Dann noch etwas: Was uns jetzt ganz stutzig macht, ist, dass Sie die Zahl von 8 000 Lehrerstellen, die aufgrund zurückgehender Schülerzahlen frei werden, heute nicht wiederholen. Ich sage Ihnen jetzt: In der „Badischen Zeitung“ vom 21. Februar stand: „Land will 8 000 frei werdende Stellen in den Schulen umschichten“. Wir haben uns gestern – am 21. Februar – erkundigt, und Frau Kister von der „Badischen Zeitung“ hat gestern ausdrücklich bestätigt, dass Minister Rau am vergangenen Freitag, dem 17. Februar, auf einem Bildungsforum die Zahl 8 000 rechnerisch frei werdender Stellen genannt hat.
Jetzt frage ich: Warum wurden diese Stellen gestern nicht genannt, und warum erwähnen Sie sie hier nicht? Was wird da wieder vorbereitet? Sie haben uns auch immer noch nicht die Frage beantwortet, Herr Minister, was denn bei den 200 Ganztagsschulen passiert, die es jetzt gibt.
Wir haben zurzeit 200, gebaut mit Mitteln des Bundesprogramms. Dieses Jahr kommen weitere hinzu. Was ist denn mit denen? Die bekommen jetzt gar nichts. Sie haben letztes Jahr schon nichts bekommen, und sie bekommen dieses Jahr auch nichts. Sie können gar nichts bekommen, weil die Schülerzahlen, wenn überhaupt, erst 2008 oder 2009 zurückgehen. Dann kommt etwas herein. Aber dann gibt es ja andere Verpflichtungen.
Deswegen: Sagen Sie uns doch einmal die Zahl! Dann kann das Parlament darüber debattieren, ob das, was Sie machen, sinnvoll ist.
Wir sagen: Wir müssen zusätzliches Geld in die Hand nehmen, um den Ganztagsschulen jetzt die Möglichkeit zu geben, ihr pädagogisches Personal einzurichten.
Die Frage nach den 8 000 stellen wir noch einmal, und wir wollen heute auch wissen, was bei den 200 jetzt bestehenden Ganztagsschulen passiert. Sie beantworten diese Fragen nicht, und ich kann deshalb nur sagen: Sie haben dafür offensichtlich kein Konzept.
Ich möchte noch einmal darauf zurückkommen: Es ist immer das Gleiche: Sie machen aus einer bildungspolitischen Debatte, in der es um Chancen geht, eine reine Debatte über die Zahl von Lehrerstellen.
Jetzt will ich Ihnen noch etwas sagen: Sie sind ziemlich nervös. Warum? Weil der Ministerpräsident zu Recht nicht ständig irgendwelche Konzepte am grünen Tisch entwickeln lässt, sondern sich mit denen, die für den Betreuungsteil zuständig sind – und zwar im Kindergarten und in der Schule –, nämlich Vertretern der Kommunen, zusammengesetzt und gesagt hat: Lasst uns nicht ständig schwarze Peter hin- und herschieben, sondern lasst uns einmal gemeinsam eine langfristige Perspektive entwickeln, bei der man sich über die Finanzierung klar ist und bei der man sich, zum Beispiel bei der Fort- und Weiterbildung von Erzieherinnen, einigt. Dazu gab es ja am Anfang völlig unterschiedliche Vorstellungen, und dann hat man sich geeinigt.
und nicht wie der Bund irgendwelche Programme machen und dann sagen: „Schaut einmal, wie ihr damit zurechtkommt“, sondern eine langfristige Perspektive aufzeigen,
Punkt 2: Was Sie gerne Chaos nennen, heißt für mich schlicht und einfach: mehr ermöglichen, mehr Vielfalt zulassen.
Ich weiß schon, dass Sie in allen Bereichen gern alles planwirtschaftlich vorgeben, damit es überall gleich geregelt werden soll.
Nein: Ganztagsschule wird in Biberach möglicherweise anders funktionieren müssen als in Stuttgart-Mitte.
Das müssen Sie halt einmal zur Kenntnis nehmen. Verantwortlich vor Ort ist der Schulträger – das ist nun einmal die Kommune –, sowohl was das Raumprogramm anbetrifft als auch das pädagogische Konzept. Der Leiter der Schule entscheidet unter Einbeziehung der Eltern, wie das pädagogische Konzept entwickelt und umgesetzt wird. Das ist für mich kein Chaos, sondern endlich einmal Freiheit für eigenverantwortliche Entscheidungen der Schulen vor Ort.
Wenn Sie fordern, Strukturen seien zu verändern, sage ich Ihnen einmal, was ich letzthin von einem Lehrer gehört habe. Nach der Bildungsplanreform und allem, was wir da gemacht haben, meinte er: „Jetzt hört endlich einmal mit den strukturellen Änderungen auf, und lasst uns auf dieser Basis einmal etwas entwickeln!“ Denn wer einen Acker ständig umpflügt, wird nicht irgendwann einmal ernten können. Jetzt müssen wir uns einmal die Zeit nehmen, das wachsen und sich entwickeln zu lassen.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Kleinmann FDP/ DVP: Sehr schön! Fast biblisch! – Zurufe von der SPD)
Letzter Punkt: Es ist wieder typisch, dass Ihnen die Phase, in der sich Bildungschancen entscheiden – nämlich schon lange vor dem Schuleintritt –,
heute offensichtlich kein Thema wert ist. Ich finde, dass es richtig ist, wenn wir der Implementierung des Orientierungsplans in die Kindergartenarbeit jetzt gemeinsam mit den Kommunen verstärkt Aufmerksamkeit widmen. Auch da bitte ich Sie, einmal zur Kenntnis zu nehmen: Nicht nur die Erzieherinnen, die einen wissenschaftlichen Begleiter an ihrer Seite haben, setzen den Orientierungsplan um. Damit diskreditieren Sie eine ganz große Zahl hoch motivierter Erzieherinnen und Erzieher.
(Abg. Drexler SPD: Wer diskreditiert denn? – Abg. Marianne Wonnay SPD: Von Ihnen fordern wir et- was, von der Landesregierung!)
Wenn Sie im Wahlkreis unterwegs sind, Kollege Kretschmann, werden Sie feststellen, dass zum Beispiel in Neckartailfingen der Bürgermeister zusammen mit den Eltern und der Verwaltung externe Beraterinnen vom KVJS geholt hat und die Umsetzung des Orientierungsplans bei der Bedarfsentwicklung mit beschleunigt hat. Sie sehen: Da passiert sehr viel mehr, als Sie mit Ihren immer nur auf bestimmte Zahlen fixierten Diskussionen hier erreicht haben.
Ich bin froh, dass wir die Familienpolitik und die Bildungspolitik vor Ort sehr viel besser gestalten können, als Sie es sich in der Vergangenheit vielleicht vorgestellt haben.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Ursula Hauß- mann SPD: Tosender Beifall! – Abg. Drexler SPD: Keine Antwort! – Abg. Capezzuto SPD: Da kann man nur sagen: Er hat nicht gebohrt! – Heiterkeit bei der SPD – Zuruf des Abg. Drexler SPD)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Noll, wenn ich heute Ihre Reden höre, fällt mir das Lied ein: „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“.
(Heiterkeit bei den Grünen und der SPD – Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Mit Freiheit haben Sie es nicht so arg! Das weiß ich schon!)
Vorhin haben Sie von Schulsozialarbeit herumschwadroniert und sinniert, was man bei künftig wegfallenden Lehrerstellen tun kann. Sie haben die Schulsozialarbeit doch auf null zusammengestrichen, Herr Kollege Noll!
(Unruhe – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Wenn man es vor Ort braucht, kann man – statt Lehrerstellen – Schulsozialarbeit machen!)