Die Verfassung gibt vor, dass den Schulen in freier Trägerschaft eine ausreichende Lebensgrundlage zu gewähren ist. Diese Lebensgrundlage werden wir weiter verbessern. Die erste Stufe ist genommen. Weitere werden folgen. Die Gesetzesänderung ist die Basis hierfür. Dafür steht die CDUFraktion.
Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Was sind Schulen in freier Trägerschaft? Schulen in freier Trägerschaft – das sind Eltern, Kirchen, Waldorfschulen, erwachsene Menschen auf beiden
Seiten, die sich für die Kinder und Jugendlichen, die diese Schulen besuchen, einsetzen. Sie bekommen ihr Geld auf der Grundlage des Privatschulgesetzes von Baden-Württemberg.
Wenn wir nach langen Debatten heute, am letzten Plenartag dieser Legislaturperiode, noch einmal über die Finanzierung von Schulen in freier Trägerschaft sprechen, möchte ich doch noch einmal die Frage aufwerfen: Mit welcher Begründung bekommen diese engagierten Menschen in Baden-Württemberg weniger Geld zur Verfügung als die öffentlichen Schulen? Seit 15 Jahren wird in diesem Landtag darüber debattiert, dass die Schulen in freier Trägerschaft wesentlich schlechter gestellt seien und etwas getan werden müsse. Es sind Berechnungen aufgestellt worden, die jetzt im Bruttokostenmodell ihren Ausfluss finden. Aber die tatsächliche Finanzierung von Schulen in freier Trägerschaft, vor allem im allgemein bildenden Bereich, hat sich in diesen 15 Jahren in Baden-Württemberg realiter verschlechtert und nicht verbessert. Diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen.
Wenn in den letzten Wahlkämpfen, die ich ja zum Teil selbst erlebt habe, nicht genau das Gleiche passiert wäre, Frau Lazarus – dass es politische Zusagen gegeben hat, dass in der nächsten Legislaturperiode alles anders werde –, dann hätten wir Ihnen an dieser Stelle vielleicht ein Stück entgegenkommen und sagen können: Gut, wir glauben Ihnen das. Aber die Tatsache, dass seit 15 Jahren in jedem Wahlkampf die Schulen in freier Trägerschaft aufstehen – in der Liederhalle waren im vergangenen Jahr 5 000 Leute, die dagegen protestiert haben, dass die Schulen in freier Trägerschaft in Baden-Württemberg unterfinanziert sind –, können Sie hier nicht einfach vom Tisch wischen.
Aber wenn man behauptet – wie Herr Noll es heute Morgen getan hat –, dass die Förderung der Ganztagsschulen, die in Baden-Württemberg jetzt angeblich kommen soll, auch dem Privatschulbereich zugute kommen wird – die Privatschulen sind bei diesem Thema ja vorbildlich –, dann muss man zuletzt doch wirklich konstatieren, dass die Schulen in freier Trägerschaft hier bei den Regierungsfraktionen äußerst schlechte Fürsprecher haben. Denn wenn man sich hier hinstellt und die Tatsachen nicht kennt und dann irgendetwas behauptet, dann schadet man den Leuten, für die man Politik machen will.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Auf jeden Fall kennen Sie die Tatsachen nicht!)
Im Bruttokostenmodell ist die Ganztagsschule – im Gegensatz zu dem, was Herr Dr. Noll, Ihr Fraktionsvorsitzender,
Frau Berroth, zum Tagesordnungspunkt 1 gesagt hat – in keiner Weise berücksichtigt. All die Schulen in freier Trägerschaft, die von sich aus in den Ganztagsbetrieb gegangen sind, finanzieren das aus eigenen Mitteln. Das Land Baden-Württemberg lässt sie, wie alle anderen Schulen, an dieser Stelle allein.
Ich komme zu unserem Antrag. Ein Gesetz regelt die Finanzierung. Was hier immer als Popanz aufgebaut wird mit dem Argument, wir würden Haushaltsentscheidungen vorgreifen, ist an Lächerlichkeit eigentlich nicht zu überbieten. Wir, das Parlament, sind hier der Souverän, der Gesetze festlegt und damit auch die konkrete Absichtserklärung darüber beschließt, was wir den Schulen in freier Trägerschaft in der nächsten Zeit an Finanzierung zukommen lassen wollen. Das ist nicht an Legislaturperioden gebunden.
Sie können den Anträgen der SPD zustimmen und Ihren Lippenbekenntnissen wirklich Taten folgen lassen. Ich lade Sie dazu ein, damit diese unendliche Geschichte „Versprechen im Wahlkampf, nichts getan während der Legislaturperiode“ endlich ein Ende findet und wir uns anderen Themen widmen können.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Herr Kultusminister hat es heute Morgen schon zu Recht angesprochen: Wir sind in BadenWürttemberg stolz auf die Vielfalt der Bildungswege. Für gerechte Bildungschancen für alle – um die es ja heute Morgen ging – brauchen wir nicht nur die Angebote des staatlichen Schulwesens, sondern dringend auch die Angebote der Schulen in freier Trägerschaft, weil es einfach Kinder gibt, die mit dem staatlichen Schulsystem nicht klarkommen – das muss man benennen –, und weil es auch Eltern gibt, die ihre Kinder in eine andere Schule schicken wollen. Dieser Freiraum ist ja bei uns durchaus auch grundgesetzlich gegeben.
Zur Bildungsvielfalt gehört zum einen die Vielfalt der Träger. Auch das wurde schon angesprochen. Es gibt kirchliche Träger, es gibt bestimmte pädagogische Angebote bis hin zu speziellen Elterninitiativen. Dazu gehört weiter die Vielzahl der Schularten. Es gehören nämlich zu den Schulen in freier Trägerschaft eben nicht nur die allgemein be
kannten allgemein bildenden Schulen, sondern auch Fachschulen, zum Beispiel für Sozialpädagogik, Altenpflegeausbildung, Erzieherinnenausbildung, Fachschulen für Technik, die Berufsfachschulen und Berufskollegs. In diesen Schulen hat die Schülerzahl in der letzten Zeit massiv zugenommen, und das finde ich positiv.
Übrigens wurde heute Morgen die Kürzung bei den Abendgymnasien und Abendrealschulen angesprochen. Erstaunlicherweise hat dort trotzdem die Schülerzahl zugenommen. Dieser ergänzende Hinweis hat heute Morgen gefehlt. Es kann also nicht so sein, dass nur die Kosten eine Rolle spielten.
Das finde ich durchaus ein positives Ergebnis. Nach den Zahlen des Statistischen Landesamts waren in Baden-Württemberg im Schuljahr 2004/2005 9,7 % der Schulen in freier Trägerschaft; ihre Schülerquote lag bei 7,6 %, weil diese Schulen in der Regel ja etwas kleiner sind. Ganz besonders gut steht Baden-Württemberg übrigens bei der Anzahl der Waldorfschulen da. Da haben wir mit 21 000 Schülern bei weitem die größte Zahl.
(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Das liegt aber jetzt nicht an der Landesregierung, das müssen Sie zuge- ben! Mit der Landesregierung hat das gar nichts zu tun!)
Die Schulen in freier Trägerschaft haben, wie ich bereits erwähnte, andere pädagogische Ansätze. Sie sind entweder anthroposophisch ausgerichtet wie die Waldorfschulen oder christlichen Werten besonders verpflichtet, oder es handelt sich um pädagogische Reformschulen. Die Schulen in freier Trägerschaft sind vielfach Vorreiter. Dinge, die dort erarbeitet, für positiv befunden und daraufhin eingeführt werden, sind häufig vom staatlichen Schulwesen übernommen und adaptiert worden. Dies gilt zum Beispiel für den integrativen Unterricht für Kinder mit Behinderung oder für ganz bestimmte berufliche Angebote, die es zum Teil im staatlichen Schulwesen gar nicht gibt. Da muss übrigens das Bruttokostenprinzip mit Hilfsgrößen arbeiten. Aber auch das haben wir geschafft.
Es ist spannend, zu schauen, wie es in anderen Ländern der EU aussieht. In Belgien beispielsweise sind 50 % der Schulen in freier Trägerschaft, in den Niederlanden sogar 70 %. Das streben wir gar nicht an; das ist ein anderes System.
Deshalb ist es wichtig, dass sie eine gute Förderung bekommen. Damit es aber nicht falsch verstanden wird: Wir wollen auch ein gutes staatliches Schulwesen. Die staatlichen Schulen können von den Schulen in freier Trägerschaft lernen, zum Beispiel bei einem ganz besonderen Punkt, nämlich dem Elternengagement. Das ist in den freien Schulen besonders gut ausgeprägt. Ich weise oft und gern darauf hin: Auch bei den staatlichen Schulen sind eben das die guten Schulen, in denen Eltern sich engagieren
und zusammen mit Lehrern und Schülern Schule gemeinsam gestalten. Da kommen die besten Lernerfolge zustande.
Das Bruttokostenmodell bedeutet eben durchaus, dass sich Verbesserungen in den staatlichen Schulen positiv auf die Schulen in freier Trägerschaft auswirken. Frau Kollegin Rudolf, ich kann Ihnen einmal Nachhilfe im Rechnen erteilen.
Es ist so: Wenn es in staatlichen Schulen mehr Ganztagsangebote gibt, dann wird das Auswirkungen auch auf die freien Schulen haben. Denn die Kosten für Schüler an staatlichen Schulen steigen insgesamt entsprechend, und das geht in die Berechnung der Bemessungsgrundlage ein.