Haushaltsjahr 1997 (Nr. 18) „Die Einheitsbewertung des Grundbesitzes“ – Drucksachen 13/5029, 13/5153

Berichterstatter: Abg. Clemens Winckler

Auch zu diesem Tagesordnungspunkt ist keine Aussprache vorgesehen.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, Drucksache 13/5153, zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Beschlussempfehlung ist einstimmig zugestimmt.

Damit ist Punkt 11 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf: