(Beifall bei den Grünen – Abg. Drexler SPD: Und zwar von klein auf! – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das stimmt! Da gebe ich Ihnen Beifall!)
Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Deswegen, Herr Kultusminister, sollten Sie sich solche altkonservativen Polemiken in unsere Richtung wie „Sie meinen, der Mensch beginnt erst mit dem Abitur“, wirklich verkneifen. Das ist einfach Quark.
Darum geht es überhaupt nicht, sondern es geht darum – das können Sie beim Besuch jeder Lehrlingsausbildungsstätte feststellen; ich habe letztens eine besucht –, dass es Hauptschüler angesichts der Knappheit der Ausbildungsplätze immer schwerer haben, selbst in einem Handwerksberuf eine Ausbildung zu bekommen. Das ist doch eine Tatsache.
(Abg. Drexler SPD: Wenn überhaupt! – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Deswegen gehen die Kammern jetzt da hinein! – Abg. Drexler SPD: 30 000 Ar- beitsplätze fehlen doch bei uns!)
Also müssen wir alles dafür tun, das, was uns die moderne Bildungsforschung sagt und was uns Erfahrungen aus Ländern sagen, die beim PISA-Test erfolgreich waren, umzusetzen. Individuelle Förderung ist das A und O eines erfolgreichen Schulsystems
und nicht Ihre Sortiererei im dreigliedrigen Schulsystem. Darauf kommt es an. Ich behaupte noch einmal: Die Durchlässigkeit in unserem allgemein bildenden Schulsystem
(Abg. Drexler SPD: Jetzt meldet sich der Minister noch einmal! Da wird es mit unserem Empfang nichts mehr! Dann muss ich mich auch wieder mel- den!)
Das, was Sie mit dem G 8, was Sie mit der zweiten Fremdsprache schon in Klasse 6 oder 5 machen, wird die Durchlässigkeit noch weiter vermindern. Den einzigen wirklich relevanten Bypass haben wir über das berufliche Schulwesen. Da haben auch Schüler aus den Realschulen noch eine reale Chance, das Abitur zu machen. Aber auch an den beruflichen Schulen, Herr Kultusminister, landen die Migrantenkinder hauptsächlich im Berufsvorbereitungsjahr
und haben nicht wirklich die Chancen, die das berufliche Schulwesen bietet, zumal gerade im beruflichen Schulwe
sen die meisten Stunden ausfallen und wir dort den größten Lehrermangel haben. Das können Sie nicht bestreiten.
Ich betone noch einmal – unsere schulpolitische Sprecherin hat das immer wieder betont; aber da haben Sie nur immer gefeixt –: Natürlich ist es Ihnen gelungen, das dreigliedrige Schulsystem in den letzten Jahrzehnten zu optimieren.
Aber jetzt ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Deswegen sagen wir: Jetzt ist ein Systemwechsel erforderlich. Das ist genau das, was die Zeit erfordert. Diese Begabungstypen, auf denen das dreigliedrige Schulsystem aufbaut, sind längst widerlegt. Sie existieren faktisch nicht. Sie sind ein Relikt aus der Ständegesellschaft. Was wir heute brauchen – das zeigen die freien Schulen, die das erfolgreich machen –,
ist ein integratives Schulsystem, in dem Kinder nach ihrer Begabung individuell gefördert werden. Es ist doch nicht ohne Grund, dass die Waldorfschulen dreimal so viel Anmeldungen haben, wie sie aufnehmen können. Das ist ein Schulmodell, das mit Erfolg
Kinder sehr viel länger zusammen unterrichtet, um ihnen innerhalb einer Schule unterschiedliche Bildungsabschlüsse zu ermöglichen. Das ist, glaube ich, genau das, was wir in Zukunft brauchen.
So gut wie alle PISA-Länder zeigen uns, dass es der richtige Weg ist, den Schulen mehr Selbstständigkeit zu geben,
Schülerinnen und Schüler länger gemeinsam zu unterrichten und sie individuell zu fördern. Dieser Systemwechsel ist notwendig. Beginnen Sie ihn mit uns von unten nach oben. Ermöglichen Sie einfach auch nach dem Schulgesetz die Wahlfreiheit für die Schulen. Ihnen haben neun Bürgermeister aus Südbaden geschrieben, die solche Regionalschulen, die in diese Richtung gehen, die wir angesprochen haben, wollen. Dazu gab es nur eine brüske Ablehnung von Ihnen, Herr Kultusminister, obwohl diese Bürgermeister eher Ihr Parteibuch haben als meines.
Man sieht also, auch aus der Gesellschaft selbst kommt der Druck. Bewegen Sie sich endlich! Dann kommen wir zu klaren Reformschritten anstatt des Chaos, das Sie der Öffentlichkeit heute hier dargeboten haben.
Herr Kollege Kretschmann, es ist unbestritten – da gibt es auch gar keinen Widerspruch zwischen uns –, dass wir alles dazu tun müssen, damit die soziale Herkunft nicht über die Zukunft entscheidet.
Das, was wir im Bildungswesen dazu beitragen können, sind wir den Kindern und Jugendlichen schuldig. Es ist auch nicht zu bestreiten, dass ein Weg dazu über die individuelle Förderung geht. Was ich aber bestreite, ist, dass wir den Systemwechsel brauchen, wie Sie sagen.
(Abg. Zeller SPD: Das hängt doch damit zusam- men! Er hat es immer noch nicht kapiert! – Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)
Ich habe vorhin Professor Prenzel zitiert. Ich kann ein weiteres Zitat aus diesem Interview anfügen. Prenzel sagt:
Mir fehlen einfach die Belege dafür, dass nur ein anderes Schulsystem Besserung und mehr Gerechtigkeit bringt. Deswegen suche ich nach Lösungen, die näher am Lernprozess dran sind.
Mit den neuen Bildungsplänen haben wir die Voraussetzung dafür geschaffen, dass an den Schulen noch mehr Verantwortung wahrgenommen wird und man sich noch konkreter darauf konzentrieren kann, wie man dem Förderbedarf der Schülerinnen und Schüler, die ganz konkret an der jeweiligen Schule sind, gerecht werden kann.
Wir müssen alles tun, damit diese neuen Bildungspläne umgesetzt werden. Sie sind das Herzstück aller Reformen in den letzten Jahren. Lassen Sie uns lieber gemeinsam hieran arbeiten, anstatt dass Sie uns hier immer wieder solche ideologisch geprägten Argumente an den Kopf werfen. Das sind ideologisch geprägte Debatten.
(Abg. Zeller SPD: Sie sind doch der Oberideologe! – Abg. Kretschmann GRÜNE: Das hat mit Ideolo- gie nichts zu tun! Das ist falsch!)